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Beute

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01.04.2016
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Beute

Man hatte sie gewarnt. Es sei gefährlich nach Einbruch der Dunkelheit alleine ins Moor zu gehen, vor allem als Frau. Die alten Männer, die in der Dorfkneipe, in der sie sich ein Zimmer genommen hatte, im Schankraum Karten spielten, hatten eindringlich auf sie eingeredet, nicht nach Einbruch der Dunkelheit aufzubrechen. Schon gar nicht heute, bei Vollmond. Sie hatte nur gelacht. Sie war in einer Großstadt aufgewachsen, nie hatte sie dort Angst gehabt, und dort hatte es ein paar wirklich üble Viertel gegeben und jetzt sollte sie hier, auf dem platten Land inmitten von Bauernhöfen, Schafen und Kühen Furcht empfinden? Wovor? Vor einem Amok laufenden Schaf? Oder etwa vor einem dieser Jungbauern, die sie am Nebentisch angestarrt hatten, als hätten sie noch nie eine Frau gesehen? Nun höchstwahrscheinlich hatten sie eine Frau wohl tatsächlich noch nie aus der Nähe gesehen, zumindest nicht so nah wie sie es sich wünschten. Aber das war nicht ihr Problem, sollten diese Landeier zudringlich werden, wusste sie sich zu wehren. Die Typen machten ihr keine Angst. Sie war sich sicher, hier im Moor gab es nichts, wovor sie sich fürchten musste.

Das Moor lag schwarz und still vor ihr. Nichts regte sich in ihm. Hinter ihr fiel blasses gelbes Licht aus den Fenstern der wenigen Häusern. Schwer und drückend lag die Luft auf dem Dorf, kein Windhauch war zu spüren. Hinter der dichten Wolkendecke war der Vollmond nur als blasse Scheibe zu erahnen. Lisa ging los. Schnell waren die Lichter des Dorfes in der Dunkelheit verschwunden. Der weiche Moorboden federte ihre Schritte ab und verschluckte jedes Geräusch. Stille umgab die junge Frau. Bald hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Die Umgebung erschien ihr nicht mehr schwarz in schwarz, graue Streifen gliederten die Schwärze. Die verschiedenen Graustufen ließen Gräben, Wasserflächen, Hecken, Büsche und Wege erahnen. Ein leichter Wind war aufgekommen und hatte die drückende Atmosphäre vertrieben. Die Luft roch nun nach unbekannten wilden Kräutern, nach fremdartigen Blumen und Gewächsen. Der Wind hatte die Wolkendecke aufgerissen. In den vereinzelten kleinen Lücken funkelten schüchtern einzelne Sterne. Gelegentlich konnte Lisa die kalte Scheibe des Mondes durch ein dahin eilendes Loch in der Wolkendecke sehen. Das Moor war auch nicht still, wie sie zuerst gedacht hatte. Überall raschelte das Unterholz, kleine Tiere verursachten leise heimliche Geräusche. Sie bemühten sich unauffällig und aufmerksam zu sein, um nicht die Beute größerer räuberischer Tiere zu werden. Vereinzelt kündete ein abrupt abbrechendes Quieken davon, dass ein kleines Tier nicht aufmerksam genug gewesen war. Die alten Männer fielen ihr wieder ein. Drei Frauen waren im letzten halben Jahr in der Nähe des Moores verschwunden. Immer bei Vollmond, hatte der Alte mit dem grauen Vollbart betont. Nie hatte man eine Spur der verschwundenen Frauen gefunden. Die drei seien alle in ihrem Alter gewesen, hatte der Alte bedeutungsschwer hinzugefügt. Lisa hatte nur gelacht.
„Lach nur“, hatte der Vollbart geknurrt, „ hier draußen gibt es mehr, als in einer Stadt. Das hier ist altes Land, uraltes Land.“

