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Besuch, der bleibt

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18.02.2009
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Besuch, der bleibt

Sie wachte auf und jemand drückte ihr ein Kissen aufs Gesicht. Im ersten Reflex riss sie die Augen auf und versuchte, Luft in die Lungen zu pumpen, aber natürlich war das Kissen im Weg. Also zwang sie sich, die Augen wieder fest zuzukneifen und zählte im Kopf „1,2,3 ...“, ehe sie langsam wieder die Lider hochklappte.
Das Kissen war verschwunden, dafür hockte Gundula jetzt neben ihr auf der Bettkante und starrte sie mit schief gelegtem Kopf an.
„Guten Morgen!“ schnurrte sie mit ihrer Stimme, die klang, wie in Sirup ertränkte Bienen. Irgendwo in Asien aß man das als Leckerbissen zu besonderen Feiertagen, hatte Zoe mal gelesen. In China vielleicht, oder auch in Japan, beides gleich viele unendliche Kilometer entfernt. Zoe holte Luft, teste, ob noch alles funktionierte. Tat es auch – grade so.
„Wird dir der Trick mit dem Kissen nicht langsam langweilig?“ fragte sie betont gleichgültig. „Jeden Morgen das Gleiche ist nicht grade sehr einfallsreich.“
Gundula zuckte die Achseln.
„Solange es immer noch klappt, kein Grund, grantig zu werden.“ zwitscherte sie.
Zoe ließ ihren Kopf nach hinten fallen und starrte auf die grauen Pickel der Raufasertapete über ihr.
Der Vormieter hatte hier oben garantiert nicht gestrichen. Vermutlich hatte er sich gedacht, dass es vollkommen ausreichend war, genug frisches Weiß an den Wänden links und rechts zu verschmieren, um den Eindruck von „frisch renoviert“ zu erzeugen. Und wer starrte bei einer Wohnungsbesichtigung schon konzentriert an die Decke. Man öffnete den Kühlschrank und das Gefrierfach, drehte an den Herdknöpfen und untersuchte die Dusche auf Schimmel und das Klo auf Urinstein. Dann fragte man sich, ob das Bett vors Fenster passte und ob die dunkelvioletten Vorhänge, die in der WG so pfiffig aussahen, diesen Raum nicht irgendwie düster wirken lassen würden. Ganz bestimmt nicht dachte man an angegraute Zimmerdecken, während man sich zwischen den anderen Interessenten der offenen Wohnungsbesichtigung – Zwei Zimmer, 58 Qum, 420,- kalt – durchdrängte. Stattdessen schnappte man sich den Zettel, den der Makler einem in die Hand drückte, notierte Name und Adresse, und weil man in der Spalte „Gewährleistungen/Mietsicherheit“ Bürgschaft der Eltern notieren konnte, rief einen der Makler vier Tage später zurück. Einzug zum nächsten Ersten.
Nach fünf Jahren in einem 13 qum Zimmerchen, Küche- und Badteilung mit mehr oder weniger zweckgebundenen Mitmietern war es an der Zeit, erwachsen zu werden. Wenn sie jetzt nicht bereit für das echte Leben wahr, dann vermutlich nie.
Drei Wochen später hatte sie einen Anhänger gemietet und Jason, der eigentlich Dennis hieß und Jura studierte, hatte sie, ihre vier Umzugskisten, den Schreibtisch, Matratze samt Lattenrost plus einen wackligen Kleiderschrank „Aneboda“ in seinem Kia durch die halbe Stadt gekurvt.
Das war vor 13 Monaten gewesen, als Winterlicht und Frühlingssonne sich noch nicht recht entscheiden konnten, wer von ihnen an der Reihe war. Aber unter den Balkonen im Ersten Stock hatten Krokusse geblüht, lila und weiß, und Zoe hatte gedacht, das sei ein gutes Zeichen.
Aber so war es nun mal mit Omen: entweder man glaubte daran oder man glaubte nicht, aber in jedem Fall sollte man sie richtig lesen können.
Zoe zwang den Blick von einem besonders dicken Knubbel direkt über ihr, der sie jedes Mal an einen fetten Eiterpickel kurz vor dem Platzen erinnerte, und drehte sich Richtung Fenster. Ihr Bett stand genau unter dem mittig in die Wand gelassenen Rechteck, das das Zimmer hell und freundlich hatte wirken lassen, als sie es an diesem Aprilmorgen vor über einem Jahr zum Schlafzimmer erkor. Der andere, größere Raum sollte Wohn- und Arbeitszimmer werden, die Fenster dort waren kleiner, dafür gab es drei Stück und einen „französischen Balkon“, eine Gartentür ohne Vorbau, was man im achten Stock getrost auch „Selbstmördertür“ nennen durfte.
Man sollte die Zeichen eben lesen können.
Vom Schlafzimmer aus sah man im besten Fall jede Menge Himmel, alles andere – graue Wohn- und Bürotürme, graue Straßen, Gehwege, Plätze und Höfe – führte nur zu Depressionen. Depressionen, ha!
Gundula kicherte leise und Zoe warf ihr einen müden Blick zu.
„Verpiss dich.“ murmelte sie ohne Elan, Gundula hörte ihr ohnehin nie zu und machte meistens das Gegenteil von dem, was Zoe sich wünschte.
„Du willst doch nicht etwa aufstehen?“ prustete sie jetzt auch. „Hast du nicht gesehen, was für ein Wetter draußen ist?“
Dabei spielte es überhaupt keine Rolle, was für ein Wetter es war, es war sowieso einfach nie richtig. Zu nass, zu kalt, zu heiß, zu trocken, zu staubig, stickig, feucht-klamm, windig, unberechenbar, erdrückend ... unvorstellbar, dass Menschen Tag für Tag nichts anderes machten, als aufzustehen und ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen.
Heute hing der Himmel taubenblau vor dem Fenster, an dessen Rändern links und rechts die dunkelvioletten Vorhänge baumelten.
Der Wonnemonat, es war zum Kotzen.
Falscher, ganz falscher Gedanke. Obwohl sie noch nichts gegessen hatte, drückte ihr Magen plötzlich unangenehm gegen Zoes Kehle und im Rachen sammelte sich scharfer, beißender Magensaft.
Guten Morgen, Dasein.
Sie schluckte, einmal, zweimal und setzte sich dann auf. Die Liste ihrer körperlichen Unbefindlichkeiten war ziemlich lang, im Moment spürte sie jede einzelne davon. Schwindel. Brechreiz und Übelkeit. Schwere Beine. Sausen im Kopf. Kopfschmerzen. Nervöser Darm. Schwere, kalte Hände. Rauschen in den Ohren. Zuckende Augenpartie. Verkrampfte Nackenmuskulatur. Herzklopfen. Pfeifende Atmung. Rückenschmerzen. Jucken. Knackende Gelenke. Geschwollene Zunge. Brustenge, Atemnot.
Sie kletterte unbeholfen aus der zerwühlten Bettdecke (einen flüchtigen Augenblick überlegte sie, wann sie die Bezüge zuletzt gewechselt hatte) und griff nach dem Kleiderknäuel, das vor ihr auf dem Boden lag. Strumpfhose, Jogginghose, Wollsocken, Shirt, Sweatshirt, Schal. Sie fror jetzt immerzu.
Am Bad marschierte sie vorbei, heute gab es keinen Grund die Wohnung zu verlassen und also auch keinen, sich wenigstens flüchtig zu waschen, und ließ sich in der Küche auf einen der hohen Hocker plumpsen, die sie bei IKEA so schick gefunden hatte.
Nachdem sie ein paar Minuten so da gesessen und sich einfach nur an das Wachsein zu gewöhnen versuchte, stand sie nochmal auf und holte sich eine Dose mit einem Energydrink aus dem Kühlschrank. Kaffee kochen war schon längst zu mühsam geworden, aber ohne Koffein würde sie keine der unerträglichen Stunden durchstehen können, die noch vor ihr lagen.
Die Uhr über der Spüle tickte laut und spöttisch. Fast zehn, noch mindestens acht Stunden Tag.
Guten Morgen, Dasein.

