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Being Vanessa

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02.05.2017
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Being Vanessa

Gerade von der Schule nach Hause gekommen stürzte Vanessa ausgezehrt von den 8 Schulstunden, die sie jeden Freitag überstehen muss, bevor sie endlich in das Wochenende entlassen wird, in ihr Zimmer um ihr Schulzeug abzuladen und sich recht bald für die Nacht herzurichten. Ob ihre Mutter zuhause war, wusste sie nicht. Sie hatte es sich mittlerweile abgewöhnt nach ihr zu rufen, denn meistens erfolgte darauf ohnehin keine Antwort. Und wenn sie doch einmal in der Wohnung war, dann schlief sie sowieso bis spät Abends. Barfüßig tappte Vanessa auf die kalten Steinfliesen, die den Boden des kleinen Badezimmers zierten. Sie hatte sich in ihrem Zimmer bereits umgekleidet und die etwas bequemere graue Jogginghose angezogen, in die sie sich immer wirft wenn sie gerade einen langen Schultag hinter sich hatte. Ihren BH hatte sie außerdem abgelegt und über ihren nackten Oberkörper zog sie ein für ihren kleinen Körper viel zu großes T-Shirt. Als sie es erblickt hatte überlegte sie kurz, woher dieses Kleidungsstück eigentlich stammen könnte. Es musste wohl einem ihrer Ex-Freunde gehört haben.

Vanessa hatte ihre legère Freizeitkleidung noch keine 20 Minuten am Körper, schon warf sie ihre Sachen wieder von sich. Mit hastigen Bewegungen zerrte sie sich ihre Jogginghose sowie ihr T-Shirt und ihre Unterwäsche vom Leib. Völlig nackt huschte sie dann nochmal schnell in ihr Zimmer, ging an ihrem Bett vorbei an ihren Holzschrank und suchte sich passende Kleidung für ihre Vorhaben heraus. Ein rotes Höschen und darüber eine enge Jeanshose. Außerdem legte sie sich noch einen zum Höschen passenden BH und ein quergestreiftes Top mit einem tiefen Ausschnitt heraus und nahm das dann mit ins Badezimmer wo sie es dann auf einen kleinen Hocker schmiss, der neben dem Waschbecken stand, und flitzte danach unter die Dusche. Da um diese Uhrzeit meistens keiner mehr in der Wohnung war, hatte sie es sich abgewöhnt die Badzimmertür zu schließen wenn sie sich duschte. Es vergingen einige Minuten bis das 15-jährige Mädchen den blauen Duschvorhang mit den kleinen Quadraten darauf beiseite schob und damit begann ihre dunkelbraunen Haare, und später ihre sanfte Haut von dem Wasser zu trocknen. Als sie fertig war, legte sie ihre Unterwäsche und ihre Abendgarderobe an, und begann sich vor dem runden Spiegel hinter dem Waschbecken, zu schminken. Eifrig bediente sie sich aus dem kleinen weißen Schminkkästchen ihrer Mutter. Nach etwa 15 Minuten hatte sie sich von einem süßen, unschuldigen Kind zu einer attraktiven jungen Frau verwandelt.

Als Vanessa etwa ein halbes Jahr zuvor zum ersten mal mit einigen ihrer Freundinnen die Kosmetika ihrer Mutter entdeckt hatte und die Mädchen sogleich begonnen hatten damit fröhlich zu experimentieren, war sie zunächst erschreckt als sie bemerkte, welch ungeheure Metamorphose ihr Erscheinungsbild mithilfe von Eyeliner, Cajal und Lippenstift durchgemacht hatte. Doch inzwischen hatte sie sich nicht nur daran gewöhnt, dass sie dank der Schönheitsartikel eine ganz andere Person werden konnte, sie hatte außerdem gelernt gezielt und geschickt das Make-up aufzutragen um die weiblichen Reize ihrer bildhübschen, aber zugleich doch noch eher kindlichen Ausstrahlung, herauszuputzen. Es war eine Stütze für ihr Selbstwertgefühl, zu wissen dass sie älter aussieht, und damit wohl auch attraktiver ist als ihre Freundinnen oder ihre Klassenkameradinnen. Immerhin war sie es, die mit ihrem Körper dazu in der Lage war, die Schwärme all ihrer Klassenkameradinnen, um den Finger zu wickeln. Und das gab Vanessa Sicherheit und Selbstvertrauen. Und dieses präsentierte sie auch nicht gerade selten. Dass sie sich allen anderen überlegen fühlte, wurde in jeder Handbewegung die sie machte, in jedem Schritt, den sie ging deutlich. In der Schule erhob Vanessa den ständigen Anspruch darauf ein Alpha-Weibchen zu sein. Wenn sie etwas sagte, dann war das Gesetz in ihrer Klasse. Einige Mitschülerinnen, diejenigen, die für Vanessa ohnehin keiner Beachtung wert waren, waren der Auffassung Vanessa sei arrogant und eingebildet. Zu sagen traute sich das allerdings niemand, da ihre Reaktion meist sehr aggressiv war.

