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Betriebsversammlung

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18.09.2013
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Betriebsversammlung

Der Wecker klingelt morgens um sechs bei Karl-Gustav Gerlinger, im noblen Villenviertel der Stadt, wo die Anwesen groß und die Mauern um sie herum hoch sind. Zur gleichen Zeit piepst auch die Nachttisch-Uhr von Peter Merz, ein paar Kilometer weiter, in der Reihenhaus-Siedlung. Es ist Jahrzehnte her, dass Karl-Gustav und Peter sich zum letzten Mal persönlich sahen, auf der Abschlussfeier ihres Jahrgangs am Gymnasium. Sie hatten in der Schule nie viel miteinander zu tun – Karl-Gustav aus wohlhabendem Hause, Unternehmersohn, nachmittags nach der Schule vom Kindermädchen bei den Hausaufgaben begleitet, danach mit Freunden beim Reiten oder auf dem Golfplatz, und Peter, dessen Vater in der Kohlegrube schuftete, und stolz war auf seinen Ältesten, der auf das Gymnasium ging, und dem er ein Studium ermöglichen wollte. Und doch fanden beide, Karl-Gustav und Peter, den Weg in die gleiche Firma, die Waschmaschinen produziert und andere Haushaltsgeräte – gute, teure, deutsche Qualitätsprodukte, in großer Stückzahl, groß genug für das Unternehmen, um ein Schwergewicht zu sein im DAX.

Karl-Gustav sitzt im Bad, lässt sich rasieren und überfliegt dabei schon mal den heutigen Pressespiegel, den ihm sein Assistent auf das iPad geschickt hat. Die Krise in Südeuropa schwächt die Kaufkraft, kostet Marktanteile für das Unternehmen und seine teuren Produkte. „Ich muss, muss, muss reagieren!“, denkt er, schließt die goldenen Manschettenknöpfe, und lässt geistig die Vorlage seines Strategie-Chefs zu dem Thema Revue passieren, während er das maßgeschneiderte Hemd zuknöpft, und die Seidenkrawatte gerade rückt. Es bleibt ihm noch Zeit für einen flüchtigen Kuss für seine Frau, die am Frühstückstisch auf der Veranda sitzt. Seine Tochter ist noch nicht auf, er sieht sie meist eh nur am Wochenende, wenn überhaupt. Kurz schweift sein Blick über den weitläufigen Garten, den dichten grünen Rasen und die akkurat geschnittenen Büsche, dann blickt er wieder auf seinen Blackberry und scrollt durch die Mails. Er nippt noch mal am Kaffee, und meint zu ihr: „Sag dem Gärtner, er soll die Beete am Pool endlich sauber bepflanzen – das sieht ja aus dort... Und gib Maja einen Kuss von mir – kann sie ihre Mathe-Noten nicht mal in Ordnung bringen?“ Dann ist der Chauffeur da, Karl-Gustav setzt sich in den Fonds der schweren Limousine und beginnt zu telefonieren, während der Wagen aus der Einfahrt rollt.

„Hmmm, der brummt heute ja besonders gequält“, denkt sich Peter, während er seinen Elektrorasierer über das Kinn schiebt, „hoffentlich gibt der nicht bald den Geist auf.“ Einen neuen würde er über den Mitarbeiter-Verkauf vergünstigt bekommen, dennoch ist Peter froh um jede Ausgabe, die ihm erspart bleibt. Das Reihenhaus ist erst in ein paar Jahren abbezahlt, und dann will die Große wahrscheinlich studieren. Doch lange hält er sich mit diesen Gedanken nicht auf; er sitzt in der Küche am Frühstückstisch, streicht sich dick Nutella auf das Brot, und erkundigt sich nach dem Liebeskummer seines Zweitältesten, der emotional gerade voll in der Pubertät angekommen ist. „Na, gibt’s heute was Besonderes in der Arbeit?“, meint seine Frau, während sie nochmal die Schultaschen der drei Kinder kontrolliert, und er erwidert: „Neinnein, die Budgets sind gemacht, nur heute Nachmittag ist Mitarbeiterversammlung. Wahrscheinlich wieder das übliche Gelaber“. Damit umarmt er seine Frau noch mal, verabschiedet sich mit einem Kuss und setzt sich hinter das Steuer seines dreizehn Jahre alten Golfs.