Gundula war leise hinter ihr in den Raum geschlüpft und lümmelte sich jetzt direkt vor ihr mit aufgestützten Armen am Küchentisch.
„Von zu viel Taurin kriegt man Krebs.“ behauptete sie ernst und drehte die leere Getränkedose so, dass Zoe die Liste der Inhaltsstoffe lesen konnte. „Und all das E Dingsbums da drin ... bei deinem Konsum gibst du vermutlich schneller den Löffel ab als Herr Tundrin.“
Herr Tundrin war ein Nachbar drei Partien weiter unten, und sah aus wie mindestens achtzig. Wenn er durchs Treppenhaus schlurfte, hustete er immer derart, dass Zoe Angst hatte, hinterher Teile seiner Lunge auf den Stufen vor zu finden.
Zoe verschluckte sich und spuckte den Rest Flüssigkeit ins Spülbecken. Sie hasste den Gedanken ans Sterben, an den Tod, daran, dass alles zu Ende gehen musste.
Und hasste zugleich die Tatsache, dass sie jeden Morgen wieder wach wurde. Wie passte das zusammen? Gar nicht. Wie auch sonst nichts in ihrem verkorksten, jämmerlichen Dasein.
Sie schlang die Arme um ihre Brust und bemühte sich, langsam ein und aus zu atmen. Sie würde nicht ersticken, das waren nur ihre Gedanken, nur ihre Einbildung.
Ein und wieder aus, ein und wieder aus.
Gundula kicherte träge.

