Biological Crisis
Das Licht der untergehenden Sonne drang rötlich schimmernd durch die Baumkronen der hochgewachsenen Bäume.
Der Waldboden war übersät mit herabgefallenen Blättern und an einigen Stellen sprießten niedrige Büsche.
Es roch nach Moos, Baumharz und verschiedenen Wildkräutern.
Kein Tier war zu sehen.
Die gespenstische Stille wurde jäh von einem Knacken durchbrochen und ein junger Mann in Lederjacke und ausgewaschener schwarzer Jeans zwängte sich durch das Unterholz auf eine Lichtung. Seine Sonnenbrille spiegelte das Tageslicht wieder, als er die Mitte der Lichtung erreichte und tief ein und wieder aus atmete.
Jetzt traten auch zwei sehr ähnlich aussehende Männer in flecktarn Anzügen aus dem Wald heraus und sahen sich erstaunt um. Ihnen folgte eine junge Frau mit grimmigem Gesicht und bildete damit den Abschluss dieser kleinen Gruppe. Jeder trug mehrere kleine oder große Waffen bei sich. Die flecktarn Männer trugen jeweils zwei Sturmgewehre, die junge Frau zwei Pistolen an ihrem Körper. Der Mann in Lederjacke hatte sich auch ein Gewehr auf den Rücken geschnallt, nur das zweihändige Schwert daneben war doch etwas Besonderes neben den ganzen Feuerwaffen.
Erschöpft ließ sich einer der Männer auf den Waldboden fallen. „Wie lange sollen wir eigentlich noch durch diesen verdammten Wald stiefeln, Solomon?“, fragte er den Mann in Lederjacke. Ruhig drehte der sich um, aber die Frau stellte sich zwischen ihn und dem Mann auf dem Boden. „Jetzt hör endlich auf dich zu beschweren!“, blaffte sie den Mann an und ihr Gesicht lief langsam rot an, „Jack, erzähl doch bitte deinem Bruder noch einmal, was da draußen los ist!“ Sie schüttelte sich und man merkte ihr an, dass ihr dieser Ausbruch doch etwas peinlich war. Solomon stand einen Augenblick nur still, da, dann wandte er sich der Frau zu. „Scarlett, beruhig dich. Jakes Frage ist durchaus berechtigt. Ich habe das ganze Gestrüpp auch satt. Leider ist das der einzige Weg zum Stützpunkt, wenn wir ihn unbeschadet erreichen wollen. Zwischen all den Bäumen sind wir gut versteckt und damit relativ sicher vor Infizierten.“ Jake sah zwischen Scarlett und Solomon hin und her, dann fiel sein Blick auf Jack und wie auf Kommando fing der an zu jammern. „Klar, sicher ist es. Aber auch so wahnsinnig eintönig! Immer nur Bäume, hier und da ein Strauch und wenn wir Glück haben hängen da zur Abwechslung noch giftige Beeren dran. Seit dem wir losgegangen sind, sehen wir immer das Gleiche!“
„Seid doch froh, ihr Idioten! Wäre es euch lieber, ihr müsstet euch mit Horden von Infizierten herumschlagen? Ich hoffe, du weißt noch, was passiert, wenn dein Blut mit dem Speichel dieser Monster in Berührung kommt. Es reicht schon ein kleiner Biss!“, schrie Scarlett die beiden Brüder an. Doch beide rechten nur trotzig ihre Köpfe nach oben. „Ja ja, wissen wir, aber…“
Lautes Kreischen, gefolgt von tiefem Knurren ließ alle augenblicklich verstummen. Jetzt mischte sich noch das Trampeln von Füßen in die schreckliche Symphonie aus männlichen, weiblichen und Kinderschreien. Sie kamen näher. Vom Ende der Lichtung her riss der Vorhang aus Blättern und Gestrüpp auseinander und etwa zwanzig Männer, Frauen und Kinder stürzten in Todesangst auf die Vier zu, gefolgt von etwa einem Dutzend rotgesichtiger Kreaturen.
