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Bergwanderung

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17.12.2017
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Bergwanderung

Sonne hüllte das Tal in warmes Gold unter blauen Himmel. Eine sanfte Windbrise trug den Duft von frisch gemähtem Gras und geschnittenen Blumen durch die Straßen, von Haus zu Haus. Vögel zwitscherten fröhliche Lieder. An jenem Samstagmorgen entschied sich Peter, für ein Erholungswochenende ins nahe gelegene Fichtelgebirge zu fahren. Er mochte die Berge und er genoss es, die unberührte Natur zu beobachten und die Tiere bei ihren Aktivitäten mit seiner Kamera aufzunehmen. Es war vier Jahre her, als er sich für sein neues Leben entschied.


Peter fuhr mit seinem Auto auf den Parkplatz neben der Gaststätte „Zum Berg“ und stieg aus. Er sah die eindrucksvolle Höhe des Berges, das viele Grün, das sich um den Felsen schlang und roch die frische Luft dieser Gegend. Peter zog seinen Rucksack auf den Rücken, nahm die Kamera in die Hand, sperrte das Auto ab und begann zu Wandern. Nach ein paar Metern fiel ihm eine tote Maus am Wegesrand auf. Er war am Fuß des Berges, als er von einem abwärts gehenden, gebeugten Mann mit „Glück auf!“, begrüßt wurde. „Glück auf!“, erwiderte Peter lächelnd und lief mit großausgreifenden Schritten den Pfad nach oben.


Einen Augenblick überlegt er, ob ihm dieser Mann bekannt vorkam. Peter schüttelte den Kopf und bewunderte die farbenfrohe Pflanzenvielfalt. Es war Mai und seit langem kam Peter nicht mehr aus dem Alltagstrott heraus. Er liebte seinen Beruf als Fotograf. Aber oft saß er bis spät abends vor dem Computer und bearbeitete Aufnahmen, sodass er nur selten Unternehmungen tätigte. Unentwegt blieb er am Wegesrand stehen und schoss Fotos von Bäumen, die an den Abhängen standen, von breiten Verwurzelungen, die sich wie ein Netz über den Berg zu spannen schienen und von der Aussicht, die ihm das Gefühl grenzenloser Freiheit brachte.


Nach einer Weile, die Sonne stand hoch über dem Berg, kam er an eine Gabelung. Dort gab es einen Holztisch mit zwei Bänken. Peter strich sich den Schweiß von der Stirn und beschloss, zu rasten. Während er auf seinem Brot kaute und die Aussicht genoss, fiel ihm nahe der Bergwand ein seltsam dürrer Baum auf. Die weißen Äste trugen keinerlei Blätter und wirkten tot. Graues Gebüsch dahinter vermittelte den Eindruck, als sei seit Jahren kein Tropfen Wasser an diese Stelle gelangt.


Nachdem Peter mit dem Essen fertig war und seinen gepackten Rucksack wieder auf den Rücken spannte, lief er zu dem gespenstisch wirkenden Baum. Denn eigentlich kannte er sich mit der Natur und den in dieser Region wachsenden Bäumen gut aus. Als er näher kam und den Stamm abtastete, zog er schlagartig seine Hand zurück. Die Rinde war eiskalt und die Berührung brannte in Peters Finger. Verwundert ließ er den Blick über die verdorrten Büsche wandern, als ob er dort des Rätsels Lösung finden würde.


Zwischen zwei Felsplatten gähnte ein kleiner Spalt, der einer Art Eingang glich. Peter sah um sich. Nervös strich er sich mit der Hand in das Gesicht und über die Haare. Ein letzter Blick über die Schulter. Nachdem er sicher war, dass niemand sonst ihm nahe war, trat er langsam vor in Richtung der Öffnung. Alte Sträucher hingen über dem Eingang, als ob sie versuchten, etwas zu verschleiern.


Als er das Gestrüpp zur Seite hob und durch den Spalt schritt, wurde er von einem Spinnennetz begrüßt. Hastig wischte er es sich aus seinem Gesicht und trat durch die Schwelle. Die Luft war abgestanden und modrig. Der Geruch erinnerte ihn an eine Gruft, in der jahrzehntelang keine Frischluft hereingekommen war. Peter wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten und lief ein paar Meter weiter zu einer kleinen Wasseransammlung im Boden. Von oben tröpfelte gleichmäßig Wasser, das sich über die Jahre eine Mulde grub. Rechts davon stand eine verschnörkelte Steintafel. Bei näherer Betrachtung entdeckte Peter, dass es sich um einen alten Runenstein handeln musste. Er strich mit dem Finger über den rechteckigen Stein und fühlte tiefe Gravuren. Fasziniert holte er sein Handy heraus und aktivierte die Taschenlampenfunktion, um sich die Schrift auf dem Stein näher ansehen zu können. Er beugte sich mit seinem Kopf ganz nah an den Stein vor und besah sich die Schriften, als plötzlich ein aufgeschrecktes Tier aus der Dunkelheit kreischend aufflatterte. Es flog auf Peter zu und hätte um Haaresbreite sein Gesicht erwischt. Um Haaresbreite brachte er noch eine schützende Hand vor die Augen und spürte scharfe Krallen, die in seine Hand schnitten. Ein stechender Schmerz durchzuckte Peter und Blut rann von seinem rechten Handgelenk über seinen kleinen Finger. Dabei flossen Blutstropfen auf den Runenstein. Peter schrie und stolperte fast, ehe er erfasste, was genau geschah. Der Schmerz raubte ihm jeden klaren Gedanken. Vermutlich war es eine Fledermaus, die er aus dem Schlaf gerissen hatte. Er wusste es nicht genau. Als er sich seine Hand im Licht seiner Taschenlampe ansah, schnappte er nach Luft. Die Schnittwunde war so tief, dass er in aufklaffendes Fleisch sah. Umgehend erschien sein Schmerz weitaus stärker. Dennoch bemerkte Peter, dass der Runenstein, der bis eben ein alter, viereckiger Stein mit alten Inschriften gewesen war, auf einmal verändert schien. Die Gravuren wurden kräftiger und begannen zu leuchten. Der Boden pulsierte. Ein entsetzlicher Schatten legte sich auf Peters Herz und Eiseskälte verwandelten seinen Atem in sichtbaren Dampf. Etwas Unerklärbares ging in dieser Höhle vor sich. Völlig verstört hastete er zu dem Spalt und flüchtete ins Freie.