Wann sie bei ihr aufgetaucht und schließlich ganz eingezogen war, konnte Zoe nicht mehr genau sagen. Nicht in den ersten vier Monaten, so viel stand fest. Vermutlich also erst, als der Herbst sich jeden Abend ein bisschen schneller ins Zimmer dämmerte, als die Heizungsluft trocken im Hals knisterte und ihr zum ersten Mal die Stille in der Wohnung auffiel. Eine merkwürdige Stille, die jede CD-Musik, jeden Nachrichtenton aus dem Radio oder Fernsehen überlagerte und sich unangenehm in den Ohren fest setzte.
Eine Stille, die, je länger sie andauerte, einen eigenen perversen Klang bekam und zu Kopfschmerzen führte, wenn man es nicht schaffte, ihr rechtzeitig zu entfliehen.
Anfangs war Zoe das noch gelungen. Sie hatte die Wohnung verlassen, war durch Bars und Clubs gezogen und erst morgens wieder zurück in ihre Wohnung gekehrt, wo nach all dem Nachtlärm die Ruhe eine wohlige Wirkung hatte.
Aber immer schneller flachte diese Wirkung ab, immer heftiger kamen die Kopfschmerzen, bis sie schließlich auch den Rest des Körpers erreichten und sie so müde machten, einfach nur müde und schwer.
Da war Zoe dann nicht mehr ausgegangen nachts, sondern sie hatte sich Ohropax in die Ohren gebohrt und versucht, den Schlaf herbeizuzwingen.
Das war im Winter gewesen, während der Schnee draußen auf den grauen Straßen und Plätzen lag und ebenfalls so ganz und gar grau war.
Und dann war Gundula gekommen. Eines Morgens hatte sie Zoe das Kissen aufs Gesicht gepresst und als diese in Todesangst nach Luft rang, hatte sich zum ersten Mal Gundulas klebriges Lachen auf die Stille gesetzt.
Und seitdem war sie nun da.
Jede einzelne Stunde des Wachseins teilte sie mit Zoe. Manchmal lag sie nur gelangweilt auf dem Sofa und rührte sich nicht, dann wieder sprang sie plötzlich auf, klammerte ihre drahtigen Arme um Zoes Körper und flüsterte ihr Geschichten ins Ohr, Geschichten, die frösteln machten, Geschichten von Tod und Sterben, von Unfähigkeit und Versagen, von Niederlage und Selbstbetrug.
Und es dauerte lange, bis das Herzrasen dann nachließ und sie wieder richtig atmen konnte, der Schmerz im Nacken aber und die Übelkeit, die blieben und im Kühlschrank vergammelte der Käse und das Brot.
Im Januar war Zoe zu einer Ärztin gegangen, aber weil sie nicht wusste, was sie erzählen sollte, sprach sie vom Frieren und von den Kopfschmerzen und die Ärztin diagnostizierte eine leichte Grippe, riet ihr zu Paracetamol und Hühnerbrühe, Wärmflasche und viel Schlaf.
In der Apotheke fragte Zoe spontan nach einem frei erhältlichen Schlafmittel und die Apothekerin gab ihr ein Präparat, empfahl ihr, es nicht zu häufig und zu lange zu nehmen, schlug heiße Milch mit Honig und Fußbäder vor und Zoe dachte nur an die Schachtel in der kleinen Plastiktüte, als sie den Laden verließ.
Eine Schachtel hielt 14 Tage, ein Dragee hielt 12 Stunden.
Gegen den Dämmerschlaf, den die Tabletten ihr brachten, kam Gundula nicht an und das war auch der Grund, warum für Zoe die Nächte das Schönste waren.
Sie starrte auf das Zifferblatt der Uhr, 10 Uhr 28 Minuten.
Gundula tauchte in Zoes Nacken auf und pustete ihr sanft auf die Haut.
Sie spürte, wie sich die dumpfe Schwärze vor ihre Augen schob wie ein Verdunkelungsrollo, und wie ihr Darm sich verkrampfte, während das Herz schneller schlug.
„Arme Zoe“, flüsterte Gundula. „So ganz allein. Wer wird dich finden, wenn du, sagen wir – einen Herzinfarkt hast? Aber wäre das nicht ohnehin besser, für alle, meine ich? Wäre die Welt nicht besser dran ohne dich? Was bist du schon, Zoe, außer einer Last? Gehst nicht zur Arbeit, gehst nicht vor die Tür, schaffst nicht, was jeder normale Mensch schafft? Dumme, kranke, verrückte Zoe. Um dich wäre es bestimmt nicht schade.“
Die Worte schmerzten in den Ohren, wie früher, als sie häufig eine Mittelohrentzündung gehabt hatte. Sie presste die Hände links und rechts an den Kopf und stieß mit der Stirn an die Kante des Tisches. Kaum getrockneter Schorf sprang auf und ein dünner Blutfaden lief ihr schräg über die Nasenwurzel.
„Ich heiße Zoe“ flüsterte sie heiser. „Und ich bin nicht verrückt.“
Sie glaubte keine Sekunde daran, aber allein die Worte auszusprechen war irgendwie tröstlich. Im Internet hatte sie gelesen, dass Selbstaffirmation wahre Wunder bewirken konnte, Menschen hörten auf zu rauchen oder sich von ihrer Umwelt unterbuttern zu lassen. Warum also konnte das nicht auch ihr helfen.
„Ich heiße Zoe“ wiederholte sie. „Und Zoe heißt „das Leben“".
Dann ließ sie den Kopf wieder nach vorne fallen und schlug ihn gezielt und rhytmisch gegen die Tischkante.