Der große schwarze Schatten strich lautlos über die junge Frau hinweg. Erschrocken duckte sich Lisa und unterdrückte nur mühsam einen Schrei. Der Schatten flog einen Bogen, schraubte sich kurz mit unhörbaren Flügelschlägen in die Höhe, dann stürzte sich die Eule auf ein unbekanntes Ziel auf dem Boden. Ein kurzer schriller Schrei erklang, der Todesschrei eines Tieres. Lisa kauerte auf dem Boden. Mühsam versuchte sie ihren rasenden Puls zu beruhigen. Sie war wütend, wütend auf sich.
Erst eine große Klappe und dann sich vor einem Vogel beinahe zu Tode erschrecken. Reiß dich zusammen, sonst verschwindest du wirklich in diesem Moor. So wie die drei Frauen vor ihr. Zum Glück konnte der Alte mit dem Vollbart sie jetzt nicht sehen, zusammengekauert auf den Knien. Er war ein wenig unheimlich gewesen, der Alte. Trotz seines Alters hatte er volles Haar gehabt, es glich einer schwarz-grauen Mähne. Das Gesicht war voller Falten, tief gefurcht und dennoch wirkte es nicht alt oder besser gesagt, nicht verbraucht. Das Gesicht war faszinierend, trotz der Zeichen des Alters war das Gesicht des alten Mannes attraktiv, auf eine fesselnde Art wild. Und dann die Augen, grau wie uraltes Gestein und genauso leblos, nur die Pupillen schienen zu leben. Als sie ihm in die Augen gesehen hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, von diesen Pupillen aufgespießt zu werden. Verärgert schüttelte Lisa ihren Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Es brachte nichts, sich den Kopf über irgendwelche alten Bauern zu zerbrechen, sie musste sich auf das vor ihr liegende konzentrieren. Sie erhob sich. Ihr fröstelte plötzlich. Sie zog die Jeansjacke enger um sich. Der Wind war weiter aufgefrischt. Er roch salzig, nach dem nahen Meer hinter den Deichen. Rings um sie erstreckte sich die weite Fläche des Moores. Wenige Meter vor ihr erhob sich die Eule lautlos in den nächtlichen Himmel. Ihre Fänge hatte sie in ihre Beute vergraben. Was immer es gewesen war, es regte sich nicht mehr, leblos und still wurde es von dem Greifvogel davon getragen. Die junge Frau schaute der Eule hinterher bis der große Vogel mit der Dunkelheit verschmolz. Irgendwann würde sie so enden, wie das kleine Wesen in den Fängen der Eule. Irgendwann, aber bestimmt nicht heute. Sie straffte die Schultern und marschierte entschlossen wieder los.