Dort atmete er tief ein und genoss die klare Luft und die Wärme, die nach dieser kalten Höhle wie Balsam für ihn war. Er besah sich seine Hand und beschloss sofort heimzufahren. Als er sich nochmal zu dem Eingang umdrehte, glaubte er, ein tiefes Dröhnen aus der Höhle zu hören. Schlagartig nahm er den Weg nach unten zu seinem Auto. Ihm war schwindelig und er torkelte mehr den Weg, als dass er ihn lief. Kurz bevor er den Fuß des Berges erreicht hatte, begegnete er wieder dem gebückten Mann, der nun seltsam griente. Peter hatte für einen kurzen Augenblick den Eindruck, als hätte der alte Mann zwei große Hörner, die auf seinem Kopf türmten. Umgehend schüttelte er diesen Gedanken ab und sah die zwei Baumspitzen, die weit hinter dem Mann emporragten.


Als er am Parkplatz angekommen war, stieg Peter in sein Auto und fuhr ohne Umwege nach Hause. Er drehte das Radio laut auf und versuchte sich mit lauter Rockmusik abzulenken. Der Wetterdienst prophezeite eine stürmische Nacht. Nachdem Peter seine Hand gesäubert und die Wunde soweit wie möglich versorgt hatte, ließ er sich samt Klamotten ins Bett fallen und schlief ein.


Abends zogen dunkle Wolken auf, während die Temperatur rapide sank. Kein Stern war zu sehen. Regen strömte auf den Asphalt. Wind preschte durch die Straßen. Die klappernden Rollläden waren der dunklen Nacht hilflos ausgeliefert. Peter wand sich in seinem Bett hin und her. Sein Kissen war nassgeschwitzt, als er unter Stöhnen plötzlich sprach:
„Nein, bitte nicht! Lasst mich in Ruhe. Nein. Das ist unmöglich. Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet. Nein, ich habe das nicht getan!“


Mit durchgebogenem Rücken lag er in seinem Bett, die Füße und sein Kopf fest in die Matratze gestemmt.
„Nein! Geht weg von mir! Hilfe!“, schrie er mit zusammengeballten Fäusten. Plötzlich wachte er auf. Er schnaufte panisch und blickte um sich. Niemand war hier. Während Peter über sein schweißgetrieftes Gesicht fuhr, versuchte er, sich an seinen Traum zu erinnern. Dieser war aber schon wieder verblasst. Schmerz, der sich wie Glut durch seine rechte Hand brannte, trieb ihn in Rage. Er sprang auf und eilte zur Küche. Hinter einem Regal in der Speisekammer gab es noch eine letzte Erinnerung an alte Zeiten. Aus Angst eines Tages etwas davon zu benötigen, hielt er sich im Geheimen sein kleines Versteck. Eine glasklare, hochprozentige Flüssigkeit war dort seit vier Jahren gebunkert und bisher nie gebracht worden. Er desinfizierte die Wunde mit Wodka. Es war zwei Uhr morgens und eine Fahrt ins Krankenhaus hätte er nicht ausgehalten. Beim Abnehmen des provisorisch angebrachten Verbands sah er triefenden Eiter. Peter öffnete die Flasche und schüttete sie über die Wunde. Er schrie auf. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Der Anblick dieser matschigen Hautrisse raubte Peter den Verstand und das Pochen in seiner Hand war übermächtig. Er hielt es nicht mehr aus. Er nahm die Flasche, setzte an und trank.


Der Augenblick war ein Fluch und Segen zugleich. Er spürte die alten Geister, die sich seiner in jenem Moment wieder bemächtigten. Aber er konnte nicht anders. Er hatte nie gelernt, sich in schwierigen Situation anders zu helfen. Und die Schmerzen der Wunde waren unerträglich. Nach der dreiviertel Flasche schlurfte er zurück in das Schlafzimmer. Als er auf den Treppen nach oben lief, drehte er sich mehrmals um. Er hatte das Gefühl, dass jemand hinter ihm sei und ihm auflauerte. Als er sich umdrehte, war nichts zu sehen. Das Knarzen der Holztreppe war ungewöhnlich laut und er bekam Angst. Ein eisiger Luftzug an seinem Nacken streifte ihn. Als er sich erneut umdrehte, glaubte er, für den Bruchteil einer Sekunde eine schemenhafte Gestalt wahrgenommen zu haben. Er blickte wieder nach vorne und rannte nach oben. Tränen schossen aus seinen Augen. Stimmen in seinem Rücken trieben ihn vor ihnen her. Als er an der Türschwelle war, sah er sich erneut um. Niemand. Doch ihm war, als kämen seltsame Geräusche aus dem Erdgeschoss. Peter war wie versteinert. Er schloss die Türe, sperrte sie ab und legte sich in sein Bett. Anschließend lauschte er weiteren Geräuschen. Sie blieben aus. Es musste an seiner Verletzung liegen. Wahrscheinlich waren seine Sinne beeinträchtigt. Als er sich ein wenig beruhigt hatte, bekam er einen Schwindelanfall. Im wurde schlecht und sein Sichtfeld war eingeschränkt.


Plötzlich rissen ihn erneute Geräusche aus der Trance. Ein fremdartiges Knurren brachte sein Herz fast zum Stehen. Im Gang hinter der Türe lauerte etwas Böses, das Peter nicht zu beschreiben vermochte. Er konnte das Unmenschliche in jenem Moment fühlen. Feuerrotes Licht schien durch den Türspalt. Grauer Dunst schlich durch die Türritzen und ein dunkles Dröhnen ertönte vom Gang außerhalb seines Zimmers. Obwohl ihm eiskalt war, spürte Peter, wie die Wände glühen und drohten, ihn samt dem Raum zu verbrennen. Peter war nicht mehr imstande einen klaren Gedanken zu fassen. Panisch suchte er nach einer Fluchtmöglichkeit. Irgendetwas schlug gegen die Türe. Putz bröckelte von der Decke. Etwas raubte Peter die Luft zum Atmen. Er lag keuchend in seinem Bett. Mit letzter Kraft mühte er sich raus und torkelte zum Fenster. Gerade als er dieses zu öffnen versuchte, wurde die Türe aufgeschlagen und ein großes, rötlich schimmerndes Wesen fixierte Peter mit rot lodernden Augen. Regungslos starrte Peter dieses Monstrum an und er spürte, wie ihn der todbringende Blick innerlich zerriss. War der Schmerz seiner Hand einige Minuten vorher nahezu unerträglich, so glaubte er sich in jenem Moment dem Tode nahe. Peter fiel in Ohnmacht, als laute Sirenen heran sausten und Blaulicht die schwarze Nacht erhellte.