 

Hallo Nikita,

ein starkes Stück Text, das du hier anbietest. Sehr geschliffene Sätze, herrlich pointiert und böse ins Mark gehend.
Deine feine Beobachtungsgabe macht deine Prota sehr plastisch und bringt ihr Leiden erschreckend nah. Das tat mir schon beinahe weh, was sehr für den Text spricht. Beeindruckend ist, dass nicht dieser Jammerlappen-Effekt aufkam. Ist schon eine Kunst einen derart antriebslosen Menschen so zu zeichnen, dass er einem nicht auf die Nerven geht und man ihn nicht abtut, mit den Worten: Jetzt hab dich mal nicht so und komm aus dem Knick.

Womöglich wäre dieser Effekt eingetreten, wenn du aus dem Abriss eine wirkliche Geschichte gemacht hättest. ;) Die ist hier zwar angedeutet, aber im Prinzip beleuchtest du ja nur kurz das Innenleben und einen knappen Ausschnitt aus dem Tagesablauf mit der imaginären Freundin.
Das wirkt trotzdem, weil du den Wahnsinn in so packende Worte setzt und da ein mächtiger Hall nachtönt, aber den Funken einer Entwicklung, den hätte ich schon gern gehabt. So bleibt man genauso schlau zurück wie man eingetreten ist. Eine Situation gen Ende, die eine ENtscheidung erfordert hätte, das würde dem Text gut tun, ihn aus seiner Geradlinigkeit reißen.

Formal: Denk doch bitte an die Auslassungszeichen vor und hinter den ...
Und komma nach WR, wenn's mit Begleitsatz weitergeht.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

ich danke sehr!

Hm, falls es keine Geschichte im Wortsinn ist...weil nichts "passiert"...für mich ist es dennoch eine. Weil etwas VOR dem Anfang und NACH dem Ende kommt...weil die Geschichte zwar nur angedeutet im Ausschnitt wird, aber dennoch existiert.
Oder so. :-)

Und an den Auslassungszeichen werde ich arbeiten....

Eine Entwicklung innerhalb der Geschichte möchte ich nicht, denn sie soll gerade das Elend der Depression/Angst widerspiegeln: die lähmende Gleichförmigkeit jedes neuen Tages, die erdrückt, erstickt und hoffnungslos macht.

 

Hey NikitaF,

schön Dich mal wieder zu lesen. Ich mag Deine Schreibe sehr gern. Und ich mag, wie Du mit Deinen Figuren umgehst. Und deshalb funktioniert diese Depressionsgeschichte auch, im Gegensatz zu vielen anderen.
Und wenn ich das jetzt sage, ist es eigentlich Hohn, weil ich kann auch prima ohne Spannung und Entwicklung schreiben und verteidige das dann bis sonstwo. Der Text ist wunderschön, Deine Protagonisten kommt mir ganz nah, aber da fehlt tatsächlich irgendwas, was mich als Leser mal aufhorchen lässt. Am Ende entlässt mich der Text und ich denke, ja schön und prima. Und dass eine Depression sich jeden Tag fortsetzt, das weiß man ja. Das will man ja eigentlich nicht lesen. Wäre schön, wenn sie mal ganz kurz versucht, den Kreis zu durchbrechen, sie kann dann ja zurückfallen, aber irgendwas, wo ich als Leser eben einen Spannungsmoment erlebe, das würde der Geschichte im Sinne von Literatur sehr gut tun. Vielleicht macht sie einen Termin beim Arzt und geht dann doch nicht. Nimmt sich vor, es diesmal nicht wie eine Grippe aussehen zu lassen. Sie macht einen Termin, dann schaut sie auf die Uhr und wartet darauf loszugehen und als es soweit ist, geht sie nicht los. Irgendetwas leises halt. Nicht die große Dramatik.
Das kommt am Ende ja ganz kurz durch, als sie da Zoe = das Leben, und anderen hat es auch geholfen. Aber das wird mir zu kurz abgehandelt. Zwei Sätze und dann ist auch schon wieder vorbei. Da bin ich gerade dabei, so etwas wie - ein aha - aufzubauen und zack - Ende.


