Mitglied
- Beitritt
- 19.03.2025
- Beiträge
- 1
- Anmerkungen zum Text
Hallo ihr lieben,
das ist mein erstes Projekt. Ich habe einfach nach Gefühl geschrieben. Bitte seid sanft 😄Ich freue mich über eure Kritik.
Bis es ruhig wird
Mara ist unruhig. Sie spürt die Unruhe in ihrer Brust, in der es sich anfühlt, als wenn ihr Herz Flügel bekäme und anfinge zu flattern. Ihre Atmung wird schneller, und in ihren Beinen spürt sie, wie die Nerven in ihren Waden zucken, gestreckt und gedehnt werden wollen, wie sie sich ständig bewegen, und aufstehen, etwas spüren wollen.
Dass sie diese Beobachtung ihres Körpers so genau einordnen kann, hat sie aus der Behandlung mit einer Heilpraktikerin gelernt. Das war vielleicht das einzig gute, was sie aus den zahlreichen Sitzungen mit der Heilpraktikerin für Psychologie mit genommen hat. Seit dieser Korrespondenz hat sich ihr Zustand sehr verschlechtert. Sie war einmal eine standhafte, spontane, lebensfrohe und witzige Person. Und jetzt? Danach? Ist sie müde. So müde, dass es keine Worte für diese Müdigkeit gibt. Diese Entkräftung ist allgegenwärtig.
Manchmal, wenn Mara sich wie früher fühlt, sich fühlt, wie diese einst lebensfrohe, glückliche Frau, reicht es aus, dass irgendeine Kleinigkeit ihren Rhythmus durcheinander bringt und sie spürt, wie sich die Müdigkeit in ihrem Kopf ausbreitet. Es fühlt sich an, als wenn sich ein Gewicht auf ihr Gehirn legt. So eines, welches sich Sportler um die Gelenke binden, damit sie noch einen zusätzlichen Kick beim Training verspüren. Bei Mara jedoch tritt dieser Kick nicht ein. Im Gegenteil. Zuerst legt sich dieses Gewicht auf ihr Gehirn, es drückt es nach unten, so dass es ganz schmal wird. Kein Raum mehr hat sich komplett auszubreiten und die komplette Kapazität auszunutzen. Danach arbeitet es sich runter zu den Schultern, welche auf einmal ihre Spannung verlieren, runter hängen und schwer werden. Dann wandert diese Ermattung, diese Erschöpfung und Schwere, zum restlichen Körper. Die Beine fühlen sich an, als wenn sie einbetoniert wären. Sie werden so schwer, dass Mara das Gefühl hat, als ob sie keinen einzigen Schritt mehr gehen kann. "Einen Schritt vor den anderen, ein Bein vor das andere." Versucht sie dagegen anzukämpfen.
Man könnte vermuten, dass dieser Zustand ein Gefühl von Widerstandsfähigkeit vermittelt könnte. Aber so leicht ist es nicht.
Als gutes, natürliches Antidepressivum, um die Schwere und Müdigkeit loszuwerden, soll man rausgehen und sich bewegen, hat Mara mal gehört. Aber wie soll man das machen, wenn draußen alles so laut ist. Zu hektisch. "Freiwild ist man da draußen." Zwangsläufig, ist man mit anderen Menschen konfrontiert. Mit ihren Blicken, ihren Bewertungen. Mara kann ja noch nicht mal ihrer eigenen Bewertung entkommen. Wie soll sie sich dann vor denen der Anderen schützen? Sie fragt sich, ob die Fremden vielleicht recht haben. Recht mit dem, was Mara in ihre Blicke interpretiert. Abwertung, Scham, Verachtung.
Die einzige logische Konsequenz die Mara daraus zieht, nicht mehr bewertet zu werden, klingt für sie ganz einfach.
Nicht mehr raus gehen. Sie bleibt einfach immer in der Wohnung. Ein Hoch auf die Digitalisierung. Sie lässt sich den Einkauf nach Hause liefern, arbeiten kann sie schon lange nicht mehr. Weil Bewegung ja gegen Depression helfen soll, hat sie sich ein Laufband bestellt. Also welchen Grund hätte sie noch, sich der Außenwelt auszusetzen? Somit hat sie sich ihr Leben so arrangiert, dass es für sie gut funktioniert.
