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Bettelbrief

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26.02.2003
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Bettelbrief

Wir brauchen ihre Hilfe!

Ja, sie haben richtig gehört, wir, eine staatliche Institution, bitten um ihre Hilfe.

Haben sie schon früher solche Briefe bekommen? Normalerweise enden diese Schreiben unvermeidlicherweise mit der Bitte um Geld. Manchmal auch nur Sachspenden, aber immer möchte man etwas von ihnen haben.

Dieser hier ist anders!

Wir wollen kein Geld und nichts von ihrem Besitz. Wir wollen auch nicht ihre Arbeitskraft, oder sie gar dazu bringen irgendwelche Abgeordneten anzurufen. Nein, alles was wir wollen, ist sie zu bitten sich ihr Leben leichter zu machen.

Ja, sie haben richtig gehört. Sie können uns helfen indem sie sich ihr Leben erleichtern und sie werden dabei sogar noch Geld sparen.

Wie das geht? Ganz einfach:

Als erstes, hören sie auf ihren Müll zu trennen. All die Mühe, nur um Glas, Metall und was sonst noch alles zu sortieren? Werfen sie einfach alles zusammen. Sie haben alte Batterien? Rein damit, in den Hausmüll. Vergessen sie einfach den Sondermüll. Streichen sie dieses Wort aus ihrem Gedächtnis. Alles was sie nicht mehr brauchen wird weggeworfen. Öffentliche Abfalltonnen? Auch die brauchen sie nicht mehr. Lassen sie einfach alles auf die Straße fallen.

Als nächstes kommt ihr Auto dran. Tanken sie doch einfach mal billigen bleihaltigen Kraftstoff, solange es den noch gibt. Dann geht zwar ihr Kat kaputt, aber das macht nichts, die Abgase gehen trotzdem noch durch. Dann diese teuren Ölwechsel. Die können sie doch zuhause genauso gut selbst machen. Ohne diese Entsorgungskosten. Einfach das alte Öl in den Gully fließen lassen. Das merkt doch keiner.

Kaufen sie keine Naturprodukte mehr, die sind alle viel zu teuer und werden so schnell schlecht. Kaufen sie am besten lang haltbare Produkte, mit chemischen Konservierungsmitteln, die gut in mehreren Schichten Plastikfolie und Karton verpackt sind. Das ist hygienisch und praktisch.

Machen sie auch ruhig einmal ein gemütliches Picknick, mit romantischem Feuer im Wald. Der ganze Müll bietet gutes Brennmaterial und glüht auch noch viele Stunden weiter, wenn sie längst zuhause sind. Und, wenn sie schon dabei sind, nehmen sie gleich noch den alten Kühlschrank mit und lassen sie ihn dort. So sparen sie Entsorgungskosten. Wenn sie dann einen neuen kaufen, bestehen sie auf FCKW als Kühlmittel, glauben sie uns, es gibt nichts besseres.

Wir werden ihnen auch noch weitere Broschüren zusenden, mit noch mehr einfachen, praktischen Tipps, wie sie uns helfen können. Und vergessen sie nicht, wir sind eine staatliche Institution!

Nun gut, sie werden sich nun fragen, wem sie denn nun mit diesen simplen Methoden helfen?

Wie sie vielleicht wissen, sind die öffentlichen Gelder für die Weltraumforschung im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder gekürzt worden. Deshalb glauben wir, dies ist der einzig gangbare Weg, um diese Tatsache zu ändern.

Erst, wenn wir diese Welt gemeinsam in eine Kloake verwandelt haben, in der das Leben nicht nur unangenehm, sondern auch noch unmöglich für zukünftige Generationen sein wird, dann werden die Mächtigen dieser Welt einsehen, dass sich die Zukunft der Menschheit im All befindet. Und es wird einen noch nie zuvor gekannten Boom in der Weltraumforschung geben.

Hochachtungsvoll,

ihre
NASA

 

Hi Porcupine!

Über den Schluss der Geschichte musste ich ebenfalls lachen, obwohl er absolut unrealistisch ist - aber das ist die Geschichte selbst auch, insofern ist sie in sich wieder schlüssig.

Aragorn

 

Beim Lesen der Geschichte dachte ich, ich hätte sie schon irgendwann anders gelesen. Da ging es im Kern auch darum, dass der Müll doch die Natur "verschönert".
Auch der Schluss ist eine abgeänderte Form des berühmten Greenpeace- Slogans.
Für eine "Resteverwertung" also ganz passabel, da geben sich Inhalt und Form also die Hand...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo jbk

danke für deine Kritik

Aber, wo schreibe ich denn bitte, dass der Müll die Natur verschönert? kannst du mir die Stelle zitieren?

