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Beschleunigte Verdauung
Die Sonne verschwand gerade hinter einer Regenwolke. Ich stand vor einem Telefonhäuschen in der eine Frau wild gestikulierte. Jedes Wort verstand ich von ihrer Erzählung. Zwischendurch mußte ich lachen, weil ich mich an meinen letzten Urlaub erinnerte. Die Frau drehte sich verärgert um, so dass ich nur noch Bruchstücke des Gesprächs hörte.
Eigentlich war der Last Minute Urlaub ein Riesen Flop gewesen. So zu sagen ein in wortgegossener Alptraum. Nur das wollte ich Beate nicht auf die Nase binden. Im Grunde war Beate schon nett, nur manchmal merkte sie die Einschläge nicht. Besonders dann wenn sie ihr dauernd davon erzählte, was sie sich alles leisten konnte. Nun ja, sie hat als Abteilungsleiterin natürlich das nötige Kleingeld. Ich hingegen mußte mir meinen Urlaub hart erarbeiten. Darum fiel ich wohl immer wieder auf die Nase. Nur das Billigste buchte ich, in der Hoffnung doch endlich mal ein Schnäppchen zu machen.
Beate rühmte sich damit, dass ihre Urlaube bis ins letzte Detail geplant waren. Sie würde nichts dem Zufall überlassen. Für alle Eventualitäten sei sie ausgerüstet.
„Hallo Beate, hier ist Sigrid. Ich wollte dir schnell Bescheid sagen, dass ich wieder zu Hause bin, und du dich nicht mehr um Schröder kümmern mußt." Schröder ist mein Kater, den ich zu meinem dreißigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte.
„Das war doch kein Problem, hab ich doch gerne gemacht," antwortete Beate.
„Hattest du denn im Gegensatz zum letzten Jahr einen schönen Urlaub?"
„Ja, herrlich. Dieses mal hatte ich wirklich Glück mit meiner Reise. Ich hatte ein Super vier Sterne Hotel erwischt. Mein Zimmer war mit Meerblick." Lüg nicht so rumm, wie gut dass Beate dich nicht sehen kann, dachte ich mir und wurde knall rot. Ich hatte nur den Blick auf eine Baustelle direkt unter dem Fenster. Die Bauarbeiter fingen schon gegen sieben Uhr an Krach zu machen. Außerdem hatte das Hotel nur einen Stern. Wahrscheinlich auch nur, weil der Inhaber einen Mercedes fuhr. Aber das wollte ich Beate auf keinen Fall erzählen. Sie würde sich dann sicher wieder über mich lustig machen.
„War das Essen gut," fragte mich Beate weiter aus.
„Oh, ja ganz vorzüglich," schwindelte ich noch weiter. „Abends gab es immer ein drei Gänge Menü. Die Vorspeise wurde am Tisch serviert. Den Rest holte man sich vom üppigen Büfett." In Wirklichkeit war das Essen eine Desaster. Von Büfett konnte man nicht sprechen. Jeden Tag gab es eine undefinierbare Pampe. Als ich mir dann am dritten Tag auch noch eine lästige Darmgeschichte eingehandelt hatte zählte ich nur noch die Tage, bis der Urlaub zu Ende war.
„Na, das hört sich ja richtig gut an. Wir hatten in den letzten Tagen viel Regen," berichtete mir Beate.
„Ich hatte viel Sonne und Wärme," erzählte ich stolz, diesmal ohne zu flunkern. „Erholt habe ich mich gut," zumindest von meinem Durchfall, flüsterte ich leise und hielt dabei die Sprechmuschel zu. „Natürlich werde ich nächstes Jahr auch wieder fliegen. Mal sehen, ob ich dann auch wieder Glück habe."
„Ach, Beate, dass muß ich dir noch schnell erzählen. Der leuchtende Höhepunkt meines Urlaubes war eine herrliche Fahrt mit dem Boot im Vollmond über das Wasser. Diese Atmosphäre. Wir waren nur vergnügte junge Leute. Das muß man einfach erlebt haben. Der Ausflug war nicht ganz billig, aber das habe ich mir gegönnt. Sicher zu Hause hätte ich auch Vollmond gehabt, und auch billiger." Ich freute mich, hörte ich da nicht den gewissen Neid von Beate. Sie hätte das sicher nicht gewagt. Dort hätte man ja nicht alles bis ins kleinste Planen können.
„Und was hätte da alles passieren können,“ hörte ich sie meckern.
„Du Beate, ich rufe aus einer Telefonzelle an. Draußen wartet jemand. Ich muß jetzt Schluß machen. Die Telekom hat während des Urlaubes meinen Anschluß gesperrt. Angeblich hätte ich nicht bezahlt.“
„Wenn man sein ganzes Geld auch für eine Mondscheinfahrt ausgibt," trumpfte Beate auf.
Ich beschloß das zu überhören. Ich wollte mich nicht ärgern.
„Tschüs dann, ich komme wohl am Mittwoch mal auf einen Sprung vorbei."