Wenn da nur nicht diese Unruhe wäre.
Diese elendige Unruhe. Was soll sie damit? Was will ihr Körper ihr damit sagen? Mara hat schon so vieles ausprobiert.
Zuerst, hat sie regelmäßig Sport in einem Fitnessstudio gemacht. Aber da war wieder dieses Problem mit den Menschen. Und zudem ist es auch echt anstrengend. Und wenn man eh schon seine volle Aufmerksamkeit und Energie ins Atmen und Existieren stecken muss, dann ist da kein Platz mehr, für das schwitzen, das keuchen, das pressen und heben. Und immer darauf achten, dass der Rücken gerade ist und der Bauch angespannt. Viel zu viele Schritte und Abläufe. Das kann Mara nicht aufrechterhalten.
"Wie wäre es stattdessen mit malen?" Denkt sie sich. Ja, Mara malt gerne. Beziehungsweise, sie malt gerne aus. Um wirklich etwas nach ihren Vorstellungen aufs Papier zu bringen, fehlt ihr die Motorik. Sie stellt sich eine schöne Landschaft vor und auf dem Papier landet wiederum ein Strichmännchen mit einem grünen Blatt. Als wäre sie in der 3. Klasse. Dieses Gefühl fände Mara gar nicht mal so schlimm. Nur leider fehlt eine Wohlwollende Person, die sie dann lobt und positiv bestätigt, so dass sie ihre Kreativität vielleicht verbessern könnte. Übung macht bekanntlich den Meister. Aber zum Glück muss man nicht verzweifeln. Heutzutage hat man ja unzählige Möglichkeiten. Malen nach Zahlen zum Beispiel. "Das ist genau das richtige", denkt sich Mara. "Ich bin nicht verantwortlich für das Motiv und auch nicht für die Farbauswahl. Ich suche mir einfach die Perspektive, auf das fertige Endprodukt aus." Mara ist voller Vorfreude, als sie das Paket mit dem ganzen Material bekommt, was sie für das Projekt benötigt. Ein paar Wochen lang, malt Mara. Geht voll darin auf, bis sie sich eines Tages einem Bild widmet, welches so komplex ist, zu viele Areale beinhaltet, die immer in einer anderen Farbe bemalt werden wollen. Es dauert zu lange, es gibt zu wenig Erfolgserlebnisse, der Fortschritt ist zu gering. Also legt sie es vorerst bei Seite. Natürlich nur so lange, bis sie wieder mehr Energie hat. Mehr Kapazität, um diese vielen kleinen Spalten auszumalen.
Die Suche startet also wieder von vorn. Was soll sie mit dieser Unruhe anfangen? Womit ist diese Unruhe zu bändigen? "Blumen! Ja, natürlich", denkt sich Mara. Sie findet Blumen sehr schön. Sie sind ein Geschenk der Natur. Wachsen direkt vor ihrer Tür, sodass sie noch nicht einmal großartig raus gehen muss und dadurch Gefahr läuft, sich der Außenwelt auszusetzen. Also fängt sie an Blumen zu trocknen und dekoriert ihre Wohnung mit diesen schönem Material.
Aber dieses Monster, diese Unruhe und Leere, diese völlige Einsamkeit die trotzdem an ihr nagt, kann sie nicht in ihren Projekten herauslassen. Für den Moment, wenn sie im Sein der Kreativität ist, im etwas Erschaffen, dann kommt der Dopamin rausch. Aber so schnell wie er gekommen ist, verfliegt er auch wieder und dann fühlt Mara sich wie vorher.
"Aber irgendetwas muss es doch geben. Das kann doch nicht alles sein. Wir leben in einer Zeit, in dem einem alle Türen offen stehen," denkt sich Mara. "Ist es dann nicht viel einfacher, ein Ziel zu haben und es zu forcieren? Andererseits wird einem ja auch oft suggeriert, dass man unter einem zu großen Druck steht und man niemandem gefallen soll. Wozu transportieren Menschen dann die Message "ich habe mir heute etwas gegönnt" oder "ich habe mich heute entspannt, indem ich drei Stunden lang selfcare betrieben habe" Ist das nicht auch Druck? Druck, sich keinen Druck zu machen?" Mara findet keine Antworten auf diese Fragen. Zu komplex, zu unsicher ist sie sich mit dem, was sie dazu fühlen soll.
