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Bestimmt nur Sonntags

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09.02.2013
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Bestimmt nur Sonntags

Ich gehe `rein. Es riecht wie immer. Es riecht rauchig, leicht vermodert. Nimm einen Zug Sauerstoff und du nimmst gleichzeitig einen Zug gefilterte Pallmall Red.
Beim Blättern durch das Heft, suche ich die Quoten. Auf der vierten Seite sind sie. Ich schreibe mit: Heimsieg auf Chicago. Auswärtssieg für die Dodgers.
Ich drücke Johnny 50 Dollar auf die flache Kralle. „Come on, Baby! Lass mich nicht im Stich!“ flüstere ich zu mir und meiner Spielquittung.
Ich verlasse den Laden. Mein Duft ist eine Mischung aus Kippen und Alk. Aus meiner braunen Lederjacke, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, zücke ich aus der Innentasche ein Fläschchen. Ich nehme einen Schluck Whiskey, stelle mich an die Bushaltestelle und gucke nach rechts. - Die Kreuzung ist leer. Ein Sonntag wie eh und je. Nur ein, zwei Taxis mit alten Menschen auf dem Beifahrersitz rauschen an mir vorbei. Grässlich, diese Alten. Ich bin ja erst 53. Ach scheiße, ich bin grässlich.
Mein Bus hält ein Stück vor der Haltestelle. Ein dunkelblauer Mustang blockiert den vorderen Teil der Station. Auf dem Beifahrersitz hockt eine schöne Blonde. Da kommt ihr Macker schon aus dem Wettladen. Er zückt eine Schachtel Pallmall Red und grinst verschmitzt zu seiner Bettgeschichte herüber. Ich bin angewidert.
Ich weiß nicht, was solche Frauen von so einem Typen wollen. Man muss ihn sich nur anschauen: Anfang vierzig. Er hat seine braune Lederjacke über die linke Schulter geschmissen. Wie lässig. Wie ekelhaft. Er zündet sich eine Fluppe an und schmeißt die Packung durch die Fahrerscheibe auf`s Armaturenbrett. Er öffnet die Autotür. Mit seiner fahrbaren Penisverlängerung braust er in die Prärie. In die dreckige Stadt, das vom Vorabend sonntagstote Tollhaus aus zerbrochenen Schnapsflaschen.
Ich steige in den Bus. Zweite Reihe von vorne, rechte Seite. Das ist mein Platz. Vor mir sitzt eine grässliche Alte. Und Sie lächelt mich an. Darf sie das? Ich atme einmal tief ein und schaue an ihr herab. Ihre Beine sind ganz in Ordnung. Für ihr Alter auf jeden Fall. Aber ihre Brüste, die sind auch nicht mehr das, was sie früher mal gewesen zu sein scheinen. Ich lächle nicht zurück. Ich hole mein Fläschchen aus der Innentasche und nehme wieder einen kräftigen Schluck. Zum Glück kann ich schon aussteigen. Da ist sie, meine Haltestelle.
Ich bin drei Stationen gefahren. Es wären 13, vielleicht 15 Minuten Fußweg gewesen. Aber jeder Meter schmerzt in meinen Beinen. Jeder Meter schmerzt in meinem Kopf. Die durchzechte, abgefuckte Nacht lässt die Befriedigung meines Selbsthasses immer mehr zu. Selbstverachtung. Verachtung anderer. Das ist nicht die Scheiße, die man verspotten sollte. Manchmal ist es einfach geil sich zu hassen. So lernt man sich lieben. Aber scheiße, ich bin 53. Ich muss aufhören mich zu hassen. Ich lerne nicht mehr dazu.
Ich steige aus. Der erste Schritt, die Bustreppe herunter, ist ein Schwanken und Wanken. Ich packe das Geländer, hiefe mich heraus. „Noch zwei Wochen. Dann kann ich endlich mein Baby wieder fahren. Mein hübsches Mustangbaby. Was vermiss`ich dich!? Wann kommst du aus der Werkstatt, Baby?“.
Ein Junge, vielleicht gerade 18 mit Flaumenbart, schaut mich an. Genau in dem Moment, in dem ich die letzten Worte vor mir her murmele. Er grinst und shuffelt seinen Ipod oder sowas. Ich weiß nicht, warum er grinst. Und dann dieses „shuffeln“. Ich denk` schon wie ein Kurzer.
Ich hör den Scheiß ja immer in der Pay-TV-Werbung. Oder woanders. Ich weiß es nicht.
Aber eine Sache, die weiß ich. Ich gewinne den verdammten Wettschein. Ich spüre es. Die Dodgers haben `nen Run.
Von der Kohle hole ich mir eine schöne Flasche Scotch. Den Guten von „Larry`s“. Und ich versuche heute mal nicht meine Wendy zu verprügeln. Das hat mein Blondchen heute nicht verdient. Sie ist ein liebes Mädel. Sie kocht für mich, räumt auch für mich auf. Manchmal etwas ängstlich oder verstört. Aber so ist sie eben. Mein kleiner Sonnenschein.

