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Bestandsaufnahme

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25.12.2019
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Bestandsaufnahme

In einem vergeblichen Versuch, dem Regen zu entkommen, drückt sie sich mit dem Rücken gegen das poröse Mauerwerk, aber aus der durchgerosteten Regenrinne tropft ihr weiter Wasser auf den Kopf. Neben ihr klafft ein großes, offenes Fenster wie eine Wunde im alten Haus und verströmt den dumpfen Geruch von moderigem Holz und Verwahrlosung. Durch das dichte Gestrüpp von dem, was wohl mal ein Garten war, sieht sie eine Person näherkommen.

„Pia! Cool, dass du es geschafft hast. Schön, dich zu sehen“, sagt die Person.
„In einem Café treffen war dir zu normal?“, sagt Pia mit einem leichten Grinsen.
„Café ist langweilig. Ich hab das alles hier irgendwie vermisst.“
Sie umarmen sich.
„Finds auch schön dich zu sehen, Paul. Ist lange her.“
„Echt zu lange. Drinnen ist es trockener, wollen wir?“, fragt er und deutet auf das Fenster.
„Klar. Mach mal eine Räuberleiter.“

Die roten Holzdielen sind mit abgebröckeltem Putz bedeckt und geben nach, als ihre Füße den Boden berühren. Vereinzelt sind die krankenhausgrünen Wände des leeren Raums mit buntem Graffiti beschmiert. Hinter ihr klettert Paul durch das Fenster und landet mit einem kleinen Satz auf dem Boden.
„Lass mal zum Balkon im ersten gehen.“
„Okay“, sagt sie und nickt.
Sie verlassen den Raum und laufen einen langen Gang entlang, von dem in regelmäßigen Abständen weitere kleine Räume abgehen. Pia schaut durch die Türrahmen und sieht leere Aktenhefter, Glasscherben von zerbrochenen Fensterscheiben und vergilbte Zeitungen auf dem Boden liegen.
„Hier hat sich ja gar nichts verändert“, sagt sie und lässt ihre Hand über die raue Wand fahren.
„Ja, ist alles noch wie damals“, stimmt Paul gedankenversunken zu.
„Wie kommt‘s, dass du wieder hier bist?“
Er zögert kurz, bevor er antwortet.
„Wollte ein paar Freunde besuchen. Und ich brauchte mal ‘ne Auszeit.“
„Auszeit von was?“
„Von meinem Job. Forex trading. Kaufen und Verkaufen von Fremdwährungen und so was. Hab erst neulich gemerkt, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnern kann, wann ich das letzte Mal Urlaub gemacht habe.“
„Du kaufst Geld mit Geld, um Geld zu machen? Das klingt irgendwie pervers.“
„Denkst jetzt bestimmt, ich bin ein schlimmer Heuschreckenkapitalist, aber irgendwie muss man sich seine Yachten und Privatjets ja finanzieren.“
„Der schlimmste. Von Grund auf verdorben.“
Beide müssen so laut lachen, dass ein Echo durch den Korridor hallt.
„Und wie läuft‘s bei dir so?“, fragt er.
„Ich zeichne noch. Bin Illustratorin für ein kleines Magazin. Macht echt Spaß. Aber nebenbei arbeite ich an einem Kinderbuch. Ich merke das ja schon bei Lizzy, die hängt immer länger an ihrem Handy, die Kinder heute haben gar nicht mehr die Geduld für ein schönes Buch. Ich weiß, ich hör mich an wie meine Oma, aber stimmt doch. Jeder muss immer über alles up to date sein, alles muss schnell sein, alles sofort sein, bloß nichts verpassen. Ich glaube, gerade die Kleinen brauchen mal wieder etwas Langsamkeit und Ruhe im Leben.“
„Langsamkeit und Ruhe“, wiederholt er nachdenklich. „Find ich gut. Und das mit dem Kinderbuch ist eine super Idee, wird bestimmt spitze. Lizzy habe ich auch ewig nicht gesehen, was macht sie so?“
„Ist letztes Jahr eingeschult worden. Ärgert jetzt schon ihre Lehrer.“
„Kommt also ganz nach ihrer Mutter.“
„Hey, so schlimm war ich gar nicht.“
„Frau Kramer hat mal gesagt, ihre grauen Haare kommen nur von dir.“
Sie rempelt ihn mit der Schulter an.
Am Ende des Ganges rankt sich eine schmale Wendeltreppe zum nächsten Stockwerk. Paul testet mit seinem Fuß jede Stufe vorsichtig auf ihre Tragfähigkeit, während er langsam die Treppe hinaufsteigt. Pia folgt.

Der lange Korridor ist ein Spiegelbild seines Zwillings aus dem Erdgeschoss, aber am anderen Ende fällt Licht durch die offenen Balkontüren. Sie laufen weiter.
„Und wie geht's Jens?“
„Jens“, murmelt sie und mustert den abgeblätterten roten Lack der Holzdielen unter ihren Füßen.
„Dem geht es gut. Denk ich mal. Kannst du dich noch an Cindy erinnern?“
„Markgraf?“
„Ja die. Sie und Jens ...“
Ihr Blick sucht auf dem Boden nach Worten.
„Ich habs nicht mal gemerkt.“
„Was für ein Mist. Tut mir leid.“
„Schon gut. Ist lange her. Sollen die doch machen, was sie wollen.“

Der Regen hat aufgehört, als sie den kleinen, halbkreisförmigen Balkon betreten. Pia lehnt sich mit den Armen auf die rostige Brüstung und betrachtet den Garten unter ihr. Der wild gewachsenen Grasteppich wird vereinzelt durch das Rot von Nelken durchstoßen. Paul hat ein Grinsen im Gesicht.
„Weißt du noch wie Martin damals hier runtergesprungen ist, als die Bullen kamen? Hand gebrochen, dann sind wir besoffen zur Notaufnahme. Nach dem ganzen Wein hat er zum Glück kaum was gespürt. Das waren noch Zeiten.“
„Damals, damals. Seit wann bist du denn so ein Nostalgiker?“
„Ist doch gut, mal eine Bestandsaufnahme von seinem Leben zu machen. Davon, wo man war, wo man ist. Was man hatte, was man will.“
„Ist das Paul für Midlife-Crisis?“
„Es ist nur“, sagt er und schaut in die graue Wolkendecke, „wenn ich an die letzten Jahre zurückdenke, weißt du was ich sehe? Linien und Zahlen auf einem Bildschirm. Und gerade sehe ich lieber alte Häuser.“
Sie bleibt still.
„Apropos Martin. Er macht nächstes Wochenende ‘ne Feier bei sich im Garten. Bist du dabei?“
„Müsste meine Schwester fragen, ob sie auf die Kleine aufpassen kann. Sollte klargehen.“
„Cool. Wenn du Lust hast, würde ich vorher mal auf eine Runde Mario Kart bei euch vorbeikommen. Bist mir noch ein Rematch schuldig.“
„Du kannst gerne vorbeikommen. Dann können wir uns um die hinteren Plätze streiten, während Lizzy uns überrundet“, sagt Pia und lacht.

*​

Sie beobachtet, wie das große Lagerfeuer in der Mitte des Gartens glühende Funken in den dämmernden Himmel bläst. Ein paar Meter entfernt tragen Leute Boxen, Kabel und kleine Scheinwerfer zu einer freien Fläche auf der Wiese. Der Geruch von gegrilltem Fleisch liegt in der Luft.
„Martin nimmt seine Parties aber auch ernst. Einige Sachen ändern sich nie“, kommentiert Nina neben ihr und lacht.
Während Pia an ihrem Bier nippt, sieht sie in der Ferne, wie Paul hinter sich das Gartentor schließt.
Als er näher kommt, winkt er ihnen zu, sie winken zurück. Er deutet auf Martin, der auf einer Holzbank am Feuer sitzt und läuft zu ihm.
„Das wird ja langsam ein richtiges kleines Klassentreffen hier. Wusste gar nicht, dass Paul in der Stadt ist. Hat sich gut gehalten, findest du nicht?“, sagt sie grinsend zu Pia.
„Ist ein ganz netter Kerl. Aber immer noch eine Niete in Mario Kart.“
„Damals wart ihr echt unzertrennlich. Ich dachte immer, wenn die beiden nicht zusammenkommen, dann weiß ich's auch nicht. Was ist nur passiert.“
Damals, damals. Pia trinkt den letzten Schluck ihres Biers.
„Leben ist passiert. Er ging weg. Jens. Lizzy. Ich hol mal den Wein, willst du auch?“
Nina nickt. Pia läuft in einem Bogen um das Lagerfeuer zur Gartenlaube. Sie greift sich eine offene, dunkle Flasche vom Tisch und hält sie prüfend gegen die am Dach hängende Laterne. Dann schnappt sie sich zwei Plastikbecher und läuft zurück zu ihrem Platz.
Eine Weile sitzen sie still da, schauen in den schwarzen Nachthimmel und trinken gelegentlich von ihren Bechern. Überall im Garten haben sich kleine Menschengruppen gebildet, die sich angeregt unterhalten. Pia schaut zu Paul, der inzwischen alleine am Lagerfeuer sitzt und gedankenversunken in die Flammen starrt.
„Lizzy mag ihn. Er ist echt gut mit ihr.“
Nina sagt nichts.
„Ich geh mal kurz rüber.“
„Mach das mal“, sagt Nina lächelnd.

