Betrug
Der Wecker klingelte, einmal, zweimal. Dann: die Hand, die den Wecker suchte, um ihn auszustellen, schmiss ein leeres Glas vom Nachttisch. Ein verärgertes Seufzen, gefolgt von einem Quitschen des Bettes gab zu verstehen, dass mein Mann sich im Bett aufgerichtet hatte. Er gähnte. Schatz, was machst du da? Ich lag neben ihm, mit einem Kissen im Nacken und hielt seinen Terminplaner in der Hand, blätterte, so, als wolle ich alles aus seinem Leben erfahren.
Hastig griff Rainer nach dem Planer in meinen Händen, entriss ihn mir, als ob ich etwas Gefährliches in den Händen hielte. Ich brauchte gar nicht lesen, ich wusste, dass der Kalender gefüllt war mit Namen und Telefonnummern anderer Frauen, bei denen er von Zeit zu Zeit vorbeischaute und unter anderem den Macho raushängen ließ. Was denn sei, fragte ich scheinheilig und drehte meinen Kopf in seine Richtung. Mittlerweile hatte er den Wecker ausgestellt und war jetzt gerade dabei, seinen Anzug, der so wichtig aussah, anzuziehen. Die Gürtelschnalle klackte, Eisen auf Eisen. Er müsse früh raus, der Chef hätte heute eine lange Sitzung geplant und vermutlich würde er erst spät an diesem Abend wiederkommen. Ich spielte mit dem Finger an meinem Bauchnabel herum, schob langsam das Hemd nach oben, bis man meine Titten vollständig sehen konnte, und rieb sie. Der Einwurf, dass er vielleicht aber schon gegen fünf zurück sein könnte, man wüsste ja nie, wie das mit der Planung sei. Zufrieden in meiner Meinung bestätigt worden zu sein, zog ich mein Hemd wieder nach unten und stand ebenfalls auf. Seine Schritte hallten mittlerweile unten im Flur, sie schienen etwas zu suchen. Wahrscheinlich die Kondome, die ich gestern in meinem Schrank verschlossen hatte. Vor dem Bad stand der Stab. Ich ergriff ihn sicher und bestimmt, Produkt der monatelangen Arbeit. Leicht fand ich den Weg in die Küche, wo er gerade dabei war einen kalten Kaffee von gestern zu schlürfen. Geschmacklos, so konnte ich ihn nun bezeichnen. Ich brauchte ja keinen Geschmack zu haben, wieso auch. Ich sah ja nicht sein fettiges Haar und den sabbrigen Mund, wenn er in mich eindrang. Er war für mich der letzte Halt gewesen, als ich mein Augenlicht verloren hatte. Er hatte alles machen können, denn verlassen hätte ich ihn nie. Der Arzt sagte, dass die Krankheit äußerst selten sei, ein Virus. Ich solle mir zunächst keine Hoffnung auf Besserung machen. Man müsse Forschungen anstellen. Mittlerweile waren mir die Fortschritte egal.
Rainer lief mit schnellen Schritten nach oben, zurück ins Schlafzimmer. Ich hörte das Aufziehen einer Schublade. Rainer suchte gerade nach den öffentlichen anerkannten Ehekondomen. Schade, sie waren woanders. Ein verärgertes Zischen drang in meine Ohren. Ich lächelte. Mein Zuruf, dass es schon spät sei. Der Tisch war notdürftig bedeckt, nur ein klebriger Teller für ihn. Aus dem Schrank holte ich Teller und Messer für mich, ergriff ein Stück Brot und strich mir genüsslich Honig darauf, während Rainer im ersten Stock den Schlüssel zu seiner alltäglichen Fremdbefriedigung suchte. Ein zweites Brot, dieses Mal selbstgekochte Bitterkirschmarmelade. Die Schritte im ersten Stock waren nun energisch, fast agressiv, wie ein Tier. mein Mann rannte die Treppe hinab, schob in der Gardrobe Kleiderbügel knirschend hin und her, bis er seine Jacke gefunden hatte. Dann kam er zurück in die Küche. Er hatte sein frauenbetörendes Parfum benutzt, das tat er, damit es schneller zur Sache ging. Anscheinend hoffte er darauf, dass eine seiner Bekanntschaften die Pille nahm oder es ihr einfach egal war, von ihm so gespritzt zu werden. Ich schaute dorthin, wo das Fenster war. Er würde versuchen, so früh wie möglich zurück zu sein. Seine kalten Lippen auf meiner rechten Wange. Schon tönten seine Schuhe mit Einlagen, im Foyer. Er verwendete Einlagen um größer zu erscheinen. Mit einem Klacken öffnete sich die Tür und der Mann verschwand durch die Tür.
Ich schaute immer noch nach draußen. Dort irgendwo stand sein geleaster BMW. Autos und Kleider machen Leute. Die letzten Wochen waren sehr belustigend gewesen. Rainer´s ganze Geschichten, die Ausreden, es gäbe in der Firma Probleme und er müsse helfen, oder noch besser: ein Kundenbesuch. Wie beschränkt musste man sein, um nicht dahinter zu kommen. Ich lachte als ich an ein bestimmtes Erlebnis dachte. Einmal als ich beim Arzt war, hatte er sich sogar in unserer Wohnung vergnügt. Doch dummerweise, war ich früher zurückgekommen als geplant, die Behandlung war ausgefallen. Er hatte unten auf der Couch mit ihr rumgemacht. Das Stöhnen hatte ich schon vor der Haustür gehört. Es war still geworden beim Öffnen der Tür. Ich hatte das Wohnzimmer betreten, dort, wo die beiden waren. Er hinter ihr. Und dann hatten sie versucht sich in dieser Haltung über ein neues Konzept der Firma zu unterhalten. Ein geschickter Schachzug die dumme, blinde Frau zu täuschen. Ich hatte mich stark beherrschen müssen nicht laut loszulachen. Er wollte mich nach draußen schicken, mit der Begründung, dass sie noch eine Menge zu beraten hätten. Tut mir leid Schatz, wenn ich dich jetzt rausschicke, du weißt doch, die Firma. Ich brauchte es nicht zu sehen, um zu wissen, dass es ein Anblick für die Götter war, als ich anfing mit seinem Hasen über Gott und die Welt zu unterhalten. Sie, gebückt, die Hände an der Couchlehne, einen Fuß auf das Polster gestellt. Er immer noch in ihr. Nach zehn Minuten verließ ich sie, weil ich ein starkes, lautes Lachen nicht mehr unterdrücken konnte.
Nun stand ich auf. In der Abstellkammer neben dem Schlafzimmer standen zwei Koffer. Gepackt für vier Wochen. Aus Rainers Tresor, von dem ich mittlerweile die Kombination kannte, nahm ich alles Geld, es waren an die 17000, und legte einen Briefumschlag, der die Scheidung enthielt, hinein. Es war 9 Uhr. An der Tür klingelte es. Der junge Augenarzt trat hinein und küsste mich leidenschaftlich, nahm mir die Koffer ab und verstaute sie im Kofferraum.
Die Tür hinter mir fiel ins Schloss. Endlich war es soweit. Ab heute keine Heucheleien mehr, die Wochen, in denen ich meinem Mann vorgespielt hatte, immer noch blind zu sein, um ihn ratlos zurücklassen zu können, abgeworfen. Der Motor rasselte. Ich lenkte den Wagen Richtung Flugplatz, mein Geliebter neben mir. Endlich war ich frei.
[Beitrag editiert von: Gina am 14.01.2002 um 22:17]