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Biff

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06.02.2002
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Biff

Marmelade!
Mit leicht verträumten Blick erinnerte sie sich ihrer Jugendtage. An den Gemischtwarenladen von Mister Norton, der ihr immer ein Bonbon zusteckte, wenn sie für ihre Mutter Besorgungen gemacht hatte.
An den Wochenendausflug mit ihrem Vater nach Boston.
An Lilly und den Nachbarsjungen, den...
Jetzt gib mir die verdammte Marmelade!
Biff fluchte und funkelte sie ärgerlich an. Morgens rasierte er sich erst nach dem Frühstück, und so bedeckten kleine schwarze Stoppelhaare seine graustichige Haut wie ein abgeerntetes Weizenfeld.
Sie schaute, derart aufgeschreckt, ein wenig irritiert drein, fand das Glas Erdbeerkonfitüre rechts neben ihrer Kaffeetasse und reichte es eilig ihrem Ehemann.
Biff war nicht immer so gewesen, wie er die letzten Jahre, Jahrzehnte ihrer Ehe war.
Als er ihr am Vortage seiner Einberufung auf dem Dachboden der windschiefen Scheune hinter dem Haus den Antrag machte, da war er zwanzig, von stolzer Haltung, vor Energie strotzend. Ihm stand die Welt offen.
Mit der romantischen Verklärtheit einer Sechzehnjährigen hatte sie ihm versprochen, zu warten.
Und das tat sie, zwei Jahre lang.
Irgendwo "in der Nähe von Aachen" schossen die Nazis (...das war die verdammte SS, die verfluchte!, murmelte Biff dann immer und spuckte aus ) auf seinen Spähtrupp und trafen ihn zweimal in Bauch und Unterleib.
Er verbrachte einen Monat in einem Militärhospital in Frankreich, dann kam er nach Hause, ein jähzorniger, grobschlächtiger Kerl mit eingefallenen Wangen und gehetztem Blick, der rauchte wie ein Pittsburgher Fabrikschlot - er beteiligte sich an dieser erfolgversprechenden Sammelklage gegen Brown & Williamson Tobacco - und ohne ein Gläschen Whisky nicht einschlafen konnte.
Manchmal murmelte er im Schlaf, undeutliches Zeug. Über die Jahre hinweg lernte sie, zwei Sätze zu unterscheiden. Verdammt, noch halbe Kinder und das MG, das verfickte.
Es war ein anderer Biff, der noch vor Ende des Krieges auf schnellstmögliche Heirat drängte.
Sie dachte, er würde schon wieder, mit der Zeit.
Aber jener Biff, der ihr schmatzend gegenüber saß, hatte sich nur einmal in seinem Leben verändert, und das war, bevor er sein Purple Heart erhielt. Er hielt inne, als er bemerkte wie sie ihn beobachtete.
Was glotzt du denn?, fragte er mit vollem Mund.
Sie senkte den Blick, lächelte ihr unsicheres Lächeln und nestelte an einem Zipfel der weinroten Tischdecke herum.
Nichts, sagte sie, iss nur weiter.
Biff grunzte, dann machte er einen Pfeifton wegen seiner verteerten Lunge. Von der Straße her kam mit tiefem Bass das Motorengeräusch eines zu schnellen Wagens.
Das Schmatzen setzte wieder ein, und als ihr Blick durch das Küchenfenster der zarten Sonne des neuen Tages gewahr wurde, beschloss sie, heute morgen spazieren zu gehen.

 

hi Para!

Eine gute Momentaufnahme... das Frühstück, die Erinnerungen... wie der Krieg Menschen und Beziehungen verändern kann. Frisch und knackig geschrieben, liest sich angenehm. Besonders gelungen finde ich auch den Schluss. Hin zur Sonne, raus, weg von ihm und den Erinnerungen?
Ein guter Text.

"An den Gemischtwarenladen von Mister Norton, der ihr immer ein Bonbon zusteckte" -zugesteckt hatte, da Du eh in der Vergangenheit schreibst.

"dann machte er einen Pfeifton wegen seiner verteerten Lunge" - vielleicht kannst Du das igrendwie umformulieren, das klingt so unbeholfen, finde ich...

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Paranova,
auch mir hat die Geschichte gut gefallen. Du beschreibst gut, wie der Krieg Biff verändert hat. Macht sie den Spaziergang und kommt nicht wieder? Gleichzeitig hofft man, bzw. ich, dass sie das tut, andererseits tut mir Biff auch wieder leid.
Ist der Krieg Schuld, oder Biff weil er sich so gar keine Mühe gibt, sein Leben in den Griff zu bekommen. Sollte sie einfach gehen, alles so weiter laufen lassen oder versuchen mit Biff gemeinsam eine Lösung zu finden? Letzteres wäre wohl, so wie Biff beschrieben wird, ziemlich aussichtslos...
Gute Geschichte, die zum Nachdenken anregt.
Gruß, Andrea

 

hi!
ich fand deine geschichte echt gelungen! sehr angenehm zu lesen und eine gut durchdachte mischung aus vergangenheit und gegenwart, könnte kaum besser sein!
mfg onida

 

Hallo Anna, Onida und drea!
Vielen Dank für´s Lesen und Kommentieren. Freut mich, dass der Text euch gefallen zu haben scheint.


an Maus:

"An den Gemischtwarenladen von Mister Norton, der ihr immer ein Bonbon zusteckte" -zugesteckt hatte, da Du eh in der Vergangenheit schreibst.

"zusteckte" ist ebenfalls doch schon Vergangenheit. Perfekt, oder nicht? da erübrigt sich das... äh... Plusquamperfekt?

"dann machte er einen Pfeifton wegen seiner verteerten Lunge" - vielleicht kannst Du das igrendwie umformulieren, das klingt so unbeholfen, finde ich...

Den Eindruck habe ich (momentan) eigentlich nicht, was gibt es daran auszusetzen?

Juhu, Beitrag Nummer 500!
Euch noch ein schönes Wochenende!
...para

 

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