Pia setzt sich auf die Bank.
„Läuft was Spannendes auf Lagerfeuer-TV?“
Er lacht.
„An was denkst du?“
Paul mustert seine Bierflasche und lässt seinen Daumen ein paar Mal um die Öffnung kreisen.
„Ich hab an euch gedacht. An dich und Lizzy. Du hast sie, sie hat dich. Hat mich echt gefreut, euch so glücklich zusammen zu sehen. Hast dir da eine schöne, kleine Familie aufgebaut.“
„Wir habens schon gut irgendwie. Sie hat sich übrigens echt gefreut, dass du neulich da warst. Und ich auch. Aber diese Schwermut, Paul, die steht dir gar nicht.“
Bevor er etwas erwidern kann, hören sie einen langsam anschwellenden, tiefen Ton und schauen in die Dunkelheit. Ein paar Lichter gehen an und beleuchten eine freie Fläche auf der Wiese. Der tiefe Klangteppich einer Bassgitarre wird immer lauter. Die Menschengruppen beginnen sich aufzulösen und strömen auf die improvisierte Tanzfläche.
„Lass uns tanzen gehen“, sagt Paul und steht auf.
„Ich tanze doch gar nicht.“
„Ich auch nicht. Komm, wird lustig.“

Bei der Tanzfläche angekommen schiebt sich Paul durch die Menschen in die Mitte der Menge. Pia folgt widerwillig.
Die Scheinwerfer gehen aus und für einen kurzen Moment ist alles still, sie hört nur das leise Atmen der Schatten um sie herum. Dann kehrt das Licht zurück, das Schlagzeug setzt ein, die Gitarren werden lauter und der donnernde Bass durchfährt sie. Die Vibrationen in ihrer Brust nehmen ihr ein wenig den Atem. Sie erinnert sich dunkel, es ist ein Lied aus ihrer Jugend. Das Stroboskopgewitter der Scheinwerfer pulsiert im Sekundentakt. Aus. An. Sie sieht nichts. Sie sieht Paul lächeln. Sie sieht nichts und lächelt in die Dunkelheit. Sie spürt das weiche Gras unter ihren Füßen. Sie lässt los, fühlt sich frei und schwerelos. Sie tanzt. Der Rhythmus der menschlichen Diashow hypnotisiert sie und sie verliert jegliches Zeitgefühl. Die Musik scheint endlos, spielt weiter, immer weiter.

Sie stehen in der menschenleeren Stille und umarmen sich. Pia weiß nicht mehr, wann die Musik aufgehört hat und die Menschen gegangen sind. Sie drückt sich näher an ihn. Er riecht gut. Die Luft ist kalt, aber ihr ist warm. Sie fühlt sich wie das Schnurren einer Katze. Das sterbende Licht des Lagerfeuers flackert in der Dunkelheit.
„Scheiße, wie spät ist es?“, fragt sie und löst die Umarmung.
Paul schaut auf seine Uhr.
„Kurz nach zwei.“
„Meine Schwester wird mich umbringen. Ich muss los. Man sieht sich die Tage?“
„Klar.“
Als sie am Feuer vorbeiläuft, hört sie hinter sich Paul rufen.
„Du tanzt gut für jemanden, der gar nicht tanzt.“
Sie läuft weiter, ohne sich umzudrehen, und lächelt in die Nacht.

*​

An einem Morgen in der nächsten Woche liest sie eine Nachricht auf ihrem Handy.
„Pizza, Wein, Film?“
„Yellow Tail!“, schreibt sie.
„Gut und günstig.“
Sie tippt eine Nachricht, zögert kurz und löscht sie wieder.
Sie schreibt etwas anderes und drückt auf Absenden.
„It‘s a date.“

Heute ist sie ein Heißluftballon. Auf dem Weg zur Arbeit ist jeder Schritt ein kleiner Sprung, der sie etwas abheben lässt. Die Blätter der Bäume entlang der Straße nicken im Wind zum Takt ihrer Schritte, sie ist die Dirigentin des Sommers. Das helle Blau des Himmels ist wie für sie frisch gestrichen. Nur für sie. Sie saugt den Duft des Morgens genüsslich in sich ein. In einer Bäckerei bestellt sie einen Cappuccino zum Mitnehmen. Mit extra Zucker. Sie bezahlt mit ihrem Lächeln, denn heute ist sie die Sonne.

Warme Abendluft strömt durch die offene Balkontür und vermischt sich mit dem Geruch von frischer Pizza. Die Reflexion des Fernsehbildes funkelt in zwei halbvollen Weingläsern auf dem Tisch. Pia nimmt sich die Fernbedienung, drückt auf Pause und dreht sich zu Paul.
„Warum bist du wirklich zurückgekommen?“
Er schaut sie an und sagt nichts.
Sie stützt sich mit den Händen auf die Couch und lehnt sich zu ihm vor.
Er legt seine Hände auf ihre Schultern und drückt sie vorsichtig zurück.
„Ich dachte ...“, sagt sie.
„Ich muss dir was sagen.“

Letzte Woche hätte er es der Familie beigebracht, erklärt er. Als Nächstes wollte er es seinen Freunden sagen. Ihr zuerst. Er wusste nur nicht wie.
Drei Monate, hört sie ihn noch sagen, danach hört sie nur noch Rauschen. Er redet, aber sie versteht nichts. Sie starrt ihn an und öffnet den Mund, aber es kommt nichts raus. Sie ist ein in Sand geschriebenes Wort, das von der Brandung weggespült wird.
Dann weicht das Rauschen der Stille. Sein Mund bewegt sich nicht mehr, aber er schaut sie weiterhin an. Sie schaut an ihm vorbei auf die eingerahmte Fotocollage an der Wand. Auf dem großen Foto in der Mitte lachen Pia, Nina, Martin und Paul in die Kamera. Damals, damals, sie ist die Nostalgie. Stille, Stille, sie ertrinkt in ihr. Sie dreht sich zum Fernseher, greift mit zitternder Hand nach der Fernbedienung und drückt auf Play.

 

Hola @Catington,

passend zum allerschönsten Avatar des gesamten Forums (mMn:)) eine schöne Geschichte. Ich hab sie gern gelesen – wg. ‚sympathische Schreibe’.

Ein paar Sachen hätte ich anzumerken, aber das will nichts heißen. Schließlich ist das nur meine private Meinung:

Neben ihr klafft ein großes, offenes Fenster wie eine Wunde aus dem alten Haus
? Die Wunde klafft aus dem Haus?

... als ihre Füße denn Boden berühren.

Der lange Gang ist ein Spiegelbild seines Bruders aus dem Erdgeschoss, ...
Sozusagen der Gang- oder Korridorbruder:D. Aber kreativ allemal.

Ein paar Meter entfernt tragen Leute Boxen, Kabel und kleine Scheinwerfer zu einer freien Fläche auf der Wiese.
... sieht sie einen Scheinwerfer angehen. Im fahlen Licht wuseln Menschen mit Kabeln umher und verbinden Boxen mit einem Mischpult auf dem Tisch.
Im Abschnitt zwischen diesen beiden (sehr ähnlichen) Sätzen verliere ich den Kontakt zum Text.
Er wird belanglos. Gerade noch will ich schreiben, dass ich Deinen Text sehr gut lesen kann ... schade.

Das offene Bier in seiner Hand ist noch voll.
Nicht Dein bester Satz. Oder:
Die Musik scheint endlos, ...

Die Story beginnt mich zu langweilen. Es werden immer mehr Namen – jaja, Klassentreffen, schon klar – aber der Plot kommt nicht voran. Ich lese eine Menge Belanglosigkeiten, z. B.:

Während Pia an ihrem Bier nippt ...
Pia trinkt den letzten Schluck ihres Biers.
Das offene Bier in seiner Hand ist noch voll.
Paul mustert seine Bierflasche ...
Ich hoffe, es ist ein gutes Bier. Bei einer rasanteren Handlung (oder einer Handlung mit unterschwelligen Vibrationen) wäre mir das nicht aufgefallen – oder hier:

Sie sitzt auf einem weißen Plastikhocker ...
Sie nimmt sich zwei weiße Plastikbecher vom Tisch ...
Das, liebe Catington, sind Schlaftabletten.