Die nächste Idee lässt nicht lange auf sich warten. "Etwas töpfern wäre doch super," schießt es Mara in den Kopf. "Ich kann mich lange an einer Tasse, einem Blumenpott oder what ever, erfreuen. Mein Geist und meine Hände sind beschäftigt. Auch für längere Zeit, weil der Ton muss schließlich erst trocknen, ehe ich ihn bemalen kann. Und die Farben brauchen natürlich auch ihre Zeit." Nach drei Anläufen, weil sie es nicht geschafft hat so eine scheiß Tasse zu formen, und schon aufgeben wollte, schaut sie sich ein Tutorial an und auf einmal funktioniert es. "Ja!" denkt sich Mara. "Das ist es jetzt. Das macht mir Spaß und ich habe endlich eine Erfüllung gefunden. Denn, man kann nie genügend Tassen, Schalen und Geschirr haben oder?" Nachdem sie den Ton einen Tag lang an der Luft hat trocknen lassen, versucht sie sich ans bemalen. Mara hat sich sehr darauf gefreut, weil sie einen genauen Plan hatte, wie diese Tasse aussehen soll. Komplett anders, als die restlichen. Krumm und Schief, uneben darf sie sein. Halt perfekt, unperfekt. Mara fängt an den Basecoat aufzutragen und lässt ihn trocknen.Tatsächlich, findet Sie ihr Werk ausgesprochen gut. Sie schaut es sich stolz an. Nachdem die verschiedenen Schichten ein bis zwei Stunden trockneten möchte Mara ihre wunderschöne Tasse lackieren, damit sie versiegelt ist und Mara sie so schnell wie möglich benutzen kann. "Der Kaffee wird daraus besonders gut schmecken." Als sie die fließende Bewegung mit dem Lack bedeckten Pinsel auf die Tasse aufträgt, drückt sie an einer Stelle zu fest auf, und das Metall am Kopf des Pinsels schrammt auf die Farbe und hinterlässt einen Kratzer. "Wird schon nicht so schlimm sein", denkt sich Mara. Jedoch entdeckt sie, dass die Farbe unter dem Kratzer, gar nicht auf der Tasse haftet. Sie kann ihre komplette Arbeit, wie ein Klebeband abziehen. Zwei Tage und drei erneuten Versuchen diese dämliche Farbe irgendwie haftbar zu machen, wirft sie ihre Tasse völlig frustriert in den Müll.
Diese eine Tasse, auf die sie sich so gefreut hat, auf die sie so stolz war, von der sie gedacht hat, sie würde ihr in ihrem Prozess helfen. Sie hatte wirklich Hoffnung auf Besserung, weil sie die Tasse nicht gleich völlig scheisse fand. Weil sie am Ball geblieben ist. Weil Mara sich nicht sofort gehasst hat, nachdem die Tasse nach dem ersten Versuch nichts geworden ist. Sie hat es als Fortschritt gesehen, sanfter mit sich sein zu können. Etwas lernen zu wollen und dann zu beherrschen. Mal irgendwo so viel Disziplin und Engagement hinein zu stecken, dass sie für etwas Talent entwickelt, oder zumindest es nicht als hässlich zu empfinden, es nicht als Zeichen ihrer Inkompetenz ansieht.
So viel Hoffnung und Gefühle hat sie in dieses Projekt investiert. "Scheiß Tasse. Scheiß töpfern. Wer braucht schon unförmiges, schiefes, unperfektes Geschirr?"
Mara atmet voller Frustration ein und aus und spürt dabei, wie ihre Kräfte schwinden. Wann hat sie eigentlich das letzte Mal etwas gegessen? Sie schaut auf die Uhr und bemerkt, wie spät es geworden ist. Sie beschließt sich ins Bett zu legen, um etwas schlaf zu finden.
