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Berührung
Ich weiß nicht, wieso ich vor dem Schaufenster des Dessous-Geschäftes stand. Irgendetwas hatte mich beim Vorbeigehen daran faszinierte und nun schaute ich mir die ausgestellte Wäsche an. Versunken in einer Vorstellung, wie es sein würde, das eine oder andere zu tragen, spürte ich einen Hauch einer Berührung in meiner Hand. Augenblicke später hörte ich neben mir eine angenehm dunkle, langsam sprechende Männerstimme: „Wenn Sie sich die Dinge nur anschauen, werden sie nicht erleben, wie sie sich anfühlen.“
Erst einmal konnte ich nicht reagieren, leicht schockiert über das Gesagte, aber vor allem über seine Annäherung, die mich doch aus der Fassung brachte. Sicherlich sollte ich nicht mit einem Fremden vor einem Unterwäscheladen sprechen oder mich gar berühren lassen, allerdings bewegte mich seine Aussage und Vergessenes schien zu erwachen. Ich schaute mich um und neben mir stand ein älterer, gut gekleideter Mann. Sein Aussehen gefiel mir und spontan empfand ich seine Ausstrahlung als attraktiv. Die Situation schien nicht real zu sein, weswegen ich auch eine Weile brauchte, bis ich die Worte fand: „Was würden Sie an meiner Stelle tun?“
Ohne zu antworten, umschlossen seine Finger meine Hand und führten mich in das Geschäft. Mich dagegen wehren, wollte ich nicht, meine Füße folgten seinem Weg, als ob es selbstverständlich wäre. Das stilvolle Ambiente mit seinen massive dunklen Hölzer wirkte behaglich auf mich. Außer einer Verkäuferin konnte ich niemanden sehen und diese grüßte mit aufschauendem Blick, um sich dann wieder ihrem Tun zu widmen. Obwohl es für mich als Frau nichts Außerordentliches war, Unterwäsche einzukaufen, so war ich in diesem Moment erleichtert über ihre Diskretion. Als wir an den Regalen vorbeigingen, verweilten wir des Öfteren und er schaute sich die feine Wäsche an, betrachtete mich, um scheinbar zu überlegen. Ich kam mir nicht deplatziert vor, viel mehr gefiel mir seine Art, wie er etwas Besonderes für mich aussuchte. Es dauerte eine Weile, doch dann hatte er seine Auswahl getroffen: „Sie müssten mir sagen, ob ich das Richtige für Sie gefunden habe?“
Wie in einem Nebel vernahm ich die Worte, in meinem Innersten ging es drunter und drüber. Seine Aufmerksamkeit war ein tolles Gefühl und zeitgleich überkam mich das Verständnis, dass ich wohl Verbotenes tat. Es brauchte einige Augenblicke, bis ich mir seiner Hand bewusst wurde, die noch immer in meiner lag. Ich wollte dieser Verbindung vertrauen, schenkte ihm ein nickendes Lächeln und folgte ihm schweigend in die Umkleide. Diese war groß, sogar geräumig und an der Wand hing ein großer Spiegel, seitlich stand ein Schränkchen und in der Ecke ein wohl eher rustikaler Sessel. Zu meiner Überraschung kam er mit herein und schloss hinter sich die schweren Vorhänge. Ich stand vor dem Spiegel mit Büstenhalter und Slip aus hauchdünnem, cremefarbenen Satin in der Hand, als er mir diese abnahm, auf die kleine Kommode legte und mir half meinen Mantel auszuziehen. Im Spiegel sah ich in seine braunen Augen und ich zeigte ihm mit meinem Blick die Unsicherheit. Er trat einen Schritt zurück, nahm Abstand zu mir und ich hörte seine Stimme sanft: „Sie sollten es versuchen.“
Seine Aufforderung gab mir nur eine Wahl, ich konnte sie nutzen oder mich für immer fragen, warum ich es verweigert habe. Bei vielen Dingen machte es mir nichts aus, sie nicht getan zu haben, doch dieses Mal würde ich es sicherlich bereuen. Meine Hände zitterten, als ich mich entkleidete. Ich wagte nicht einmal ein Blick in den Spiegel zu werfen, um zu erfahren, ob er mich beobachtete. Erstaunlicherweise schämte ich mich nicht nackt vor einem fremden Mann zu stehen. Ich schlüpfte in den Slip und zog den Büstenhalter an. Der Stoff fühlte sich kühl und doch angenehm auf meinem Körper an. Schließlich betrachtete ich mich selbst im Spiegel und empfand mich als schön. Es ist schon einige Zeit her, in der ich mich in feiner Wäsche angeschaut hatte. Auch wenn die Zeichen des Alters sich zeigten, so nahm ich mich in diesem Moment als aufreizend und weiblich wahr. Dann spürte ich seine warme Hand auf meinem Nacken, mit der streichelnden Bewegung glaubte ich sogar, dass ich nun auch begehrenswert sei. Es war mir nicht möglich einen klaren Gedanken zu fassen, lediglich sehnte ich mich nach einer Leidenschaft, die tief in mir vergraben war.