Der böige Wind hatte die Wolkendecke vollständig aufgerissen. Große Wolkenfelder trieben über den Himmel, zwischen ihnen warf der Vollmond sein kaltes Licht auf den Boden, schwarze Wolkenschatten jagten über das Moor. Andere, lebendigere Schatten huschten von Deckung zu Deckung, Schutz suchend und hoffend die Nacht zu überleben. Ihre Geräusche bildeten die Untermalung der Nacht, ein stetes Rascheln, Fiepsen, Tapsen und Knacken. Etwas später wurde die Geräuschkulisse von einem schaurigen Heulen übertönt. Lisa schaute zurück, das Heulen kam aus der Richtung des Dorfes. Dann brach es ab. Höchstwahrscheinlich ein Hofhund, der den Mond anheulte, die junge Frau zuckte mit den Schultern. Ihr fiel wieder der Alte in der Kneipe ein. Man habe Wolfsspuren gefunden im Moor, von einem großen Tier, hatte er gesagt. Dabei hatte er sie mit seinen versteinerten Augen beobachtet, wie sie auf die Information reagierte. Als eine Reaktion ausblieb, hatte er leise gelacht und amüsiert den Kopf geschüttelt. So wie sie jetzt. Es brauchte schon etwas mehr als ein Heulen um ihr Angst zu machen. Dennoch konnte sie es nicht unterdrücken von Zeit zu Zeit einen Blick über ihre Schulter zu werfen, in die Richtung aus der das Heulen gekommen war. Jedes Mal wenn sie sich dabei erwischte, ärgerte sie sich, dennoch tat sie es kurz darauf wieder. Aber das Heulen wiederholte sich nicht, nur die Geräusche die die kleinen Tieren machten, waren zu hören. Dann plötzlich herrschte Stille, absolute Stille. Alle Geräusche waren schlagartig verstummt. Unwillkürlich kauerte sich Lisa auf den Boden und bemühte sich kein Geräusch zu verursachen. Ihr Puls raste, dann bemerkte sie, dass sie die Luft anhielt. Verärgert über sich selbst, holte sie Luft, aber sehr vorsichtig und sehr leise. Angespannt beobachtete sie die Umgebung. Der stürmische Wind trieb Wolkenfetzen über den Nachthimmel, die immer wieder das kalte silberne Licht des vollen Mondes verdunkelten. Schatten jagten über das Moor, unmöglich zu sagen welche Schatten von Wolken erzeugt wurden und welche anderen Ursprungs waren, zum Beispiel von einem Tier stammten, einem großen Tier. Ihre Augen begannen zu tränen, so konzentriert starrte sie in die Dunkelheit. Ihr gesamter Körper war gespannt. Bewegte sich dort etwas? War der Schatten ein Tier? Welches Tier? Beute oder Jäger? Lisa begann trotz des kalten Windes zu schwitzen, gleichzeitig fror sie. Dann sah sie es, einer der Schatten bewegte sich zielstrebig, näherte sich ihr, kam immer näher. Sie zwang sich ruhig zu bleiben, nicht dem Impuls nachzugeben, einfach nur aufzustehen und wegzurennen. Der Schatten verharrte. Dann setzte er sich wieder in Bewegung, trat in das Licht des Vollmonds. Das silberne Licht glitt über eine spitze Schnauze mit scharfen Zähnen, spiegelte sich in grünen Augen wider, das Fell des Tieres glänzte rötlich im Mondlicht. Die junge Frau misstrauisch beobachtend schnürte der Fuchs in einem Bogen an ihr vorbei. Eilig verschwand er zwischen schwarzen Schattenbüschen. Erleichtert stieß Lisa die angehaltene Luft aus und unterdrückte mühsam ein hysterisches Lachen. Ein Fuchs, sie hatte sich vor einem Fuchs gefürchtet. Erst hatte ein Vogel sie erschreckt und dann ein harmloser Fuchs. Wenn der Alte sie so gesehen hätte, hätte er sich bestimmt prächtig amüsiert. Sie erhob sich aus ihrer kauernden Haltung und streckte sich, um ihre schmerzenden Muskeln zu entspannen. Der Schlag traf sie im Rücken, schleuderte sie nach vorne, hart schlug sie auf dem Boden auf. Der Aufprall presste die Luft aus ihren Lungen. Ein scharfer Schmerz brannte in ihrer rechten Schulter. Sie drehte sich auf den Rücken, um sich verteidigen zu können, um ihren Angreifer zu sehen. Sie sah ... den mit Sternen übersäten Himmel, über den der Sturm Wolkenfetzen trieb. Vorsichtig richtete sich das Mädchen auf. Nichts war zu sehen, kein Tier, kein Mensch, kein Wesen. Ein schneller Wechsel zwischen Schatten und Licht zog über das Moor, gaukelte Bewegung vor. Der Sturmwind peitsche ihre Haare in ihr Gesicht, drückte ihr T-Shirt gegen ihren Körper. Automatisch begann sie ihre Jeansjacke zuzuknöpfen, um sich vor dem Wind zu schützen. Dann, als ihr bewusst wurde, was sie tat, öffnete sie ihre Jacke wieder. Solche Fehler durfte sie sich nicht leisten. Ihre Hand tastete nach der schmerzenden Schulter, sie fasste in eine warme, klebrige Nässe, Blut, ihr Blut. Die junge Frau bemerkte, dass sie am ganzen Körper zitterte. Sie schlang ihre Arme um sich, um sich an sich selbst festzuhalten. Langsam wiegte sich Lisa vor und zurück. Etwas hatte sie angegriffen. Und dieses etwas lauerte dort draußen, lauerte auf sie. Sie spürte wie