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Big Brother

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08.02.2022
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Big Brother

Großer Bruder

Schuld gehört zum Leben wie der Mensch. Wieviel ich annehme, entscheide ich selbst. Aber wenn du noch extra Schuld oben drauf schichten möchtest, dann tauche ich weg. Wegtauchen ist besser als untergehen. Doch eine Schuld muss ich tragen, eine Schuld so schwer, wie die Bomberjacke im eichenfurnierten Einbauschrank im Kellerzimmer. Schlammig grün, brauner, echter Fellbesatz, authentisch und unheimlich f* cool.

Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal hineintauchte in die Jacke, sie mir überstreifte wie ein zweites Leben. Unverzüglich fühlte ich mich groß, mutig, stark, auch wenn mir die Ärmel bis zu den Knien hingen und das Gewicht schon damals auf meinen Schultern lastete wie ein zweites Gewissen. Ich wusste, mit dieser Jacke konnte ich aufrecht bleiben, musste ich aufrecht bleiben. Ich straffte meine Haltung. Bauch rein, Brust raus, Kopf hoch, Augen gerade. So hatte die Schuld keine Chance.

Mein Bruder Jan hatte mir gezeigt, wie man mit der Bomberjacke im Keller in ein anderes Leben schlüpfen konnte. Jan mit seinen zarten Händen, der schon verschwand in den weiten Klamotten, die er am liebsten trug und in der Bomberjacke so verletzlich aussah, als müsste der robuste, raue Stoff ihn beschützen. Auch ich war klein für mein Alter, eher schmächtig, musste Brille tragen und oft war mir einfach zum Weinen zumute. Ob ich tatsächlich gehänselt wurde oder mir alles nur einbildete ist heute eigentlich egal. An was ich mich genau erinnere ist nur die Reaktion meines Vaters. Denn für ihn war nur ich alleine schuld an meinem Weinen. „Echte Kerle weinen nicht“, sagte er und ignorierte was auch immer ich ihm gern erzählt hätte.

Bevor mein Schluchzen schlimmer werden konnte, zog Jan mich in den Keller, ließ mich in die Fliegerjacke schlüpfen und wir verbrachten Stunden auf gemeinsamen Expeditionen und Abenteuerreisen. Abwechselnd durfte dann derjenige die Jacke tragen, der mit der nächsten bahnbrechenden Idee die Geschichte vorantrieb. Meist war es Jan. Doch das störte mich nicht. Ich liebte seine Geschichten und seine Art, mich durch seine Fantasiewelt aus der Realität zu entführen. Denn Jan war nie überheblich oder bevormundend, er war feinfühlig und fürsorglich und machte mich in unseren gemeinsamen Abenteuern zum noch viel größeren Helden als sich selbst. Jan hatte die Jacke verdient. Denn er hatte schon damals mehr Mut, war damals schon mehr Mann als ich es vermutlich je sein werde.

Im Zweiten Weltkrieg hatte der Großvater die Jacke getragen. Luftwaffe. Vater war stolz darauf. „Das war Fliegen, das waren noch echte Männer“, erklärte er immer wieder. „Ohne Kompass und Geräte. Die Piloten von heute, das sind doch nur bessere Omnibusfahrer. Dein Großvater ist mit den Sternen geflogen.“ Und gemeinsam simulierten Jan und ich mit dünnen, ausgestreckten Armen einen Kampfflieger der unter dem Bombenhagel des Feindes wegtauchte und dann abhob in Richtung Venus, Mars oder Nordstern. Vater und Großvater zeigten uns lachend mit ihrem brummenden Bass die Richtung. „30 Grad Südsüdwest, Achtung - Angriff, abtauchen, Jetzt Sturzflug. Nase nach unten, durchstarten jetzt, schnell Jungs - ab nach oben!“ Schnell Jungs, ich erinnere mich an das breite Grinsen, dass sich bei diesen Worten immer auf Jans Gesicht abzeichnete. Ich weiß nicht, ob Vater und Großvater es bemerkten. Ob sie überhaupt bemerkten, wie wichtig ihre Aufmerksamkeit, ihre Bestätigung für Jan war. Während ich; ich wäre am liebsten ihren durchdringenden Blicken durch eine dichte Wolkendecke entschwunden, samt meiner Brille und meinen schmächtigen Jungs Armen, die nie im Leben als Flügel getaugt hätten.