Bei der Firma angekommen dreht Peter seine Runden im Parkhaus, bis er einen freien Platz erspäht, stellt den Wagen ab und nimmt sich seine Aktentasche. Sein Weg führt ihn in eines der vielen Großraum-Büros. „N’morgen Gerd“ sagt er in die Yucca-Palme hinein, die seinen Schreibtisch von dem seines Nachbarn trennt, und erhält das ihm schon wohlbekannte morgenvermuffelte Brummen als Gruß zurück. Vertriebscontrolling machen Peter und Gerd, seit Jahren schon, für den Mittelmeerraum. Die Zahlen sehen nicht gut aus, die dabei in letzter Zeit über ihre Monitore flimmern. Dafür soll es in Asien ganz gut laufen, meinen die Kollegen aus Shanghai; es scheint, dass die Chinesen den Hals gar nicht voll kriegen können mit deutschen Wäschetrocknern und Dampfgarern.

Peter ist froh über seine Arbeit und die geregelten Abläufe im Großunternehmen. Das Studium an der nahe gelegenen Fachhochschule war nicht einfach gewesen, vor allem finanziell. Peter musste regelmäßig dazukellnern, verlängerte die Praktika um etwas mehr Geld zu bekommen, und auch das, was sein Vater entbehren konnte vom schmalen Budget der Großfamilie floss in das Studium des Ältesten. Als die kleine Firma, bei der er danach anfing, nach ein paar Jahren Pleite machte, sah es zunächst schwierig aus für den damals frisch verheirateten Familienvater, aber dank seines jugendlichen Alters und der damals boomenden Wirtschaft gelang ihm der Einstieg bei seinem jetzigen Arbeitgeber. Mit den Jahren wuchs seine Erfahrung im Unternehmen und sein Vertrauen in den Apparat des Konzerns; er wurde Teil des Systems mit 35-Stundenwoche, 30 Tagen Urlaub und Weihnachtsgeld und war bei seinen Kollegen und Chefs beliebt wegen seiner sorgfältigen Arbeit. Jetzt noch mal wo anders neu anfangen? Für Peter mit seinen gut 50 Jahren ein völlig abwegiger Gedanke – wer sollte ihn in diesem Alter denn auch noch nehmen?

Karl-Gustavs Karrierepfad war vorgezeichnet. „Work hard – play hard“, wie er unter Freunden zu sagen pflegt: Das Studium an der teuren Privat-Uni war hart, aber die Verbindungen halfen. Schnell erlangte Karl-Gustav Verantwortung, einen Doktortitel, und war in leitender Position im Ausland und in Übersee tätig. Kehrte zurück, stieg weiter auf, bis in den Chefsessel der Vorstandsetage. Und lenkt nun die Geschicke des Unternehmens mit seinen tausenden Angestellten.
An Karl-Gustavs Platz im Parkhaus steht sein Name und akademischer Grad, sein Assistent hält den Aufzug in das oberste Stockwerk bereit mit dem Schlüssel für die Sonderfahrten. In seinem weitläufigen Büro angekommen geht Karl-Gustav kurz durch die verschiedenen Textversionen für seine Rede bei der Mitarbeiter-Versammlung – je eine, abhängig davon, wie der Vorstand nachher entscheiden würde. Während er noch letzte Anmerkungen macht, meldet sich die Sekretärin über das Telefon: „Herr Dr. Gerlinger, der Herr Minister ist jetzt in der Leitung“ – „Ja, danke. Stellen Sie durch“. „Hallo Thomas“, begrüßt Karl-Gustav den Minister – man kennt sich von der Uni, und von verschiedenen Lobby-Veranstaltungen. „Ich habe leider schlechte Nachrichten. Aber naja, es ist ja noch etwas hin bis zu den nächsten Wahlen…“