Sie huschten wie Eidechsen über den Boden, die Gliedmaßen unnatürlich verrenkt, die Mäuler weit geöffnet, sodass spitze Zähne sichtbar wurden. Und trotzdem, man konnte noch erkennen, was diese Abnormitäten früher gewesen waren. Menschen .
Jake sprang zurück auf die Füße und griff nach seiner Waffe. „Scheiße, das sind eine ganze Menge Infizierter!“
Wie erstarrt standen Solomon, Scarlett und Jack da und sahen den Flüchtenden zu, wie sie quer über die Lichtung auf sie zu hasteten. Eine schmächtige Frau verlor ihr Gleichgewicht und klatschte der Länge nach auf den Boden. Niemand aus der Menge kümmerte sich um sie. Wie blind rannten sie alle weiter, nur weg von den Infizierten. Augenblicklich hatten zwei der Monster die Frau gepackt und rissen ihr ganze Fleischstücke aus dem Rücken heraus und verschlangen sie. Als sie bemerkten, dass ihrer Meute den Anderen folgte, ließen sie von der Frau ab und huschten hinter ihren Artgenossen her.
Die Frau lag reglos auf dem Boden und ihr Blut sicherte langsam in den Boden, als mit einem Mal ein Ruck durch ihren Körper ging und sie anfing, aus voller Kehle zu schreien. Ihre Knochen begannen zu knacken, ihre Haut wölbte sich und die Schreie verwandelten sich
in tierisches Knurren und Heulen. In mitten der Schmerzen drehte sie sich in Richtung der Vier und schrie „Bitte, tötet mich, BITTE!“ Erst jetzt kam wieder Bewegung in die Gruppe. Scarlett zog ihre Pistolen und Jack zielte bereits mit seinem Gewehr auf die vorderen Reihen der Infizierten. Jake wandte sich an Solomon, doch der war verschwunden. Mit atemberaubender Eleganz wand er sich durch die panischen Menschen und eine Sekunde später kniete er neben der Frau auf dem Boden. Sie zuckte noch immer unkontrolliert und starrte Solomon nur noch mit glasigen Augen an, während ihr gesamtes Gesicht purpurrot anlief. Solomon löste sein Schwert aus der Scheide. „Es wird ganz schnell vorbei sein“, flüsterte er, dann holte er aus und die Klinge durchtrennte den Hals der Frau.
Die Menschen waren währenddessen hinter Scarlett Jake und Jack in Deckung gegangen und gemeinsam schossen sie auf die Welle an Infizierten, die sich ihnen entgegen stürzte. Schnell lagen die ersten sechs durchlöchert von Kugeln auf der Seite und schließlich konnten sie die Infizierten zum Rückzug zwingen.
Erleichtert und erschöpft lehnte sich Scarlett an einen Baum. Sie bemerkte nicht, wie ein großer Schatten sich hinter ihr langsam näherte. „Scar, verdammt, pass auf!“ Aber es war zu spät. Der Infizierte stand nun direkt vor Scarlett, bereit auf sie los zu springen und riss sein grausiges Maul auf. Scarlett war gelähmt vor Angst und unfähig sich zu verteidigen starrte sie dem Letzten entgegen, dass sie in diesem Leben noch sehen sollte.
Doch als der Infizierte zubiss, hörte Scarlett nicht ihrer Knochen brechen.
Solomon stand vor ihr, den rechten Arm im Maul der Bestie und sein Blut lief dessen Mundwinkel hinunter. Mit der freien Hand packte Solomon den Infizierten am Hals und ließ ihn gegen den Baum krachen. Sein rechter Arm kam frei, baumelte aber nur lasch herunter. Der Infizierte war völlig benommen und kauerte auf dem Boden. Solomon drehte sich kurz zu Scarlett um, die Augen noch immer hinter der Sonnenbrille verborgen. Ein entsetzter Aufschrei ging durch die verbliebenen Menschen und auch die restlichen drei der Gruppe starrten ihn fassungslos an. Aber es geschah nichts. Kein Schmerz, keine Verrenkungen, keine Mutation. Solomon schüttelte seinen rechten Arm und ließ die Knochen knacken. Im selben Augenblick verschlossen sich alle Wunden und gesunde helle Haut lag deutlich sichtbar unter den Resten seines Jackenärmels.