Das Stroboskopgewitter der Scheinwerfer pulsiert im Sekundentakt.
Ein unangenehmes Wort. Für das Blitzspektakel ist ‚Sekundentakt’ ungeeignet, das sind nur Sekundenbruchteile.
Der Rhythmus der menschlichen Diashow hypnotisiert sie ...
Kann mir das Bild sehr gut vorstellen. Kreativ, auf jeden Fall. Dann darf es auch polarisieren.
„Yellow Tail!“
Bitte merke Dir für Dein ganzes Autorenleben: Protze nicht mit Dingen, die der normale Leser nicht auf dem Schirm hat.
Heute ist sie ein Heißluftballon. Auf dem Weg zur Arbeit ist jeder Schritt ein kleiner Sprung, der sie etwas abheben lässt. Die Blätter der Bäume entlang der Straße nicken im Wind zum Takt ihrer Schritte, sie ist die Dirigentin des Sommers. Das helle Blau des Himmels ist wie für sie frisch gestrichen. Nur für sie. Sie saugt den Duft des Morgens genüsslich in sich ein. In einer Bäckerei bestellt sie einen Cappuccino zum Mitnehmen. Mit extra Zucker. Sie bezahlt mit ihrem Lächeln, denn heute ist sie die Sonne.
Oh, wie schön! Der Leser erwacht zu neuem Leben. Hat auch ein bisschen warten müssen.
Sie erstickt an ihrer eigenen Stille.
... Stille, sie ertrinkt in ihr.
Sie ist ein in Sand geschriebenes Wort, das von der Brandung weggespült wird.
Und der Tod. Das alles zusammen ist mir zu dicke. Sehr professionell, denke ich.
Das zähe Mittelstück mit der Fete, und dann rumms! Ja, warum nicht.
Mir ist es zu plakativ, zu wirkungs-gewollt. Junge Leute sollten auch mal lachen – vor ihrem Tod! Und vielleicht wäre der Twist dann noch stärker. Dünnes Eis jedoch – auch für den Kommentator:D.

Jedenfalls schreibst Du prima, für meinen Geschmack. Auch wenn ich bisschen gemosert habe.

Beste Grüße!
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Catington,

Herzlich Willkommen im Forum (darf man noch schreiben, oder?;))
Ich schreib beim Lesen mal mit:

aber aus der durchgerosteten Regenrinne über ihr tropft stetig weiter Wasser auf ihren Kopf.
die Possessivpronomen fallen direkt auf. Du könntest sie einsparen: … aber aus der durchgerosteten Regenrinne über ihr (erklärt sich aus dem Folgenden) tropft stetig weiter Wasser auf ihren (den) Kopf.

Neben ihr klafft ein großes, offenes Fenster wie eine Wunde im alten Haus
Die Ortsbestimmung bräuchte ich nicht, wo sonst sollen die Fenster sein? :D

verströmt den dumpfen Geruch von moderigem Holz und Verwahrlosung
wie riecht Verwahrlosung? Vllt. Leerstand?

„Pia! Cool, dass du es geschafft hast. Schön, dich zu sehen(. Punkt weg)“, sagt die Person.
Wenn du einen Redebegleitsatz mit Komma hast, ist der Punkt davor verkehrt (Auch später im Text). Nur beim Ausrufe- und Fragezeichen ist das anders.

„In einem Café treffen war dir zu normal?“, grinst Pia.
Das holpert durch das eingeschobene "treffen", wo eigentlich ein "zu" drangehört. Was spricht gegen kürzen? „Im Café war dir zu normal?“, grinst Pia.

Vereinzelt ziert buntes Graffiti die krankenhausgrünen Wände.
Ist Graffiti dort wirklich eine Zierde?

„Der schlimmste. Von Grund auf verdorben.“
Der Schlimmste?

Paul testet mit seinem Fuß jede Stufe vorsichtig auf ihre Tragfähigkeit, während (bevor) er langsam die Treppen hinaufsteigt.
Finde ich selbsterklärend.

und mustert den abgeblätterten roten Lack der Holzdielen unter ihren Füßen.
Dafür gibt es eine genauere Bezeichnung. Ochsenblut. Und bei historischen Gebäuden spricht man eher von Farbe, Lack ist neuzeitlich.

und betrachtet den heruntergekommenen Garten unter ihr. Der wild gewachsenen Grasteppich wird vereinzelt durch das Rot von Nelken durchstoßen.
Das heruntergekommenen finde ich redundant, weil du den Garten im nächsten Satz beschreibst.

„Es ist nur(, dieses Komma kann weg)“, sagt er und schaut

Dann können wir uns um die hinteren Plätze streiten, während Lizzy uns überrundet
das sticht raus, klingt künstlich, vllt. einfach ein "wenn"?

Während Pia an ihrem Bier nippt(Komma) sieht sie in der Ferne, wie Paul hinter sich das Gartentor schließt. Als er näher kommt(Komma) winkt er ihnen zu, sie winken zurück.
Würde zwei Kommata setzen.

wenn die beiden nicht zusammenkommen, dann weiß ich auch nicht mehr
dann weiß ich´s auch nicht?

Pia läuft in einem Bogen um das Lagerfeuer zu einem Tisch vor der Gartenlaube. Sie schnappt sich eine offene, dunkle Flasche und hält sie prüfend gegen die am Dach hängende Laterne. In der Dunkelheit am anderen Ende des Gartens sieht sie einen Scheinwerfer angehen. Im fahlen Licht wuseln Menschen mit Kabeln umher und verbinden Boxen mit einem Mischpult auf dem Tisch.
Finde die unbestimmten Artikel auffällig gehäuft.

Der tiefe Klangteppich einer Bassgitarre wird immer lauter
Wenn das kein Rockkonzert ist, würde ich einfach von wummernden Bässen sprechen, ohne Gitarre.

Das Stroboskopgewitter der Scheinwerfer pulsiert im Sekundentakt. Aus. An. Sie sieht nichts. Sie sieht Paul lächeln. Sie sieht nichts und lächelt in die Dunkelheit. Sie spürt das weiche Gras unter ihren Füßen. Sie lässt los, fühlt sich frei und schwerelos. Sie tanzt. Der Rhythmus der menschlichen Diashow hypnotisiert sie und sie verliert jegliches Zeitgefühl. Die Musik scheint endlos, spielt weiter, immer weiter.
Stark, ich bin dabei.

Sie fühlt sich wie das Schnurren einer Katze.
Das Bild finde ich nicht passend, wie kann man sich wie ein Geräusch fühlen? Ich finde, das Schnurren passt zur Situation, aber anders verpackt.

Sie läuft ohne sich umzudrehen weiter und lächelt in die Nacht.
Vorschlag: Sie läuft weiter, ohne sich umzudrehen und lächelt in die Nacht?

Heute ist sie ein Heißluftballon. Auf dem Weg zur Arbeit ist jeder Schritt ein kleiner Sprung, der sie etwas abheben lässt. Die Blätter der Bäume entlang der Straße nicken im Wind zum Takt ihrer Schritte, sie ist die Dirigentin des Sommers. Das helle Blau des Himmels ist wie für sie frisch gestrichen. Nur für sie. Sie saugt den Duft des Morgens genüsslich in sich ein. In einer Bäckerei bestellt sie einen Cappuccino zum Mitnehmen. Mit extra Zucker. Sie bezahlt mit ihrem Lächeln, denn heute ist sie die Sonne.
Schön, gut geschrieben.

„Ich dachte(Leerzeichen vor dem Dreipunkt)...“, sagt sie.

Sie ist ein in Sand geschriebenes Wort, das von der Brandung weggespült wird.
Zwar sehr pathetisch, aber gut, finde ich.

Sie dreht sich zum Fernseher, greift mit zitternder Hand nach der Fernbedienung und drückt auf Play.
Final noch ein heftiger Twist. Ich weiß nicht, ob es den braucht, weil er mich als Leser von der Situation und somit ein Stück weit von der Prota entfernt. Ich muss innerlich sortieren, gerade saßen sie sich noch gegenüber, jetzt ist sie alleine, also war das vorher ein Rückblick, obwohl im Präsens geschrieben, etc. Weißt?

Inhaltlich eines vorab: Die Dialoge finde ich sehr gelungen, sehr lebensnah, das fällt direkt auf. Die Geschichte finde ich sehr gut geschrieben, beinahe routiniert, wenn auch mit leichten Längen bei der Date-Anbahnung. Das Kommende schreibe ich dir auch nur als Hinweis, du wirst selbst wissen, wie du es einsortierst.
Die finale Auflösung ist mir etwas zu gewollt, da hätte ich mir ein weniger konventionelles Ende herbeigesehnt, eines, das die Geschichte außergewöhnlich macht. Das "unheilbar krank" ist als Auflösung ein wenig enttäuschend, ähnlich wie: "Ich wachte auf und merkte, alles war nur ein Traum". Das ist ein wenig Deus ex Machina. Heißt, es ergibt sich nicht aus der Geschichte, sondern wird etwas fremdkörper-like hineingetragen. Mir würde es besser gefallen, das Ende wäre offener. Aber das ist Gemecker auf hohem Niveau. Gerne gelesen.

Peace, linktofink

ps. noch ein Wort zum Titel: Ich verstehe, warum du den Text so nennst, dennoch klingt Bestandsaufnahme genauso technokratisch wie Inventur und bringt beim Leser erst mal nichts zum Klingen. Eigentlich geht es ja nicht um eine Bestandaufnahme, sondern um enttäuschte Illusionen und Träume, oder? Vllt. fällt dir da noch was anderes ein, was auf die Flüchtigkeit abzielt? "Füße im Gras" oder "Sandwörter", so was?