Es war Mittag, als Peter aufwachte. Ein Blick durch das Zimmer verriet ihm, seinen Aufenthaltsort. Seine Hand war verbunden und ein Infusionsschlauch steckte in seinem Unterarm. Als er versuchte, sich an vergangene Nacht zu erinnern, öffnete eine Krankenschwester die Zimmertüre.


„Hallo Herr Müller, schön Sie wach zu sehen. Wie geht es Ihnen?“, fragte die grauhaarige Schwester.
„Hallo. Ich, also, mir geht es gut. Wie bin ich hier hergekommen?“, fragte Peter und war sich zu diesem Zeitpunkt erst richtig bewusst, dass er zuletzt noch in seinem Schlafzimmer war.
„Sie kamen heute Nacht mit dem Rettungsdienst. In Ihrem Haus hat es gebrannt. Ihre Nachbarn haben die Feuerwehr gerufen. Aber nun ruhen Sie sich erst einmal aus und kommen Sie zu Kräften. Ich werde Essen für Sie bringen lassen. Benötigen Sie bis dahin etwas?“, antwortete sie Peter und lächelte ihn auf eine beruhigende Weise an. Er war in Sicherheit. Er wusste nicht genau, was in jener Nacht passierte, aber das war jetzt egal. Alles was zählte, war Ruhe und das Ordnen seiner Gedanken.


Eine Zeit lang lag er wach in diesem Bett und konnte sich nur bruchstückhaft an Ausschnitte erinnern. Er wand sich in seinem Bett hin und her und stöhnte, während sein Körper erneut in Schweiß ausbrach. Die Höhle und der seltsame Runenstein erschienen ihm traumartig. Als wäre er niemals wirklich da gewesen. Plötzlich weiteten sich seine Augen. Die Speisekammer. Der Wodka. Er wurde rückfällig. Der Alkohol, dem er sich so lange entziehen konnte, holte ihn wieder ein. In einer Situation, wie sie gar nicht geben durfte. Die rote Gestalt in seinem Haus, die lodernde Todesgefahr rings um ihn herum. Er musste sich das alles eingebildet haben. Aber das war nicht möglich, zu real erschienen ihm die knurrenden Geräusche, die dicke Luft, dieses fremdartige, dämonische Etwas und die Wunde an seinem Arm. Das konnte er sich auf keinen Fall eingebildet haben. Gedanken überschlugen sich, als er von einem Klopfen an der Türe unterbrochen wurde.


„Guten Tag, Herr Müller. Wie ich hörte, sind Sie aufgewacht. Doktor Satnos ist mein Name und ich wollte mich sofort erkundigen, wie es Ihnen ergeht.“
„Hallo, Doktor. Es geht mir gut, danke. Ich weiß noch nicht genau, was passiert ist. Ich hörte bereits von dem Brand in meinem Haus aber ich kann mich nicht daran erinnern“, antwortete Peter.
„Ja, es hat gebrannt. Sie hatten großes Glück, dass man den Notruf noch gerufen hat. Wissen Sie denn gar nichts mehr? Nun ja, Sie hatten heute Nacht über 2,3 Promille Alkohol im Blut, da wundert mich das auch nicht wirklich“, sagte Doktor Satnos.
„Ich weiß es nicht genau. Es war gestern Abend, ich wollte meine Wunde säubern. Sie hat stark geeitert und...“
„Welche Wunde?“, unterbracht ihn der Arzt.
„Die an meinem rechten Arm. Da wurde ich von einem Tier gebissen“, erklärte er dem Doktor zitternd. Doch als er sah, wie er nur ungläubig angestarrt wurde, stutzte er. Peter sah auf seine Hand. Sie war völlig in Ordnung. Der einzige Grund für den Verband war der, die Infusion zu fixieren. Es gab keinerlei Schnittwunden.


„Herr Müller, vielleicht ist es besser, wenn Sie sich erst einmal ausruhen. Die Medikamente werden noch etwas nachwirken. Ich bin jedenfalls froh, Sie wach und munter zu sehen. In zwei bis drei Stunden werde ich nochmal nach Ihnen sehen“, sagte der Arzt und lief durch die Türe.
Peter konnte es sich genau erklären, aber hatte der Arzt nicht seltsam aussehende, runde Narben an den Schläfen? Wieso kam ihm das Gesicht so bekannt vor? Außerdem wunderte Peter sich, weshalb das Krankenzimmer kein Kruzifix an der Wand hängen hatte. Peter war nicht sonderlich gläubig aber soweit er wusste, gehörte das zur Standardausstattung in Krankenhäusern.


Er lag eine Weile in dem Bett und besah sich die Wände. Auch wenn er Krankenhäuser nie leiden konnte, so hatte er in diesem ein seltsames Gefühl. Die Wände erschienen ihm auf eine skurrile Weise dreckig. Nicht, dass sie nicht achtbar gestrichen waren. Etwas Sonderbares wohnte ihnen inne. Er fragte sich die ganze Zeit, wie die Verletzung seiner Hand so schnell heilen konnte. Er wurde verrückt bei dem Gedanken, sich womöglich doch nur alles eingebildet zu haben. Er beschloss, das Krankenhaus zu verlassen und sich selbst zu überzeugen. Er wusste, dass es ihm nicht möglich war, nach Hause zu gehen. Nicht jetzt, da es einen Brand gegeben hatte. Aber er hatte immer noch seine Klamotten, mit denen er abends eingeschlafen ist. Wenn er flüchten sollte, würde man draußen keinen Verdacht schöpfen.


Peter verließ die Klinik und lief nach draußen. Den Verband am Arm hatte er bereits im Zimmer abgelegt. Er lief vor die Straße. Er marschierte zum ersten Taxi, das er an einem Rondell stehen sah und nannte dem Fahrer die Adresse der Hütte „Zum Berg“. Auf dem Weg dorthin mussten sie an einer Bank anhalten. Peter war froh, den Geldbeutel noch in seiner Hose zu haben. Gerne wäre er in die Tankstelle nebenan und hätte sich ein Bier gekauft. Es blieb beim Wunsch. Er wusste, dass das alles nur verschlimmern würde. Die Fahrt bis zum Gebirge überlegte er sich, wer die Feuerwehr gerufen hatte und wie er das alles seiner Familie erklären sollte. Der Fahrer schaltete das Radio ein und überließ Peter sich und seinen Gedanken. Dieser war froh darüber.