„Was meinst du, Peter, gibt’s heute was spannendes bei der Mitarbeiter-Versammlung um eins?“ fragt Gerd über seinen Kaffee hinweg bei der Frühstücks-Pause. „Hmm“, brummt Peter, „wäre das erste Mal, dass die dort was Wichtiges wissen. Komisch nur, dass das dieses Mal über den Chef reingekommen ist. Anwesenheitspflicht, hat er ja gemeint…“. „Bin mal gespannt, ob der Gerlinger spricht“, erwidert Gerd „über den habe ich schon so einiges gehört, muss ein knallharter Typ sein. Aber zu sehen kriegste so jemand ja eh nicht.“ „Du“, lacht Peter, „der kocht auch nur mit Wasser. Weißt du, der hat mit mir Abitur gemacht damals. Hab nie viel mit ihm zu tun gehabt, er war eher so in der Coolen-Truppe unterwegs. Und hab ihn seither auch nicht mehr getroffen. Da war nur mal ein Artikel über ihn im Spiegel, da dachte ich hah – den kennste doch!“ Mit diesen Worten steht Peter vom Stuhl in der Kaffeeküche auf und begibt sich wieder an seinen Schreibtisches, während Gerd in Richtung seiner Frühstücks-Zigarette abdreht.

Unterdessen hat im obersten Stockwerk die Vorstands-Sitzung begonnen. Über die Gebäck-Platten und den dampfenden Kaffee auf dem dunklen Konferenz-Oval hinweg blicken Karl-Gustav und seine Mit-Entscheider auf die Folien, die der Strategie-Chef über die Leinwand flimmern lässt. Im Hintergrund tippen zwei Protokollanten geschäftig mit; edel uniformierte Hostessen stehen am Raumende bereit, um zur Neige gehenden Kaffee und Gebäck zu ergänzen.

„Wie Sie in meiner Vorlage lesen, und hier sehen können“, klingt die sonore, von zu vielen Zigaretten und zu wenig Freizeit gezeichnete Stimme des Strategie-Chefs durch den Raum, „zwingen uns die negative Marktentwicklung in Europa und die Rohstoff-Situation in Asien dazu, neue Handlungsfelder in Produktion und Absatz auszuleuchten…“ Die Zahlen und Grafiken, die folgen, kennt Karl-Gustav bereits aus der Vorlage, ebenso die Optionen und Handlungsfelder, auf die sich sein Strategie-Chef bezieht. Er hat sie bis spät in die vorangegangene Nacht mit den betroffenen Managern diskutiert, auf der Suche nach der besten Lösung für das Unternehmen. Sie haben Planspiele durchgespielt, hier Stellen gekürzt, dort Stellen aufgebaut – im Geiste Standorte geschlossen und andere aufgemacht, und überlegt, wo welche Posten zu besetzen sind. Nun, nach vielen Gesprächen und der abschließenden Diskussion in der Runde der Vorstände, ist Karl-Gustav überzeugt, die richtige Entscheidung für das Unternehmen zu treffen. Er beschließt die Diskussion mit den Worten: „Nun, wie ich sehe, meine Herren, stimmen Sie mit mir überein, dass nur Option C eine dauerhaft gangbare Alternative darstellt. Bitte lassen Sie die entsprechenden Maßnahmen einleiten und die Budgetanpassungen vornehmen. Versand der Börsenmitteilung zu Option C durch die Presseabteilung. Den Arbeitsminister habe ich bereits informiert, was ihm da dann von der Gewerkschaft in’s Haus steht. Er wird wohl von uns einen Sozialplan fordern, ich habe ihm gesagt, dass wir uns wegen der schwierigen Wirtschaftslage nur an den gesetzlichen Maßgaben orientieren können. Die Mitarbeiter werde ich wie geplant heute um 13h in der Mitarbeiterversammlung über diesen Beschluss informieren. Können wir dann bitte zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen?“