Panik in ihr aufstieg. Reiß dich zusammen, befahl sie sich. Du hast gewusst, was dich hier erwartet. Drei junge Frauen sind in diesem Moor verschwunden und du wirst die Vierte sein, wenn du dich nicht zusammenreißt. Sie atmete tief ein und aus, konzentrierte sich auf die Atmung, langsam drängte Lisa die aufsteigende Panik zurück. Das Zittern ließ nach. Alle Sinne angespannt, beobachtete sie ihre Umgebung. Stille rings herum. Lediglich das Rauschen des Windes in den Büschen war zu hören. Das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten verwirrte die Sinne, die Schatten der Wolken gaukelten Bewegung vor und verbargen die Realität. Den Angreifer konnte Lisa nirgends entdecken, aber sie wusste, dass er da war und sie beobachtete. Sie durfte ihre Angst nicht zeigen, den Triumph würde sie ihm nicht gönnen. Das Gefühl dem unbekannten Angreifer ausgeliefert zu sein und die Ohnmacht, sich nicht wehren zu können, zerrte an ihren Nerven.
„Los, komm raus“, brüllte sie in die Nacht, ihre Stimme klang heiser und unsicher. Keine Reaktion. Es war Lisa bewusst, dass ihr Verhalten kindisch und sinnlos war, aber es half ihr, sich nicht so verdammt ausgeliefert zu fühlen.
„Was ist? Bist du zu feige oder zu hässlich, um dich zu zeigen?“
Ein tiefes, kehliges Knurren hinter ihr antwortete. Erschrocken fuhr sie herum. Das Knurren hatte so nah geklungen. Ein großes, schwarzes Schemen schoss auf sie zu. Mit einer fast lässigen Bewegung traf die Pranke der Kreatur die Brust der jungen Frau. Die Wucht des Schlages warf sie erneut zu Boden. Mühsam rappelte sie sich wieder auf. Die Kraft und die unglaubliche Schnelligkeit des Wesens versetzten die Frau in Furcht. Der Sturm hatte die letzten Wolken vertrieben, das silberne Licht des Vollmonds überflutete das Moor und ließ jede Einzelheit klar und deutlich hervortreten.
Sprungbereit kauerte das Tier wenige Meter vor ihr. Die gelben Augen fixierten sie. Mutig hielt Lisa dem Blick stand. Aber sie spürte erneut Panik in sich aufsteigen. Verzweifelt versuchte sie, ruhig zu bleiben. Sie wusste, dass sie nicht überleben würde, wenn sie die Kontrolle über sich verlieren sollte. Entsetzt beobachtete sie wie das Biest sich auf die Hinterbeine aufrichtete. Es war riesig, gut zwei Meter groß. Der massige Körper war vollständig mit einem grauen Pelz bedeckt. Die kräftigen Arme endeten in Furcht erregenden Klauen. Das Wesen war halb Mensch, halb Wolf und vereinte die Wildheit des Wolfes und die Mordlust des Menschen in sich. Der Werwolf legte den Kopf in den Nacken und heulte den Mond an. Lisas Selbstbeherrschung brach zusammen, Panik überflutete sie. Die junge Frau warf sich herum und rannte. Es war ihr vollkommen egal wohin sie rannte, nur weg, weg von diesem Albtraum. Gleichzeitig wusste sie, dass Weglaufen sinnlos war. Die Kreatur war schneller als sie, viel schneller. Der Werwolf würde sie mit Leichtigkeit einholen. Dennoch rannte sie, rannte um ihr Leben. Von Furcht überwältigt rannte sie blind durch das Moor. Das Knurren des Werwolfs erklang mal rechts mal links von ihr. Irgendwann drang ein Gedanke durch das Entsetzen, die Einsicht, dass die Bestie sie in eine bestimmte Richtung trieb. Bevor diese Erkenntnis ihr richtig klar wurde, sprang der Werwolf sie von vorne an. Mit seinem ganzen Gewicht prallte er gegen das Mädchen, drückte es zu Boden. Die Kreatur richtete sich auf dem Mädchen sitzend auf, mit einem Prankenhieb zerfetze sie das T-Shirt seines Opfers. Die Klauen hinterließen eine blutige Spur auf ihrer Haut. Aus gelb leuchteten Augen betrachtete der Werwolf seine Beute, Geifer rann aus der geöffneten Schnauze, die riesigen Reißzähne glänzten im Mondlicht. Erneut legte er den Kopf in den Nacken und schickte ein triumphierendes Heulen in die Nacht. Er hatte gewonnen, die Beute war ihm sicher.
Lisa wand sich unter der Bestie. Verzweifelt versuchte sie ihre Hand unter ihren Rücken zu bekommen. Aber das Gewicht des Werwolfs presste sie auf den Moosboden. Mit letzter Kraft bäumte sich die junge Frau auf, kam in das Hohlkreuz. Die rechte Hand fuhr unter den Rücken. Ihre Hand schloss sich um das kühle Metall. Sie riss die Waffe aus der Scheide und holte weit zum Stoß aus. Das kalte Licht des Vollmonds brach sich auf der silbernen Schneide des Dolches. Die Jägerin sah der Kreatur in die Augen und verfolgte wie die Mordlust der Überraschung und dann dem Entsetzen wich, als der Werwolf begriff, dass er nicht der Jäger war sondern die Beute. Die Beute der Jägerin, die mit dem Silberdolch zum tödlichen Stoß ansetzte. In einer letzten verzweifelten Anstrengung versuchte das Wesen zu flüchten, aber zu spät, der silberne Dolch stieß herab.