„So, da wären wir. Das macht 85 Euro glatt“, sprach der sonst recht wortkarge Taxifahrer.
„90. Stimmt so. Danke“
Peter verließ das Taxi und nahm ohne Umwege den Pfad nach oben. Er hatte riesigen Hunger und seine Hände begannen zu zittern. Er ahnte bereits, dass er sich vielleicht in die Gaststätte „Zum Berg“ hätte setzen sollen. Aber Peter hatte Angst. Er hatte großes Verlangen nach Alkohol und er wusste, dass er sich nur schwer entziehen könnte. Und er musste nach oben. Jetzt.


Es war 19:00 Uhr, als er den Pfad mit gesenktem Blick beschritt. Nach einer halben Stunde musste er pausieren. Er war müde. Am Wegesrand setzte er sich in das Gras und schloss für zwei Minuten die Augen. Als er erwachte, dämmerte es. Der Mond spendete Licht und noch schwach schimmernde Sterne kündigten eine klare Nacht an. Völlig erschöpft hievte sich Peter auf und lief weiter. Vor Kälte zitternd mühte er sich den Berg nach oben, setzte einen Fuß vor den anderen. Jede Sekunde dachte er jene Gruft, den modrigen Gestank, die Stimmen aus seinen Träumen und diese Teufelsgestalt.


Er war nicht mehr weit von dem Eingang entfernt, als ihn ein mulmiges Gefühl beschlich. Er drehte sich um und sah zu allen Seiten. Es waren nur kleine Tiere, die mit leuchtenden Augen aus den Gebüschen spähten. Endlich gelangte er an die Gabelung. Er blickte zur Innenseite des Weges, direkt auf die Bergwand. Der weiße Baum war verschwunden. Ebenso das abgestorbene Gestrüpp. Da wo gestern noch ein untoter Baum stand, waren auf einmal lebendige Sträucher und farbige Pflanzen. Zudem gab es keinen Eingang in den Felsen mehr. Völlig aufgelöst stand Peter vor der steinernen Wand und schlug gegen den Berg. Er fing an zu schreien und hämmerte immer weiter auf die Felswand ein, bis rote Blutflecken an der Wand hängen blieben.


Plötzlich hielt er inne. Er blieb still und sah panisch um sich. Die Erinnerungen an die vergangene Nacht überschlugen sich. Die Stimmen in seinem Haus, die blutende Wunde und der verrauchte Gang. Dieser monströse Dämon, mit dem höllischen Blick. Sein Herz tobte und versuchte sich durch seine Brust zu prügeln. Peter torkelte weg von der Wand. Ihm wurde übel. Ein dunkles Lachen erscholl hinter ihm mit der Stimme eines tobenden Donners. Als Peter sich umblickte, sah er die gigantische Gestalt auf dem Pfad. Sie hatte zwei Hörner und rote Haut. Benommen starrte Peter auf das abscheuliche Wesen und tapste langsam rückwärts. Plötzlich stieß das Ungeheuer einen lauten Schrei aus und Peter drehte sich um und rannte, so schnell ihn seine Beine trugen.
Als er an einer Kurve angelangte, blickte er um sich und sah dieses große, zweibeinige Monster immer näher heranspurten. Peter drehte seinen Kopf wieder nach vorne, als er ausrutschte und über den hölzernen Handlauf fiel. Er schaffte es nicht mehr, sich zu halten, und stürzte in die Tiefe.


Bei der später folgenden Beerdigung legten zwei Menschen Fotos von Peter, die ihn inmitten einer Gruppe zeigten, an das Grab. Dort war er in einer anonymen Selbsthilfegruppe zu sehen. Seit einiger Zeit blieb er den Treffen fern.

 
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Hallo Federkrieger,

ich steige mal sofort ein:

Sonne hüllte das Tal in warmes Gold unter dem blauen Himmel. Eine sanfte Windbrise trug den Duft von frischem Gras in der Luft und Vögel zwitscherten fröhliche Lieder.
Der erste Satz ist total verkompliziert. „warmes Gold unter dem blauen Himmel“?
„… Windbrise … in der Luft …“: Bei Windbrise denke ich automatisch an Luft. Wohin trägt der Wind den Duft? Wer riecht da was?

An jenem Samstag Morgen hatte Peter seinen Fotoladen geschlossen und fuhr mit dem Auto ins nahe gelegene Fichtelgebirge. Dort war er schon früher oft gewesen und dort fuhr er in regelmäßigen Abständen immer wieder hin, um sich zu erholen.
Wird noch erwähnt, warum er seinen Laden früh zumacht, also wohl früher als sonst, wie es scheint?
2x dort ist unschön.

Es war zu diesem Zeitpunkt vier Jahre her, als er sich für sein neues Leben entschied.
„zu diesem Zeitpunkt“ kann weg. Wann denn sonst?

Und all diese Momente hielt er gerne auf seiner Kamera fest.
„mit der Kamera fest“. Die Bilder bleiben ja nicht auf seiner Kamera.

neben der Gaststätte „zum Berg“
„Zum Berg“, gehe ich stark von aus.

Obgleich er schon seit Jahren immer wiederkehrend diesen Ort besucht hatte,
Das hat du so ähnlich erst fünf Zeilen vorher gesagt.

Es war Mai und bereits viel zu lange kam Peter nicht mehr aus seinem Alltagstrott heraus.
Dass es Mai war, würde ich schon ganz oben sagen, wo du das Wetter beschreibst. Könntest da z.B. Maisonne sagen.

Er mochte seinen Beruf als Fotograf. Aber weniger wegen der vielen unhöflichen Kunden als viel mehr wegen seiner neuen Leidenschaft, dem Fotografieren.
Das klingt merkwürdig. Er ist Fotograf (wohl schon seit Jahren) und hat als neue Leidenschaft das Fotografieren?
Und warum sollte er seinen Beruf wegen der unhöflichen Kunden lieben?
Die neue Leidenschaft ist wohl eher, dass er seit Neuesten die Umwelt, die Landschaft, die Tierwelt fotografiert, anstatt immer nur Personen im Fotostudio vor der Leinwand, immer nur die gleichen Fotos für Pässe, Bewerbungen und Führerscheine, oder?

Unentwegt blieb er stehen und machte Fotos von Bäumen, die an den Abhängen standen, von breiten Verwurzelungen, die sich wie ein Netz über den Berg zu spannen schienen und von der Aussicht, die ihm das Gefühl grenzenloser Freiheit brachte.
Baumwurzeln spannen sich wie ein Netz über den Berg?
Nein. Das passt nicht.