Damals hatte ich keine Worte dafür, aber heute weiß ich, dass schon immer ein dichter grauer Schleier zwischen uns hing. Ein Schleier gesponnen aus Unverständnis und unerfüllten Erwartungen. Erwartungen, die sich schnell hätten auftürmen können zu einem dunklen Gebilde - Blitz und Donner spuckend, wären sie eingefordert worden. Gerne hätte ich mehr gewusst über diese Zeit als Großvater über den Wolken über allem erhaben war. So erschien es uns als wir Kinder waren. Großvater, der Pilot, der Held, der Mann. Die Wahrheit, das Schweigen, die Schuld, das alles konnten wir uns erst zusammenreimen, als wir in der Schule mehr über die Zeit des Zweiten Weltkriegs lernten. Da waren Bomben auf unschuldige Zivilisten geworfen worden, statt auf militärische Ziele, eben weil es keine Navigationsgeräte gab – und die Piloten die Sterne vermutlich doch nicht immer richtig lesen konnten oder sich an falschen Ortsmerkmalen orientierten. Ich erinnere mich, wie die vielen Fragen in mir begannen sich zu einem dicken Knoten zusammenzuschnüren. Denn aus Angst vor den sich entladenden Sturmwolken konnte, ja durfte ich sie nicht stellen. Meinem Vater nicht. Und Großvater erst recht nicht. Manchmal fragte ich mich, ob sie eigentlich selbst viel voneinander wussten. Oder ob es auch zwischen ihnen dunkel war und still. Für immer: Die Ruhe vor dem Sturm.

Vater und Sohn, Stein und Felsen, hart und noch härter. Männer der Tat. Steingraue Augen, der eine Bart braun meliert, der andere bereits silbergrau. Und Hände, riesige Hände. Ich brauchte sie nur anzusehen, um mich in Sicherheit zu fühlen. Diese Hände konnten alles, Drachen reparieren, Vogelhäuschen bauen, verrostete Ketten wieder zum Laufen bringen und wir waren stolz auf sie, mit Sicherheit nach außen. Denn da ließ sich vieles zeigen. Unser Baumhaus, die Seifenkisten, das zusammengeschweißte Kettcar. Stolz grinsten wir auf den Fotos vor den hochglanzpolierten Sportpokalen unserer Väter, huckepack von ihren starken Schultern vor majestätischen Gipfelketten. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass wir viele gute Erinnerungen an unsere Kindheit haben. Nur Innen, da hätten wir uns mehr Zärtlichkeit gewünscht, Wärme, Geborgenheit. Die zeigte sich fast nie, und wenn nur sehr verhalten. Vermutlich stimmt es nicht, aber ich glaube mich an jede Gelegenheit erinnern zu können, wenn diese großen schwieligen Hände mir sanft durchs Haar strichen. Und jedes Mal fragte ich mich, was sie dabei spürten. Ob sie überhaupt etwas spürten?

Spürten sie den stillen Aufschrei meines Bruders, der als meine Schwester geboren nie akzeptieren konnte, dass seine Hände so zart waren, seine Schultern so schmal. Der so verloren war mit dieser inneren Dissonanz, dass er nicht die Stimme finden konnte, diese zu artikulieren. Vielleicht wäre einzig die Fliegerjacke als Beweisstück schwergewichtig genug gewesen, um sichtbar zu machen, was so unaussprechbar war. Aber das wusste ich damals nicht. Oder vielleicht wusste ich es, aber wollte es mir nicht eingestehen. Denn ich wollte die Jacke, ich war der Mann, dem der nächste Bart wachsen und dessen Hände schwielig und schwarz werden würden von der Arbeit mit Lötkolben, Schmiere und Öl. Und Jan? Der wusste ja selbst nicht was er war.

Ich war der einzige, der wusste, dass Jan kein Mädchen sein wollte, kein Mädchen war. Aber was war er dann? Mit seinen zarten Händen und schmalen Schultern war er mittlerweile einen guten Kopf kleiner als ich. Und obwohl ich immer noch eher schmächtig war und zu schnell in die Höhe geschossen recht schlaksig und unbeholfen daherkam, war ich doch längst um einiges stärker als Jan.