Das tribünen-artige Foyer der Konzernzentrale ist bereits gut gefüllt, als Peter und Gerd nach dem Mittagessen zur Mitarbeiterversammlung eintreffen. Ein Rednerpult steht auf einem Podest, direkt unterhalb des Firmenlogos. Das Ensemble aus Podest, Pult und Logo ist hell ausgeleuchtet; eine Kamera fängt das Bild ein, und überträgt es auf zwei Großleinwände zur Linken und zur Rechten des Firmenlogos. Peter lässt seinen Blick über die Masse der anwesenden Kolleginnen und Kollegen schweifen und erblickt etliche bekannte Gesichter, grüßt freundlich. Kurz nach eins markiert das plötzliche Abebben des allgemeinen Geräuschpegels aus Gesprächen, Stühlerücken und Zurechtschieben von Kleidung und persönlichen Gegenständen den Beginn der Versammlung ankündigt. Hinter dem Rednerpult ist bereits Karl-Gustav erschienen, überlebensgroß übertragen auf die Videoleinwände über ihm.

Für die Begrüßung lässt sich Peters Abitur-Kollege nur wenig Zeit, schnell kommt er inhaltlich zur Sache: „Erlauben Sie mir zunächst, auf die Erfolge des vergangenen Jahres einzugehen, bevor ich mit Ihnen über die Herausforderungen der näheren Zukunft sprechen möchte…“ Mit uns sprechen, denkt sich Peter – sprechen wird hier vermutlich nur einer, und eher zu uns als mit uns. Dann lenkt ihn eine SMS ab, die er in dem Moment von seiner Tochter bekommt: 14 Punkte in der Englisch-Klausur – Peter schmunzelt in sich hinein, und freut sich. Jede gute Note ist jetzt wichtig für einen vernünftigen Durchschnitt und damit den Numerus Clausus.

Was Karl-Gustav vorne redet, bekommt er nur in Wortfetzen mit „…Herausforderung im europäischen Markt…“ „…Probleme, außerhalb Chinas an die seltenen Erden zu kommen…“ „…Fahren auf Sicht im Mittelmeer-Raum…“, bis ihn Gerd sanft in die Rippen stößt: „Du, Peter, ich glaube da geht’s jetzt um uns im Vertriebs-Controlling…?“

In diesem Moment setzt Karl-Gustav zum für ihn schwierigsten Teil der Rede an: „Die eben geschilderten Herausforderungen zwingen mich und meine Vorstandskollegen dazu, auch in Deutschland schwierige Standort-Entscheidungen zu treffen. Die Produktion in Mannheim und in Gera wird geschlossen und nach China verlagert. Das gesamte Vertriebscontrolling hier am Standort wird geschlossen und die Aufgaben vom Vertrieb in Shanghai mit übernommen. Die aktuelle wirtschaftliche Situation erlaubt es uns leider nicht, den betroffenen Mitarbeitern Aufgaben in anderen Bereichen anzubieten. Daher wird das Unternehmen sie unter Berücksichtigung ihrer individuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen mittels betriebsbedingter Kündigungen freisetzen müssen.“

Nach ein paar weiteren kurzen Sätzen, die Karl-Gustav mit motivatorisch wertvollen Inhalten für die verbleibenden Mitarbeiter füllt, verabschiedet er sich von der versammelten Belegschaft. Er begibt sich hinter das Podium, lockert mit zwei Fingern seinen Hemdkragen und macht sich, unsichtbar für das Publikum und begleitet von zwei Personenschützern, auf den Weg zurück in sein Büro. In einem Nebenraum des Büros verbringt er die nächsten 30 Minuten auf dem Laufband. Den Kopf frei kriegen für den nächsten Termin - 14:30h, Verhandlung mit dem Aufsichtsrats-Ausschuss über die Verlängerung seines Vertrages. Während Karl-Gustav die Geschwindigkeit des Laufbands hochfährt, geht er im Geiste noch mal seine Forderungspositionen für den neuen Vorstands-Vertrag durch.