 

Hallo @Catington,

ich schreib mal mit, was mir so aufgefallen ist. Die Dialoge (wurde schon erwähnt) finde ich auch gelungen, da sehe ich eine Stärke von dir. Manchmal hast du imA eine Tendenz zum Überdeutlichmachen. Nehmen wir als Beispiel gleich den ersten Satz:

In einem vergeblichen Versuch dem Regen zu entkommen, drückt sie sich mit dem Rücken gegen das poröse Mauerwerk, aber aus der durchgerosteten Regenrinne tropft stetig weiter Wasser auf ihren Kopf.
Ist nicht ein Versuch immer vergeblich? Ich glaube, dass du das streichen könntest.
Stetig und weiter hört sich für mein Sprachgefühl auch redundant an.
Abgesehen davon, finde ich den ersten Satz als Einstieg nicht so bahnbrechend. Da würde ich an deiner Stelle noch etwas grübeln, er soll doch Neugierde wecken. Das kannste bestimmt besser.

„In einem Café treffen war dir zu normal?“, grinst Pia.

Ich bin mir einigermaßen sicher, dass der Redebegleitsatz so nicht ganz korrekt ist. Er müsste mE: "sagt Pia grinsend" heißen oder "Pia grinst" und dann müsste das Komma weg. Da finden sich mehrere Beispiele im Text. Kannst ja mal durchschauen und ggf. korrigieren.

Die roten Holzdielen sind mit abgebröckeltem Putz bedeckt und geben etwas nach, als ihre Füße den Boden berühren. Vereinzelt sind die krankenhausgrünen Wände mit buntem Graffiti beschmiert. Ansonsten ist der kleine Raum komplett leer.

Hier frage ich mich, ob du das Fettgedruckte wirklich benötigst.

Viele Grüße
Aurelia

 

Hallo @josefelipe,

Danke für die Anmerkungen. Bei Vielem gehe ich mit und habe den Text entsprechend angepasst.

passend zum allerschönsten Avatar des gesamten Forums (mMn:)) eine schöne Geschichte. Ich hab sie gern gelesen – wg. ‚sympathische Schreibe’.
Dankeschön!

Neben ihr klafft ein großes, offenes Fenster wie eine Wunde aus dem alten Haus
? Die Wunde klafft aus dem Haus?
Habs zu "im" geändert.

... als ihre Füße denn Boden berühren.
Der lange Gang ist ein Spiegelbild seines Bruders aus dem Erdgeschoss, ...
Sozusagen der Gang- oder Korridorbruder:D. Aber kreativ allemal.
Bin bei dem "Bruder" auch nicht sicher, vielleicht ändere ich das nochmal.

Ein paar Meter entfernt tragen Leute Boxen, Kabel und kleine Scheinwerfer zu einer freien Fläche auf der Wiese. Erweitern ... ... sieht sie einen Scheinwerfer angehen. Im fahlen Licht wuseln Menschen mit Kabeln umher und verbinden Boxen mit einem Mischpult auf dem Tisch.
Im Abschnitt zwischen diesen beiden (sehr ähnlichen) Sätzen verliere ich den Kontakt zum Text.
Er wird belanglos. Gerade noch will ich schreiben, dass ich Deinen Text sehr gut lesen kann ... schade.
Die zweite Erwähnung der Kabel habe ich gestrichen.

Das offene Bier in seiner Hand ist noch voll.
Nicht Dein bester Satz. Oder:
Die Musik scheint endlos, ...
Die Story beginnt mich zu langweilen. Es werden immer mehr Namen – jaja, Klassentreffen, schon klar – aber der Plot kommt nicht voran. Ich lese eine Menge Belanglosigkeiten, z. B.:

Während Pia an ihrem Bier nippt ...
Pia trinkt den letzten Schluck ihres Biers.
Das offene Bier in seiner Hand ist noch voll.
Paul mustert seine Bierflasche ...
Ich hoffe, es ist ein gutes Bier. Bei einer rasanteren Handlung (oder einer Handlung mit unterschwelligen Vibrationen) wäre mir das nicht aufgefallen – oder hier:

Sie sitzt auf einem weißen Plastikhocker ... Erweitern ... Sie nimmt sich zwei weiße Plastikbecher vom Tisch ...
Das, liebe Catington, sind Schlaftabletten.
Habs um ein Bier reduziert und reduziere vielleicht noch weiter. Die Stelle mit den Bechern habe ich umgeschrieben, vielleicht streiche ich sie auch ganz.
Und: Lieber Catington ;)

Das Stroboskopgewitter der Scheinwerfer pulsiert im Sekundentakt.
Ein unangenehmes Wort. Für das Blitzspektakel ist ‚Sekundentakt’ ungeeignet, das sind nur Sekundenbruchteile.
Es ging mir hier darum, dass das Licht dem Takt der Musik folgt und sich deswegen die "hypnotische" Wirkung entfaltet, aber du hast Recht, Stroboskopgewitter ist dann eigentlich das falsche Wort. Vielleicht fällt mir hier noch etwas ein.

Der Rhythmus der menschlichen Diashow hypnotisiert sie ...
Kann mir das Bild sehr gut vorstellen. Kreativ, auf jeden Fall. Dann darf es auch polarisieren.
Bin nicht sicher, was hier polarisieren sollte.

„Yellow Tail!“
Bitte merke Dir für Dein ganzes Autorenleben: Protze nicht mit Dingen, die der normale Leser nicht auf dem Schirm hat.
Dass der Leser die Marke eventuell nicht kennt, ist mir bewusst, dass es sich dabei um Wein handelt, sollte aber klar werden. Das war als kleiner Inside-Joke zwischen Pia und Paul gemeint. Würde ich erstmal so lassen, bis mehr Beschwerden kommen.

Heute ist sie ein Heißluftballon. Auf dem Weg zur Arbeit ist jeder Schritt ein kleiner Sprung, der sie etwas abheben lässt. Die Blätter der Bäume entlang der Straße nicken im Wind zum Takt ihrer Schritte, sie ist die Dirigentin des Sommers. Das helle Blau des Himmels ist wie für sie frisch gestrichen. Nur für sie. Sie saugt den Duft des Morgens genüsslich in sich ein. In einer Bäckerei bestellt sie einen Cappuccino zum Mitnehmen. Mit extra Zucker. Sie bezahlt mit ihrem Lächeln, denn heute ist sie die Sonne.
Oh, wie schön! Der Leser erwacht zu neuem Leben. Hat auch ein bisschen warten müssen.
Danke, das ist meine persönliche Lieblingsstelle :)

Sie erstickt an ihrer eigenen Stille. Erweitern ... ... Stille, sie ertrinkt in ihr. Erweitern ... Sie ist ein in Sand geschriebenes Wort, das von der Brandung weggespült wird.
Und der Tod. Das alles zusammen ist mir zu dicke. Sehr professionell, denke ich.
Das zähe Mittelstück mit der Fete, und dann rumms! Ja, warum nicht.
Mir ist es zu plakativ, zu wirkungs-gewollt. Junge Leute sollten auch mal lachen – vor ihrem Tod! Und vielleicht wäre der Twist dann noch stärker. Dünnes Eis jedoch – auch für den Kommentator:D.
Dick und wirkungs-gewollt, da gehe ich mit. Dort wollte ich tatsächlich durch den Kontrast zum Heißluftballon-Paragraphen einen starken Effekt erzielen, Pia's Fall von ganz oben nach ganz unten sozusagen. Ein anderes leichtgewichtigeres Ende hätte sicherlich auch funktioniert. Das hier ist schon etwas schwermütig und die Bilder vielleicht etwas zu kitschig. Ich mags dennoch. Und gelacht und getanzt haben Pia und Paul vorher ja trotzdem.

Jedenfalls schreibst Du prima, für meinen Geschmack. Auch wenn ich bisschen gemosert habe.
Danke, das "Gemoser" war hilfreich!

Hallo @linktofink,

Auch dir vielen Dank für die vielen Anmerkungen.

Herzlich Willkommen im Forum (darf man noch schreiben, oder?;))
Danke sehr :)

aber aus der durchgerosteten Regenrinne über ihr tropft stetig weiter Wasser auf ihren Kopf.
die Possessivpronomen fallen direkt auf. Du könntest sie einsparen: … aber aus der durchgerosteten Regenrinne über ihr (erklärt sich aus dem Folgenden) tropft stetig weiter Wasser auf ihren (den) Kopf.
Ich habe die Stelle etwas geändert, komplett ohne "ihr/ihre" würde der Satz für mich aber nicht funktionieren.