Ich dachte an die großen, schwieligen Hände von Großvater als ich Jan klarmachte, dass niemals er um die Jacke bitten konnte. Wir mussten zu diesem Zeitpunkt beide Teenager gewesen sein, jedenfalls längst zu alt für Fantasiereisen im Keller. Es war Zeit für mich mein zweites Leben nach außen zu tragen, das, in dem ich stark war und mutig, ein Pilot, der nicht nur nach den Sternen greifen, sondern sich auch an ihnen orientieren konnte. Kurz: Ich hatte mich in die ersten Mädchen verguckt und diese Fliegerjacke schien mir die einzige Möglichkeit, sie von meiner wahren Männlichkeit zu überzeugen. Aber Jan gab nicht klein bei. Schließlich sei er der Ältere, ihm stehe die Jacke zu. Außerdem sei er derjenige, der die Jacke entdeckt und der mich eingeweiht hatte in die Welt von Heldentum und Männlichkeit.

Du bist doch gar kein richtiger Mann und du wirst auch nie einer sein. Warte, bis ich Vater und Großvater von Jan erzähle.

Das saß. Jan starrte mich stumm und wütend an. Das wirst du nicht.

Doch schon hatte ich mir die Jacke geschnappt und stürmte wie ein Düsenjet die Treppen nach oben, wo Vater und Großvater sich gerade ein Hockeyspiel reinzogen.

Wir brauchen eine Entscheidung, keuchte ich völlig außer Atem. Wer erbt die Jacke, Janine oder ich? Vater und Großvater sahen sich fragend an.

Der nächste Mann in der Familie sagen sie dann. Wie erwartet.

Im Rückblick kann ich Jan noch genau vor mir sehen wie er dastand. Er sagte kein Wort, die zarten Hände zu Fäusten geballt, die schmalen Schultern angespannt. Ich glaube in diesem Moment hätte ich jeden Kampf gegen ihn verloren. Aber ich kämpfte nicht, gab ihm nicht mal die Chance, mich herauszufordern. Stattdessen schaute ich weg, tat so, als würde auch mich auf das Hockeyspiel konzentrieren. Dabei fühlte ich mich furchtbar. Weshalb schaffte ich es nicht in diesem Moment ein wenig feinfühliger zu sein. Ich hätte Jan einfach die Jacke überreichen können, ich hätte ihm – wie er damals mir – die Möglichkeit geben können mit der Jacke in ein zweites Leben zu schlüpfen, in eine andere, in seine echte Identität. Aber ich tat nichts, starrte nur mit glasigen Augen auf das Spiel, das Vater und Großvater lautstark kommentierten. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Jan mir einen verächtlichen Blick zuwarf. Dann streckte er die Arme aus wie zu unseren besten Kampffliegerzeiten und segelte nach draußen. Es sah dermaßen dämlich aus. Mir war alles andere als nach fliegen zumute. Abgeschossen fühlte ich mich. Die Jacke kratzte, war schwer, mir war heiß, meinen Wangen glühten. Ich wünschte, mir hätte jetzt einfach jemand eine runtergehauen. Aber es geschah einfach nichts. Nur die Jacke wurde schwerer und schwerer. Ich straffte meine Haltung. Bauch rein, Brust raus, dachte ich. Kopf hoch, Augen gerade. So hatte die Schuld keine Chance.

 

Hallo Finkins. Leider kommt die Story nicht so recht bei mir an. Und ich denke, es braucht Überarbeitung.

Story:
Die Story spielt leider nicht, sondern bleibt Erzählung. Da ist zu viel tell und fast kein show. (Falls dir das nichts sagt “show don’t tell” https://www.csustan.edu/sites/default/files/groups/Writing Center/documents/showingvstelling_revised.pdf).
Sie handelt von einem Jungen, der sich mit Fragen beschäftigt und sich irgendwo schuldig fühlt.
Rückblickend geht es ihm um die Frage, warum sein Vater wenig Zuneigung zeigte.
Diese Frage könnte Antwort auf den Konflikt der Schwester sein, wird aber leider nur im Text angemerkt und bleibt unklar. Da sollte mehr Familienstory kommen. Background, Verhältnisse etc.

Denn der Konflikt der Schwester: Sie möchte ein Junge sein.