Im Rahmen einer ganz normalen Auseinandersetzung – Vanessa hatte sich einen Stift von einer Mitschülerin ausgeliehen, den sie jedoch nicht wieder zurückgegeben hatte – hatte eine Mitschülerin sie beschuldigt, den Stift absichtlich einbehalten zu haben, was Vanessa dazu trieb ihr übelste Beschimpfungen an den Kopf zu werfen. Als das Mädchen dann entgegensetzte dass Vanessa eine arrogante Schlampe sei, die eh keine richtigen Freunde habe, eskalierte die Situation. Vanessa stürzte auf ihre Mitschülerin, zog diese an ihren Haaren und schlug einige Male auf sie ein. Das überraschte und in diesem Moment wehrlose Mädchen brach nach diesem Angriff in Tränen aus und ließ sich in der darauf folgenden Schulpause vom Unterricht befreien und von ihren Eltern abholen.

Zum Glück für Vanessa waren in jenem Augenblick, als sie über ihre Mitschülerin herfiel, keine Lehrkräfte im Klassenzimmer gewesen. So konnte sie vor negativen Konsequenzen völlig davonkommen. Nicht, dass es Vanessas Opfer nicht versucht hätte, am nächsten Tag die Klassenlehrerin über das Geschehene zu informieren. Doch als der Tathergang von der Lehrkraft aufgeklärt werden sollte, offenbarte sich ein erschreckendes Bild. Die fünf besten Freundinnen aus Vanessas Clique schützten sie, indem sie der Lehrkraft unter Eid versichert hatten, dass Vanessa die ihr zur Last gelegte Tat niemals begangen hatte. Dagegen standen etwa drei Schülerinnen, die das schilderten, was tatsächlich stattgefunden hatte. Die restlichen Schülerinnen hielten sich zurück, und die Mitschüler hatten sowieso ganz andere Beschäftigungen als dem Unterricht zu folgen. Was hätte die Lehrkraft unter diesen Umständen anderes tun können, als die ganze Streitsache mit einigen mahnenden Worten beizulegen und anschließend eine kleine Moralpredigt hinterherzuwerfen. Scheinmoral. Denn immerhin hatte gerade eine Lehrkraft im Grunde eine brutale Tat gegen eine ihrer Schülerinnen legitimiert. Es müssen eben nur mehr Zeugen auf der Seite des Täters stehen als auf der Seite des Opfers. Und das war für ein charismatisches, hübsches und sozial gut integriertes Mädchen wie Vanessa kein Problem. Sie hatte eine feste Clique, bei der sie das Führungsweibchen war, hatte darüber hinaus viele Kontakte zu Schul- und Klassensprechern, und hatte außerdem – wie sie immer wieder selbstsicher erkannte – viele Bewunderer. Immer wenn sie es bemerkte, wie Schüler aus den höheren Stufen – sofern sie nicht aussahen wie Streber – auf ihren Körper schauten, fühlte sie sich in ihrem ganzen Wesen bestätigt. Sie war das It-Girl ihrer Schule. Es wurde über sie geredet, und das mochte sie – vor allem wenn es die großen Jungs taten. Ein schlechtes Gewissen kannte Vanessa nicht. Wer sie angriff, hatte es doch nur verdient fertig gemacht zu werden.

Diese Sachlage legt wohl die Forderung nahe, die Ausbildung zur Lehrkraft an Deutschen Schulen um den Erwerb kriminalistischer Kenntnisse zu erweitern, damit derlei Taten sowohl durch eine rigorose Aufklärung durch die zuständigen Lehrkörper sowie Vorbeugung durch eine Abschreckung der Schüler, die vermutlich angesichts der Gewissheit, ihre Lehrer würden ihre Gräueltaten ohnehin aufdecken, jegliche Schandtat unterließen, vermieden werden. Da eine derartige Praxis jedoch aufgrund der in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehenden monetären Mittel für das Bildungssystem kaum umsetzbar wäre, wollen wir diesen Gedanken als Utopie abstempeln und im Verlaufe des Werkes nicht weiter beachten.

