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Bewusster Schreiben durch „Framing“?

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Bewusster Schreiben durch „Framing“?

Elisabeth Wehling hat mit „Politisches Framing“ und dem Untertitel „Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht“ ein Buch vorgelegt, dessen Zielrichtung es eigentlich ist, unsere politischen Einstellungen und die Gründe dafür zu reflektieren. So erklärt sie, dass Wörter wie „Flüchtlingswelle“ in den Medien Assoziationen erwecken von einer unkontrollierbaren Naturgewalt, die grundlos ein Land überschwemmt. Dass Steuern keine Teilnahme an der Gesellschaft sind, sondern eine Last, vor der man sich in Oasen rettet oder gleich ins Paradies zieht, wenn der eigene Staat einen nicht entlastet oder besser noch befreit, wobei der Staat etwas ist, was über dem Volk steht und nicht vom Volk gebildet wird. Gleichfalls zeigt sie auf, wie wir diese Metaphern erlernt haben und sogar unsere Sitzposition unsere spontanen Entscheidungen beeinflussen kann.

Auf dieser politischen Ebene ist das Buch sehr aufschlussreich und alleine deswegen zu empfehlen.

Als Autorin denke ich aber weiter und daher ist diese Rezension und meine Empfehlung auch dieses Mal etwas weiter weg vom Text. Ich fand für meine persönliche Arbeit sehr aufschlussreich, dass wir Metaphern weit häufiger nutzen, als uns Autoren/Autorinnen das im literarischen Sinne bewusst ist, dies aber beim Leser etwas auslöst. So macht man Karriere und steigt auf, während man zu viel trinkt und abstürzt. Von oben sieht man besser (deshalb wurden von Burgen auf Hügel gebaut) und kann andere besser abwehren, während man sich beim Sturz ordentlich wehtut; beim Absturz stirbt man vielleicht.
Wer in der Kneipe also abstürzt, wird ganz anders beurteilt als derjenige, der sich am Nachbartisch die Kante gibt oder gar derjenige, der mit seinem Bierkonsum alle Rekorde schlägt.

Alleine durch die Wahl der Begrifflichkeiten erzählt man also eine Hintergrundgeschichte (show don’t tell meint eigentlich genau das).

Ich habe einmal die folgenden Beispiele zur Verdeutlichung kreiert:

- Benno überfiel mit einer Waffe eine Bank. Die Mitarbeiterin händigte ihm das Geld aus. Er reiste anschließend mit dem Geld nach Peru.

- Benno raubte mit vorgehaltener Pistole die Bank aus, die Mitarbeiterin rückte das Geld raus. Er entkam/floh mit der Beute nach Peru/tauchte mit der Beute in Peru unter.

- Benno betrat bewaffnet die Bank, überzeugte die Mitarbeiterin zur Übergabe des Geldes und brachte dieses in Peru in Sicherheit.

Diese Beispiele beschreiben den gleichen Sachverhalt, erwecken aber andere Assoziationen, je nachdem ob ich Berichterstatter bin, aus Sicht des Ermittlers schreibe oder aus Sicht des Täters.

Ebenfalls fand ich sehr interessant, dass man ganze Personen oder Aktionen „framen“ kann. Anstatt von Benno kann ich vom „Bankräuber“, vom „Gesetzesbrecher“ oder vom „Freibeuter“ oder gar vom „Robin Hood“ sprechen. Damit löst man bei der Leserschaft ganz unterschiedliche Vorstellungen aus. Es reicht zu sagen: „In Peru wurde Benno zum Robin Hood“. Ich muss gar nicht mehr erzählen, dass er das Geld an arme Menschen verteilte und auch nicht, dass er offenbar weitere Straftaten beging.
„Freibeuter“ hat dagegen einen Hauch von Abenteuer, aber man assoziiert, dass das Geld für sich und einen besseren Lebensstil verwendet wird.

Ich möchte daher vor allem anregen, dieses Buch nicht rein vor dem politischen Hintergrund zu lesen, sondern sich Sprache und Framen auch bei der eigenen Arbeit bewusst zu machen. Wir schaffen Bilder als Autoren und Autorinnen in den Köpfen unserer Leserschaft. Desto präziser wir lernen, diese Bilder zu stimulieren, desto besser erreichen wir unser Ziel, ein bestimmtes Verständnis unserer Texte zu vermitteln.

Das Buch:
Elisabeth Wehling, Politisches Framing Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht,
ist zwischenzeitlich in der 4. Auflage bei Ullstein erschienen.

 

Ich habe das Buch auch aus dieser doppelten Perspektive gelesen und kann mich der Empfehlung von @Maedy anschliessen. Besonders hängengeblieben sind mir die Ausführungen zur Tatsache, dass es schwierig ist, Verneinungen in den Köpfen von Leserinnen und Lesern zu verankern. Wenn ich schreibe: "Das Feld war frei von Schnee" oder "Hier in diesem Büro gab es keine Praktikanten, niemanden, der mit Akten oder Kaffeebechern in der Hand durch die Gänge hetzte", dann muss ich damit rechnen, dass ich in erster Linie Bilder von Schnee oder durch die Gänge hetzenden Praktikanten hervorrufe. Das kann natürlich reizvoll sein - wenn man sich dessen bewusst ist.
Ich fand das Buch lesenswert und es hat mich im Schreiben weitergebracht.

 

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