Der Erzähler - ein Kind - behauptet seine Schwester ist eigentlich sein Bruder. Und kurz darauf behauptet er "Der wusste ja selbst nicht was er war".
Das funktioniert für mich nicht. Da würde ich doch lieber bei Janine bleiben und es dem Leser anders klar machen, dass Janina ein Junge sein möchte und sich Jan nennt.

Georgina (Fünf Freunde) nennt sich George und möchte lieber ein Junge sein. Sie trägt die Haare kurz, zieht Klamotten von Jungs an und macht das was Jungs machen. Das funktioniert. Da gibt's ein Setting in dem man den Charakter entwickeln kann. Die Frage (warum?) kann geklärt werden.


Inhaltlich

Schuld gehört zum Leben wie der Mensch. Wieviel ich annehme, entscheide ich selbst. Aber wenn du noch extra Schuld oben drauf schichten möchtest, dann tauche ich weg. Wegtauchen ist besser als untergehen. Doch eine Schuld muss ich tragen, eine Schuld so schwer, wie die Bomberjacke im eichenfurnierten Einbauschrank im Kellerzimmer. Schlammig grün, brauner, echter Fellbesatz, authentisch und unheimlich f* cool.
Vom Gefühl er würde ich das in italics machen, da es der Story vorangestellt ist.
Schuld gehört zum Leben wie der Mensch.
Wieviel
Wie viel

Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal hineintauchte in die Jacke, sie mir überstreifte wie ein zweites Leben.
Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal in die Jacke hinein tauchte, sie mir überstreifte wie ein zweites Leben.
Ohne Kompass und Geräte.
Das stimmt nicht. Es gab durchaus Navigationsgeräte. Natürlich kann das der Vater behaupten, weil er es selbst nicht besser weiß, scheint mir aber unpassend, da kurz darauf "30 Grad Südsüdwest" angesagt wird. Ohne Kompass wird das schwer.

Da waren Bomben auf unschuldige Zivilisten geworfen worden, statt auf militärische Ziele, eben weil es keine Navigationsgeräte gab – und die Piloten die Sterne vermutlich doch nicht immer richtig lesen konnten oder sich an falschen Ortsmerkmalen orientierten.
Puh. Ich bin mir sicher, dass das nicht stimmt. Wie oben schon gesagt, gab es Navigationsgeräte und mit Sicherheit ohne jetzt zwei Minuten im Internet zu recherchieren kann ich behaupten, dass man eben wohl hauptsächlich militärische Ziele angegriffen hat. Es stimmt zwar auch, dass Zivilisten täglich bombadiert wurden, um die Moral zu senken, aber Städte die der Nazi Industrie dienten lagen im Fokus.
Und Hände, riesige Hände.
-> Pranken?

Das Wort Hände kommt elf mal vor. Da kann man variieren.

Rifle

 

Schuld gehört zum Leben wie der Mensch.

Hallo,

direkt mit einer Art Belehrung beginnen, ist natürlich schwierig. Das führt einen Ton ein, den ich auch im restlichen Text erwarte, eine Agenda, wenn man so will, eine unbedingte Moral. Ich würde nur bedingt weiterlesen wollen, weil ich denke, ein Leser sollte man immer als mündig betrachten und dazu fähig, eigene Entschlüsse fassen zu können. Und wenn das die Essenz des Textes ist, muss der Text diese beweisen.

Mr. Rifle hat schon fast alles geschrieben, was ich auch schreiben wollte. Ich würde für show, don't tell unbedingt plädieren. Ich empfehle zu dem sehr guten Link noch diesen: https://litreactor.com/essays/chuck-palahniuk/nuts-and-bolts-“thought”-verbs der ist etwas anders gewichtet, aber auch gut verständlich.

ch war der einzige, der wusste, dass Jan kein Mädchen sein wollte, kein Mädchen war.
Das ist so der Kern, aber der wird mir einfach präsentiert, das wird nie in der eigentlichen Erzählung deutlich, sondern behauptet, nicht gezeigt. Dadurch wird ein Text, nicht jeder, aber dieser, sehr hermetisch, ich muss das alles glauben und kann nur dem Erzähler als Instanz folgen, ich entdecke nichts aktiv selbst, im Rheinland würde man sagen: et is, wie et is.