Listenkram:

„Guten Morgen!“KOMMA schnurrte sie mit ihrer Stimme,

Tat es auch – grade so.

Ich schenke Dir ein "e"

„Wird dir der Trick mit dem Kissen nicht langsam langweilig?“KOMMA fragte sie betont gleichgültig.

„Jeden Morgen das Gleiche ist nicht grade sehr einfallsreich.“

Na gut, ich schenke Dir noch eins :)

„Solange es immer noch klappt, kein Grund, grantig zu werden.KEIN PUNKT“KOMMA zwitscherte sie.

Punkte werden in der wörtlichen Rede nicht gesetzt, wenn der Satz weiter geht, dafür immer ein Komma danach. Geht so durch den ganzen Text.

Man öffnete den Kühlschrank und das Gefrierfach, drehte an den Herdknöpfen und untersuchte die Dusche auf Schimmel und das Klo auf Urinstein. Dann fragte man sich, ob das Bett vors Fenster passte und ob die dunkelvioletten Vorhänge, die in der WG so pfiffig aussahen, diesen Raum nicht irgendwie düster wirken lassen würden.

Das mag ich so an Deinen Texten, diese Detailverliebtheit, diese feinen schönen Beobachtungen.

Zwei Zimmer, 58 Qum, 420,- kalt – durchdrängte.

58 qm - ohne "u" und klein

Das war vor 13 Monaten gewesen, als Winterlicht und Frühlingssonne sich noch nicht recht entscheiden konnten, wer von ihnen an der Reihe war.

Sehr schön, wie Du hier die Zeit einführst.

... dafür gab es drei Stück und einen „französischen Balkon“, eine Gartentür ohne Vorbau, was man im achten Stock getrost auch „Selbstmördertür“ nennen durfte.

:)

Zu nass, zu kalt, zu heiß, zu trocken, zu staubig, stickig, feucht-klamm, windig, unberechenbar, erdrückendLEERZEICHEN...LEERZEICHENunvorstellbar, dass Menschen Tag für Tag nichts anderes machten, als aufzustehen und ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen.

Hier hat mir die Aufzählung gut gefallen. Und die Leerzeichen fehlen konsequent bei den Punkten ;)

Schwindel. Brechreiz und Übelkeit. Schwere Beine. Sausen im Kopf. Kopfschmerzen. Nervöser Darm. Schwere, kalte Hände. Rauschen in den Ohren. Zuckende Augenpartie. Verkrampfte Nackenmuskulatur. Herzklopfen. Pfeifende Atmung. Rückenschmerzen. Jucken. Knackende Gelenke. Geschwollene Zunge. Brustenge, Atemnot.

Und auch hier bin ich ihr noch gern gefolgt.

... und griff nach dem Kleiderknäuel, das vor ihr auf dem Boden lag. Strumpfhose, Jogginghose, Wollsocken, Shirt, Sweatshirt, Schal.

Aber hier wurde es mir dann fast über, und ich fands langweilig.

Vermutlich also erst, als der Herbst sich jeden Abend ein bisschen schneller ins Zimmer dämmerte,

Ich mag das "sich" nich.

„Ich heiße Zoe“ wiederholte sie. „Und Zoe heißt „das Leben“.

„Und Zoe heißt 'das Leben'." Oder das Leben kursiv oder gar nicht hervorstellen. Aber in Deiner Form fehlen die abschließenden " und zwei hintereinander sieht blöd aus. Und Zitat im Zitat eben mit '...' den einfachen.

Ein wirklich starker Text. Sehr gern gelesen, und wenn da jetzt noch so ein klitzekleines Spannungsmoment drin wär ... ach!

Beste Grüße Fliege

 

Liebe Fliege, ja ich hab mich ein wenig rar gemacht hier. Immer wieder gelesen, doch zum Texten fehlte mir irgendwie der Antrieb. Man muss die Worte und Geschichte zu sich kommen lassen, man kann sie nicht herbeizwingen.

Danke für die "es" und auch deine sonstigen Hilfen bezüglich des äußeren Rahmens.

Was das inhaltliche betrifft, so werde ich noch einmal nachdenken, mir Zoe nochmal vornehmen und hoffen,dass sie sich noch nicht ganz aufgegeben hat.

