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Besuch von der Gedankenpolizei

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25.08.2003
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Besuch von der Gedankenpolizei

„Vergessen sie das mit der Kunst, Inorbit“, haben die Leute von der Gedankenpolizei gesagt, „das nützt weder ihnen, noch sonst jemandem. Ist reine Zeitvergeudung. Denken sie doch einmal, in was für eine Lage sie sich manövriert haben. Tag für Tag sitzen sie hier und produzieren nutzloses Zeug, das keiner kaufen mag. Das ist doch kein Leben.“
Zwei von diesen Typen haben mich heute in der Werkstatt besucht. Ein dicker, schwitzender Kerl mit vorstehendem Kinn, der Andere hager mit einem leicht dümmlichen Gesichtsausdruck. Beide trugen billige Anzüge, beide sahen aus als hätten sie sich längere Zeit nicht die Haare gewaschen.
Ich habe sie gefragt, wie sie auf mich gekommen sind.
„Betriebsgeheimnis“, sagte der leicht säuerlich riechende Dicke und blies mir den Rauch seiner billigen Zigarre ins Gesicht, „wir wissen mehr über sie, als sie denken. Sie sind ja nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt.“
Der Dicke zog einen Aktenordner aus seiner Ledertasche und blätterte darin.
„Einnahme illegaler Substanzen, Drogenschmuggel, Einbrüche, Fahrerflucht, Verbreiten subversiven Gedankenguts, etcetera etcetera. Aber das sind Kleinigkeiten, Peanuts. Ihre Jungendsünden interessieren uns nicht. Schlimmer ist die Tatsache, das sie KÜNSTLER sind! Und ein äußerst Mittelmäßiger obendrein, wenn ich das mal sagen darf.“
Ach du Scheiße, die alte Einschüchterungsnummer. Als er mir den „Künstler“ entgegenbellte, lief sein Kopf rot an. Ein kleiner Faden Sabber lief über sein Kinn.
„Aber, Inorbit, man kann ja mit uns reden. Wir sind ja nicht so. Wir sind sogar bereit, ihnen ihr Vergehen zu vergeben. Dazu müssten sie allerdings kooperativ sein.“
„Was zum Teufel wollen sie eigentlich von mir? Was hat das zu bedeuten?“ fragte ich.
Der Dicke zündete sich noch eine Zigarre an und warf einen verächtlichen Blick auf meine Skulpturen.
„Nun, wir haben beschlossen, aus ihnen ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu machen.
Wir bieten ihnen ein völlig neues Leben an: Job, ein kleines Häuschen im Grünen, Familie, Wochenendausflüge, großer Wagen und so weiter. Rundum abgesichert und sorgenfrei. Ist das nichts? Wie wäre es mit einer
Führungsposition in einem mittelständischen Unternehmen? Anfangsgehalt 5000 Euro? Sie können ganz neu anfangen.“
Langsam wurde mir die Sache unangenehm und ich sah mich einer völlig grotesken Szenerie ausgesetzt. Ich beschloss, die beiden Arschgeigen rauszuschmeißen.
„Ok, das reicht jetzt. Sie haben mich lange genug aufgehalten. Ich weiß nicht, was hier gespielt wird und wer sie sind und warum sie mich mit ihrem Unsinn behelligen, aber ich würde sie jetzt bitten, zu gehen. Und zwar sofort.
Also, verschwinden sie, oder ich hetzte ihnen meine mutierten Hasen auf den Hals.“
Der Dicke kam bis auf wenige Zentimeter zu mir rüber und glotze mich aus seinen hässliche Fischaugen an, die in seiner Speckvisage steckten.
„Ich sehe schon, Inorbit. Sie sind ein Unverbesserlicher. Wenn sie sich nicht freiwillig beugen, müssen wir sie Zwangs-Lobotomisieren. Sie wissen ja, was das bedeutet. Das Letzte, was diese Welt braucht, sind erfolglose Künstler.“
“Schon klar“, sagte ich „die alte einer-flog-über-das Kuckucksnest-Nummer, wie?“
Während mir die Speckfresse seinen stinkenden Atem entgegenhauchte, zog der Andere, der Hagere mit den stechenden Augen, eine Spritze aus dem Revers seines billigen Anzugs und kam langsam auf mich zu. Der Dicke
versuchte mich zu packen. Ich machte einen Satz nach hinten, griff mir den schweren Steinmetztschlegel und schlug dem Spritzenmann den Schädel ein.
Sein Gehirn kleckerte auf den Boden meiner Werkstatt.
Der Dicke rollte auf mich zu. Ich versetzte ihm einen mächtigen Tritt in die Eier. Er ging zu Boden, ich holte mit dem Schlegel aus und schlug zu.
Als der Schädelknochen brach, sackte der Fettwanst vorne über und klatschte effektvoll auf den Steinboden. Seine Backen waberten noch eine Weile hin und her, bis er schließlich reglos dalag. Seine Fischaugen glotzten mich an. Er sah aus wie ein erstickender Karpfen.
Ich zündete mir eine Zigarette an, und überlegte, was ich mit den Leichen machen sollte.
Ich kam auf die geniale Idee, die Körper in Epoxydharz zu gießen.
Ich drapierte die Leichen auf einer Krankenliege die ich noch im Lager gefunden hatte, und befestigte dem Dicken eine Vorrichtung am Kopf, die aussah wie ein futuristisches, chirurgisches Instrument. Dann goß ich die
leblosen Körper mitsamt dem Bett und einem Beistelltisch in Epoxydharz, bemalte das Ganze und fertig war eine neue Installation, die ich „Der nicht autorisierte Eingriff“ nannte.
Ich betrachtete zufrieden mein Werk und machte mir noch ein Bier auf.

 

Hallo Inorbit,

das Ende deiner Geschichte ist natürlich Geschmacksache, so unsympathisch du die beiden Gestalten auch vorher beschrieben hast.
Die Gestaltung der Figuren, das Kolorit, die Atmosphäre sind dir gut gelungen. Stilistisch gefällt mir deine Geschichte also gut.
Inhaltlich verschenkst du an manchen Stellen etwas.
Wenn du die Geschichte mit Gedankenpolizei betitelst, dann sollte deutlich werden, warum diese Menschen solche Angst vor den Gedanken der Kunst haben. Das einzige Argument deiner Schergen ist ja die "Mittelmäßigkeit", die "Abqualifizierung" der Kunst deines Prot.
Da bleibst du leider ein bisschen an der Oberfläche und nimmst deiner Geschichte den Schrecken.
Die "mutierten Hasen" sollen wahrscheinlich andeuten, dass dein Prot die Situation selbst nicht ganz ernst nimmt. Dafür ist aber seine Reaktion danach zu heftig. Ich mag humorlos sein, aber dieser Witz kommt bei mir eher lächerlich als zum Lachen an.
Deine Geschichte ist also für mich stilistisch gut, hat aber in der Tiefe deutliche Schwächen.

Lieben Gruß, sim

 

hi!
ganz herzlichen dank für deine wahrlich konstruktive kritik bezüglich meiner geschichte von der gedankenpolizei.
danke und gruß, inorbit:)

 

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