Es sah aus, als sei genau jener Fleck verdorrt und kein Tropfen Wasser hätte die letzten Jahre seinen Weg auf dorthin gefunden.
auf dorthin?

ein seltsam dürrer Baum; gespenstisch wirkenden Baum; so sonderbar aussah
Ein bisschen viel Beschreibung, die aber nichts Konkretes aussagt.
Seltsam, gespenstisch, sonderbar. Alles nichtssagend; zu ungenau.

So, da ich morgen früh raus muß, höre ich mir mal auf. Vielleicht ein anderes Mal mehr.

Schönen Abend und viele Grüße,
GoMusic

 

Hallo, Federkrieger

Ein kompliziertes Thema hast Du Dir ausgesucht: Die Furcht vor Rückfällen und der tatsächliche Rückfall bei Alkoholismus, möglicherweise Delir und solche Dinge. Das umzusetzen, sodass es überzeugt und spannend ist, ist sehr schwierig.

Deine Geschichte lebt davon, dass ich mit Deinem Prot mitfühle, seine Angst und seine Hallus hautnah miterlebe. Beziehungsweise, sie sollte davon leben. Das schaffst Du nämlich leider nicht so richtig zu vermitteln, deshalb bleibt das auf der Strecke. Die Folge ist, dass sich richtige Spannung bei mir nicht einstellt. Ich habe damit selbst ein großes Problem, so zu erzählen, dass das Erzählte erlebbar ist. Weil ich mir dazu gerade alle möglichen Schreibtipps reinziehe und das jeden Tag übe, bin ich dafür auch hypersensibilisiert. Aber schauen wir mal rein, was man machen könnte, um echte Spannung, ein echtes Erlebnis zu kreieren.

Du benutzt viele „Es war, als ob“-Konstruktionen. Schau mal:

Es war, als hätte er Glut in seiner Wunde, die sich durch die Hand brannte.
Es war, als streifte ihn ein eisiger Luftzug an seinem Nacken und als er sich erneut umdrehte, glaubte er, für den Bruchteil einer Sekunde eine schemenhafte Gestalt wahrgenommen zu haben.
Es war, als raubte etwas Peter die Luft zum Atmen und er lag keuchend in seinem Bett.

Das klingt sehr umständlich und auch analytisch. Du distanzierst Dich dadurch vom Geschehen. Schöner wäre:

„Die Glut in seiner Wunde brannte sich durch seine Hand.“
„Ein eisiger Luftzug streifte seinen Nacken. Als er sich umdrehte, nahm er für einen Sekundenbruchteil eine schemenhafte Gestalt wahr.“
„Etwas raubte Peter die Luft zum Atmen. Er lag keuchend in seinem Bett.“

Neben dem Wegstreichen der „Es war, als ob“-Konstruktionen habe ich jetzt auch „glaubte er“ und einige „und“-Konstruktionen gestrichen. Warum ich das tue, dazu komme ich gleich. Du siehst, dass durch das Wegstreiche von „glauben“ und „Es war, als ob“ eine gewisse Unmittelbarkeit erzeugt wird. Die ist wichtig, um die Gefühle Deines Prots erlebbar zu machen. Mit all den anderen Dingen distanzierst Du Dich. Du als Autor sagst: „Da ist natürlich kein Luftzug, das fühlt sich nur so an.“ Aber Du willst uns ja ins Geschehen reinziehen. Also stell keine Distanz her!

Das gleiche tust Du auch, wenn Du Dinge wie glauben, wissen oder denken benutzt. Versuch, auch das wegzulassen. Das ist schwierig, aber wenn Du es schaffst, nicht zu sagen, was Dein Prot denkt, sondern uns zu zeigen, was er fühlt, dann ist das viel wuchtiger. Beispiel:

Eine Zeit lang lag er wach in seinem Bett und dachte über seinen Ausflug ins Fichtelgebirge nach.

„Eine Zeit lang lag er wach in seinem Bett. Er warf sich hin und her, kam nicht zur Ruhe. Immer wieder sah er den Baum vor sich, die weiße, tote Rinde, das leblose Rascheln der trockenen Blätter. Den Schmerz in seiner Hand, die Ahnung von einer unsichtbaren Bedrohung. Das Lauern in der Dunkelheit.“

Das ist länger, aber das kann ich als Leserin viel besser miterleben. Probier das einfach mal aus. Sag uns nicht, dass er ans Fichtelgebirge denkt, sondern zeig uns seine Gedanken. Das sind natürlich nur Spekulationen meinerseits, was er so denken könnte. Du erzählst danach ja schon ein bisschen was. Den Satz, dass er ans Fichtelgebirge denkt, kannst Du aber trotzdem streichen. Der fasst das nur zusammen. Analytisch. Aber Du willst ja nicht analytisch vorgehen, sondern emotional. Das ist ja eine hochemotionale Situation, in der dein Prot sich befindet.

Warum habe ich Dir jetzt in den Beispielen oben auch die „und“s gestrichen? Mir gefallen viele davon nicht. Du verbindest damit häufig Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, einfach um keinen Punkt setzen zu müssen. Das empfinde ich als nicht besonders schön, weil ich nach einem „und“ etwas erwarte, was zeitlich und semantisch dazugehört. Beispiele:

Eine sanfte Windbrise trug den Duft von frischem Gras in der Luft und Vögel zwitscherten fröhliche Lieder.
Dort stand ein Holztisch mit zwei Bänken und Peter überkam der Hunger.
Ein entsetzlicher Schatten legte sich auf Peters Herz und Eiseskälte verwandelten seinen Atem in sichtbaren Dampf.
Regen strömte auf den Asphalt und Wind preschte durch die Straßen.

Das ist vielleicht nur meine eigene persönliche Empfindung, aber da sind für mich Dinge verbunden, die nicht unbedingt zusammengehören, und ich bin mir eigentlich recht sicher, dass die alle besser klingen würden, wenn Du zwei Sätze daraus machen würdest. Wenn Du das nachvollziehen kannst, guck mal ruhig weiter im Text.

Nummer 3 ist übrigens ein tolles Beispiel, wie Du Emotionen erlebbar machen kannst, und Nummer 2 ein gutes Beispiel, wie Du es nicht machen solltest.

Ein paar Sachen noch:

An jenem Samstag Morgen hatte Peter seinen Fotoladen geschlossen und fuhr mit dem Auto ins nahe gelegene Fichtelgebirge.

„Samstagmorgen“.

Etwas unerklärbares ging in dieser Höhle vor sich.
Im Gang hinter der Türe lauerte etwas böses, das Peter nicht beschreiben konnte. Er konnte das unmenschliche in jenem Moment fühlen.
Etwas sonderbares wohnte ihnen inne.

