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Bevor es zu spät ist

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08.04.2009
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Bevor es zu spät ist

Ich wollte in die Schule wie jeden Morgen. Vorher hatte ich noch einen kleinen Streit mit meiner Mutter, weil ich verschlafen hatte und sie mir so einen Druck machte, weil ich losmusste. Wütend knallte ich die Tür und dachte mir „nervige Kuh“, dann stapfte ich wie immer zum Bus. Die Fahrt verlief normal, allerdings war Roman , einer aus meiner Klasse heute nicht im Bus.


Roman war der Außenseiter auf unserer Schule ich habe ihn noch nie mit Freunden gesehen und langsam fragte ich mich, ob er überhaupt welche hatte. Die Schikanen, die er erleiden musste, wurden mit der Zeit immer schlimmer, ich traute mich aber nicht etwas dagegen zu sagen, denn wer sich auf Romans Seite schlug, erlitt später das gleiche Schicksal und war prinzipiell bei allen unten durch.


In der Pausenhalle war es an diesem Tag besonders laut, viele hatten sich um den Vertretungsplan versammelt und redeten laut und aufgeregt durcheinander. Was da wohl los war. Zusammen mit Josie meiner besten Freundin, die auf dem Flur zu mir stieß, bahnte ich mir einen Weg durch die Menge. Einige Fünftklässer sahen sehr besorgt aus. Wir konnten nur einen flüchtigen Blick auf den Kasten erhaschen, doch mehr war gar nicht nötig , denn auf der Wand daneben stand in großen fetten Edding-Buchstaben


„Ihr werdet schon sehen“


Leider blieb uns nicht viel Zeit um darüber zu fachsimpeln, was dies wohl zu bedeuten habe, kurze Zeit später klingelte es nämlich zum Unterricht. Der war in den ersten beiden Stunden Religion jedoch recht lahm und ich konnte es nicht lassen mir Gedanken zu machen. „Was meinst du wer das geschrieben haben könnte und warum?“ , fragte ich Josie. „Antonia, das war bestimmt nur ein Scherz, außerdem richtet sich das doch sicher an die Lehrer, jemand wollte sich wichtig machen.“


Der Ansicht war Frau Tölpe auch als ich ihr am Ende der Stunde davon berichtete. In der Pause diskutierten wir unter anderem darüber, warum Roman wohl nicht da war, in diesem Schuljahr hatte er schließlich noch nie gefehlt. Als ich dies zur Sprache brachte, bekam ich eine schneidende Bemerkung von Jonas, dem Klassenliebling: „Machste dir etwa Sorgen um den Asozialen?“ Auf diesen Kommentar hin schwieg ich und war mir im Stillen sicher, dass er eher der Asoziale war und nicht Roman. Ich rief mir in Erinnerung, was Joe, wie er sich nannte , seine Kumpels und andere Schüler Roman schon so alles angetan hatten. Die Bücher hatten sie ihm geklaut und in die Toilette gestopft, dann hatten sie ihn beleidigt , bespuckt, ihn die Schultreppe hinunter gestoßen .Was aber das schlimmste war, dass sie ihn beim Duschen nach dem Schulsport gefilmt hatten und das Video ins Internet gestellt hatten. Ich hätte sie daraufhin schon längst angezeigt, aber Roman machte nie etwas, er wehrte sich nicht mal. Stattdessen schaute er immer etwas aggressiv, aber ansonsten war er eigentlich wirklich nett. Von zuhause erzählte er nie etwas, allerdings hätte das aus unserer Klasse niemanden interessiert, sie hätten ihn wahrscheinlich auch nur ignoriert. Ich wusste aber von einer Schülerin aus der Parallelklasse, die seine Nachbarin war, dass er es zuhause auch nicht leicht hatte, sein Vater unterdrückte ihn ständig und bezeichnete ihn als Enttäuschung und seine Mutter wusste nicht wie sie ihren Sohn unterstützen sollte. Das hörte sich für mich alles andere als harmonisch an: Keine Freunde, keine Unterstützung von den Eltern, seine Mitschüler machten ihn fertig, keine Perspektive.


Ich verschloss ich die Augen vor der Realität und dachte: „Jemand der jahrelang unterdrückt wird , wehrt sich nicht auf einmal.“ Aber ich lag falsch . Dieser Tag würde uns allen nie aus dem Kopf gehen, wir würden ihn nie vergessen.