In dieser Sinnlichkeit schloss ich die Augen, doch ich konnte diesen Moment nicht genießen. Zweifel kam in mir auf und die Frage, was ich hier tat. Mein Gewissen bestand darauf, dass es mehr als unsittlich ist, als verheiratete Frau mit einer fast erwachsenen Tochter in solch einer Situation zu sein. Mein Kopf rebellierte, mein Magen krampfte sich zusammen und doch wollte ich nicht gehen. Als ich meine Augen öffnete, sah ich im Spiegelbilder einen anderen Teil von mir, dieser wollte seine Berührungen, war gespannt und neugierig auf die Dinge, die noch passieren konnten.
Seine Finger wanderten vom Nacken über meinen Rücken. Das Kribbeln war wie feiner, langsam nieder rieselnder, heißer Sand auf meiner Haut und ein Gefühl des lebendig Seins überschlug sich in mir. Ich erlebte eine himmlische Sinnlichkeit und gleichzeitig schlug mein Herz so schnell, dass mein Blut brennend durch die Adern rauschte. Die innerliche Hölle wollte mich fliehen lassen, doch mit jedem Zentimeter, den er mit seinen Fingerspitzen eroberte, leugnete ich mehr und mehr meine Bedenken. Gleichzeitig wuchs das Verlangen nach Befriedigung. Die aufkommende Erregung zeigten die Spitzen meiner Brust, die er sicherlich deutlich im Spiegel unter dem feinen Stoff sehen konnte. Mit der Hoffnung des Vertrauens ließ ich los, schloss wieder meine Augen und konnte diese Zärtlichkeit für mich zulassen.
Verfallen in den Empfindungen, verrannt in einer Fantasie wollte ich erobert werden von seiner Zuneigung, seiner Achtsamkeit, die mich in eine Ekstase der gedankenlosen Sinnlichkeit katapultieren sollte. Als ich bemerkte, dass ich seine Berührung nicht mehr spürte, öffnete ich die Augen und musste feststellen, dass ich alleine vor dem Spiegel in der Umkleide stand. Die aufkommende Enttäuschung, die mir gleichzeitig Erleichterung schenkte, ließen mich in die Wirklichkeit zurückkehren, ohne zu wissen, ob es diesen Mann wirklich gegeben hat.
Scheinbar wieder als denkender Mensch vermisste ich ihn sogleich und fühlte mich zurückgelassen. Mit Wut im Bauch über sein Verschwinden, wusste mein Kopf dennoch, dass es wohl das Beste sei. Die Zweifel konnten sich legen und ich brauchte keinen inneren Kampf mehr zu führen. Doch bei all dieser Vernunft, wollte sich mein Körper nicht mit dem Gegebenen abfinden. Ich ergab mich diesem Gefühl und fing an meinen Busen zu streicheln. Ohne diesen fremden Mann fühlte es sich nicht mehr als Betrug an. Das fremde Begehren war eine Erinnerung geworden. Langsam suchten sich meine Finger den Weg zwischen meine Beine, umspielten und liebkosten den schon leicht gewölbten Hügel. Das zarte Eindringen trieb meine Wollust intensiver voran und dabei dachte ich an seine wundervollen Hände, wie sie geschmeidig über meinen Körper wanderten, als mich ein sanfter, lautloser Höhepunkt erreichte.
Nach der Befriedigung meiner körperlichen Lust setzte ich mich auf den Sessel und musterte mich in diesem Spiegel, der soviel von mir gesehen hatte. Der Versuch die letzte halben Stunde Revue passieren zu lassen, scheiterte an den Emotionen. Es brachte nichts und so wischte ich mir die Tränen aus meinem Gesicht, legte die feine Wäsche ab und zog meine Kleidung an, mit der ich in diese Umkleide gekommen war. Bevor ich das Geschäft verließ, bezahlte ich die benutzte Unterwäsche, die ich wahrscheinlich nie wieder tragen würde. Der Weg nach Hause war ein Gang zurück in mein tatsächliches Leben. Zurück zu einem Mann, bei dem ich mich geborgen und sicher fühlte. Die träumerische Erinnerung an die Berührungen von einem Fremden hatten eine Sehnsucht erweckt, doch nun sollte sie wieder schlafen, damit sie vergessen werden konnte.