Der Slogan den du ansprichst stammt zwar nicht von Greenpeace, sondern das ist eine Weissagung der Chre. Aber das macht ja nichts. Die haben es wahrscheinlich auch vorher woanders gelesen. ;)

Porcupine

 

@porcupine:

Als erstes, hören sie auf ihren Müll zu trennen. All die Mühe, nur um Glas, Metall und was sonst noch alles zu sortieren? Werfen sie einfach alles zusammen. Sie haben alte Batterien? Rein damit, in den Hausmüll. Vergessen sie einfach den Sondermüll. Streichen sie dieses Wort aus ihrem Gedächtnis. Alles was sie nicht mehr brauchen wird weggeworfen. Öffentliche Abfalltonnen? Auch die brauchen sie nicht mehr. Lassen sie einfach alles auf die Straße fallen.
Müll wird nicht mehr verwertet, ergo "verschönert" oder verschmutzt er durch die Kreislaufsysteme (Grundwasser etc.) die Natur.

Und zum Greenpeace- Spruch:
Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte See verschmutzt... werdet ihr erkennen, dass man ohne Natur nicht leben kann (oder so ähnlich: ist schon lange her, dass ich ihn gelesen habe)
Es kann natürlich sein, dass Greenpeace sich an dieser Weissagung orientiert und sie abgeändert hat.
Wenn die Chre aber gesagt haben, dass wir im Weltraum leben werden, dann ist diese plötzliche Pointe zum Schluss ja gar nicht selbst ausgedacht...schade.

Lg
jbk

 

jetzt bin ich aber verwirrt.

verschmutzen bedeutet also verschönern? In welcher Sprache? Neusprech?

Zitat:

"Erst wenn der letzte Baum gefällt, der letzte See verschmutzt... werdet ihr erkennen, dass man ohne Natur nicht leben kann (oder so ähnlich: ist schon lange her, dass ich ihn gelesen habe)"

..oder so ähnlich?

na, wenigstens machst du dir die Mühe fundierte Kritiken zu schreiben.


Porcupine

 

Jip,
im Ironischen kann man von "verschönern" sprechen.

Und wie gesagt: den Spruch habe ich in den 80ern auf einem Aufkleber gelesen. Obwohl ich sonst ein gutes Langzeitgedächtnis hab, entschuldige ich mich, ihn nur in Teilen zitieren zu können.

 

Hallo Heli!

Mir gefällt er ganz gut, Dein Bettelbrief! :thumbsup:

Ich sehe ihn sehr ironisch und satirisch, hätte ihn nicht verschieben lassen. Aber gut, das ist Deine Entscheidung. ;)

Ganz und gar nicht sehe ich ihn als Ableitung des von jbk erwähnten Spruches, der richtig lautet "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluß vergiftet, der letzte Fisch gefangen, werdet Ihr feststellen, daß man Geld nicht essen kann!" und von den Hopi-Indianern stammt. Die Feststellung, daß man Geld nicht essen kann, ist jedenfalls nicht Deine Pointe. :)

Was ich anders gemacht hätte, ist, daß ich die Aussagen noch ein bisschen stärker bzw. härter hervorgebracht hätte. Ich meine zum Beispiel das mit dem Mülltrennen. Ohne an der Wichtigkeit dessen zu zweifeln, ist es doch letztendlich nur eine Gewissensberuhigung, eine Augenauswischerei. Du schneidest das Thema Verpackung bei Lebensmitteln noch einmal kurz bei den Bioprodukten an, verbindest die beiden Themen (Mülltrennung und Müllvermeidung) aber nicht miteinander... Das könntest Du wesentlich besser rausarbeiten. Es gibt ja schon so eine allgemeine Auffassung, daß es egal sei, wie viel Plastik um die Waren herum ist und wie viele Dosen man kauft, weil es ja eh getrennt und wiederverwertet wird...
Auch bei den Autos hätte ich es nicht beim verbleiten Benzin und dem Ölwechsel belassen, sondern zumindest auch noch hinzugefügt "und fahren sie ruhig jedes noch so kurze Stück mit dem Auto, auch, wenn es nur zweihundert Meter sind. Am besten jeder einzeln", oder sowas ähnliches.

Mülltrennung, bleifreies Tanken usw. sind ja heutzutage fast selbstverständlich, damit triffst Du nur sehr wenige. Wenn Du aber Dinge mit einbaust, die nicht für so viele Menschen selbstverständlich sind, triffst Du viel mehr.
Beim Thema Batterien zum Beispiel: Klar, Batterien gehören zum Sondermüll und nirgends anders hin. Aber der Frage, ob man denn wirklich für alles Batterien braucht, oder ob nicht oft auch wiederaufladbare Akkus genügen, finde ich nicht...