Neben ihr klafft ein großes, offenes Fenster wie eine Wunde im alten Haus
Die Ortsbestimmung bräuchte ich nicht, wo sonst sollen die Fenster sein?
Hm ohne die Ortsbestimmung hört sich das in meinen Ohren seltsam an, ist aber nur mein Eindruck. Das Haus würde ich erstmal lassen.

verströmt den dumpfen Geruch von moderigem Holz und Verwahrlosung
wie riecht Verwahrlosung? Vllt. Leerstand?
Stickig, dumpf, lange nicht mehr gelüftet, so in etwa. Ist aber sicherlich nicht das beste Bild, da gebe ich dir Recht. Würde ich ändern, wenn es mehr Beschwerden gibt.

„Pia! Cool, dass du es geschafft hast. Schön, dich zu sehen(. Punkt weg)“, sagt die Person.
Wenn du einen Redebegleitsatz mit Komma hast, ist der Punkt davor verkehrt (Auch später im Text). Nur beim Ausrufe- und Fragezeichen ist das anders.
Ist korrigiert.

„In einem Café treffen war dir zu normal?“, grinst Pia.
Das holpert durch das eingeschobene "treffen", wo eigentlich ein "zu" drangehört. Was spricht gegen kürzen? „Im Café war dir zu normal?“, grinst Pia.
Ich glaube umgangssprachlich (vielleicht fast schon Slang?) sollte das ok sein. Die Version ohne "treffen" gefällt mir nicht so recht.

Vereinzelt ziert buntes Graffiti die krankenhausgrünen Wände.
Ist Graffiti dort wirklich eine Zierde?
Stimmt, ist geändert.

„Der schlimmste. Von Grund auf verdorben.“
Der Schlimmste?
Ist korrigiert.

Paul testet mit seinem Fuß jede Stufe vorsichtig auf ihre Tragfähigkeit, während (bevor) er langsam die Treppen hinaufsteigt.
Finde ich selbsterklärend.
Treppe habe ich geändert. Ohne "Tragfähigkeit" hört sich das für mich aber seltsam an, was testet Paul denn mit seinem Fuß sonst? "Während" habe ich auch gelassen, weil er ja während des gesamten Prozesses jede Stufe testet und nicht nur eine, bevor er hinaufsteigt.

und mustert den abgeblätterten roten Lack der Holzdielen unter ihren Füßen.
Dafür gibt es eine genauere Bezeichnung. Ochsenblut. Und bei historischen Gebäuden spricht man eher von Farbe, Lack ist neuzeitlich.
Das stimmt, irgendwie hört sich für mich "abgeblätterter Lack" im Fall von Dielen besser an als "Farbe". Ändere ich vielleicht nochmal.

und betrachtet den heruntergekommenen Garten unter ihr. Der wild gewachsenen Grasteppich wird vereinzelt durch das Rot von Nelken durchstoßen.
Das heruntergekommenen finde ich redundant, weil du den Garten im nächsten Satz beschreibst.
Habe ich geändert.

„Es ist nur(, dieses Komma kann weg)“, sagt er und schaut
Dann können wir uns um die hinteren Plätze streiten, während Lizzy uns überrundet
das sticht raus, klingt künstlich, vllt. einfach ein "wenn"?
In dem Kontext ist glaube ich "während" ok, da das mehrfache Überrundungen impliziert, wenn die Spieler schlecht spielen. Vielleicht ist Lizzy ja ein richtiges Mario Kart As. ;)

Während Pia an ihrem Bier nippt(Komma) sieht sie in der Ferne, wie Paul hinter sich das Gartentor schließt. Als er näher kommt(Komma) winkt er ihnen zu, sie winken zurück.
Würde zwei Kommata setzen.
Ist korrigiert.
wenn die beiden nicht zusammenkommen, dann weiß ich auch nicht mehr
dann weiß ich´s auch nicht?
Ist geändert.

Pia läuft in einem Bogen um das Lagerfeuer zu einem Tisch vor der Gartenlaube. Sie schnappt sich eine offene, dunkle Flasche und hält sie prüfend gegen die am Dach hängende Laterne. In der Dunkelheit am anderen Ende des Gartens sieht sie einen Scheinwerfer angehen. Im fahlen Licht wuseln Menschen mit Kabeln umher und verbinden Boxen mit einem Mischpult auf dem Tisch.
Finde die unbestimmten Artikel auffällig gehäuft.
Ich habe den ganzen Paragraphen umgeschrieben und gekürzt, sollte jetzt angenehmer sein.

Der tiefe Klangteppich einer Bassgitarre wird immer lauter
Wenn das kein Rockkonzert ist, würde ich einfach von wummernden Bässen sprechen, ohne Gitarre.
Eine Bassgitarre kann man ja klanglich durchaus von anderen Bass-Instrumenten unterscheiden, auch wenn die Musik aus einer Box kommt. Und sonst gäbe es später eine Wortwiederholung mit "Bass". Die Stelle würde ich erstmal nicht ändern wollen.

Das Stroboskopgewitter der Scheinwerfer pulsiert im Sekundentakt. Aus. An. Sie sieht nichts. Sie sieht Paul lächeln. Sie sieht nichts und lächelt in die Dunkelheit. Sie spürt das weiche Gras unter ihren Füßen. Sie lässt los, fühlt sich frei und schwerelos. Sie tanzt. Der Rhythmus der menschlichen Diashow hypnotisiert sie und sie verliert jegliches Zeitgefühl. Die Musik scheint endlos, spielt weiter, immer weiter.
Stark, ich bin dabei.
Schön. Auch wenn im Vorkommentar korrekt kritisiert wurde, dass Stroboskoplicht eigentlich viel schneller schaltet, als im hier beschriebenen Sekundentakt. Das ändere ich vielleicht noch.

Sie fühlt sich wie das Schnurren einer Katze.
Das Bild finde ich nicht passend, wie kann man sich wie ein Geräusch fühlen? Ich finde, das Schnurren passt zur Situation, aber anders verpackt.
Schnurren ist ja nicht nur ein Geräusch, sondern eine Handlung einer Katze, wenn sie sich besonders wohl fühlt. Deswegen passt für mich persönlich das Bild eigentlich ganz gut.

Sie läuft ohne sich umzudrehen weiter und lächelt in die Nacht.
Vorschlag: Sie läuft weiter, ohne sich umzudrehen und lächelt in die Nacht?
Deinen Vorschlag finde ich in der Tat besser, habe ich geändert.

Heute ist sie ein Heißluftballon. Auf dem Weg zur Arbeit ist jeder Schritt ein kleiner Sprung, der sie etwas abheben lässt. Die Blätter der Bäume entlang der Straße nicken im Wind zum Takt ihrer Schritte, sie ist die Dirigentin des Sommers. Das helle Blau des Himmels ist wie für sie frisch gestrichen. Nur für sie. Sie saugt den Duft des Morgens genüsslich in sich ein. In einer Bäckerei bestellt sie einen Cappuccino zum Mitnehmen. Mit extra Zucker. Sie bezahlt mit ihrem Lächeln, denn heute ist sie die Sonne.
Schön, gut geschrieben.
Danke!

„Ich dachte(Leerzeichen vor dem Dreipunkt)...“, sagt sie.
Sie ist ein in Sand geschriebenes Wort, das von der Brandung weggespült wird.
Zwar sehr pathetisch, aber gut, finde ich.
Yep, ich muss mich häufig selbst bremsen, damit ich sprachlich nicht allzu tief in Pathos und Kitsch versinke. Hier ist das schon etwas grenzwertig, finde ich aber noch ok.

Sie dreht sich zum Fernseher, greift mit zitternder Hand nach der Fernbedienung und drückt auf Play.
Final noch ein heftiger Twist. Ich weiß nicht, ob es den braucht, weil er mich als Leser von der Situation und somit ein Stück weit von der Prota entfernt. Ich muss innerlich sortieren, gerade saßen sie sich noch gegenüber, jetzt ist sie alleine, also war das vorher ein Rückblick, obwohl im Präsens geschrieben, etc. Weißt?
Mir ist gar nicht aufgefallen, dass diese Stelle falsch interpretiert werden könnte und ich habe sie entsprechend geändert. Sie sitzen beide ganz normal auf der Couch, Geister oder Rückblicke waren hier nicht meine Intention.

