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Bewußt falsche Grammatik?

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29.01.2004
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Bewußt falsche Grammatik?

Hallo Kollegen!

Ich habe eben bei der Überarbeitung einer Geschichte zum x-ten Mal den Wunsch gehabt, falsche Grammatik zu verwenden - und hab's jetzt auch getan.

Aus:

Als ich den hageren Inder sechzig Jahre später einmal nach der Geschichte fragte, faltete sich ein Lächeln in das warme Gesicht. Am meisten, sagte er, habe ihn gewundert, wie sehr ein Elefant hinter den Ohren stinkt.

habe ich gemacht:

Als ich den hageren Inder sechzig Jahre später einmal nach der Geschichte fragte, faltete sich ein Lächeln in das warme Gesicht. Am meisten, sagte er, hätte ihn gewundert, wie sehr ein Elefant hinter den Ohren stinkt.

Ich habe bei jedem Lesen wieder festgestellt, dass sich das flüssiger liest. Und auch sonst habe ich z. B. bei Kommasetzungen (vor allem bei kleinen Relativsätzen und vor "und") oder Vergangenheitsformen den Wunsch, falsche Grammatik zu verwenden, des Leseflusses wegen.

Muss ich jetzt sterben?

Gernot

 

Dr. Rainer, der Arzt Ihres Vertrauens, rät:
"Lieber Gernot,
nein, du musst nicht sterben! Das ist die gute Nachricht und ich hoffe, sie versüßt dir den Sonntagabend.
Als homovierter Medizyner gefällt mir das Geräusch, das ich beim Abtasten des Satzes vernahm gar nicht und ich tendiere zu folgendem Medikament: "Am meisten, sagte er, habe er sich darüber gewundert, wie sehr..."
Über unerwünschte Nebensatzwirkungen informieren dich criss oder häferl sicher sehr gerne.
Ich bin ja nur der Arzt, dem die Frauen in die Augen schauen."

 

Verstehe ich nicht, ich "gebrauche" auch häufig Grammatikfehler, aber immer mangels besseren Wissens. Als Stilmittel nur im Dialog, also wenn ich es jemanden in den Mund lege, beispielsweise einen Dialekt.

Ansonsten finde ich in deinem Beispiel den Konjunktiv I viel angenehmer als den Zweiten, wirkt im Schriftdeutsch auch nicht arrogant oder so was.

 

Ach, sterben müssen wir alle irgendwann. Aber mit Sicherheit nicht daran. :D

Also, ich handhabe das i.d.R. so: In Dialogen ist (fast) alles möglich, im Erzähltext jedoch achte ich normalerweise auf korrekte Grammatik - einfach weil die falsche oft zum Stolperstein für kundige Leser wird. Ich vermeide das gerne.

Ausnahme: Die gramm. korrekte Formulierung klingt dermaßen hahnebüchen bzw. es würde sich eine dermaßen exotische, verschraubte Konstruktion ergeben, dass sich alles in mir sträubt. Dann weiche ich i.d.R. auf die umgangssprachliche Alternative aus. (Leider fällt mir spontan kein krasses Beispiel ein. Aber ein kleines vielleicht: korrekt wäre z.B. "Er sagt, sei es nötig, rettete er mein Leben." Das ist irgendwie komisch, finde ich, und gerade bei diesem Konditionalis besteht ja oft die Verwechslungsgefahr mit dem Präteritum. In solchen Fällen verwende ich häufig statt dessen das umgspr. "würde mein Leben retten". Auch wenn es strenggenommen nicht 100% korrekt ist.

 

Hallo Horni!

Ja, gerade bei indirekter Rede klingt das korrekte manchmal holprig. Ich meine auch solche Beispiele, wo man mit den Zeiten auf schlimme Formulierungen kommt:

Statt:

"Wer werden nächste Woche mal reden müssen, wenn die Rechnung gekommen sein wird!"

"Wir reden nächste Woche mal, wenn die Rechnung gekommen ist."

(würde ich nicht nur in der wörtl. Rede so schreiben)

P.S.: Heisst es nicht "Er sagt, wäre es nötig, rette er mein leben"? "rette" indirekte Rede, "wäre" ins Konditional? bin verwirrt.

Gernot

 
Zuletzt bearbeitet:

Öhm, okay - jetzt bin ich auch verwirrt... :rolleyes:

Aber wir wissen ja beide, was ich gemeint habe, dennoch gut möglich, dass Du Recht hast, insofern wäre der lausige Rest eine Entscheidung des Grammatik-Dudens, den ich verzarkt nochmal grad nich finden kann, blödes Mistding, is aber auch kein Wunder, so wie das hier aussieht...

Also ändern wir das Beispiel einfach in:

"Rettete er mein Leben, wenn es sein müsste?"

bzw. dann eben

"Würde er mein Leben retten, wenn..."

Ich denke, das ist etwas unverwirrender. Scheißkonjunktiv immer. Gäbe es ihn nicht schon, sollte man verbieten, ihn zu erfinden...

Grammatikalische Grüße,
Horni

Edit: Ist eh so ein Kreuz mit dem Konjunktiv, da es mittlerweile glaube ich viele gibt, die mit seiner korrekten Verwendung nur wenig oder gar nicht vertraut sind, da er im Umgangssprachlichen echt verdammt selten vorkommt bzw. benutzt wird. Insofern muss man sich als Autor u.U. mittlerweile durchaus überlegen, wieviele Leser man mit einem korrekten Konjunktiv an der falschen Stelle evtl. in heillose Verwirrung stürzt...

 

Hi Michael,

meiner Meinung nach sollten die Alarmglocken vor lauter Läuten aus ihrer Aufhängung springen, wenn das eigene Sprachgefühl und der Duden einander widersprechen und man dies wissentlich zulässt. Dann läuft etwas auf höherer Ebene verkehrt und ich würde entsprechende Stellen völlig umkrempeln. Obwohl mir das auch nicht immer gelingt, das gebe ich zu.

Am meisten, sagte er, habe ihn gewundert, wie sehr ein Elefant hinter den Ohren stinkt.

Ganz ohne Blick auf den Kontext würde ich das vereinfachend schreiben: "Am meisten wunderte er sich, wie sehr ein Elefant hinter den Ohren stinkt." - Dann könntest du ggf. nachträglich die Rede markieren, etwa mit "Während er das erzählte, verzog sich sein Gesicht ob der Erinnerung daran." - Nicht perfekt ich weiß.

So wie ich das sehe, ist ein Konjunktiv sowieso unpassend, auf der semantischen Ebene wie ich meine. Dein Protagonist bezweifelt ja nicht, was der Inder sagt, oder doch?

Fazit: Keine Scheu davor, komische Stellen durch Revision des ganzen Drumherums zu korrigieren. Ganz wie beim Strandtennis: Bleibt man beweglich, sinkt man nicht in den Sand ein und kann daher auch heikle Bälle kriegen.


FLoH.

 

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