Das Make-up war aufgetragen, ihre Lippen waren blutrot und ihre blauen Augen strahlten inmitten einer feingezeichneten Silhouette schwarzen Eye-Liners. Vanessa blickte in den Spiegel und sogleich war ihr, als sähe sie ein Designer Model vor sich. Selbstverliebt stand sie noch einige Augenblicke vor dem Spiegel und wendete ihr Gesicht einige male hin und her und untersuchte die Maske aus Puder nochmals auf Unstimmigkeiten...

 

Hej Kulturbereicherer,

die Geschichte über eine vernachlässigte Schülerin unserer Zeit, die ihre Reize entdeckt und nutzt, ist routiniert, aber kalt und etwas langatmig erzählt. Sie verfügt über etliche Wiederholungen, z.B. Kleidung, Attraktivität des Mädchens bis hin zu verwirrenden Details, wie Muster des Duschvorhangs und Erklärung des Schminkutensilien. Zudem erklärst du mir genau, was du bereits vorher beschrieben hast, z.B. dass es sich um deine Protagonistin um ein It-Girl handelt oder um ein charismatisches Führungsweibchen. Zu allem Überfluss artikulierst du dann auch noch anhand ihres Beispiels die Unzulänglichkeiten der deutschen Schulen in der

Bundesrepublik Deutschland
.
Das ist zu viel für mich. Ich fühle mich nicht unterhalten, sondern bevormundet und meiner Phantasie und Denkapparats entledigt.
Vanessa bekommt kein Leben, sie wird ausgeschrieben und überzeichnet. Ich kann weder mit ihr mitfühlen, noch sie verachten, ich bin nicht in der Lage, sie einzuschätzen. Diese Figur bleibt leblos und dass, obwohl du in der Lage wärst, rein stilistisch genau das zu schaffen. Aber mit deinen Erklärungen und Belehrungen, hältst du mich auf Abstand und ich habe lediglich den Eindruck, das verstehen zu müssen, was du mir als Autor explizit vorgibst.

Ein Leseeindruck und freundlicher Gruß, Kanji

 
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"Überzeichnet" bedeutet - wenn ich mich nicht irre - ja in etwa so viel wie: Ich lasse sie eine Handlung oder Aussage tätigen, die man sich in der Realität so kaum authentisch vorstellen könnte, um ihr Profil damit hervorzuheben. Oder meinst du damit, dass ich bestimmte Eigenschaften ihres Charakters zu stark bzw. zu häufig hervorgehoben habe? Bei den "etlichen Wiederholungen" tue ich mir ehrlich gesagt noch schwer deinen Standpunkt nachvollziehen zu können. Aber da fehlt mir sowieso jedes mal beim Schreiben eine klare Richtlinie, nach der ich mich richten kann. Sprich: in welchem Abstand ist es vertretbar denselben Begriff wieder zu verwenden? Ab wann ist es eine Wiederholung?

Zudem erklärst du mir genau, was du bereits vorher beschrieben hast, z.B. dass es sich um deine Protagonistin um ein It-Girl handelt oder um ein charismatisches Führungsweibchen.

Richtig. Und das ist deiner Meinung nach kritikwürdig? Warum?

Aber mit deinen Erklärungen und Belehrungen, hältst du mich auf Abstand und ich habe lediglich den Eindruck, das verstehen zu müssen, was du mir als Autor explizit vorgibst.

Was du allerdings nicht weißt: Ursprünglich war dieser Text als Einleitung eines Romans angedacht. Deshalb versuchte ich dem Leser übrigens auch ein deutlich hervorgehobenes Bild von meiner Protagonistin zu vermitteln.

Ich kann weder mit ihr mitfühlen, noch sie verachten, ich bin nicht in der Lage, sie einzuschätzen.

Und das wundert mich ehrlich gesagt schon ein wenig. Ihr Charakter ist nämlich in der Tat (bewusst) überzeichnet dargestellt. Allerdings mit der Intention, dass der Leser zumindest im Ansatz dazu in die Lage versetzt wird, sie einschätzen zu können.