Inhaltlich eines vorab: Die Dialoge finde ich sehr gelungen, sehr lebensnah, das fällt direkt auf. Die Geschichte finde ich sehr gut geschrieben, beinahe routiniert, wenn auch mit leichten Längen bei der Date-Anbahnung. Das Kommende schreibe ich dir auch nur als Hinweis, du wirst selbst wissen, wie du es einsortierst.
Die finale Auflösung ist mir etwas zu gewollt, da hätte ich mir ein weniger konventionelles Ende herbeigesehnt, eines, das die Geschichte außergewöhnlich macht. Das "unheilbar krank" ist als Auflösung ein wenig enttäuschend, ähnlich wie: "Ich wachte auf und merkte, alles war nur ein Traum". Das ist ein wenig Deus ex Machina. Heißt, es ergibt sich nicht aus der Geschichte, sondern wird etwas fremdkörper-like hineingetragen. Mir würde es besser gefallen, das Ende wäre offener. Aber das ist Gemecker auf hohem Niveau. Gerne gelesen.
Was das Ende angeht, gehe ich mit. Es ist schon recht konventionell. Mehr Foreshadowing durch Paul hätte wohl geholfen, den "Deus ex Machina" Aspekt zu reduzieren, damit wäre dann aber das Ende sicherlich vorhersehbar geworden. Deswegen war der "Twist" eine ganz bewusste Entscheidung von mir. Das Ende finde ich aber generell ok, auch wenn es ein Anderes auch getan hätte.

ps. noch ein Wort zum Titel: Ich verstehe, warum du den Text so nennst, dennoch klingt Bestandsaufnahme genauso technokratisch wie Inventur und bringt beim Leser erst mal nichts zum Klingen. Eigentlich geht es ja nicht um eine Bestandaufnahme, sondern um enttäuschte Illusionen und Träume, oder? Vllt. fällt dir da noch was anderes ein, was auf die Flüchtigkeit abzielt? "Füße im Gras" oder "Sandwörter", so was?
Das stimmt. Bestandsaufnahme ist kein schönes Wort. Falls mir etwas Schöneres einfällt, ändere ich das.

Vielen Dank euch beiden für die hilfreichen Kommentare!

Viele Grüße,
Catington

 

Hallo @Aurelia,

danke für dein Kommentar. Schön zu lesen, dass du die Dialoge magst.

Manchmal hast du imA eine Tendenz zum Überdeutlichmachen.
Das könnte sein. Ich frage mich, ob du damit auch andere Stellen meinst als die, die du angesprochen hast:
Wenn Figuren von A nach B müssen, beschreibe ich häufig, wie sie da hinkommen, anstatt direkt zur nächsten Szene bei B zu springen. Darüber zu lesen, wie Leute von einem Ort zum anderen laufen ist sicherlich nicht das Spannendste.
Und so was wie: Pia und Nina wollen Wein trinken und meinem Gefühl nach muss ich beschreiben, dass sie sich dafür Becher besorgen müssen. Das ist langweilig zu lesen, was in Vorkommentaren auch erwähnt wurde. Aber sonst fühlt es sich für mich an, als wären die aus dem Nichts aufgetaucht.
Fällt das für dich auch unter Überdeutlichmachen/Überflüssiges?

In einem vergeblichen Versuch dem Regen zu entkommen, drückt sie sich mit dem Rücken gegen das poröse Mauerwerk, aber aus der durchgerosteten Regenrinne tropft stetig weiter Wasser auf ihren Kopf.
Ist nicht ein Versuch immer vergeblich? Ich glaube, dass du das streichen könntest.
Stetig und weiter hört sich für mein Sprachgefühl auch redundant an.
Abgesehen davon, finde ich den ersten Satz als Einstieg nicht so bahnbrechend. Da würde ich an deiner Stelle noch etwas grübeln, er soll doch Neugierde wecken. Das kannste bestimmt besser.
Den Einstieg finde ich auch nicht überragend, da gehe ich mit. Ich habe auch schon überlegt, was man denn anfangs mit dem alten Haus spannenderes machen könnte, mir ist nur erstmal nichts eingefallen. Vielleicht kommt da noch was.

Deine Anmerkung zum vergeblichen Versuch finde ich interessant. Meinem Gefühl nach könnte der Versuch durchaus erfolgreich sein, wenn die Regenrinne dicht wäre oder das Dach etwas weiter herausragt und Pia vor dem Regen schützt, oder? Deswegen stört mich das "vergeblich" eigentlich nicht. Stetig/weiter wirken aber durchaus redundant, das schreibe ich um.

„In einem Café treffen war dir zu normal?“, grinst Pia.
Ich bin mir einigermaßen sicher, dass der Redebegleitsatz so nicht ganz korrekt ist. Er müsste mE: "sagt Pia grinsend" heißen oder "Pia grinst" und dann müsste das Komma weg. Da finden sich mehrere Beispiele im Text. Kannst ja mal durchschauen und ggf. korrigieren.
Hiermit hast du sicherlich Recht, das ändere ich.

Die roten Holzdielen sind mit abgebröckeltem Putz bedeckt und geben etwas nach, als ihre Füße den Boden berühren. Vereinzelt sind die krankenhausgrünen Wände mit buntem Graffiti beschmiert. Ansonsten ist der kleine Raum komplett leer.
Hier frage ich mich, ob du das Fettgedruckte wirklich benötigst.
Ich möchte hier, dass der Leser davon ein "lebhaftes" Bild im Kopf hat, wo sich die Figuren befinden. Sonst käme mir der Raum zu steril vor und die Sätze ohne Adjektive zu reduziert und nichtssagend.
Die Anmerkung werde ich aber im Hinterkopf behalten, wenn das öfters bemängelt wird, werde ich da etwas reduzierter schreiben.
"Etwas" kann weg, und ein leerer Raum wird nicht leerer, wenn er "komplett leer" ist, da hast du Recht.

Danke & Viele Grüße,
Catington

 

Hallo @Catington,

dann versuch ich mal deine Fragen zu beantworten.

Und so was wie: Pia und Nina wollen Wein trinken und meinem Gefühl nach muss ich beschreiben, dass sie sich dafür Becher besorgen müssen. Das ist langweilig zu lesen, was in Vorkommentaren auch erwähnt wurde. Aber sonst fühlt es sich für mich an, als wären die aus dem Nichts aufgetaucht.
Fällt das für dich auch unter Überdeutlichmachen/Überflüssiges?

Ja, das fällt mE auch darunter. Wenn du Handlungen beschreibst, sollten sie wohl im Idealfall etwas über die Person aussagen, sie näher charakterisieren, wichtig für das Setting sein oder halt den Plot voranbringen etc. Ich glaube, dass der Leser idR die Zwischenschritte nicht benötigt und du getrost kürzen kannst. Der Text würde dadurch temporeicher und spannender.

Deine Anmerkung zum vergeblichen Versuch finde ich interessant. Meinem Gefühl nach könnte der Versuch durchaus erfolgreich sein, wenn die Regenrinne dicht wäre oder das Dach etwas weiter herausragt und Pia vor dem Regen schützt, oder? Deswegen stört mich das "vergeblich" eigentlich nicht. Stetig/weiter wirken aber durchaus redundant, das schreibe ich um.

Für mein Sprachgefühl bedeutet ein Versuch, dass das Ziel nicht erreicht wurde, also vergeblich im Wort bereits enthalten ist. Wenn ein Ziel erreicht wird, ist es kein Versuch mehr, sondern wäre eine Vollendung, weil das Vorhaben geglückt wäre. Verstehst du, was ich meine? Oder sehe ich das zu formal oder hab ich irgendwo ein Denkfehler?

Lieben Gruß
Aurelia

 

Hallo @Aurelia,

Ich glaube, dass der Leser idR die Zwischenschritte nicht benötigt und du getrost kürzen kannst. Der Text würde dadurch temporeicher und spannender.
Danke für die Ergänzung, ich werde probieren, in meinen nächsten Geschichten mehr auf so was zu achten.

Für mein Sprachgefühl bedeutet ein Versuch, dass das Ziel nicht erreicht wurde, also vergeblich im Wort bereits enthalten ist.
Vielleicht ist das etwas wie das halb volle oder halb leere Glas - ein Gefühlsding. Für mich kann ein Versuch immer auch erfolgreich verlaufen, auch wenn das Wort, da gebe ich dir teilweise Recht, erstmal eher nach Scheitern klingt. Zumindest im Online-Duden wird das auch erwähnt:
ein kühner, aussichtsloser, verzweifelter, missglückter, erfolgreicher, geglückter Versuch
Online scheint es da mehr Beispiele zu geben. Auch wenn man für vergebliche Versuche sicherlich noch mehr Beispiele finden würde.

Viele Grüße,
Catington

 

Hallo @Echo97,

hätte nicht gedacht, zu so einer "alten" Geschichte noch ein Kommentar zu bekommen, danke dir!

Ich als Leser hatte das Gefühl, an diesem mysteriösen, alten Ort müsste irgendetwas spannendes passieren. Statt also verborgene charakterliche Geheimnisse zu lüften und Abgründe auszuloten haben sie nur Small Talk. Sie hätten sich tatsächlich auch einfach in ein Cafe setzen können.
Da habe ich wohl die falsche Erwartungshaltung geweckt, ein großes Mysterium wollte ich im alten Haus gar nicht aufbauen. Charakterliche Geheimnisse lüften, ja, das wäre viel spannender gewesen, da gebe ich dir recht. Nun ist es so, dass Pia und Paul sich lange nicht gesehen hatten, sie müssen erst mal "catch up" spielen und sich wieder aneinander gewöhnen. Da führt man ja eher vorsichtig tastend Small Talk, als gleich dem anderen seine Seele auszuschütten. Ich hätte das viel spannender schreiben können, da gehe ich mit. Authentisch finde ich die Szenen im Haus trotzdem und habe deswegen eigentlich keine großen Probleme damit.

