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Bewusstseinsreise
„Hier, nimm das.", sagte der Guru und hielt mir einen kleinen, gelben Pilz hin. Unsicher pendelte mein Blick zwischen dem Pilz und dem Guru hin und her, aber er setzte nur ein zufriedenes Lächeln auf und nickte zustimmend, als wolle er sagen:„Ja das ist die richtige Entscheidung, vertrau mir!"
Zögernd nahm ich das gelbe Ding aus seiner knotigen Hand, betrachtete es kurz und stopfte es mir in den Mund. „Du wirst sehen wie gut es dir tun wird. Dieser Pilz schickt dich auf eine Bewusstseinsreise...
...reise...
...reise..."
Das letzte Wort verebbte zu einem weit entfernten Echo und langsam verschwamm die Welt vor meinen Augen. Ich glaubte ein rasantes Gefühl des Fallens zu spüren, presste die Augen zusammen und wartete auf den Aufprall, doch er kam nicht.
Das Gefühl verschwand genauso schnell, wie es gekommen war. Verwundert schlug ich die Augen auf und sah mich um.
Ich befand mich in einem prunkvollen Thronsaal mit bunten Glasfenstern die das hereinfallende Licht in allen Farben erstrahlen ließen. An den marmornen Wänden hingen purpurne Banner auf denen eine goldene Krone eingestickt war. Vor mir erstreckte sich ein ebenso purpurner Teppich der zu einem Thron am Ende des Raumes führte. Der Thron schien nicht am Boden zu stehen, sondern direkt aus ihm herauszuwachsen. Darauf saß ein stattlicher Mann mit schwarzen Locken die von einer goldenen Krone gebändigt wurden.
Die königliche Gestalt musterte mich mit einem Blick der interessiert und arrogant zugleich wirkte, dann schüttelte sie langsam den Kopf. „Sieh dich doch nur mal an.", sagte er vorwurfsvoll. „Du gehst zu einem seltsamen Mann und holst dir von ihm dubiose Substanzen, weil du nicht weißt was du willst! Du wirfst deine Selbstbeherrschung einfach so über Bord um nach Antworten zu suchen die du doch schon längst kennst!"
„Was sind denn die Antworten die ich suche?", fragte ich ihn.
Genervt verdrehte er die Augen. „Also bitte, das ist doch ganz einfach! Du willst wie jeder andere ein eigenes Haus, einen guten Job und ein sorgenfreies Leben mit einer netten Frau an deiner Seite, wie jeder normale Mensch. Früher warst du doch immer gegen solche Substanzen und nun hast du sie selbst probiert weil du nicht mehr weiterweißt und dir einbildest dass du in einer Sinnkrise steckst!"
Beschämt senkte ich meinen Kopf. „Ja, schon...", gab ich kleinlaut zu.
Er nickte bekräftigend. „Eben! Also reiß dich zusammen. Du musst deine Zukunft im Auge..."
Ein schrilles, hexenartiges Gekicher unterbrach den Herrscher. Überrascht drehte ich mich um.
Hinter mir sah es so aus als wäre eine Gesteinslawine in den Thronsaal gekracht und ein Berg von Geröll türmte sich vor mir auf. In dem riesigen Haufen war eine gut ein Meter große Öffnung aus der das Gekicher heraustönte.
Die königlich Gestalt sprang wutentbrannt auf. „Verschwinde! Du hast hier nichts zu suchen!"
Ein hämisches, säuselndes „Doooch!", ertönte aus dem Loch, begleitet von einem scharrenden Geräusch. Verwundert starrte ich auf aschegraue Ding, das sich langsam aus der Öffnung schälte. Es hatte den Körperbau des Wesens Gollum aus „Herr der Ringe", einen langen, wettergegerbten Bart und weiße, verfilze Haare die ihm bis zum Gesäß hingen.
Das Ding fixierte mich mit seinen stechenden, schwarzen Augen und grinste schief, wobei ein gutes Dutzend Zahnstummeln zum Vorschein kamen.
„Hör nicht auf diesen Snob, das willst du doch alles gar nicht!", krächzte es. „Was du wirklich willst, ist das Mädchen aus dem Zug vögeln, weil sie dich an deine Exfreundin erinnert, die du immer noch liebst!" ich fühlte mich ertappt und schüttelte heftig den Kopf, was das Wesen aber nur umso breiter grinsen ließ.
"Außerdem willst das Geld das du verdienst nicht sparen, du willst es ausgeben und dir schöne Sachen darum kaufen. Du willst gar nicht arbeiten, sondern Zeit mit deinen Freunden verbringen und jede Nacht feiern!"
„Nein! Hör nicht auf ihn! Denk an deine Zukunft und deine Prinzipien!", schrie die königliche Gestalt hinter mir.
Ich war hin und hergerissen. „Kann ich nicht beides haben? Kann ich nicht einen Mittelweg wählen?", rief ich, worauf beide in schallendes Gelächter ausbrachen.
„Hast du das gehört? Er will einen Mittelweg zwischen Über und Unterbewusstsein gehen.", johlte der Herrscher hinter mir.
Das graue Wesen stieß ein abgehacktes, raues Lachen aus, was nach dem Krähen eines Raben klang. "Den Mittelweg um beide Seiten zufriedenzustellen, hahaha, als ob den schon jemals jemand gefunden hätte!"