Aber deine Interpretation ist schon ziemlich zutreffend. Ich habe sie ganz klar als Außenstehender bewertend beschrieben. Genauer gesagt: Ich habe ihr den Charakter einer Person gegeben, die ich selbst überhaupt nicht leiden kann. Deswegen bleibe ich auch so distanziert von ihr. Das ist allerdings gewollt, und der Erzählperspektive geschuldet. Ich persönlich konnte mich auch nicht dazu überwinden mich in diese Person hineinzuversetzen.

 
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Hallo Kulturbereicherer,

Ich teile Kanjis Meinung absolut – egal, ob der Text anfangs der Teil eines Romans war oder nicht. Das tut nichts zur Sache.

Dass sie sich allen anderen überlegen fühlte, wurde in jeder Handbewegung die sie machte, in jedem Schritt, den sie ging deutlich. In der Schule erhob Vanessa den ständigen Anspruch darauf ein Alpha-Weibchen zu sein. Wenn sie etwas sagte, dann war das Gesetz in ihrer Klasse. Einige Mitschülerinnen, diejenigen, die für Vanessa ohnehin keiner Beachtung wert waren, waren der Auffassung Vanessa sei arrogant und eingebildet. Zu sagen traute sich das allerdings niemand, da ihre Reaktion meist sehr aggressiv war.
Hier solltest du das in Szenen zeigen. Show, don’t tell.
Okay, sehe später, das da einige entspr. Szenen kommen. Dann könntest du die obigen Behauptungen, dass sie sich überlegen fühlt, ein Alpha-Mädchen ist etc. streichen. Solche Erklärungen sind redundant. Bzw.: Da spricht der Autor, damit der Leser es kapiert. Ich möchte das aber gerne selber feststellen und mir mein eigenes Bild machen.

Im Text fehlen einige Kommata. Bin nicht der beste Experte dafür, aber hier fehlt auf jeden Fall eins:

Als das Mädchen dann entgegensetzte (KOMMA)dass Vanessa eine arrogante Schlampe sei, die eh keine richtigen Freunde habe, eskalierte die Situation.

Dann dieser Absatz:
Diese Sachlage legt wohl die Forderung nahe, die Ausbildung zur Lehrkraft an Deutschen Schulen um den Erwerb kriminalistischer Kenntnisse zu erweitern, damit derlei Taten sowohl durch eine rigorose Aufklärung durch die zuständigen Lehrkörper sowie Vorbeugung durch eine Abschreckung der Schüler, die vermutlich angesichts der Gewissheit, ihre Lehrer würden ihre Gräueltaten ohnehin aufdecken, jegliche Schandtat unterließen, vermieden werden. Da eine derartige Praxis jedoch aufgrund der in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehenden monetären Mittel für das Bildungssystem kaum umsetzbar wäre, wollen wir diesen Gedanken als Utopie abstempeln und im Verlaufe des Werkes nicht weiter beachten.
Was ist das denn? Habe ich da jetzt also eine fiktive Geschichte gelesen, die als Beispiel für die Forderung nach notwendigen Änderungen an den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland hergehalten hat?
Hm, also so kann ich die „Kurzgeschichte“ leider nicht ernst nehmen und ich frage mich, was du überhaupt erzählen möchtest.

Beste Grüße,
GoMusic

 

Das Problem an dem Text ist: es ist eine Nacherzählung. Da passiert nix. Keine Handlung, kein Dialog, nichts Szenisches.

Gerade von der Schule nach Hause gekommen stürzte Vanessa ausgezehrt von den 8 Schulstunden, die sie jeden Freitag überstehen muss, bevor sie endlich in das Wochenende entlassen wird, in ihr Zimmer um ihr Schulzeug abzuladen und sich recht bald für die Nacht herzurichten.

Das ist ein Satz, den kannst du dir ausdrucken, ausschneiden und unter den Toilettendeckel kleben. Adjektive ohne Ende, und dann stehen die da ohne Begründung: ausgezehrt. Warum? Wieso? Weshalb? Warum muss sie die Schulstunden überstehen? Weil sie Schule scheiße findet? Das sollte als Erkenntnis beim Leser entstehen, wenn der Autor das tut, ist es eine Behauptung, die luftleer im Raum hängt. Und dann dieser biedere Anhang: sich recht bald für die Nacht herzurichten. Warum? Soll da noch was kommen? Diesen dramaturgischen Vorgriff, das ist äußerst ungeschickt, jetzt ist alles erwartbar, nichts haut mich mehr aus den Socken.