War das bereits eine Anspielung auf das Ende (Das wäre eine nette Symmetrie)? Ansonsten verstehe ich den Aufbau dieser düsteren Stimmung nicht, weil er mit dem Beginn der Party ins Leere läuft.
Nein, als Anspielung auf das Ende war es nicht gemeint. Es sollte eher den Grundtenor für die Geschichte legen, als Symbol für Nostalgie, zerplatzte Träume, auch für etwas zerfallenes in den Figuren - wie das Haus.

Damals wart ihr echt unzertrennlich. Ich dachte immer, wenn die beiden nicht zusammenkommen, dann weiß ichs auch nicht. Was ist nur passiert.“
An dieser Stelle klingt es für mich wie eine Information an den Leser. Das hast du sonst ganz gut vermieden. Wie schon erwähnt wirken deine Dialoge sehr authentisch.
Ja, das ist eigentlich schon ziemliches Tell vom Autor. Da zeige ich nichts. Es wird für mich aber kompensiert dadurch, dass jemand wie Nina so etwas wirklich sagen würde, denke ich zumindest. Eine anscheinend langjährige Freundin von Pia, die damals dabei war und beiden gut kannte, trotz Tells passt das für mich eigentlich.

Vor dem Date hatte ich das Gefühl eine Prolog zu lesen. Und bevor die Geschichte losgeht erzählt er ihr von seiner Krankheit. Die Geschichte ist zu kurz, als dass das einen emotionalen Eindruck bei mir hinterlassen könnte.
Ich wollte mit der Geschichte tatsächlich auch einen emotionalen Eindruck hinterlassen, das habe ich bei dir nicht geschafft und ich verstehe auch, warum. Der Leser hätte mehr Zeit mit Pia und Paul gebraucht und ich hätte den Figuren mehr Tiefe geben können, damit gerade das Ende mehr wirkt, das stimmt. Da bin ich noch am Lernen und probiere, mich mit jeder Geschichte zu verbessern.

Schreiben kannst du auf jeden Fall. Wahrscheinlich besser als ich :) Du solltest nur noch an deinem Spannungsbogen arbeiten.
Danke :) Ach Spannungsbögen, die sind definitiv eine meiner Schwächen und da liegt noch Arbeit vor mir, damit ich das richtig hinkriege. In dieser Geschichte gibt es keinen traditionellen Spannungsbogen, sie plätschert etwas vor sich hin. Das passt eigentlich zur ruhigen, reflektierten Thematik um die Nostalgie, aber langweilig sollte die Geschichte ja trotzdem nicht sein. Ich arbeite dran!

Vielen Dank für's Kommentieren & Viele Grüße,
Catington

 

… hätte nicht gedacht, zu so einer "alten" Geschichte noch ein Kommentar zu bekommen, ...

Was soll oder kann überhaupt an einem „wieder“ Sehen und vor allem sich erkennen nach Jahr und Tag „alt“ sein,

Catington -

außer dass die beiden älter geworden sind?

Und der Spannungsbogen liegt da eher in der Zukunft und ist offen in der Frage, wie‘s weitergehen wird und insofern gibt‘s an Deiner Geschichte nix zu mäkeln, finde ich – bis auf, ja – wo haben die andern denn ihre Augen? - was mich schon im ersten Satz anspringt, wenn der schlichte Relativsatz (der zugleich ein Infinitivsatz ist, in dem die Infinitvgruppe von einem Substantiv abhängig ist und somit schon alleine die Kommasetzung erzwingt) zwar das abschließende, nicht aber das einleitende Komma zugestanden wird:

In einem vergeblichen Versuch[,] dem Regen zu entkommen, drückt sie sich mit dem Rücken gegen das poröse Mauerwerk, …
denn da kann keiner sich darauf berufen, dass das erste Komma ein komplexes Prädikat zerschlüge.


„Lass mal zum Balkon im Ersten gehen.“
„im Ersten“ könnte man mit der „ARD“, dem ersten Programm verwechseln.
Hier seh ich eher ein Attribut vom „ersten Sock(werk)“ … Also besser mit Minuskel statt Majuskel

ohne Komm.:

„Hier hat sich ja gar nichts verändert[...]“, sagt sie und lässt ihre Hand über die raue Wand fahren.
(bisschen Ironie muss sein, wenn drei Punkte über einen einzigen sich auslassen … Alternativ und auch sichtbar ginge ein Ausrufezeichen der Verwunderung … die ja irgendwie mitschwingt in dem Satz)

Den „schlimmsten“ hier

„Der Schlimmste. Von Grund auf verdorben.“
seh ich wie vorhin den „ersten“ auch als Attribut ansehen und zwar zu dem vorhergehenden Satz
„Denkst jetzt bestimmt, ich bin ein schlimmer Heuschreckenkapitalist, aber irgendwie muss man sich seine Yachten und Privatjets ja finanzieren.“
und dem „Heuschreckenkapitalist“en

Ich glaube[,] gerade die Kleinen brauchen mal wieder etwas Langsamkeit und Ruhe im Leben.“

Der lange Korridor ist ein Spiegelbild seines Bruders aus dem Erdgeschoss, aber am anderen Ende fällt Licht durch die offenen Balkontüren. Sie laufen weiter.
in unglücklicher Vergleich, finde ich. Warum nicht gleich Zwilling?, sind nicht alle Korridore miteinander verwandt? Einander ähnlich?

„Und wie gehts Jens?“
Du hast eine Abneigung gegen Apostrophierung – anfangs schon aufgefallen. Ist selbstverständlich nix schlimmes – aber schwingt nicht im Apostroph wenigstens ein bisschen das fehlende „e“ noch mit oder gar ein „da“? Da folgt bereits das nächste.
Und - darum ist dieses Zitat gewählt worden: Es gleicht nun der Genitivbildung, ohne Genitiv zu sein - wie ja auch der Name des Jens keineswegs der Genitiv des Jensens ist, der nur durch ein Apostroph verkürzt werden kann "Jens, Genitiv: Jens' oder Jensens
„Ich habs nicht mal gemerkt.“

Das waren noch Zeiten[!]“
... wenn die beiden nicht zusammenkommen, dann weiß ichs auch nicht. Was ist nur passiert.“

Eine Weile lang sitzen sie still da, schauen in den schwarzen Nachthimmel und…

Sie läuft weiter, ohne sich umzudrehen[,] und lächelt in die Nacht.
Der Infinitivsatz ist zu Ende („umzudrehen“ ist vom „sich“, einem Pro-Nomen abhängig) und die Konjunktion und setzt den Hauptsatz fort

Wie derm auch sei, gerne gelesen vom

Friedel,
der übrigens zu seiner Geschichte eines Wiedersehens 2014 nach 25 Jahren den Spannungsborgen auflösen kann für Interessenten, "Ela", "Ele" und "Nika" sind imme noch vereint durch den Ir(r)en.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Friedrichard,

erst einmal danke für den Willkommensgruß aus dem anderen Kommentar und für dein genaues Auge für Fehler – auch unter anderen Geschichten. Ich hoffe ja immer, dass deine Anmerkungen durch Wiederholung irgendwann in meinem Gehirn stecken bleiben, sonst stehe ich ja eher auf Kriegsfuß mit Kommaregeln ;)

Die Fehler habe ich behoben.

Der lange Korridor ist ein Spiegelbild seines Bruders aus dem Erdgeschoss, aber am anderen Ende fällt Licht durch die offenen Balkontüren. Sie laufen weiter.
in unglücklicher Vergleich, finde ich. Warum nicht gleich Zwilling?, sind nicht alle Korridore miteinander verwandt? Einander ähnlich?
Ja! Der Satz mit dem Bruder hat mich immer etwas gestört, Zwilling ist perfekt.

Du hast eine Abneigung gegen Apostrophierung – anfangs schon aufgefallen. Ist selbstverständlich nix schlimmes – aber schwingt nicht im Apostroph wenigstens ein bisschen das fehlende „e“ noch mit oder gar ein „da“?
Da die Figuren in meinen Geschichten häufig in umgangssprachlichem Ton reden, würden mich die vielen Apostrophen tatsächlich stören. Konsequent bin ich da aber auch nicht immer. Ich habe mal ein paar mehr eingefügt und lasse es auf mich wirken.

Wie derm auch sei, gerne gelesen
Danke :)

Edit: Gerade habe ich im Forum gesehen, dass du heute Geburtstag hast, ich wünsche alles Gute und ein schönes Wochenende!

Viele Grüße,
Catington

 

Hallo @Catington,

ich könnte jetzt all das Positive aufzählen, sollte ich wahrscheinlich auch, würde sich für dich und auch für mich besser anfühlen, aber leider brennt es mir unter den Nägeln, das, was mir nicht gefallen hat, zu formulieren.