 

Hallo Ping,

deine erste Geschichte hier – herzlich Willkommen!

Ich finde, wenn du noch intensiv an diesem Text arbeitest, kann das eine kurze, aber dicht gesponnene Schauergeschichte werden. Die Einleitung, die Szenerie im Moor, das ist jetzt alles nichts Neues, aber dennoch hat es mich gepackt.

Eine Frage aber mal ganz vorneweg: Wenn die Frau doch weiß, dass schon drei Frauen verschwunden sind, warum geht sie dann überhaupt ins Moor? Ist sie Werwolfjägerin? Falls das die Begründung ist, würde ich Andeutungen machen, damit der Leser merkt, da steckt was hinter ihrem Verhalten. So dachte ich bis kurz vor'm Ende immer wieder "Ist die doof?" und das stört die Stimmung, die du ja ganz gekonnt aufbaust. Also so etwas wie "Sie hatte keine Angst, sie wusste, was sie erwartete ... oder "Die Leute aus dem Dorf wussten nicht, was sie wusste ..." oder irgendwie sowas. Oder geht die da tatsächlich einfach so mit einem Silberdolch spazieren?

Zweiter Punkt: Unbedingt auf Wiederholungen achten. Nicht nur, dass Worte sich bei dir wahnsinnig oft wiederholen, sondern auch Bilder (vorbeiziehende Wolken, der Mond, die Löcher im Himmel ...). Ein Beispiel für die Wortwiederholungen (immer fett markiert):

Zum Glück konnte der Alte mit dem Vollbart sie jetzt nicht sehen, zusammengekauert auf den Knien. Er war ein wenig unheimlich gewesen, der Alte. Trotz seines Alters hatte er volles Haar gehabt, es glich einer schwarz-grauen Mähne. Das Gesicht war voller Falten, tief gefurcht und dennoch wirkte es nicht alt oder besser gesagt, nicht verbraucht. Das Gesicht war faszinierend, trotz der Zeichen des Alters war das Gesicht des alten Mannes attraktiv, auf eine fesselnde Art wild. Und dann die Augen, grau wie uraltes Gestein und genauso leblos, nur die Pupillen schienen zu leben. Als sie ihm in die Augen gesehen hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, von diesen Pupillen aufgespießt zu werden. Verärgert schüttelte Lisa ihren Kopf, um die Gedanken zu vertreiben. Es brachte nichts, sich den Kopf über irgendwelche alten Bauern zu zerbrechen, sie musste sich auf das vor ihr liegende konzentrieren.
Das klingt jetzt hart, aber ist sehr wichtig, finde ich: Sowas geht gar nicht. Du könntest hier ein tolles Bild von diesem Alten erzeugen, aber da musst du noch feilen. Denk dir andere Beschreibungen aus, abwechslungsreiche Sprache, dann kann das eine gute Erinnerungsszene werden.