 

Hallo Paul,

herzlich Willkommen erstmal,

hast du neulich mal was von Bukowski gelesen? So liest sich dein Text. Chinaski hat auch immer über Wetten, Beine, Brüste, Saufen geschrieben - vordergründig. Dahinter steht natürlich etwas gänzlich anderes, nämlich Geschichten über menschliches Scheitern, die Schattenseite des amerikanischen Traums, der "klimatisierte Alptraum". Er ist nie "cool" in seinen Stories, und was ganz wichtig ist: er erzählt etwas.

Im Prinzip lässt sich meine Kritik auf diesen Punkt (erstmal) reduzieren: Du erzählst nichts. Da ist keine Bewegung drin. Da geht es irgendwie um Saufen, Wetten, ein wenig Misantrophie, noch etwas Selbsthass (Warum?), und dann haut er seiner Schnalle mal nicht auf die Fresse, weil er einen guten Tag hat. Das klingt alles, ehrlich gesagt, banal und nicht mitreißend. Ich nehme nicht an dem Schicksal teil von diesem Typen, der bleibt eine Schablone, der gerne so klingen möchte wie Hank Chinaski. Warum ist er so geworden, wie er ist? Warum handelt er so? Du musst keine Biografie schreiben, aber solltest es literarisch bearbeiten, es auf eine Ebene heben, die eine gewisse Tiefe aufweist. Das ist bei deinem Text leider nicht der Fall. Der bleibt an der Oberfläche, da sucht man vergebens nach echtem Schmerz, nach echtem Leid, nach Emotionen. Die soll lakonisch cool klingen, aber diesen gewissen Erzählton, den findet man nicht mal eben so, auch wenn es total easy klingt.

Also, wie gesagt, ich weiß nicht, ob dies dein erster Text ist, da sind auch noch Rechtschreibfehler drin, aber ich würde mich ein wenig damit beschäftigten, wie man erzählt. Gibt auch einige gute Threads hier im Forum dazu, die würde ich dir empfehlen.

Nicht aufgeben, und viel Spass hier noch!

Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Die meisten Männer verstehen überhaupt nicht zu leben, sie nutzen sich nur ab.
(Charles Bukowski)

Servus Paul Volmstorm,

möglicherweise unterstelle ich dir jetzt was, aber schon nach den ersten Zeilen ahnte ich, welchem Vorbild du nacheiferst. Bei diesem Text scheint dir „Dirty Old Man“ Bukowski Pate gestanden zu sein, dachte ich mir.
Und sich an einer derart schweren Kiste zu überheben, ist eigentlich keine Schande. Überhoben nämlich hast du dich für mein Gefühl ganz gehörig und das gleich in mehrfacher Hinsicht.

Ich gehe `rein.