Also: Ich finde, es fühlt sich an, als wüssten deine Protagonisten, was sie sind. Protagonisten in einer Geschichte. Schon die Art und Weise, wie sie sich treffen, so, dass der Leser auf alle Fälle weiß, dass die beiden eine gemeinsame Vergangenheit verbindet, wie sie dann, wortwörtlich, manifestiert in diesem Gebäude, durch diese spazieren und dabei ein Vorzeige-Freunde-Gespräch führen, über das, was sie beschäftigt, das, was ihnen Sorgen bereitet. Und weil sie so gute Freunde sind, wird sich natürlich auch ein wenig geneckt, weil Freunde das so machen. Das ist nahezu perfekt arrangiert, handwerklich und auch inhaltlich super umgesetzt. Aber ja, es fühlt sich halt leider arrangiert an.

Ich möchte nicht gemein sein, bitte verzeih mir den möglicherweise herausklingenden süffisanten Unterton, ich möchte dir nur ganz deutlich zeigen, dass das so für mich nicht funktioniert.

„Damals, damals. Seit wann bist du denn so ein Nostalgiker?“
„Ist doch gut, mal eine Bestandsaufnahme von seinem Leben zu machen. Davon, wo man war, wo man ist. Was man hatte, was man will.“
„Ist das Paul für Midlife-Crisis?“

Das hier fand ich in dem Kontext dann spannend. Das hat sich nämlich fast so angefühlt, als würde der Autor zu sich selbst sprechen, vielleicht auch zu seinem inneren Kritiker. Und hätte dann auch gleich die passende Antwort parat.

Möglicherweise habe ich mich festgefahren in meiner Lesart und tu dir und deiner Geschichte damit ein großes Unrecht an. Sie ist schön, ohne Frage, tadellos geschrieben und in sich schlüssig. Aber sie geht nicht in die Tiefe. Die Schönheit ist mir zu unschuldig, ich finde die hier präsentierte Sicht auf die Welt beinahe naiv, solche Sätze hier

Sie lässt los, fühlt sich frei und schwerelos.

lösen in mir nichts aus, das erinnert mich an deutschsprachigen Chart-Pop à la Max Giesinger, und das ist einfach nicht mein Geschmack. Ich verlange keine Dramatik, aber zumindest Originalität, und die vermisse ich hier. Aber ich bin auch nur eine von achtzig Millionen und Millionen andere finden das möglicherweise großartig, also mach dir bitte nichts draus. Wie gesagt - für das, was es ist, ist es gut, und schon, dass du eine solch in sich schlüssige Geschichte erschaffen hast, verdient meinen größten Respekt. Im besten Fall kannst du irgendeinen Nutzen aus meinem ungeschönten Leseeindruck ziehen, wenn nicht, darfst du ihn gerne wieder vergessen.

Liebe Grüße,
Akka

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Akka,

es hat mich (wirklich) gefreut, deinen Kommentar zu lesen, denn dein Leseeindruck gibt mir nochmal eine frische Perspektive auf die Geschichte, die ich vorher nicht gesehen habe – auch, wenn ich nicht mit allem, was du sagst, mitgehe.

Ich möchte nicht gemein sein, bitte verzeih mir den möglicherweise herausklingenden süffisanten Unterton, ich möchte dir nur ganz deutlich zeigen, dass das so für mich nicht funktioniert.
Möglicherweise habe ich mich festgefahren in meiner Lesart und tu dir und deiner Geschichte damit ein großes Unrecht an.
Gemein klang dein Kommentar nicht, und Unrecht tust du auch niemandem an. Lob bekam ich schon genug und ich bin für jede Kritik offen. Hier mal ein Zitat von linktofink aus einer anderen Geschichte, das es wunderbar auf den Punkt bringt:
dass Lob schnell weggeschleckt ist, doch die Kommentare, die ein wenig piksen oder sogar weh tun, letztlich nachhaltiger wirken.
So isses!

Also: Ich finde, es fühlt sich an, als wüssten deine Protagonisten, was sie sind. Protagonisten in einer Geschichte. Schon die Art und Weise, wie sie sich treffen, so, dass der Leser auf alle Fälle weiß, dass die beiden eine gemeinsame Vergangenheit verbindet, wie sie dann, wortwörtlich, manifestiert in diesem Gebäude, durch diese spazieren und dabei ein Vorzeige-Freunde-Gespräch führen, über das, was sie beschäftigt, das, was ihnen Sorgen bereitet. Und weil sie so gute Freunde sind, wird sich natürlich auch ein wenig geneckt, weil Freunde das so machen. Das ist nahezu perfekt arrangiert, handwerklich und auch inhaltlich super umgesetzt. Aber ja, es fühlt sich halt leider arrangiert an.
Das ist eine spannende Sichtweise. Jetzt wo du es sagst, ja, das wirkt alles schon recht arrangiert. Wenn die Figuren nicht als echte Menschen rüberkommen, dann ist das ein Problem. Diese war nach einer langen Schreibpause meine zweite Geschichte und hat mir gezeigt, wieviel ich noch zu lernen und nachzuholen habe. Dass die Figuren nicht tief genug sind, da gehe ich mit.
Aber: Dass alles zu "perfekt" arrangiert zu sein scheint, damit habe ich grundlegend kein Problem, so lange es nicht ausartet. In unseren Geschichten schreiben wir doch selten vom langweiligen, realen Alltag. Wir schreiben idealisierte Versionen davon. Das perfekte Wiedersehen zwischen Freunden, die tiefste Liebe, der traurigste Verlust (nicht auf diese Geschichte bezogen, sondern jetzt mal allgemein). Geschichten leben doch eher in einer Art Hyperrealität, in der Dinge, die so im Alltag nicht möglich sind, möglich werden. Aspekte des Realen werden, für welche Aussage auch immer die Geschichte machen möchte, etwas überspitzt. Das ist natürlich kein harter Übergang. Einige Leser werden extrem realistische Erzählungen mehr mögen. Ich mag eher das Idealisierte, da darf für mich ruhig auch etwas Kitsch dabei sein. Ob der komplette Wegfall von etwas Arrangiertem ein allgemeingültiges Qualitätsmerkmal für gute Literatur ist, kann ich gar nicht beantworten. Da habe ich keinen ausreichenden Erfahrungsschatz und du könntest da absolut recht haben. Was ich damit nur sagen will, ist: Es stört mich nicht, wenn die Geschichten die ich lese oder schreibe etwas arrangiert wirken, solange alles noch grundlegend glaubhaft ist.

„Damals, damals. Seit wann bist du denn so ein Nostalgiker?“
„Ist doch gut, mal eine Bestandsaufnahme von seinem Leben zu machen. Davon, wo man war, wo man ist. Was man hatte, was man will.“
„Ist das Paul für Midlife-Crisis?“
Das hier fand ich in dem Kontext dann spannend. Das hat sich nämlich fast so angefühlt, als würde der Autor zu sich selbst sprechen, vielleicht auch zu seinem inneren Kritiker. Und hätte dann auch gleich die passende Antwort parat.
Hah, ja, ich sehe irgendwo, wie man das so lesen könnte. Das könnte der ungenügenden Tiefe der Figuren geschuldet sein. Und: Wir transportieren ja vermutlich immer einen Teil von uns in unseren Figuren und vielleicht kann Schreiben manchmal auch eine Unterhaltung des Autors mit sich selber sein. Das ist ja auch vollkommen okay, finde ich, wenn es Leser nicht aus der Geschichte reißt. Schreiben hat ja auch was therapeutisches. Diese Stelle war aber ganz pragmatisch für den Plot gedacht. Pia merkt korrekt, dass Paul sich verändert hat. Er schwelgt in Nostalgie, weil er bald sterben wird. Da wiegen die verpassten Chancen aus der Vergangenheit (auch Pias) schwerer.

Aber sie geht nicht in die Tiefe. Die Schönheit ist mir zu unschuldig, ich finde die hier präsentierte Sicht auf die Welt beinahe naiv, solche Sätze hier

Sie lässt los, fühlt sich frei und schwerelos.
lösen in mir nichts aus
Das mit der Tiefe, da gehe ich wie gesagt mit. Dieser Satz ist schon etwas aus der Kitsch- und Klischeekiste gegriffen, das stimmt. Das ist ein Problem, für dessen Lösung ich einfach mehr schreiben muss. Etwas Kitsch mag ich ja, aber ich scheine da zu häufig auf der falschen Seite der Linie zu landen.

Im besten Fall kannst du irgendeinen Nutzen aus meinem ungeschönten Leseeindruck ziehen, wenn nicht, darfst du ihn gerne wieder vergessen.
Na aber! Das war ein sehr lehrreicher und interessanter Kommentar, danke dafür. Was ich für mich mitnehme: Tiefere Figuren schreiben, alles etwas weniger arrangiert erscheinen lassen und wo es so wirken könnte, den Autor etwas mehr aus der Geschichte nehmen. Vielleicht werde ich ja nach zig weiteren Geschichten genau zu deinen Schlüssen kommen und diese Geschichte genau so sehen, das will ich gar nicht ausschließen. Meine nächste Geschichte ist fast fertig und ich vermute, da werden für dich ähnliche Kritikpunkte anfallen. Aber durch Kritik lernt man ja was, also immer her damit!

Viele Grüße,
Catington

 

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