Aber auch jetzt ist die Unruhe immer noch präsent. Der Körper liegt ruhig da, aber die Gedanken drehen sich. Werden wie ein Strudel, eine Spirale, die nach unten führt. Im Bett wendet sie sich auf die linke Seite. Vergräbt sich in das Kissen und zieht sich ihre Bettdecke bis über die Ohren. "Warum hört dieser Kopf nicht auf zu denken? Er soll still sein."
Die Gedankenspirale beginnt mit den Ereignissen des Tages. Die Tasse, mit der sie ihre ganze Hoffnung in sich selbst gleich mit in den Müll geworfen hat. "Sei nicht so dramatisch" schimpfen ihr die Gedanken zu. Ist sie das? Eine Dramaqueen? Ihre Mutter hat ihr als Kind immer vorgeworfen, dass wenn sie ihren Willen nicht bekam, immer gleich bockig war. In dem gesamten Kontext ihrer Kindheit und so, wie es ihr vermittelt wurde, war das eine negative Eigenschaft. "Aber wer legt eigentlich die Regeln dafür fest? Welches Maß nehmen wir, um unsere Persönlichkeit, und unsere Charakterzüge zu messen?" Okay, vielleicht ist sie ein bisschen dramatisch, oder auch nicht. Wer weiß das schon. Aber wie soll es weiter gehen?
Die Gedanken springen nur so rum. Immer die gleichen. "Bin ich glücklich? Wie werde ich glücklich? Bin ich einsam? Warum fühle ich mich einsam? Bin ich alleine an meinem Zustand schuld? Ist es die Gesellschaft, mein Elternhaus, oder hat vielleicht niemand Schuld, oder alle? Gibt es nicht DEN EINEN, dem man ganz allein verantwortlich machen kann, sondern sind es viele, wenn nicht sogar alle zusammen?" Mara dreht sich nun auf die rechte Seite. Meistens kann sie auf dieser Seite besser einschlafen. "Sei still, sei doch endlich still." Aber ihr Kopf, und ihre Gedanken hören nicht auf. Sie bohren immer weiter.
"Wie schön wäre es, wenn ich jetzt nicht alleine hier liegen würde. Einen anderen Körper spüren könnte, spüren dass er atmet, lebt und warm ist. Wenn ich Liebe und Geborgenheit spüren könnte. Das fehlt mir. Das würde mir jetzt helfen. Mich erden." Aber gleichzeitig, stellt Mara sich vor, wie es sich anfühlen würde. Sie würde dadurch, gezwungener Maßen auch ihren eigenen Körper spüren müssen. Spüren , wie ein fremder Arm schwer auf ihrem Bauch liegt. Wie die Hand, die nicht zu ihrem Körper gehört, ihre Taille streichelt. Dabei will sie ihren eigenen Körper doch gar nicht spüren. Er soll lediglich Mittel zum Zweck bleiben. Sie von A nach B bringen, ihr nützlich sein. Nicht mehr und nicht weniger. "Dein Körper ist dein Tempel. Was soll das bedeuten?" Warum soll sie etwas gut behandeln, was nicht so uneingeschränkt aussehen darf, wie sie es möchte? Welcher immer bewertet wird, Verurteilung mit sich bringt. Was, wenn er nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht und dadurch gehasst wird? Von ihr? Von den anderen? Sie schüttelt den Kopf. "Diese Gedanken sind doch gerade nicht wichtig. Oder doch?
Nicht für jetzt. Für Morgen." Morgens sind die Gedanken noch nicht so negativ. Es besteht immer ein Funke Hoffnung, dass Mara den kommenden Tag so beeinflussen kann, dass er die Chance besitzt, ein guter Tag zu werden.
Mit dieser Vorstellung, und der Hoffnung die bleibt, schläft Mara ein. Kann dem Gedankenstrudel schließlich entkommen. Wenn sie in die Traumwelt hinüber gleitet, kehrt endlich Ruhe in ihren Kopf.
Aber nicht in ihr Unterbewusstsein. Die Träume sind stressig und ohne Struktur. Mara fühlt sich gejagt, überfordert, und in einem Zustand der Ohnmacht. So hilflos, und wehrlos, keinen Ausweg finden zu können.