Alle Wörter, die ich Dir markiert habe, sind Nominalisierungen und werden groß geschrieben. Ich habe das heute Morgen beim ersten Lesen gemerkt. Jetzt beim zweiten Mal habe ich das nicht nochmal komplett gelesen, sondern nur die „etwas“ (ein Wörtchen, das recht zuverlässig Nominalisierungen anzeigt) gescannt und Dir alles rauskopiert. Es gibt aber noch ein paar andere Wörter, nach denen üblicherweise Nominalisierungen kommen, also bitte mal nachschlagen, worum es sich dabei handelt, und im gesamten Text sorgfältig korrigieren. Vielleicht ist das Nachschlagen (eine Nominalisierung!) auch gar nicht notwendig, denn mein Schreibprogramm hat hier drei von vier Nominalisierungen richtig erkannt und die entsprechenden Änderungen vorgeschlagen. Also vielleicht einfach mal auf die Rechtschreibprüfung hören. Wobei es natürlich auch nicht schlecht ist, die Regeln zu kennen. ;)

Ansonsten wäre es vorteilhaft, Du würdest ein paar Absätze machen. Der Text ist teilweise extrem schwer zu lesen.

Zusammenfassend: Lass uns miterleben, was Dein Prot fühlt. Nicht bloß erklären und analysieren! Nominalisierungen pauken und Absätze machen. Ich finde Dein Thema sehr faszinierend, also sag mir Bescheid, wenn Du was überarbeitest. Make it work!

Viele Grüße,
Maria

 

Hallo GoMusic, hallo TeddyMaria,

bitte entschuldigt die späte Antwort. Erst einmal vielen Dank fürs Lesen und euer ehrliches Feedback.
Beiden Anmerkungen konnte ich jeweils positive Punkte entnehmen, die ich versucht habe umzusetzen. Zum einen ging es darum, Wortwiederholungen zu vermeiden sowie ganz allgemein etwas "sparsamer / ökonomischer" zu schreiben, zum anderen sehr darum mehr Aktion (nach dem Motto "show, don´t tell" in meine Texte zu bringen.

Ich habe ihn nun überarbeitet und würde mich freuen, wenn ihr ihn nochmal lesen würdet. Der zeitliche Abstand müsste nun groß genug sein, um nochmal neutral an die Sache heranzugehen :)


Viele Grüße

Federkrieger

 

Hallo, Federkrieger

Ich habe jetzt erstmal meine Kritik nochmal gelesen (man liest sich ja selbst so gerne schreiben, ne?), um mir in Erinnerung zu rufen, was mir damals fehlte, um zu sehen, ob es jetzt da ist. Ich meine, es muss ja nicht, schließlich können wir zwei ja auch einfach unterschiedlicher Meinung sein.

Was mir zuerst auffällt, ist, dass die Absätze immer noch so endlos lang sind. Ich werde jetzt beim Lesen ein paar Vorschläge machen, wo Absätze reinkönnten. So lange Absätze, wie Du sie machst, verringern die Lesbarkeit enorm – das solltest Du nicht unterschätzen.

Er packte sich seinen Rucksack auf den Rücken, nahm die Kamera in die Hand, sperrte das Auto ab und begann zu wandern.

Hier vor z.B. könnte gut ein Absatz kommen.

Es war Mai und bereits viel zu lange kam Peter nicht mehr aus seinem Alltagstrott heraus.

Hier auch.

Unentwegt blieb er am Wegesrand stehen und machte Fotos von Bäumen, die an den Abhängen standen, von breiten Verwurzelungen, die sich wie ein Netz über den Berg zu spannen schienen[,] und von der Aussicht, die ihm das Gefühl grenzenloser Freiheit brachte.

Hier auch.

Die Luft war abgestanden und modrig.

Hier auch.

Weitere Stellen für Absätze:

Er blickte gerade auf die fremden Zeichen, als plötzlich ein aufgeschrecktes Tier aus der Dunkelheit aufflatterte.
Als er sich seine Hand im Licht seiner Taschenlampe ansah, schnappte er geschockt nach Luft.
Er versuchte[,] sich an seinen Traum zu erinnern, doch der war schon wieder verblasst.
Er stand auf und eilte [in die] Küche.
Nun desinfizierte er die Wunde mit Wodka.
Er blickte wieder nach vorne und rannte nach oben.
Anschließend lauschte er weiteren Geräuschen.
Peter war nicht mehr imstande[,] einen klaren Gedanken zu fassen.
Völlig erschöpft hievte sich Peter auf und lief weiter.
Er war nicht mehr weit von dem Eingang entfernt, als ihn ein mulmiges Gefühl beschlich.
Endlich gelangte er an die Gabelung.
Völlig aufgelöst stand Peter nun vor der steinernen Wand und schlug gegen den Fels.
Er begann zu schwitzen und [und] torkelte weg von der Wand.
Plötzlich stieß das Ungeheuer einen lauten Schrei aus und Peter drehte sich um und rannte[,] so schnell er konnte.

Weitere Anmerkungen:

Sonne hüllte das Tal in warmes Gold unter blauen Himmel.

„unter blauem Himmel“.

Sonne hüllte das Tal in warmes Gold unter blauen Himmel. Eine sanfte Brise trug den Duft von frisch gemähtem Gras durch die Straßen und Vögel zwitscherten fröhliche Lieder. An jenem Samstagmorgen hatte Peter seinen Fotoladen früher geschlossen, um sich einen Erholungsurlaub zu gönnen. Er fuhr mit dem Auto ins nahe gelegene Fichtelgebirge. Er liebte diese Gegend, denn er genoss die Ruhe und die alten Erinnerungen, die er mit diesem Ort verband. Dieses Mal wollte er Fotos für sein Privatalbum schießen. Es war vier Jahre her, als er sich für sein neues Leben entschied. Peter liebte die Berge und ihre imposante Erscheinung. Er genoss es, die unberührte Natur zu beobachten und den Tieren bei ihren Aktivitäten zuzusehen. Und all diese Momente hielt er gerne mit seiner Kamera fest.