Liebe Grüße und ein "winkeschön" aus dem Norden!

 

Hallo NikitaF,

ich habe noch nichts von dir gelesen. Überlege aber gerade es nachzuholen. Ich verstehe die Problematik der "nicht-Handlung", würde mich aber gerne dagegen aussprechen. Die kreierte Stimmung ist gut. Davon lebt deine Geschichte. Umso mehr würde ich aufpassen, den Bilder stimmig zu halten.

hatte zum ersten Mal das klebrige Lachen ertränkter Bienen die Stille durchbohrt.

als kleines Bsp. Natürlich können Bienen bohren. Aber ich finde hier bildest du weiche, klebrige Stimmung und lässt es dann die Stille durchbohren. Meiner Meinung nach unpassend. Durchbohrende Geräusche sind klar, quietschend, laut, bohrend aber nicht klebrig. Kleinigkeit, aber vielleicht verstehst du was ich meine.

Zum versuchten Ausbruchsversuches des Prot.: Ich denke da müsstest du weit ausholen. Es wäre doch sicher eine große Sache für den Prot und somit bräuchte es Raum in der Geschichte um sich zu entfalten. Es soll ja nicht wie ein verzweifelter Versuch des Autors wirken, Handlung zu injizieren. Und dann muss der Prot ja auch wieder zurückfallen. Also, um jedem Teil seine gebührende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen müsstest du eine laaaange Geschichte daraus machen. Und sprachlich den Leser bei Laune halten. Alles nicht so leicht. So wie es ist, habe ich es gern gelesen. An einer long version wäre ich ach interessiert.

Grüße,

nikonotiz

 

Salü Nikita

Zoe ist an einer schweren Schizophrenie erkrankt und empfindet das Leben nur noch als Hinvegetieren. Sie zieht aus einer WG in eine eigene Wohnung, in der ihre Krankheit - wohl durch Alleinsein - sich verstärkt und Zoe eine imaginäre Person beschert.

Die Beschreibung von Zoes Lebensbereich ist dir zwar gelungen, aber mir fehlt die Geschichte dahinter, woher kommt und was macht Zoe von 8 - 23, hat sie Freunde/innen, du erwähnst das Internet, ist sie in Foren unterwegs?

Ihre imaginäre Person hat sogar einen Namen, gab es im bisherigen Leben vielleicht eine reale Gundula?

Ausser der Beschreibung von Zoes trauriger Abhandlung von "und ewig grüsst das Murmeltier", geschieht eigentlich nicht viel, ausser, dass sich zum Schluss eine sehr kranke Frau die Stirn blutig schlägt. Ich weiss, dir ging es darum, die Gefühlswelt von Zoe darzulegen, aber bereits die Vorredner anmerkten: Man erhält einen Einblick in Zoes Welt, und geht achtlos weiter. Da bleibt nichts haften, nicht mal die klebrigen Bienen.
;)

Textkram:

Sirup ertränkte Bienen
Eine Stimme kann rau, sanft, heiser, oder glockenghell klingen, aber wie in Sirup ertränkte Bienen? Ähem, ich finde, das war eine etwas unglückliche Überleitung zu der Chinesischen Leckerei.

Die ZS (Kommas, Leerzeichen) wurde ja bereits erwähnt, wäre schön, wenn du das noch ausbügeln könntes.

Zoe zwang den Blick von einem besonders dicken Knubbel direkt über ihr, der sie jedes Mal an einen fetten Eiterpickel kurz vor dem Platzen erinnerte, und drehte sich Richtung Fenster.
Irgendwie fehlt mir da irgendwo ein "weg".


dafür gab es drei Stück und einen „französischen Balkon“, eine Gartentür ohne Vorbau, was man im achten Stock getrost auch „Selbstmördertür“ nennen durfte.
So was gibt es? Wieso braucht es im achten Stock eine Tür ohne Terasse? Oder war da mal eine davor, und jetzt ist nur noch die (abgeschlossene) Tür da.


Der Wonnemonat, es war zum Kotzen.
Falscher, ganz falscher Gedanke.
Fand ich gut, musste ich (unterdrückt) schmunzeln, sorry.

Obwohl sie noch nichts gegessen hatte, drückte ihr Magen plötzlich unangenehm gegen Zoes Kehle und im Rachen sammelte sich scharfer, beißender Magensaft.

Würde ich umdrehen: Obwohl sie noch nichts gegessen hatte, drückte Zoes Magen plötzlich unangenehm gegen ihre Kehle und ...