Als Mara aufwacht, ist ihre Atemfrequenz erhöht. Sie öffnet die Augen und macht sich ihrer Position im Raum bewusst. Nimmt bewusst wahr, wo sie sich befindet. In ihrem Schlafzimmer, in ihrem Bett. Langsam kann sie sich beruhigen, ihre Atmung wird langsamer, und sie kommt im hier und jetzt an. Vor ihrem Fenster hört sie das Zwitschern der Vögel. Es sind Blaumeisen, die wild von einem Busch zum anderen flattern, und geschäftig nach Futter und Material für ihr Nest suchen. Der Gedanke an ein Nest lässt Mara ein wohlig, warmes Gefühl in der Brust ausbreiten. Es hat etwas heimisches und geborgenes. Wie eine Decke, die sich auf einen legt. Warm und schwer. Wie ihre Bettdecke, unter der sie sich gerade befindet. Mara schafft es nicht die Augen offen zu halten. Hat keine Energie, ihren Gedanken weiter zu folgen. Sie ist ihnen schon so lange gefolgt. Die Träume sind zwar aufreibend, aber sie muss sich erst mit ihnen auseinandersetzen, wenn sie wach ist. Somit schließt sie erneut die Augen und schläft wieder ein. Dieses Mal träumt sie gar nichts.
Als sie nach einer Weile wieder ihre Augen öffnet, ist es bereits Abend. Mara fühlt sich benommen. Sie sollte aufstehen und etwas trinken. Dadurch soll der Kopf doch klarer werden. Sie wirft die Decke zur Seite, und schleppt sich in die Küche. "Ein Bein nach dem anderen. Ein Schritt vor den anderen. Atmen nicht vergessen. Kopf nach oben." In der Küche angekommen, nimmt sie ein Glas aus dem Schrank und füllt es voll mit Leitungswasser.
Bevor sie es trinkt, schaut sie hinein und sieht, wie der Kalk darin schwimmt. "Und das soll sauberes Trinkwasser sein? Was schwimmt da alles drin? Reste von Antibiotika, Mikroplastik und wer weiß was noch alles, von dem uns niemand etwas berichtet." Mara trinkt das ganze Glas auf anhieb aus. Als sie spürt, wie die kühle Flüssigkeit ihre Kehle hinunter läuft, fragt sie sich, was das Leben noch für einen Sinn hat? Was hält es für sie bereit? Was ist der Plan, der hinter allem steckt? Gibt es so etwas überhaupt? Mara hat sich immer für die Menschen gefreut, die sich einer Religion, Glaubensrichtung oder Lebenseinstellung zugehörig fühlen. Das gibt einem Sicherheit. Man hofft auf etwas übergeordnetes, womit wir uns die Fragen der Welt beantworten können. Etwas, worauf wir uns berufen können, wenn wir nicht weiter wissen. Aber Mara konnte sich so etwas nie vorstellen. Sie hat die Dinge angenommen, wie sie kamen. Leider viel zu oft, nicht sehr positiv. Maras ganzer Körper steht wie versteinert in der Küche, schaut in das leere Glas. Die Unruhe ist entwichen. Keine ungeduldigen Gedanken mehr. Kein Anlass, der sie dazu zwingt produktiv zu sein. Irritiert stellt sie das Glas zu dem restlichen schmutzigen Geschirr in die Spüle, und trottet ins Schlafzimmer zurück. Das Bedürfnis sich unter die Decke zu verkriechen, in den Schutz ihres Nest, ist zu groß.
Als der Körper anfängt sich zu entspannen, fühlt es sich an, als ob ihm jegliche Kraft ausgeht. Wie ein Krebs, dessen Haus zu klein geworden ist, es ablegt, um sich ein größeres zu suchen. Aber Mara hat nicht das Gefühl, als ob sie sich eine neue Schale suchen könnte. Worüber soll sich denn noch alles Gedanken machen? Es wird alles zu viel.
Sie will doch nur glücklich sein. "Wie kann die Frage nach Glück in der heutigen Zeit, in einem privilegierten Land so schwierig sein?"