Letztes Mal habe ich Dir erzählt, dass ich mich mit der Darstellung von Emotionen beschäftige. Inzwischen achte ich vermehrt auf Anfänge. Das hier ist ein typischer Geschichtenanfang für eine Amateurarbeit, würde ich mal so frech behaupten. Zustandsbeschreibungen und ein bisschen Tell aus der Vergangenheit. Das zieht mich nicht rein. Du fasst auch ganz viel zusammen über Deinen Prot: Er liebte dies und jenes, und vor vier Jahren hat er ein neues Leben angefangen. Das ist nicht anschaulich, das ist nur Tell. Und das fasst alles nur grob zusammen, was später ohnehin kommt. Deshalb: Würde ich komplett streichen. Lese die Geschichte einmal ohne den ersten Absatz. Ich bin mir recht sicher, dass das auch ohne funktioniert, also keine Informationen verloren gingen.

Obgleich er schon seit Jahren immer wiederkehrend diesen Ort besucht hatte, war er immer völlig begeistert von seiner Schönheit.

Hier wieder: Das ist nicht anschaulich. Was begeistert Peter an dem Gebirge? Die schneebedeckten Hänge? Die kleinen, zähen Bäume mit ihren knorrigen Wurzeln, die sich durchs Geröll graben? „Schönheit“ ist etwas sehr Abstraktes. Ich war letztes Jahr Wandern im Olymp. Der extrem hohe Horizont, die Sonne, die über dem Meer blinkt, das grün verschleierte Plateau der Musen. Der Wind, der durch die Schlucht vor dem dritthöchsten Gipfel fegt, die Menschen, die in weiter Ferne wie Punkte, wie Pinguine auf dem Mitakas stehen. Ganz Griechenland unter mir ausgebreitet. Ich muss Dir nicht sagen, dass ich das schön fand. Du liest es aus dem, wie ich es beschreibe.

„Glück auf!“ erwiderte Peter und war ganz begierig, den Pfad nach oben zu nehmen.

Komma nach der wörtlichen Rede. Außerdem „war ganz begierig“, das ist wieder reines Tell. Das ist überhaupt nicht anschaulich. Zeig uns, wie er weitausgreifende Schritte macht, den Blick schon auf das ferne Gipfelkreuz gerichtet.

Ich suche Dir hier jetzt einfach mal alle Stellen raus, die reines Tell sind.

Er mochte seinen neuen Beruf als Fotograf.
Sein lieb gewonnenes Hobby half ihm aus seiner schweren Zeit als Alkoholiker.
Er kam sich lächerlich vor.
Er spürte die alten Geister, die sich seiner in jenem Moment wieder bemächtigten.
Das Knarzen der Holztreppe war ungewöhnlich laut und er bekam Angst.
Er konnte das Unmenschliche in jenem Moment fühlen.
Er wurde ganz verrückt bei dem Gedanken, sich vielleicht doch nur alles eingebildet zu haben.
Gerne wäre er in die Tankstelle nebenan und hätte sich ein Bier gekauft.
Er war sehr froh darüber.
Er hatte großes Verlangen nach Alkohol und er wusste, dass er sich nur schwer entziehen könnte.
Wahnsinn packte ihn.

Was hat es damit auf sich? Das ist alles super abstrakt. Er war froh, er wurde verrückt, er bekam Angst. Super abstrakt ist nicht gut. Du willst ja, dass Deine Leser/innen mitfühlen. Dafür brauchen wir etwas Greifbares, etwas Sichtbares wie: „Sein Herz schlug schneller, und ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht“, „Eine Stimme flüsterte in seinem Kopf, und er hielt sich die Ohren zu, wollte sie nicht hören“, „Er fuhr herum, sein Herz raste, galoppierte, wollte davonspringen.“ So was. Das sind viele Klischees, die ich verwende, da solltest Du Dir Besseres einfallen lassen, aber was ist der große Unterschied zu den herausgesuchten Stellen? Es ist anschaulich. Ich kann das vor meinem inneren Auge sehen. Ich kann es mitfühlen. Wenn Du so abstrakt bleibst, wie Du momentan bist, dann kann ich das alles nicht.

Kleinigkeiten:

Von oben tröpfelte es gleichmäßig Wasser, das sich über die Jahre eine Mulde in den Boden grub.

Weg mit dem „es“.

Er versuchte sich an seinen Traum zu erinnern, doch der war schon wieder verblasst.

Komma vor „sich“.

Aus Angst eines Tages etwas davon zu benötigen, hielt er sich im Geheimen sein kleines Versteck.

Komma vor „eines“.

Eine glasklare, hochprozentige Flüssigkeit war dort seit nun vier Jahren gebunkert und bisher nie gebracht worden.

„gebraucht“.

Hier höre ich auf, weil mir auffällt, dass Du Fehler, die ich Dir beim ersten Mal rausgesucht habe, gar nicht eingearbeitet hast. Das mit den Nominalisierungen, was ich in meinem letzten Kommentar angemerkt habe, sind echte Rechtschreibfehler. Dass Du Deine Millionen „Es war, als ob …“ behalten hast, interpretiere ich so, dass Du anderer Meinung bist als ich. Das ist erlaubt – obgleich ich immer noch denke, dass es Deinem Text guttun würde, auf praktisch alle „Es war, als ob …“ zu verzichten. Aber über Rechtschreibfehler diskutieren wir nicht. Bitte korrigieren!

Das sage ich nicht aus Spaß. Das gilt auch für alle Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler, die ich jetzt angemerkt habe. Diese Korrekturen sind frei Haus, Du darfst sie einfach einsetzen. Das hat nichts mit Kreativität zu tun, das sind Rechtschreibregeln. Ich werde jetzt aufhören, weitere Fehler zu korrigieren, da das echt Arbeit ist. Und wenn Du das eh nicht liest, dann macht das ja nichts. Ich finde aber im restlichen Text noch haufenweise Fehler. Wortwiederholungen, Wortverwechselungen, Zeichensetzungsfehler. Bitte sorgfältig korrigieren. Du willst, dass es Deine Aufgabe sei, also sei es.

nannte dem Fahrer die Adresse des Fichtelgebirges.

Das Fichtelgebirge hat eine Adresse? Wie ist die? Fichtelgebirge 1? Nein, nein. Wenn man in ein Gebirge fahren will, das ja meist recht groß ist, dann nennt man z.B. die Adresse von der Hütte am letzten Parkplatz, bevor die Wildnis beginnt. Hier vielleicht die Adresse von "Zum Berg". Gebirge liegen oft in einer Menge Wildnis, und Wildnis hat keine Adresse. Dafür ist sie auch viel zu groß.