Schwindel. Brechreiz und Übelkeit. Schwere Beine. Sausen im Kopf. Kopfschmerzen. Nervöser Darm. Schwere, kalte Hände. Rauschen in den Ohren. Zuckende Augenpartie. Verkrampfte Nackenmuskulatur. Herzklopfen. Pfeifende Atmung. Rückenschmerzen. Jucken. Knackende Gelenke. Geschwollene Zunge. Brustenge, Atemnot.
War mir jetzt ehrlich etwas zuviel der Aufzählung. Mindestens "Übelkeit", "Sausen im Kopf" und "Brustenge" sollten raus. ;)

Am Bad marschierte sie vorbei, heute gab es keinen Grund die Wohnung zu verlassen und also auch keinen, sich wenigstens flüchtig zu waschen, und ließ sich in der Küche auf einen der hohen Hocker plumpsen, die sie bei IKEA so schick gefunden hatte.
Mach zwei oder drei Sätze daraus, dann liesst es sich flüssiger.

die jede Cd-Musik
CD-Musik


Liebe Grüsse,
dot

 

Hey Dot, Vorsicht mit vorschnellen Diagnosen :-) Zoe hat keine Schizophrenie, jedenfalls nicht meine. Deine, sprich, die die du liest, darf natürlich gerne eine haben.

Dass dir zu wenig passiert in der KG ist ok - wie gesagt, umfangen vom dumpfen Wahn der Depression passiert eben nicht viel.

Was die Selbstmördertür betrifft: warum man sie anbringt - kA, aber ich hatte in meiner Wohnung eine. Allerdings nur im 5., nicht im achten Stock. War eine Balkontür ohne Balkon, wie gesagt.

Die Aufzählung der Symptome artet bewusst so aus, weil ich zeigen will, wieviel alles zusammen kommt - in einer solchen Situation. Es gäbe vermutlich noch mehr.

Die ertränkten Bienen müssen dir nicht gefallen - ich mag sie.
Danke.

 

Hallo NikitaF

Da möchte ich gerne noch mal nachhaken.

Zoe hat keine Schizophrenie,
Jede einzelne Stunde des Wachseins teilte sie mit Zoe. Manchmal lag sie nur gelangweilt auf dem Sofa und rührte sich nicht, dann wieder sprang sie plötzlich auf, klammerte ihre drahtigen Arme um Zoes Körper und flüsterte ihr Geschichten ins Ohr, Geschichten, die frösteln machten, Geschichten von Tod und Sterben, von Unfähigkeit und Versagen, von Niederlage und Selbstbetrug.
Interessen- und Antriebslosigkeit, sowie Stimmen/Halluzinationen (Gundula), das sind doch eigentlich zwei Hauptsymptome dieser fiesen Krankheit. Wenn deine Zoe nicht an Schizophrenie leidet, wie erklärst du mir dann den Wesenszug von Gundula? Real scheint sie mir ja eher nicht zu sein. ;)

Gruss dot

 

Hallo NikitaF

klang, wie in Sirup ertränkte Bienen

Seit ich diesen Satz las, komme ich von dem Versuch mich zu erinnern, wie es klingt, nicht mehr los. Bienen und Wespen vor Augen, die an warmen Augusttagen sich auf jedes süsse Getränk stürzen, kamikazegleich. Mir gefällt die Melodie dieser Worte, auch wenn ich bei Annäherung von Wespen und Bienen in der Regel mit den Händen wild fuchtle.

Wohnungsbesichtigung – Zwei Zimmer, 58 Qum, 420,- kalt – durchdrängte.

Hier kam meine Fantasie ins Galoppieren, ein Mass?, doch konnte ich sie noch nicht einfangen. Oder doch, einfach qm mit Anzahl Mietinteressenten hintennach?

erdrückend...unvorstellbar

Leerschläge vor/nach Auslassungszeichen, gewollt unterlassen?

Ich habe anschliessend gesehen, dass die beiden gesetzten Hinweise schon erwähnt wurden. Ich lass sie dennoch stehen, einfach so zur Anmerkung, woran mein Lesefluss leicht stolperte.

Die Idee fand ich sehr lustig, der eingenisteten Niedergeschlagenheit fiktiv einen Part zu geben und sie mit dem Namen Gundula zu verkörpern. Anfänglich dachte ich an eine Besucherin, dann an eine Mitbewohnerin, bis der Groschen fiel.
dotlash hat recht, dass das Symptom Gundula erstrangig auf Schizophrenie hinweist (ICD-10, F20). Es kann aber z. B. auch bei Alkoholismus (F10) oder ständigem Missbrauch von Halluzinogenen bzw. psychedelischen Drogen (F11) auftreten. [Sorry dot, wenn ich mich da einmischte. Bin manchmal etwas vorlaut.]

Ein traurig, schlichtes Erleben, das sich hier sprachlich und inhaltlich sehr schön umsetzt. Für mich wirkte es so in sich geschlossen und gelungen, trotz unklarer Diagnostik.

