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Bestimmt nur Sonntags
Ich gehe `rein. Es riecht wie immer. Es riecht rauchig, leicht vermodert. Nimm einen Zug Sauerstoff und du nimmst gleichzeitig einen Zug gefilterte Pallmall Red.
Beim Blättern durch das Heft, suche ich die Quoten. Auf der vierten Seite sind sie. Ich schreibe mit: Heimsieg auf Chicago. Auswärtssieg für die Dodgers.
Ich drücke Johnny 50 Dollar auf die flache Kralle. „Come on, Baby! Lass mich nicht im Stich!“ flüstere ich zu mir und meiner Spielquittung.
Ich verlasse den Laden. Mein Duft ist eine Mischung aus Kippen und Alk. Aus meiner braunen Lederjacke, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, zücke ich aus der Innentasche ein Fläschchen. Ich nehme einen Schluck Whiskey, stelle mich an die Bushaltestelle und gucke nach rechts. - Die Kreuzung ist leer. Ein Sonntag wie eh und je. Nur ein, zwei Taxis mit alten Menschen auf dem Beifahrersitz rauschen an mir vorbei. Grässlich, diese Alten. Ich bin ja erst 53. Ach scheiße, ich bin grässlich.
Mein Bus hält ein Stück vor der Haltestelle. Ein dunkelblauer Mustang blockiert den vorderen Teil der Station. Auf dem Beifahrersitz hockt eine schöne Blonde. Da kommt ihr Macker schon aus dem Wettladen. Er zückt eine Schachtel Pallmall Red und grinst verschmitzt zu seiner Bettgeschichte herüber. Ich bin angewidert.
Ich weiß nicht, was solche Frauen von so einem Typen wollen. Man muss ihn sich nur anschauen: Anfang vierzig. Er hat seine braune Lederjacke über die linke Schulter geschmissen. Wie lässig. Wie ekelhaft. Er zündet sich eine Fluppe an und schmeißt die Packung durch die Fahrerscheibe auf`s Armaturenbrett. Er öffnet die Autotür. Mit seiner fahrbaren Penisverlängerung braust er in die Prärie. In die dreckige Stadt, das vom Vorabend sonntagstote Tollhaus aus zerbrochenen Schnapsflaschen.
Ich steige in den Bus. Zweite Reihe von vorne, rechte Seite. Das ist mein Platz. Vor mir sitzt eine grässliche Alte. Und Sie lächelt mich an. Darf sie das? Ich atme einmal tief ein und schaue an ihr herab. Ihre Beine sind ganz in Ordnung. Für ihr Alter auf jeden Fall. Aber ihre Brüste, die sind auch nicht mehr das, was sie früher mal gewesen zu sein scheinen. Ich lächle nicht zurück. Ich hole mein Fläschchen aus der Innentasche und nehme wieder einen kräftigen Schluck. Zum Glück kann ich schon aussteigen. Da ist sie, meine Haltestelle.
Ich bin drei Stationen gefahren. Es wären 13, vielleicht 15 Minuten Fußweg gewesen. Aber jeder Meter schmerzt in meinen Beinen. Jeder Meter schmerzt in meinem Kopf. Die durchzechte, abgefuckte Nacht lässt die Befriedigung meines Selbsthasses immer mehr zu. Selbstverachtung. Verachtung anderer. Das ist nicht die Scheiße, die man verspotten sollte. Manchmal ist es einfach geil sich zu hassen. So lernt man sich lieben. Aber scheiße, ich bin 53. Ich muss aufhören mich zu hassen. Ich lerne nicht mehr dazu.
Ich steige aus. Der erste Schritt, die Bustreppe herunter, ist ein Schwanken und Wanken. Ich packe das Geländer, hiefe mich heraus. „Noch zwei Wochen. Dann kann ich endlich mein Baby wieder fahren. Mein hübsches Mustangbaby. Was vermiss`ich dich!? Wann kommst du aus der Werkstatt, Baby?“.
Ein Junge, vielleicht gerade 18 mit Flaumenbart, schaut mich an. Genau in dem Moment, in dem ich die letzten Worte vor mir her murmele. Er grinst und shuffelt seinen Ipod oder sowas. Ich weiß nicht, warum er grinst. Und dann dieses „shuffeln“. Ich denk` schon wie ein Kurzer.
Ich hör den Scheiß ja immer in der Pay-TV-Werbung. Oder woanders. Ich weiß es nicht.
Aber eine Sache, die weiß ich. Ich gewinne den verdammten Wettschein. Ich spüre es. Die Dodgers haben `nen Run.
Von der Kohle hole ich mir eine schöne Flasche Scotch. Den Guten von „Larry`s“. Und ich versuche heute mal nicht meine Wendy zu verprügeln. Das hat mein Blondchen heute nicht verdient. Sie ist ein liebes Mädel. Sie kocht für mich, räumt auch für mich auf. Manchmal etwas ängstlich oder verstört. Aber so ist sie eben. Mein kleiner Sonnenschein.