Die Tage verstreifen. Mara ist nur noch selten wach. Die meiste Zeit befindet sie sich in einer Art Delirium. Wie viele Tage vergangen sind, lässt sich nicht mehr eindeutig sagen. Manchmal, kann sie Gespräche durch das geöffnete Fenster, vor ihrem Schlafzimmer aufschnappen. "Leben. Da draußen ist Leben. Ich existiere noch. Komm schon! Aufstehen, Kopf nach oben, atmen."
Mara versucht die Decke zurück zu schlagen, doch was ist mit ihrem Körper? Er fühlt sich steif und schwer an, sodass sie ihn nicht bewegen kann. Zuerst, versucht sie ihre Zehen zu bewegen. Aber sie geben keine Regung von sich. Ist sie gelähmt? Hat sie im Schlaf womöglich einen Schlaganfall erlitten und hat es nicht bemerkt? Nein, ihr Gesicht fühlt sich normal an. Sie versucht es erneut. Diesmal mit einem Finger. Er lässt sich bewegen. Dann zwei, dann drei Finger, die ganze Hand, bis sich der ganze Arm dazu bringen lässt. Mara atmet erleichtert auf. Körperlich scheint alles in Ordnung zu sein. Langsam setzt sie sich an die Bettkannte. Sie schaut auf ihre Beine herunter. "Waren die schon immer so dünn? Seit wann sehen meine Hände so knochig aus?" Mara betastet ihren Bauch und bemerkt die vorstehenden Rippen. "Ich habe doch nur ein wenig geschlafen. Wann hat sich mein Körper so verändert?"
Schwer liegen die Fragen in ihrem Kopf. Was ihr Gehirn animiert, noch ein wenig weiter zu denken. Aber es gelingt ihr nicht, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Es frisst zu viel Kapazität, sich der Konsequenz ihres Handels bewusst zu machen. Mara legt sich wieder hin. Es brauchte ihre gesamte Energie aufrecht zu sitzen.
Als sie wieder so daliegt, schleicht sich ein leiser, ganz zaghafter Gedanke ein. Er ist wie ein Ast, der in einer böigen Nacht immer wieder leise ans Fenster klopft. Langsam dämmerte ihr die nicht überraschende, aber trotzdem erschreckende Erkenntnis, sie hat den Kampf verloren. Es für sie an der Zeit, sich von dieser Welt zu verabschieden. Mara fühlt sich erleichtert. Der Druck kann endlich entweichen. Wenn auch sie bei den Gedanken traurig wird, was sie nicht mehr erleben wird. Zum Beispiel, wird sie den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr erleben, den nächsten Vollmond, mit seinem schönen Licht sehen, das Zwitschern der Vögel hören, oder eine Katze streicheln, die ihr auf der Straße begegnet.
"Das Leben ist doch schön."
Mit einem Lächeln auf den Lippen schläft Mara ein, und sollte nicht mehr aufwachen.
Einige Tage später bemerkt die Nachbarin einen merkwürdigen Geruch aus Maras Wohnung. Sie schreibt Maras Freund Benny eine Nachricht. Er besitzt einen Haustürschlüssel und wird sich auf den Weg machen. Er ist gestern wieder zurück geflogen und erst seit ein paar Stunden zu Hause. Umgehend macht er sich auf den Weg. Als er die Tür zu Maras Wohnung öffnet, kommt ihm eine Wand aus verschiedenen, beißenden Gerüchen entgegen. Das Geschirr in der Spüle ist vergammelt und Maden machen sich über die Reste her. Unzählige Müllbeutel häufen sich in der Küche. Er hält sich ein Taschentuch vor den Mund und geht weiter durch die Wohnung. Als er das Schlafzimmer betritt, glaubt er seinen Augen nicht. Eine völlig abgemagerte Mara liegt in ihrem Bett. Ihre Haut ist bläulich und kalt. Sie ist nicht mehr am leben. Auf dem Nachtschrank findet Benny eine Nachricht, die durch eine zittrige Hand geschrieben wurde "Ach, du lieber Benny. Ich schaffe es nicht. Es gibt keinen anderen Weg. Für mich ist es zu spät. Ich liebe dich von ganzem Herzen."