Sehr gern gelesen.

Gruss

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

@ dot: hm, für mich bzw beim Schreiben sollte sie die Personifizierung der Angststörung bzw. und/oder Depression sein. Ich hatte auch kurz überlegt, das auszuführen - wie Zoe eines Tages ihrer Krankheit einen Namen gibt und sie versinnbioldlicht um das Zusammenleben mit ihr erträglicher zu machen, doch so fand ich es interessanter.

@Anakreon: Danke dir! Ja, die Auslassungszeichen mag ich nicht AUSLASSUNGSZEICHEN!... ich arbeite dran ;-)

dotlash hat recht, dass das Symptom Gundula erstrangig auf Schizophrenie hinweist (ICD-10, F20). Es kann aber z. B. auch bei Alkoholismus (F10) oder ständigem Missbrauch von Halluzinogenen bzw. psychedelischen Drogen (F11) auftreten. [Sorry dot, wenn ich mich da einmischte. Bin manchmal etwas vorlaut.]
Nur zu :-) Jeder darf ja lesen was er möchte. Ich mag das niemandem vorschreiben und bin froh, dass es über diese KG keine Schulinterpretation geben wird :-P

Ich persönlich tendiere aber in diese Richtung:

der eingenisteten Niedergeschlagenheit fiktiv einen Part zu geben und sie mit dem Namen Gundula zu verkörpern

Liebe Grüße

 

Hallo NikitaF

Wenn ich heute aus meinemn Fenster schaue, kann ich den Trübsinn schon verstehen, in den die Protagonistin verfällt. Und ich kann auch mir auch den Wahn plastisch vorstellen, in den die Protagonistin gefallen ist.
Was mich stört, ist der "rote Faden" der Geschichte. Es stört mich nicht die wenige Außenhandlung. Es stört mich eher dieses zwanghafte Bemühen diese Geschichte über eine Erkrankung abzurunden. Für mich ist das ein Widerspruch. Die Protagonistin kann der Ärztin nicht erklären, was mit ihr los ist, aber trotzdem habe ich den Eindruck, dass sie doch sehr wohl weiß, was mit ihr los ist. Schließlich kokettiert Zoe auch mit Gundula.
Die Erzählperspektive ist unrund. Der Erzähler wähnt sich im Kopf von Zoe, agiert an ihrer Stelle, wo ich eigentlich Hilflosigkeit und Panik erwarte.

LG
GD

 

Hey Dame, danke für deine Meinung.
Schade, dass du die Kg unrund findest.
Meine Erfahrung sagt, dass viele Betroffene tatsächlich beide Seiten in sich vereinen: krampfhafte Suche nach Diagnosen (im Internetzeitalter sehr leicht), ein sich-wiederfinden in Diagnosen, Austausch in Foren - zugleich ein instinktives Ablehnen der Diagnose (um nicht "verrückt" zu sein), ein krampfhaftes Festhalte an der Illusion, nicht krank zu sein, Abwechslung von kurzzeitiger Hoffnung und lähmender Hoffnungslosigkeit/Entmutigung.

Manchen von Neurosen Betroffenen hilft es in der tat in der Therapie im Psychodrama die Krankheit zu Personalisieren, ihnen eine Stimme zu geben - so findet man unter Umstönden auch heraus, was für eine Funktion die Erkrankung im Leben des Betroffenen hat.
LG

 

Meine Erfahrung sagt, dass viele Betroffene tatsächlich beide Seiten in sich vereinen: krampfhafte Suche nach Diagnosen (im Internetzeitalter sehr leicht), ein sich-wiederfinden in Diagnosen, Austausch in Foren - zugleich ein instinktives Ablehnen der Diagnose (um nicht "verrückt" zu sein), ein krampfhaftes Festhalte an der Illusion, nicht krank zu sein, Abwechslung von kurzzeitiger Hoffnung und lähmender Hoffnungslosigkeit/Entmutigung.

Das mag ja so sein wie du sagst, aber mir war die Erzählstimme erzählt zu sehr darüber als darin ... Ich weiß nicht wie ich es anders formulieren soll.

Es gibt wenig Außenhandlung, aber viel Innensicht. Die Erzählstimme außen kann die äußere Handlung vorgeben und eine Meinung kundtun, aber dass Innenleben der Protagonistin wird dadurch nur indirekt aus zweiter Hand erzählt.

Am Bad marschierte sie vorbei, heute gab es keinen Grund die Wohnung zu verlassen und also auch keinen, sich wenigstens flüchtig zu waschen, und ließ sich in der Küche auf einen der hohen Hocker plumpsen, die sie bei IKEA so schick gefunden hatte.

LG
GD

 

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