Erzählhaltungen sind unterschiedlich aus vielen Gründen. Ästhetik, Ethik, da gibt es unterschiedlichste Ansätze, wie und warum etwas abgebildet werden soll, und was das Richtige ist. Ich denke, vielleicht solltest du dir diesen Text wie einen Film vorstellen, in einzeln heruntergebrochenen Szenen, die alle einen Symbolwert haben, die alle in sich geschlossen nach und nach die Charaktere entpacken. Dialoge geben den Charakteren Tiefe und Profil, wenn sie organisch und ungezwungen sind.

Zur Logik: Ein Veteran aus dem WW2 hat noch seine Fliegerjacke im Schrank? Das klingt irgendwie unglaubwürdig. Auch die Information mit den fehlenden Koordinantionsmöglichkeiten wurden ja schon von Marksman Rifle erwähnt, da würde ich mich dringend anschließen, das klingt auch nicht realistisch.

Gruss, Jimmy

 

Vielen Dank für eure Kritik und Anmerkungen @jimmysalaryman und @P. H. Rifle . In den meisten Punkten habt ihr sicher recht.

Und ich werde versuchen die Personen lebendiger zu machen.

Zum Zweiten Weltkrieg hier mal ein Link: aus dem Spiegel, habe ich mir leider nicht ausgedacht :( "Landkarte, Kompass und der Sternenhimmel: Piloten im Zweiten Weltkrieg hatten kein GPS und navigierten ihre Flugzeuge wie Seemänner im Mittelalter. Sie hielten das schweizerische Zürich wahlweise für Pforzheim, München oder Straßburg - oder landeten mit Hitlers geheimen Kriegsplänen im belgischen Acker."

ich werde den Großvater dann nicht Südsüdwest sagen lassen.

Naja, ich sortier hier mal was ich eigentlich sagen will, ist bestimmt auch für mich selber hilfreich - und vielleicht interessiert es euch ja:

Jan ist ein Transjunge - das heißt er fühlt sich schon immer als Junge obwohl er als Mädchen geboren wurde (ich fürchte das geht weit über George/Georgina bei den 5 Freunden hinaus). Da es unmöglich ist, dies den konservativen (toxisch maskulinen) Männerfiguren in der Geschichte zu offenbaren, bleibt er stecken in dieser Zwischenwelt von Schein und Sein.

Immerhin nennt sein kleiner Bruder ihn Jan. Er schaut er zu ihm und seiner Fantasie auf, für ihn ist er ein Held, ein guter Held, der männlich und stark genug ist, um sogar vielleicht eher weiblich besetzte Seiten zuzulassen, er lässt den kleinen Bruder den größeren Helden sein, kümmert sich, ist fürsorglich. Vater und Großvater sind das nicht.
Der kleine Bruder und Ich-Erzähler spürt als Kind, dass die Fürsorglichkeit etwas ist, was ihm fehlt bei Vater und Großvater. Dennoch bewundert er ihre Stärke, die großen Hände und was die alles schaffen können. Er will so sein wie sie, spürt aber, dass da etwas nicht ganz stimmt, ein grauer Wolkenschleier selbst zwischen den beiden hängt - weil sie nicht wirklich etwas von sich teilen, mitteilen.

Die Fliegerjacke ist ein Symbol für toxische Männlichkeit und schuldbeladen per se - aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. (Nebenbei: mein Vater hat tatsächlich immer noch die Fliegerjacke seines Vaters im Schrank hängen - also gar nicht sooo unwahrscheinlich, da ja wahr).

Im Spiel der Brüder miteinander wandelt sich die Fliegerjacke aber zu einem Symbol positiver Männlichkeit - und beide können mit ihr in eine Wunschwelt schlüpfen in eine Wunschidentität. Der Transbruder fühlt sich als echter Mann, der kleine Bruder fühlt sich geborgen und beschützt, auch stärker als er sonst ist.

Am Ende beanspruchen dann beide Brüder die Jacke für sich. Der kleine Bruder weiß, dass die Jacke für Jan wichtiger wäre, aber er bleibt hart - will selbst der Größere, Stärkere, Bessere sein - und wird genau dadurch zum Verlierer, er tut etwas gemeines, böses statt wirklich heldenhaft zu handeln - und trägt mit der Jacke nun auch eine ganze Menge Schuld.