Ich finde, Du schreibst sehr, sehr umständlich. Ich hatte beim letzten Mal ein paar Anmerkungen gemacht, wie man da rauskommt. Ich weiß jetzt gar nicht genau, was Du eigentlich geändert hast, weil praktisch alles, was ich angemerkt habe, immer noch so ist wie vorher. Es tut mir leid, das soll nicht so hart klingen, wie es wahrscheinlich klingt. Ich bin nur sehr verwundert. Da ich den ersten Text nicht mehr habe: Könntest Du mir sagen, was Du anders gemacht hast? Mir die Stellen zeigen und so weiter? Ich kann es tatsächlich nicht erkennen. Tut mir wirklich leid, das sagen zu müssen. Vielleicht könnte ich mehr helfen, wenn Du es mir sagst, weil so wiederhole ich ja tatsächlich nur, was ich letztes Mal gesagt habe.

Du sagst aber, Du hast versucht, sparsamer zu schreiben. Du benutzt viele überflüssige Wörter. Das betrifft die mir verhassten „Es war, als ob…“-Konstruktionen. Meiner Meinung nach kannst Du jedes zweite „als“ in diesem Text wegfallen lassen, in dem Du einfach rabiater und klarer formulierst. Das betrifft auch, und das klingt erstmal absurd, viele Adverbien. Du beschreibst häufig, auf welche Weise Peter etwas tut. „Geschockt“, „hastig“, "aufgelöst" und so weiter. Ich habe das bis vor kurzem auch gemacht, das kann ich Dir sagen. Aber überlege Dir mal bei jedem Adverb, ob Du das wirklich brauchst. Ob Du nicht besser zeigen kannst, wie diese Hast, wie der Schock aussieht. Oder ob Du die Adverbien weglassen kannst, ohne etwas zu verlieren. Dann wirst Du klarer und anschaulicher formulieren.

Das so weit von mir. Freue mich über eine Antwort bezüglich meiner Frage. Und es gibt auch von RGZ, egal wie ernst Du meine Kommentare tatsächlich nehmen willst, noch viel zu tun – wie gesagt, das ist objektiv, das muss gemacht werden, selbst wenn Du mir sonst nicht zustimmst –, also: Make it work!

Steinige Grüße,
Maria

 

Hallo TeddyMaria,


zuallererst möchte ich dir für deine ehrliche Kritik danken. Auch dafür, dass du meine Geschichte bereits 2x gelesen hast und wirklich sehr ausführlich auf Details eingegangen bist.

Du hattest Recht, ich hatte wirklich zu wenig Absätze. Vermutlich kriegt man da mit der Zeit ein Gefühl dafür, wann es "passt".
Auch der ein oder andere Rechtschreibfehler entging deinen Argusaugen nicht. Das ist gut.

Zu den "es war, als ob - Konstruktionen" muss ich sagen, dass diese natürlich schon irgendwie vom Geschehen entfernen. Allerdings beschreibe ich ja nicht ständig nur Tatsachen, sondern ganz oftmals den subjektiven Eindruck von meinem Protagonisten - und der entspricht nun mal nicht immer der Realität. Deshalb bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob man die so - auch wenn es aus Sicht der Dynamik sicherlich durchaus richtig sein kann - rigoros streichen sollte/darf.

Du hast mich auch gefragt, was ich zu meiner ersten Fassung alles geändert habe. Die habe ich noch auf meinem Rechner, sind durchaus einige Stellen geändert worden. Ich hatte also nicht vor, aus Spaß an der Freude, die kostbare Zeit der Leser zu verschwenden. Schade, wenn das so rüber gekommen ist.


Der letzte Punkt betrifft folgende Stelle:

Weitere Anmerkungen:

Sonne hüllte das Tal in warmes Gold unter blauen Himmel.

„unter blauem Himmel“.

Ist hier nicht auch ein "Sonne hüllte das Tal in warmes Gold unter einen blauen Himmel --> also einfach unter Ausschluss von "einen" möglich? Schließlich spricht man ja auch häufiger von verschiedenen Himmeln. Einmal ist er verregnet, einmal sonnig, dann verschneit...

Wenn es natürlich eine grammatikalische Regel gibt, die nur "unter blauem Himmel" zulässt, dann nehme ich mir sie gerne zu Herzen :)

Viele Grüße

Federkrieger

 

Hallo, Federkrieger

Hoppla, da hätte ich Dich fast vergessen. Wie gut, dass ich Dich gerade online gespottet habe.

Allerdings beschreibe ich ja nicht ständig nur Tatsachen, sondern ganz oftmals den subjektiven Eindruck von meinem Protagonisten - und der entspricht nun mal nicht immer der Realität. Deshalb bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob man die so - auch wenn es aus Sicht der Dynamik sicherlich durchaus richtig sein kann - rigoros streichen sollte/darf.

Dazu: Ich bin der Meinung, dass man das streichen sollte. Ob das wahr ist oder nicht, wird sicherlich schon durch die Inhalte deutlich – da gehst Du ja nicht sonderlich subtil vor. Natürlich ist das streitbar und aus strenger Deutschsicht sogar ganz deutlich in die andere Richtung: Ändert aber nichts daran, dass es blöd klingt. Geschmackssache, würde ich sagen. Meinen Geschmack trifft das gar nicht. Und ich glaube, gerade wenn man ganz subjektive Eindrücke beschreibt, ist es sehr reizvoll, sie so zu schreiben, als wären sie echt. Schließlich nimmt Dein Prot das als sehr echt wahr. Und wenn Du bei Deinem Prot bist, beschreibst Du doch durchgängig seine subjektiven Eindrücke. Dann den Leser/inne/n zu zeigen, was wahr ist und was nicht, nimmt doch echt Spannung raus.

Ist hier nicht auch ein "Sonne hüllte das Tal in warmes Gold unter einen blauen Himmel --> also einfach unter Ausschluss von "einen" möglich? Schließlich spricht man ja auch häufiger von verschiedenen Himmeln. Einmal ist er verregnet, einmal sonnig, dann verschneit...

Verstehe ich nicht. Auch wenn Du von einem ganz bestimmten Himmel sprichst, heißt es eben „einem“ und nicht „einen“. Ich habe den Satz jetzt tausendmal laut vor mich hin gesprochen. Egal, wie ich es betone, mit „einen“ ist die Grammatik halt Murks. Wobei, kurz hatte ich das Gefühl, die richtige Betonung gefunden zu haben, aber als ich versuchte, darüber nachzudenken, entglitt es mir wieder. (Der Himmel ist also unten, und das Gold ist oben, oder doch nicht?) Und ich denke, Du machst es Dir damit selbst unnötig schwer. Was ist denn gegen "einem" einzuwenden?

So viel also noch von mir. Besser spät als nie.

Vergessliche Grüße,
Maria

 

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