Lisa kauert sich auffällig oft auf den Boden. Dauern fliegen Wolkenschatten oder Wolkenfetzen über das Moor oder den Himmel. Dieses Bild ist gut, aber baue es einmal richtig aus, nicht mehrmals.

Nichtsdestotrotz habe ich das gerne gelesen, ich glaube aber, da ist noch viel mehr drin!
Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo Ping!

Willkommen bei den Wortkriegern.

In deinem Profil schreibst du: "Als Autor möchte ich die Leser unterhalten und im besten Fall in die Geschichte hineinziehen."
=> Und daher werde ich mich in meinem Kommentar darauf konzentrieren, warum ich (noch) nicht in deine Geschichte hineingezogen wurde. (In meinem Kommentar äußere ich selbstverständlich nur meine Meinung zu deinem Text. Das ist kein Angriff auf dich als Person.)

Die große Frage, die sich mir von Anfang deines Textes stellte, war: Warum macht "sie" das eigentlich? Was will sie mitten in der Nacht im Moor?
=> Das müsste rein in deinen Text, an den Anfang, denn mit der Frage: Kann sie ihr Ziel erreichen? baust du Spannung auf.

Die zweite Frage war (ähnliches hat RinaWu ja auch gesagt): Ist "sie" eigentlich blöd?
Warum hat sie kein realistisches Bild von den Gefahren eines Moores? (Die sicherlich nicht "Amok laufende Schafe" sind, sondern das Moor selbst. Ein falscher Tritt und du bist hinüber!)
=> Und damit hattest du mich als Leserin eigentlich schon verloren. Du nimmst das Moor als Szenario, zeichnest es aber nicht realistisch, eher wie eine harmlose Landpartie. Damit verschenkst du unglaublich viel!

Noch ein paar Kleinigkeiten:

=> Du solltest deine Protagonistin von Anfang an mit Namen benennen. Das bringst sie den Lesern näher und außerdem vermeidest du Bezugsprobleme, wie z.B. hier: "Nun höchstwahrscheinlich hatten sie eine Frau wohl tatsächlich noch nie aus der Nähe gesehen, zumindest nicht so nah wie sie es sich wünschten. Aber das war nicht ihr Problem," => Ihr bezieht sich grammatisch auf die Männer, du meinst aber Lisa.)

=> Wiederholungen hat Rina schon angesprochen.

=> Dann als letztes: Satzbau. Du hast viele kurze, erklärende Sätze drin ("Das Moor lag schwarz und still vor ihr. Nichts regte sich in ihm. Hinter ihr fiel blasses gelbes Licht aus den Fenstern der wenigen Häusern."). Das liest sich abgehackt, nicht schön.

Soviel von mir. Ich finde, du könntest aus der Geschichte noch 'ne Menge machen, wenn du dich ransetzt.

Grüße,
Chris

 

Hallo Rinawu. hallo Chris,
vielen Dank für eure Anmerkungen. Ich fürchte ihr habt Recht.
Das Ganze war ursprünglich als Übung zum Spannungsaufbau gedacht. Da mir die Geschichte aber gefiel, habe ich sie dann weiter ausgebaut – ganz offensichtlich nicht genug.
Aber ich werde mich erneut dran setzen ...
Nochmals danke für eure konstruktive Kritik
Grüße
Ping

 

Hallo Ping,

ja, manchmal fängt man mit einer Übung an und es entwickelt sich mehr daraus. Das ist eines der Dinge, die ich am Schreiben so spannend finde. Bleib auf jeden Fall dran und arbeite an dieser Geschichte. Ich bin gespannt, was du daraus machst!

Viele Grüße
RinaWu

 

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