 

Aber wäre es - wenn der Begriff toxische Maskulinität schon in den Raum geworfen wird - nicht eher positiv, wenn das Mädchen stark sein will wie ein Junge? Ist es nicht eher umgekehrt so, wenn ein Junge unbedingt ein Mädchen sein will, dass Väter(?) das verurteilen?

Ein Kind behauptet nicht einfach von sich, dass es "trans" ist, oder etwas anderes, wenn es nicht mit dieser Idee zuvor auf gesellschaftlicher Ebene in Kontakt kommt. Ein Kind kann denken und unterbewusst wahrnehmen, dass eben gewisse "traits" cooler oder ansprechender sind. In diesem Fall eben, der Mann als Symbol der Stärke; die Pranken, die breiten Schultern etc. Unabhängigkeit (nicht, dass Frauen so etwas nicht haben oder können, sondern auf die Story bezogen ;)).

Da ist für mich der Punkt, der nicht funktioniert. Das muss irgendwie in der Story klar gemacht werden, dass ein Mädchen ein Mädchen sein muss und ein Junge ein Junge. Das würde easy mit etwas Dialog vom Vater machbar sein. Dann hast du das Setting. Männerhaushalt, Mädchen steht in der "zweiten Reihe". Jungs werden bevorzugt, Mädchen will Junge sein.

Hinzu kommt für mich noch die Frage:
Was ist mit der Mutter? Das kann viel für die Background Story bringen.


Rifle

 

Ja, die Mutter. die Geschichte wird immer länger...

Und, was mir wichtig ist: Auf keinen Fall darf Janine eine Junge sein wollen weil ihr von den Männern in der Familie vermittelt wird, dass Mädchen in der zweiten Reihe stehen. Das eine hat mit dem anderen einfach nichts zu tun. Da muss ich mir was überlegen, vielleicht bevorzugen Vater und Großvater sie sogar. Trotzdem hat sie natürlich Angst ihnen zu sagen, dass sie Trans ist, weil sie es niemals verstehen würden und sie im schlimmsten Fall verurteilen oder sogar ausstoßen. (im Dritten Reich wäre Janine als Jan vermutlich in der Gaskammer gelandet).
Du hast recht, Kinder behaupten nicht, dass sie trans sind, aber sie spüren, dass sie sich in dem Körper, der ihnen gegeben wurde, nicht zuhause fühlen. Heute bekommen sie über YouTube etc mit, dass es anderen auch so geht. Das ist oft eine große Erleichterung zu erfahren, was das eigentlich ist, weshalb man sich so unwohl fühlt in seiner Haut, so extrem Probleme hat, wenn der Körper sich in der Pubertät verändert ... nur noch mit nach vorn gezogenen Schultern herumläuft und Klamotten, die so weit sind, dass ja niemand auch nur irgendwelche weiblichen Konturen erkennen kann. Noch schlimmer beim Sport, in der Umkleidekabine, oft wollen diese Kinder ihren Körper auch selbst nicht sehen, sich nicht mit ihm konfrontieren. Einfach nur duschen wird zur Tortur. Klingt seltsam und ich konnte mir das bis vor kurzem auch nicht vorstellen, dass das so schrecklich ist, aber leider passiert so etwas, warum auch immer ...

Jetzt will ich aber mal was von dir lesen.

 

Vielleicht lade ich heute Nacht was hoch. Kommt drauf an, ob ich einen sitzen hab und ich was finde, auf das ich Bock hab. Hab die letzten Jahre im Ausland verbracht, daher schreib ich englisch, und das alte Zeug ... naja, das ist zwar deutsch, aber find ich nicht mehr ansprechend.
Egal, hab gesehen, dass du noch nichts an der Story bearbeitet hast. Das is schade. Vielleicht fehlt dir die Zeit und die Muse. Ich kenne das. Hab früher wenig an meiner Schreibe gearbeitet (weil es eben wirklich Arbeit ist). Es ist ein elender und nie endender Kreislauf. Geschichten sind niemals fertig. Oder besser das Zitat von da Vinci: "Art is never finished, only abolished".
Mittlerweile überarbeite ich alles und schick auch ab und zu was weg für Kritik. Das hilft. Und gerade hier bei den Wortkriegern kriegt jeder 'n Feedback mit dem er was anstellen und sich eben auch handwerklich verbessern kann. Deshalb kann ich es nur empfehlen an den Geschichten zu arbeiten.

Rifle.

 

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