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- 15.11.2002
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Bekannte
Spiegelbild
Bekannte koennen etwas sonderbares sein, spielen sie doch manchmal auf den Saiten einer Gitarre deren Misstoene Freunde meist vermeiden. Bernhardt ist ein solcher Musikliebhaber. Geschaendet vom Leben, geaechtet vom Glueck findet er Trost in der freizuegigen Darstellung seinerselbst, der Exihibition seiner Genetalien. Dass ihm solcherart Verhaltensweisen bereits diverse Anklagen wegen Erregung oeffentlichen Aergernisses eintrugen, ist dabei, zumindest fuer Bernhardt, sekundaer. Leben das heisst Fehler begehen, sagt er, und zupft laechelnd an seinen Barthaaren, deren Spaerlichkeit ihm einen eigentuemlich jungen(d)haften Ausdruck verleiht. Wann immer Bernhardt sich entbloesst lacht er, nicht laut, eher unbeholfen und doch durchdringend. Er lacht gerne, doch ist sein Humor haeufig ebenso nackt und beaengstigend wie sein Koerper, Witze die mehr Sarkasmus als Frohsinn verspritzen. Vielleicht ist es ebendieses Lachen, dass Menschen auf ihn aufmerksam werden laesst, zu unscheinbar und offensichtlich durchschnittlich scheint, selbst im entbloessten Zustand, doch seine Gestalt. Ein Freund, kein Freund Bernhardts sondern meinerselbst, nannte ihn einmal den Don Quiechot der Exhibitionisten, die laecherliche Gestalt einer taeglichen Seifenoper deren Ende vorhersehbar scheint.
Da wir gerade von Freunden sprechen, die Mehrzahl der meinigen, meist Amateurpsychologen, klassifiziert Bernhardt als gestoertes Individium, ein Produkt fehlgeleiteter Triebe und verdraengter Oedipuskomplexe. Auch ich habe, nicht mit Freuden, doch bis in die junge Nacht hinein Fromm gelesen, und versucht zu finden was andere bereits entdeckt hatten. Allein sie blieb mir verschlossen, jene Tuer zum Verstaendnis solcherart Wahrheit und daher schweige ich meist im im Angesicht analytischer Diskussionen. Bernhardt das Studienobjekt, der Quell unzaehliger Spekulationen und Moeglichkeit Aufgeschnapptes anwendbar zu gestalten. Sie entbehren nicht einer gewissen Logik die gewoehnlich fertigen Theorien meiner Freunde ob seines mentalen Zustandes, und deshalb wiederspreche ich nicht, glaube ich ihnen, und lache, ueber Bernhardt.
Vor ein paar Tagen traf ich Bernhardt, zufaellig und ungewollt, weist doch keine unserer Begnungen den Charakter des Vorsaetzlichen auf. Ein Cafe in der Innenstadt, klein und versteckt hinter den hohen, backsteinroten Mauern einer katholischen Kirche. Er kommt auf mich zu, laechelnd, und beachtet kaum die noch am Tisch sich befindlichen Personen, Freunde, Amateurpsychologen. Das unterbrochene Gespraech wird nur stockend fortgesetzt, zu maechtig ist die Verlockung ihn zu beobachten. Bernhardt scheint davon unberuehrt, erzaehlt von seinem gestrigen Exhibitionsversuch, dem erschreckt angewiederten Gesichtsausdruck der jungen Frau, welche er in einem Kinosaal „ueberraschte“. Ich werde unruhig, beaengstigt von der Vorstellung eines nackten und schutzlos offenbarten Koerpers rebellieren, wie so viele Male zuvor, Moral und Konvention in meinem Inneren. Seine Preisgabe ueberschreitet die Grenzen einer Welt die Sicherheit offeriert und einen nur scheinbar geringen Preis fuer diesen Luxus fordert. Dann liegt Bernhardts Hand auf meinem Arm und ein zynisches Laecheln gleitet ueber sein Gesicht, „2085 ist alles vorbei, zumindest fuer uns.“. Ich sehe ihn fragend an.
„Ist sie nicht beruhigend diese Gewissheit.“, sagt er, Wie sonst waere unser stetes Streben nach Anerkennung und Bewunderung zu ertragen?“.
Mein Blick sucht die Augen der Anwesenden. Ich versuche ihre Gesichtszuege und die dahinter verborgenen Gedanken ob des eben Gehoerten zu deuten, als Bernhardts Stimme wieder erklingt.
„Meine Drang ist offensichtlich, und Eurer?“ fragt er, oeffnet seine Hose und wendet sich so an meine Freunde. „Oder begehst Ihr den Fehler zu glauben, dass Ihr keinem unterliegt?“.