Wir griffen ein anderes Thema auf und widmeten uns den Plänen für das Wochenende. Eine Party sollte steigen, denn die Arbeiten waren alle geschrieben und die Sommerferien rückten näher. Josie wollte diese Party nutzen und sich an Ole ihren Dauerschwarm heranmachen. Die anderen wollten sich bestimmt sowieso nur besaufen.

Und ich?

Ich wusste nicht mal ob ich Lust dazu hatte, ich war nicht gerade unbeliebt aber das komplette Gegenteil von den anderen, sie waren oberflächlich und wollten nur ihren Spaß haben, ich dagegen war darauf bedacht vernünftig zu sein und dachte an die Zukunft. Einige würden mich vielleicht als Langweilerin abtun, allerdings versuchte ich oft einfach nichts von meiner vernünftigen Seite zu zeigen, das war der einzige Grund, warum ich noch „dazugehörte“. Manchmal war es sehr hart, denn es war wie ein Drang anderen Leuten ihre Fehler aufzuweisen und sie zur Vernunft zu bringen, dies konnte ich nicht ausleben, wenn ich nicht allein dastehen wollte.


Wir kamen nach der zweiten Pause in den Klassenraum, außer Roman's Abwesenheit war alles wie immer, Jonas machte seine Witze und alle lachten, ich auch. Heute bekamen wir eine Stillarbeit, während unser Mathelehrer sich in sein Krimibuch vertiefte, welches als Formelsammlung getarnt war. Jonas hatte damals als unser Matheprof. Kreide holen gegangen war darin herumgeblättert , alle hatten sich damals amüsiert, nur Roman nicht. Ich holte meinen Block heraus, nichtsahnend, ich kramte meinen Kugelschreiber heraus, ohne Hintergedanken, alles was ich wollte war diese Aufgabe zu erledigen. So ging es den anderen auch. Ruhig war es , so wie eigentlich selten. Man konnte sogar das Atmen hören. In dem Moment ging es mir noch gut. Ich hätte auch nie damit gerechnet. Deshalb kam es mir so unwirklich vor, was danach geschah.


Jemand kam ohne Klopfen in den Klassenraum gestürmt, alle erschraken. Die Person trug einen weißen Anzug mit roter Krawatte und schwarzem Hemd, ich dachte es habe vielleicht mit dem Abischerz zu tun, aber es war alles andere als scherzhaft. Denn es war Roman!

Nicht der ruhige Roman, der sich alles gefallen ließ. Es war ein Roman voller Hass, der nicht mehr konnte, bei dem die Grenzen erreicht waren. Die Aggressivität spiegelte sich in seinem Blick wieder. Diesen Blick werde ich nicht vergessen, er richtete sich vor allem auf Jonas . In seiner Hand hielt Roman etwas und als ich erkannte was es war, fuhr mir der Schock erneut in die Glieder. Es ging alles so schnell und doch hatte ich das Gefühl es in Zeitlupe zu erleben, denn ich konnte es nicht fassen. Roman, der nie etwas sagte, sich alles gefallen ließ stand hier mit einer Waffe und er kannte kein Halten mehr. Wie kaputt musste ein Mensch sein , um so weit zu gehen und Menschen zu verletzen. Aber wir hatten ihn auch verletzt.

Wir hatten ihn kaputt gemacht


„Roman, was geht hier vor?“, rief unser Mathelehrer, der von seinem Stuhl aufgesprungen war. Da löste sich ein Schuss, einige Mädchen schrien auf . Ich war nicht im Stande mich irgendwie zu bewegen, mein einziger Gedanke war: „Wir werden sterben, wir werden sterben, ich will noch nicht sterben, nein, nein, nein.“ Plötzlich kam Bewegung in den Klassenraum, einige versteckten sich unter den Tischen, andere wollten aus dem Fenster springen. Währenddessen sah ich immer noch mein Leben an mir vorbeiziehen: all die schönen Momente, meine Eltern, die Kindheit, meine besten Freunde, Josie, unsere Pläne, die Schule alles schien Vergangenheit. Tränen waren auf einmal da, Reue, dass ich Roman nicht geholfen hatte und Angst um mein Leben. Roman drehte sich zu mir um , schaute mir genau in die Augen, ich fiel beinah vom Stuhl. Plötzlich war niemand mehr da außer uns beiden. Ich fühlte mich ausgeliefert. Sie hatten mich auch im Stich gelassen, dabei hatte ich ihm nicht geholfen. Er kam immer näher.