In Peters Ohren rauscht das Blut. In dem allgemeinen Geraune, das der Ankündigung über die Stellenkürzung folgt, starrt er nach vorne zum Rednerpult, und ist sich nicht sicher, ob er das eben Gesagte tatsächlich gehört hat. Betriebsbedingte Kündigung – die ihm verbleibende Arbeitszeit kann er im Kündigungsrecht nachlesen. Die Freude über die gute Note der Tochter ist weg, der Kopf voller Gedanken, von denen jeder einzelne mit einem Mal zentnerschwer im Magen liegt. Der Kredit für das Haus. Das Auto, das keinen TÜV mehr kriegen wird. Die Kinder, von denen noch nicht mal das erste zu studieren begonnen hat. Seine Frau, und ihre Frage heute Abend, wenn er heimkommt: „Na Schatz, wie war die Arbeit heute?“ Irrwitzigerweise ist da auch der manisch brummende Rasierer in seinem Kopf, der nach Ersatz schreit.

Und… wer sollte ihn in diesem Alter denn noch nehmen?

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus MartinSchnuhr,

sprachlich und stilistisch ist dein Text bis auf einige Kleinigkeiten tadellos, er lässt sich angenehm und weitgehend flüssig lesen, und er ist obendrein nahezu fehlerfrei. So gesehen also ein durchaus erfreuliches Leseerlebnis.
Darüber hinaus hat die Geschichte eine Handlung, glaubhafte Figuren, neben dem Protagonisten einen Antagonisten, auch eine Art Spannungsbogen, einen Konflikt und eine gesellschaftskritische Prämisse. Also eigentlich alle Zutaten für eine taugliche Kurzgeschichte.

Trotzdem konnte sie mich nicht wirklich packen, muss ich dir leider sagen.
Einerseits, weil mir deine Erzählsprache zu wenig ungewöhnlich erscheint, die ist mir irgendwie zu brav, zu glatt, andererseits, weil mir sowohl die Figuren, als auch das ganze Geschehen einfach zu stereotyp, beinahe klischeehaft wirken.
Auf der einen Seite der Spross einer wohlhabenden Familie, dem sein Leben lang quasi die gebratenen Tauben in den Mund fliegen, obendrein ist er natürlich ehrgeizig, skrupellos und entsprechend furchtbar erfolgreich. Limousine, goldene Manschettenknöpfe, Seidenhemden, Prachtvilla und ein verzogenes, verwöhntes Töchterchen, das offenbar in der Schule versagt. Alles da, sozusagen.
Ihm gegenüber der brave Proletariersohn, mit dem dreizehn Jahre alten Golf, dem lebenslangen Kredit für das schmucke Reihenhäuschen und der Tochter, die natürlich glänzende Mathe-Noten nach Hause bringt.
Das mag ja durchaus dem wirklichen Leben entsprechen, aber mir ist es einfach zu schwarz-weiß gezeichnet. Für mich liest sich das beinahe wie das Drehbuch zu einer sozialkritischen Dokumentation, für die man des leichteren Verständnisses wegen quasi holzschnittartige Charaktere entwirft.
Also besser kann ich’s nicht erklären, aber irgendwas fehlt mir in der Geschichte, ein wirkliches Mitfühlen erlebte ich nicht beim Lesen.
Ich weiß auch nicht recht, wie du das verbessern könntest. Ist auch nur meine persönliche offshore-Meinung.

Auf ein paar sprachliche Unsauberkeiten möchte ich dich noch hinweisen:

Es bleibt ihm noch Zeit für einen flüchtigen Kuss für seine Frau, […]
und meint zu ihr:

Zwischen dem Personalpronomen ihr, und seiner Frau liegen zwei lange Sätze mit entsprechend vielen Objekten darin, unter anderem seine Tochter. Da ging mir beim Lesen der Bezug verloren.

„Neinnein,

Nein nein,

geht Karl-Gustav kurz durch die verschiedenen Textversionen für seine Rede bei der Mitarbeiter-Versammlung

den Satz würde ich umstellen:
... geht Karl-Gustav kurz die verschiedenen Textversionen für seine Rede bei der Mitarbeiter-Versammlung durch.