Ob ihre Mutter zuhause war, wusste sie nicht. Sie hatte es sich mittlerweile abgewöhnt nach ihr zu rufen, denn meistens erfolgte darauf ohnehin keine Antwort. Hast du mal was von "show, don't tell" gehört? Daran krankt deine ganze Geschichte - es ist keine. Das ist eine Anekdote ohne Tiefe. Tiefe entsteht, wenn Charaktere handeln, fühlen, denken, wenn sie realistisch agieren, und sich der Autor so geschickt zurückhält, dass er für den Leser nicht spürbar, erfahrbar wird. Was du hier geschrieben hast, liest sich wie ein Artikel aus der Lokalzeitung, so hart das auch klingen mag. Es wird mir nichts erzählt. Und dann schreibst du die Prämisse, die Darstellung der Scheinmoral, auch noch in den Text. Du als Autor begründest deinen eigenen Text. Das muss aus den Figuren heraus entstehen, da muss eine Dynamik sich abzeichnen, ein Ausloten der Dramaturgie, da lese ich nichts bei dir.

Hier mal ein Link, um dir zu verdeutlichen, was ich meine.
https://litreactor.com/essays/chuck-palahniuk/nuts-and-bolts-“thought”-verbs

Gruss, Jimmy

 
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Hallo Kulturbereicherer,

herzlich Willkommen im Forum.
Ich habe mir erlaubt, eine Bemerkung aus deiner Antwort zu streichen, die nur Ärger und mögliche Eskalation gestiftet hätte.

Und eine nachräglich editierte Bemerkung noch vorweg: Meine Antwort hat sich jetzt überschnitten mit denen von Gomusic und Jimmy. Hätte ich das vorher gesehen, hätte ich nicht auch noch meinen Senf dazu gegeben. Ist dann manchmal viel. Ich lass es trotzdem mal stehen.

Ansonsten versuche ich mal, auf zwei Dinge zu antworten.

Zudem erklärst du mir genau, was du bereits vorher beschrieben hast, z.B. dass es sich um deine Protagonistin um ein It-Girl handelt oder um ein charismatisches Führungsweibchen.
Richtig. Und das ist deiner Meinung nach kritikwürdig? Warum?
Machen und versuchen kann man natürliches alles. Geht ja hier schließlich um Kreativität, Geschmack und völlig subjektive Einschätzungen.
Die andere Seite ist aber, dass es auch handwerkliche Punkte gibt, die man bedenken sollte.
Und einer ist der, Langeweile zu vermeiden. Wenn du aber erst mal durch deine minutiös geschilderten Anziehszenen bereits zeigst, wie dieses Mädchen tickt, dann weiß der Leser das auch schon. Er hat es sich aus deinen Schilderungen erschlossen. Wenn du die Schlussfolgerung jetzt noch einmal explizierst, also dass das Mädchen zum Beispiel wirklich ein Alphaweibchen ist, wiederholst du dich, schreibst noch einmal nur mit einem anderen Mittel dieselbe Schlussfolgerung hin. Das wirkt beim Lesen langweilig und nicht nur das, sondern ein Leser fühlt sich belehrt, als wär er ein bisschen zu doof, um deine Beschreibung zu raffen.
Das ist einfach ein sauwichtiger Punkt beim Schreiben sowieso, aber eben auch beim Lesen, sich klarzumachen, warum man an einem Text bleiben WILL, obwohl der vielleicht sogar der vielen verschachtelten Sätze wegen kompliziert zu lesen ist. Er ist nicht redundant in den Informationen, sondern schickt/treibt den Leser weiter.