Roman richtete den Lauf auf mich, seine Stirn war voller Schweißperlen. Er atmete schwer und keuchend. Ich schloss die Augen und hörte nur noch: „Warum hast du mir nicht geholfen, du hast nie was gesagt, du hast Schuld, ich kann nicht mehr.“ Dann hörte ich gar nichts mehr.

Ich öffnete meine Augen und sah mein Zimmer. Ich lag in meinem Bett. Meine Mutter kam kurze Zeit später herein und sagte: „Wir haben verschlafen, du musst dich beeilen.“ Traum. Es war nur ein Traum-ein Albtraum. Ich drückte meine Mutter ganz fest, sie lächelte dabei und fragte was denn los sein. Ich antwortete ich sei einfach glücklich .


Im Bus lächelte ich Roman an und in der Schule schnappte ich mir ein paar aus meiner Klasse , die nicht ganz so schlimm waren wie Jonas und erklärte ihnen, dass wir Roman helfen müssten. Zu meiner Überraschung waren sie ganz froh, dass ich sie darauf ansprach, da sie selbst starke Zweifel an Jonas‘ Methoden hatten. So erfuhr ich, dass es noch andere gab, die so dachten wie ich , sich aber auch nicht getraut hatten etwas zu sagen. Immer wenn Roman an diesem Tag fertig gemacht werden sollte , stellten wir uns auf seine Seite und waren eine so gute Einheit, dass Jonas und die anderen bald keine Angriffsfläche mehr hatten. Roman kam nach dem Unterricht zu uns und bedankte sich bei uns.

Die nächsten Wochen wurden schwer, aber wir bekamen es hin Roman so gut es ging zu verteidigen und inzwischen schafft er es auch sich gegen die anderen durchzusetzen, er ist ein richtig guter Freund geworden und Josie findet ihn jetzt sogar richtig niedlich.

Ich hatte sie einen Tag nach meinem Traum auf Ole angesprochen, sie hat mich nur entgeistert angeschaut und gesagt: „Welcher Ole, Antonia manchmal bist du merkwürdig!“


Ja, vielleicht bin ich merkwürdig und dieser Traum war echt heftig und drastisch, aber er hat mir die Augen geöffnet und ich bin froh darüber. Wenn solche Träume so etwas bewirken, dann bin ich gerne merkwürdig .

 
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Moikka Domino92,

ich habe den Eindruck, es würde diesem Text guttun, nach Jugend verschoben zu werden, sowohl was das Thema wie auch den sprachlichen Stil angeht. Auf mich wirkt das doch recht jugendlich naiv, und von der Aussage her geht es positiv ausgedrückt einen geraden Weg zur Moral der Geschicht, negativ ausgedrückt ist sie ziemlich platt.

Ich bin nicht so eine eifrige Fehlerfinderin, aber zwei Dinge sind mir nebenbei aufgefallen:

spiegelte sich in seinem Blick wieder
wieder = erneut / wider = gegen

Roman richtete den Abzug auf mich
Das wäre ziemlich blöd, damit schießt er dann in die Wand oder sich in den Kopf. Der Abzug ist das, wo der Finger durch steckt, Du meinst sicher Mündung, da wo die Kugel rauskommen soll. ;)

Die Bedrohungsszene fand ich nicht überzeugend (denn die Auflösung soll ja eine Überraschung sein), was v.a. am lockeren Tonfall liegt. Er richtet die Waffe ich mich, ich dachte, ich fall vom Stuhl, hm, joo ... Wirkt insgesamt nicht gut durchdacht, nachempfunden.

Viele Grüße,
Katla

 

hallo Domino, der Text gefällt mir auf jeden Fall besser als "New York und wieder zurück" weil du dich hier auf EIN Thema konzentrierst und nicht wieder so abschweifst. Du solltest ihn aber definitiv in JUGEND verschieben lassen (frag einen Moderator), denn da gehört er auch hin.

 

Hallo ihr beiden, ja ich habe mich auf das Thema Mobbing bezogen, ich dachte das passt in unsere Gesellschaft ;) Ich habe auch gezweifelt, wollte ja auch etwas damit aussagen, aber bei Jugend ist es wahrscheinlich besser aufgehoben. Danke fürs Lesen und die Kritik
LG Domino

 

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