Wofür steht dieses eigenartige Zeichen vor rein, ist das ein Tippfehler?, fragte ich mich und hing somit schon beim dritten Wort deiner Geschichte, das scheint mir beinahe rekordverdächtig.
Das soll ja wohl kein Apostroph sein, weil das hieße dann ja
Ich gehe herein
Und das kannst du ja wohl nicht gemeint haben, weil wenn man draußen ist, kann man ja nur hineingehen, oder eben reingehen. Egal, vielleicht wirklich nur ein Tippfehler, auf jeden Fall schlampig.

Ich drücke Johnny 50 Dollar auf die flache Kralle. „Come on, Baby! Lass mich nicht im Stich!“ flüstere ich zu mir und meiner Spielquittung.

Nach diesem Satz wollte ich schon aussteigen aus der Geschichte, auf die flache Kralle, Come on, Baby, jessas, da bemüht sich wer um besonders coole Schreibe, dachte ich und eh klar, das muss natürlich in Amerika spielen, von wo die coolen Fernsehserien und so herkommen, die dann durch die deutsche Synchronisation in aller Regel kaputt gemacht werden …

Ich bin ja erst 53. Ach scheiße, ich bin grässlich.

Das ließ mich dann doch weiterlesen, der persönlichen Betroffenheit wegen, aber, ehrlich gesagt, ich fand auch den restlichen Text, ja, tschuldige, sehr schwach. Stilistisch ist er mir zu bemüht und inhomogen und er wirkt dadurch einfach seelenlos.

Er zündet sich eine Fluppe an und schmeißt die Packung durch die Fahrerscheibe auf`s Armaturenbrett. Er öffnet die Autotür. Mit seiner fahrbaren Penisverlängerung braust er in die Prärie ...

Die Packung (wie einen Ziegel) durch die Scheibe zu schmeißen, klingt absurd.
auf`s auch hier wieder das falsche Zeichen (Gravis?) anstelle des Apostrophs, das es überdies nicht bräuchte, man kann allemal aufs schreiben (ist sogar Dudenkonform)
fahrbare Penisverlängerung (!) nach diesem abgedroschenen Klischeebild wollte ich mich endgültig verabschieden, habe aber tapfer weitergemacht.

Der erste Schritt, die Bustreppe herunter,… hiefe mich heraus
Hier müsste hinunter und hinaus stehen, und gerade in so einem kurzen Text stören mich solche sprachlichen Unsauberkeiten umso mehr.

Von der Kohle hole ich mir eine schöne Flasche Scotch. Den Guten von „Larry`s“. Und ich versuche heute mal nicht meine Wendy zu verprügeln. Das hat mein Blondchen heute nicht verdient. Sie ist ein liebes Mädel. Sie kocht für mich, räumt auch für mich auf. Manchmal etwas ängstlich oder verstört. Aber so ist sie eben. Mein kleiner Sonnenschein.

Dieser letzte Absatz zeigt noch einmal, wie jegliche Authentizität den Bach runtergeht, wenn man einfach irgendwelche Begriffe ins falsche Umfeld verpflanzt.
Wieso muss das liebe Mädel ausgerechnet Wendy heißen? Das passt doch vorne und hinten nicht zusammen.

Es tut mir leid, dass ich deine Geschichte an einem Säulenheiligen wie Bukowski messe, das ist eigentlich sehr unfair dir gegenüber, aber gerade Bukowskis lapidare Alltagsbeobachtungen sind deshalb so genial und packend und berührend, weil sie so vollkommen von ihm selbsterlebt und entsprechend authentisch sind. Obendrein merkt man seinem Stil an, dass er wirklich jedes Wort auf die Goldwaage legt.
In deiner Geschichte steckt ja einiges an erzählenswerten Gedanken und Gefühlen drin, aber vielleicht solltest du versuchen, all die abgedroschenen (angelesenen?) Versatzstücke einfach zu vergessen und dich mehr auf dein ureigenes, persönliches Lebensumfeld zu verlassen.
Versuche, deine eigene Sprache zu finden.
Deine Geschichten könnten dadurch nur gewinnen, glaube ich.

offshore

 

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