Das bedeutet aber nicht, dass man nicht sich wiederholende Wörter als Stilmittel einsetzen kann. Oder es auch manchmal sehr künstlich wirkt, unbedingt ein Wort durch ein Synonym ersetzen zu müssen. Was Kanji nun genau meinte, kann ich natürlich nicht sagen. Mir ging es nicht so, dass ich unter zu vielen sich wiederholenden Wörtern "gelitten" hätte. Ich hätte mir eher gewünscht, du fokussierst deine Geschichte mehr auf ein Thema. Erzählst wirklich eine Geschichte, die nachvollziehbar ist. So, wie es jetzt ist, weiß ich eigentlich nicht genau, was deine Intention ist. Dass es solche Kühe wie Vanessa gibt. Ja, die gibt es, leider. Dass das Schulsystem so schlecht ist, dass die Lehrer nicht das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun. Ja, das ist mit Sicherheit auch so.
Aber das sind allgemeine Aussagen, Kritikpunkte, die sicherlich jeder mehr oder weniger teilen wird. Und die sind zum Teil dann im Unterscheid zu der Anziehszene eben nicht mehr szenisch geschreiben, sondern nur noch behauptend und berichtartig.
Aber hier wollen wir ja lesen, etwas Neues erfahren, an einer Geschichte teilnehmen, und da hätte ich mir (wie gesagt) gewünscht) du machst dein Vorhaben klarer und deutlicher. Und das kannst du nur erreichen, wenn du viel mehr in die möglichen Szenen reingehst, show dont tell verwendest, aber auch dafür brauchst du ein Thema, ein Ziel deines Schreibens.

Im Moment sehe ich die Charakterstudie von Vanessa, sie ist extrem unsympathisch. Ich habe zwar kein Problem mit bösen oder unangenehmen Protagonisten, aber wenn man nur die glatte, oberflächliche junge Frau sieht, die mit ihrem Körper spielt, um Macht zu erhalten, dann fehlt mir genau diese Seite. Warum braucht sie diese Macht. Warum hat sie das nötig. Warum lotest du diesen Abgrund nicht aus und machst ihn zu einer Geschichte?

Oder diese Stelle hier unten, die ist ja auch eingermaßen zentral. Ist die dein Hauptpunkt, dann geh da aber rein in die Szene, schreib sie aus, zeig, wie Vanessa die anderen manipuliert, zeig, dass das Scheinmoral ist und wie sehr die Schere zwischen der scheinbaren sozialen Angepasstheit und ihrem konkurrenten Erfolgsstreben auseinanderklafft. Aber eben durch die Szenerie selbst. Momentan "behauptest" du es eher, lässt es einen aber nicht durch die Szene selbst erleben. Und dadurch erhält das eher einen journalistischen reportagehaften Charakter.

Die restlichen Schülerinnen hielten sich zurück, und die Mitschüler hatten sowieso ganz andere Beschäftigungen als dem Unterricht zu folgen. Was hätte die Lehrkraft unter diesen Umständen anderes tun können, als die ganze Streitsache mit einigen mahnenden Worten beizulegen und anschließend eine kleine Moralpredigt hinterherzuwerfen. Scheinmoral. Denn immerhin hatte gerade eine Lehrkraft im Grunde eine brutale Tat gegen eine ihrer Schülerinnen legitimiert. Es müssen eben nur mehr Zeugen auf der Seite des Täters stehen als auf der Seite des Opfers. Und das war für ein charismatisches, hübsches und sozial gut integriertes Mädchen wie Vanessa kein Problem. Sie hatte eine feste Clique, bei der sie das Führungsweibchen war, hatte darüber hinaus viele Kontakte zu Schul- und Klassensprechern, und hatte außerdem – wie sie immer wieder selbstsicher erkannte – viele Bewunderer.

Soviel mal.
Freundliche Grüße von Novak

 
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Hej Kulturbereicherer,

Oder meinst du damit, dass ich bestimmte Eigenschaften ihres Charakters zu stark bzw. zu häufig hervorgehoben habe?

Genau. Du benötigst viel Zeit und Raum, Worte und Handlungen, die mir bereits mit weniger klar geworden sind: Vanessa ist eine verirrte kleine Seele, die kompensiert. ;)

Bei den "etlichen Wiederholungen" tue ich mir ehrlich gesagt noch schwer deinen Standpunkt nachvollziehen zu können. Aber da fehlt mir sowieso jedes mal beim Schreiben eine klare Richtlinie, nach der ich mich richten kann. Sprich: in welchem Abstand ist es vertretbar denselben Begriff wieder zu verwenden? Ab wann ist es eine Wiederholung?

Aber da denke ich schon, dass du es dann nachvollziehen kannst, was ich meine. Du lässt sich Vanessa an- und umziehen, duschen, schminken, die beschreibst Farben, Größen ... Das ginge, um mir zu zeigen, worum es sich in ihrem Leben dreht sicher kürzer oder eben noch mit abwechslungsreicheren Handlungen, Attributen. - Ich bin eine ungeduldige Leserin ;)

Richtig. Und das ist deiner Meinung nach kritikwürdig? Warum?

