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Bierregen
Als eines Nachmittags im Juni Bier statt Regen vom Himmel fiel (der sich ordnungsgemäß verdunkelt hatte, auch ein paar Blitze gab es und Donner), glaubten die meisten an eine Umweltkatastrophe im Stile von Tschernobyl und verschlossen vorsichtshalber alle Fenster und Türen. Einige riefen beim Naturschutzbund an, andere versuchten, direkt Kontakt mit der Bundeskanzlerin aufzunehmen (was freilich scheiterte, auch ihr Sprecher stand nicht zur Verfügung), besonders Ängstliche wählten die Nummer des Sorgentelefons, die sie vorsorglich stets bei sich trugen, und jene, die wussten, nach welchen Regeln die Welt funktioniert, riefen die Bildzeitung an und stellten exklusiv ihre Betroffenheit zur Verfügung. Geistesgegenwart bewies lediglich ein Brauereibesitzer mittleren Alters im Süden von Mecklenburg, der sämtliche zur Verfügung stehenden Fässer auf den Hof seines Unternehmens stellen ließ, einige auch im privaten Garten platzierte und später vier Euro fünfzig verlangte für einen Liter „Himmelsbräu“. Das Bier entsprach in jeder Hinsicht dem Deutschen Reinheitsgebot für derartige Getränke, war aber geschmacklich auch von Experten nicht eindeutig einer bestimmten hierzulande produzierten Marke zuzuordnen. Meteorologen gaben später bekannt, dass der Niederschlag exakt 17,5 Minuten gedauert hatte und zeitgleich über weiten Teilen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz herniederging. Noch 24 Stunden später brachten besorgte Besitzer ihre betrunkenen Hunde und Katzen zum Tierarzt. Auch einige flugunsichere Vögel wurden gesichtet. Erst der – dann wieder in herkömmlicher Weise wässrige – Regen der folgenden Tage befreite die Straßen, Fahrzeuge, Bäume und Häuser ganz vom klebrigen Belag. Der Vorgang hat sich seither nicht wiederholt. Die Ursache des Bierregens ist unbekannt. Der inzwischen registrierte verstärkte Zulauf bei zahlreichen Religionsgemeinschaften stagniert bereits wieder. In der Tourismusbranche wird nach wie vor, aber bereits mit sinkendem Interesse der Öffentlichkeit, darüber diskutiert, wie das Phänomen den deutschen Verbänden dienlich sein könnte. Eine Sammlung von Interviews und Berichten von Augenzeugen soll demnächst unter dem Titel „Am Tag als der Bierregen kam“ veröffentlicht werden. Welche weiteren politischen Konsequenzen der Vorgang haben wird, ist noch unklar.