Hinter ihm war ein Grunzen zu hören und Solomon machte eine Drehung und stiefelte auf den Infizierten zu. Wieder packte er ihn am Hals und hob ihn scheinbar mit Leichtigkeit von den Füßen. Der Infizierte zappelte und traf mit seiner Pranke Solomons Kopf, sodass er seine Sonnenbrille verlor. Die Augen des Infizierten weiteten sich ungläubig, dann kam eine gebrochene Stimme aus seiner Kehle: „Wer…oder…was…zur Hölle…bist du?“ „Was ich bin?“; fragte Solomon und seine Stimme war so kalt wie Eis, „Das, willst du verdammt nochmal nicht wissen.“ Es war beinahe so, als würde der Infizierte von einem roten Schleier eingehüllt, als Solomon plötzlich zudrückte und sein Genick brach.
Er ließ den schlaffen Körper auf den Boden fallen, dann drehte er sich wieder um. Weitere entsetzte Schreie folgten. Scarlett hatte Solomon noch nie ohne seine Sonnenbrille gesehen. Nun verstand sie auch warum. Sein rechtes Auge war das eines Menschen, blau wie das Meer. Doch sein linkes hatte eine reptilienartige Pupille und schien rot zu glühen. Unter den Menschen schien sich Panik zu bilden und Jake und Jack versuchten, beruhigend auf sie einzureden, während Scarlett fassungslos Solomon anstarrte.
Eine lange Narbe zog sich über seine linke Gesichtshälfte, seine Augen lagen tief in den Höhlen. Beinahe kam es ihr so vor, als veränderte sich noch während sie ihn beobachtete sein Gesichtsausdruck. Jetzt sah er sehr müde aus. Müde und verletzlich. Alle Versuche, die Menschen zu beruhigen hatten wohl keine Wirkung gezeigt, den hinter Scarlett begannen einige Rangeleien, dann brachen zwei Männer zwischen Jake und Jack hervor und die Gruppe stürmte wie wild geworden über die Lichtung, zurück in den Wald. Jack schüttelte den Kopf.
„Könnt ihr mir erklären, was das jetzt sollte?“
„Sie haben Angst. Diese ganze Situation hier ist ihnen zu viel geworden. Sie sehen in dem, was sie nicht kennen und das nicht so reagiert, wie sie es erwarten eine Gefahr. Es tut mir leid, ich hätte das nicht tun dürfen“, Solomons Stimme war leise und Scarlett fragte sich, ob den anderen auch dieser leichte Unterton aufgefallen war.
„Vergiss es!“, Jake klopfte Solomon aufmunternd auf den Rücken, „Du hast Scar gerettet und Mann! Wie zur Hölle hast du das angestellt? Das war soo cool!“
Solomon hielt verblüfft inne. „Ihr…ihr habt keine Angst vor mir? Ihr findet mich nicht abstoßend?“
Die beiden Brüder grinsten „Abstoßend fanden wir dich schon immer, aber wenn du das mit deinem Auge meinst, da sind wir nur unglaublich neugierig. Die Geschichte wollen wir unbedingt hören!“
Scarlett seufzte und Solomon verzog den Mund zu einem fast unmerklichen Lächeln. Dann bückte er sich und hob seine Sonnenbrille vom Boden auf. Sie war schmutzig und an den Bügeln klebte etwas Blut. Er wischte die Brille an den Resten seines Ärmels ab, dann setzte er sie auf und drehte sich zu Scarlett, Jake und Jack um.
„Ich werde euch alles erklären. Aber nicht jetzt. Wir müssen den Stützpunkt noch vor Einbruch der Nacht erreichen. Dann sollt ihr meine Geschichte erfahren, wobei ich bezweifle, dass ihr alles hören wollt.“
Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung und ging auf das Ende der Lichtung zu. Die beiden Brüder beeilten sich, ihm zu folgen, doch Scarlett zögerte. Sie betrachtete die vielen toten Infizierten um sie herum, schüttelte sich plötzlich, als würde sie aus einer Trance aufwachen und lief ihrer kleinen, merkwürdigen Gruppe nach – in den dichten Wald hinein.