So gesehen, gefällt mir Dein Text von seiner Art, der Idee her ganz gut, ist mir aber ein bisschen zu wenig ausgereift.
Die Aussage, daß die Vermüllung der Erde die Weltraumforschung rechtfertigt, ja sogar notwendig macht, ist natürlich sehr heavy und gelungen - doch würde sie wesentlich mehr sitzen, wenn jeder irgendetwas im vorangehenden Text finden könnte, was auf ihn zutrifft - deshalb würde ich da noch mehr und bissigere Aussagen hineinarbeiten (dann könntest Du ihn ja wieder zurück nach Satire schieben lassen...). So, wie er jetzt ist, kann ich mir nämlich ruhigen Gewissens denken: Pah, mich betriffts ja nicht, ich trenne Müll, fahre kein Auto und Batterien kommen zur Sammelstelle - sind ja nur die anderen die Bösen, die die Umwelt zerstören... :D

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Häferl

Vielen Dank für deine Kritik

ja, ich gebe zu, dass ich die Geschichte noch länger und Detailreicher gestalten hätte können. Das hatte ich auch vorgehabt, aber lass uns der Realität ins Auge blicken: Dies hier ist eine reine Pointen-Geschichte, und den Leser länger als nötig von der Pointe abzuhalten ist in dem Falle nicht gut. Deshalb habe ich mich auf den Hinweis "weitere Broschüren folgen" beschränkt, denn worum es im Kern geht ist ohnehin jedem klar, (zumindest sollte jeder vernünftige Mensch heutzutage wissen was man machen sollte und was nicht) da braucht man nicht unzählige Beispiele anzuführen.

das der Schlussatz so klingt wie die alte indianische weisheit ist mir erst nach der Kritik von jbk aufgefallen, ganz ehrlich :shy:

trotzdem, danke nochmal.

Heli :)

 

Hallo porcupine,

die NASA hat es erkannt: Will man bei den Menschen etwas erreichen, muß man sie bei der Bequemlichkeit packen...
(Obwohl Habgier auch nicht schlecht ist).
Nette Idee!

Tschüß... Woltochinon

 

Die Aussage ist auf jeden Fall sehr gelungen, auch wenn mich die Schluss- Pointe nicht so sehr überrascht hat, schließlich erwähnst du die „staatliche Institution“ ja direkt am Anfang. Außerdem habe ich mal ein Interview mit einem Mars- Erforschungs- & Besiedlungs- Befürworter gelesen, der tatsächlich diese Argumentation benutzte: Wir müssen den Mars der Menschheit zur Verfügung stellen, weil unser bisheriger Planet schon bald durch uns unbewohnbar gemacht werden könnte. (Dabei verschwieg er natürlich den extrem hohen Verbrauch von Energie, Material und Geld für eine Mars- Mission.)
Vielleicht hättest du noch ein paar weniger alltägliche Beispiele einbringen können: „Unterstützen Sie die Errichtung von sinnlosen Schnellstraßen, Ölbohrtürmen in Nationalparks, subventionsabhängigen Kohlenminen, unsicheren Atomkraftwerken und all den Dingen, gegen die unwissende, übereifrige Bürger sonst so gerne protestieren.“

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus porcupine!

Die Geschichte gefiel mir gut. Die Motivationsformel "lass einfach jetzt gleich alles fallen was irgendwie nach Mühe und Anstrengung dampft, kümmere dich bloß um nichts - andere kümmern sich ja auch net drum, schüttel die Veranwortung mit angewiederten Schulterbewegungen möglichst locker ab, so haben wir letztlich alle was davon" ist bestimmt ein wirksamer Konsumentenmagnet.

Aber die beste Pointe, welche mir ermöglicht hat, allein im finsteren Zimmer sitzend laut aufzulachen sprudelte in einer deiner Antworten auf wie eine Badetablette:
"verschmutzen bedeutet also verschönern? In welcher Sprache? Neusprech?"

Ich wünsch dir eine gute Zeit, lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo Eva. freut mich, dass du dich amüsiert hast. wenn auch bei einer antwort mehr als bei der Geschichte, abwer was solls, hab ja beides ich geschrieben ;)

oder, vielleicht sollte ich statt "freut mich", sagen doppelplusgut? ...wenn wir schon bei neusprech sind... ;)

Heli

 

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