„Was meinst du, Peter, gibt’s heute was spannendes [Spannendes] bei der Mitarbeiter-Versammlung um eins?“ fragt Gerd über seinen Kaffee hinweg bei der Frühstücks-Pause.
„Hmm“, brummt Peter, „wäre das erste Mal, dass die dort was Wichtiges wissen. Komisch nur, dass das dieses Mal über den Chef reingekommen ist. Anwesenheitspflicht, hat er ja gemeint…“.
„Bin mal gespannt, ob der Gerlinger spricht“, erwidert Gerd „über den habe ich schon so einiges gehört, muss ein knallharter Typ sein. Aber zu sehen kriegste so jemand ja eh nicht.“
„Du“, lacht Peter, „der kocht auch nur mit Wasser. Weißt du, der hat mit mir Abitur gemacht damals. Hab nie viel mit ihm zu tun gehabt, er war eher so in der Coolen-Truppe unterwegs. Und hab ihn seither auch nicht mehr getroffen. Da war nur mal ein Artikel über ihn im Spiegel, da dachte ich hah – den kennste doch!“ Mit diesen Worten steht Peter vom Stuhl in der Kaffeeküche auf und begibt sich wieder an seinen Schreibtisches, während Gerd in Richtung seiner Frühstücks-Zigarette abdreht.

Diesen Absatz habe ich dir mal anders formatiert. Man sollte in einem Dialog nämlich bei jedem Sprecherwechsel eine neue Zeile beginnen. Ist einfach angenehmer zu lesen.

um zur Neige gehenden Kaffee und Gebäck zu ergänzen.

Den Satz würde ich auch umstellen, weil sich der Kaffee und das Gebäck im Genus unterscheiden und sich das adverbiale zur Neige gehenden(s) auf beide zu beziehen scheint, was aber nicht geht.
Besser: … um Gebäck und zur Neige gehenden Kaffee zu ergänzen.

Kurz nach eins markiert das plötzliche Abebben des allgemeinen Geräuschpegels aus Gesprächen, Stühlerücken und Zurechtschieben von Kleidung und persönlichen Gegenständen den Beginn der Versammlung ankündigt.

Dieser Satz hat irrtümlich zwei Prädikate.

Und noch was:

Mitarbeiter-Verkauf, Großraum-Büros, Mitarbeiter-Versammlung, Vorstands-Sitzung,
Mit-Entscheider, Strategie-Chef, Rohstoff-Situation, tribünen-artig, Frühstücks-Zigarette,
Abitur-Kollege, Englisch-Klausur, Mittelmeer-Raum, Standort-Entscheidungen, usw.

???
Zum leidigen Thema Bindestriche verweise ich jetzt einfach mal auf diesen Artikel.

Viel Spaß noch im Forum


offshore

 

Hi offshore,

danke für dein Lob und vor allem für die konstruktive Kritik; ich weiß beides sehr zu schätzen. Deine Formulierungsvorschläge habe ich mir angesehen und gedacht: Ja, eigentlich hättest du das genau so schreiben müssen, und der Text wäre eine Ecke besser geworden.
Bezüglich der Holzschnitt-Charaktere schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Einerseits möchte ich die Charaktere möglichst klar und deutlich beschreiben, ein Bild vor den Augen des Lesers schaffen. Andererseits werden Personen dann langweilig, wenn sie so vorhersehbar werden, wie es Karl-Gustav und Peter wohl sind. Da bin ich mit meinen klaren Charakteren sicher über das Ziel hinausgeschossen. Hier, ebenso wie bei der Erzählsprache, wird mir vermutlich nur Üben helfen, und die konstruktive Kritik hier im Forum. Die Vita der Protagonistin in der nächsten Kurzgeschichte in meinem Kopf ändert sich jedenfalls gerade schon massiv auf deine Kritik hin...
So, und jetzt lese ich mir erstmal deinen Artikel-Tipp zum Thema Binde-Striche durch *grins*

Beste Grüße
MartinSchnuhr

 

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