Ja, weil ich es bereits aus deinen Beschreibungen so herausgelesen habe. Deswegen hast du es ja wohl auch getan. Trau mir ruhig was zu.

Was du allerdings nicht weißt: Ursprünglich war dieser Text als Einleitung eines Romans angedacht. Deshalb versuchte ich dem Leser übrigens auch ein deutlich hervorgehobenes Bild von meiner Protagonistin zu vermitteln.

Genau, und deswegen ist es eventuell etwas zu viel für eine Kurzgeschichte ausgefallen.

Und das wundert mich ehrlich gesagt schon ein wenig.

Mich nämlich auch, denn ich emfpinde gerne und schnell mal mit den Protagonisten. Und ich kann sie auch einschätzen. Ich weiß schon, was für eine die kleine ist. Du hast mir eingangs wunderbar ganz nebenbei untergeschoben, in welchem gleichgültigen Haushalt sie lebt. Außer der schemenhaften Mutter wird ja niemand weiter erwähnt und Vanessas Verhalten und Schicksal ist durchaus nachvollziehbar, aber eben nicht nachempfindbar für mich.

Ich habe ihr den Charakter einer Person gegeben, die ich selbst überhaupt nicht leiden kann.

Ich habe gar nicht den Anspruch, sie sympathisch zu finden, oder unsympathisch. Wenn überhaupt täte sie mir leid, aber ich vermute, durch deine Erläuterungen zu den guten Beschreibungen, hast du mir die Möglichkeit genommen, zu empfinden.

Deswegen bleibe ich auch so distanziert von ihr.

Ich finde das taktisch nicht so schlau und stelle mir vor, wie mir diese Situation vorkäme, hättest du sie in der Ich-Perspektive erzählt ... :hmm:

Danke für diesen Austausch und an Novak, dass du mich nicht dem Feuer ausgesetzt hast. ;)

Kanji

 

Hi Kulturbereicherer

Zwei Dinge, die mir spontan zu deiner Geschichte einfallen:

Erstens scheint mir, dass du bestimmte Sachverhalte erzählt hast, anstatt sie zu zeigen (show dont tell); Bspw. die Szene mit Vanessa als Rudelsführerin in ihrer Klasse.
Oder die Wiederholung am Ende der Geschichte, dass Vanessa ein 'It-Girls' sei. Das hast du bereits ausführlich beschrieben, da braucht es diese Wiederholung nicht, bloss weil du denkst, dem Lesenden könnte diese Information fehlen. Trau den Lesenden mehr zu. Meiner Meinung nach ist das etwas vom Spannendsten am Lesen - aufgrund des gelesenen selbst einen Gedanken zusammen zu reimen (und wenn das in die Handlung deiner Geschichte passt, umso besser!) Ein weiteres Beispiel, als Vanessa vor dem Spiegel steht - wenn du das ein wenig anders beschreibst (ohne zu erwähnen, dass sie selbstverliebt sei), dann kommt man alleine auf ihre Selbstverliebtheit.

Zweitens, ich finde deinen Text - trotz den vielen Beschreibungen - sehr lesefreundlich. Will sagen, dass die Dinge klar waren und ich keine Mühe hatte, der Geschichte zu folgen.

Vielleicht könntest du (da es ja kein langer Text ist) die gleiche Geschichte mit ein bis zwei Dialogen pro Szene neu schreiben.

Liebe Grüsse
slei

 

Hallo Kulturbereicherer,

ich bin unentschlossen, was ich von deinem Schreibstil halte. Ganz persönlich, meine ich.
Ich denke, dass du es durchaus schaffen könntest, eine Geschichte zu erzählen, in der mich deine eigenwilligen Sätze berühren. Ist hier nicht der Fall. Liegt daran, dass ich mich von der Figur und der Geschichte auf Distanz gehalten fühle. Dazu wurde schon viel gesagt, deshalb erwähne ich es nur noch mal der Vollständigkeit halber und will anfügen, dass man gerade die Einleitung zu einem Roman nutzen kann, und die Hauptfigur so einzuführen, dass der Leser darauf giert, ihre Geschichte zu erfahren.

Etwas, worüber ich sehr gestolpert bin, ist das hier:

Eifrig bediente sie sich aus dem kleinen weißen Schminkkästchen ihrer Mutter. Nach etwa 15 Minuten hatte sie sich von einem süßen, unschuldigen Kind zu einer attraktiven jungen Frau verwandelt.

Als Vanessa etwa ein halbes Jahr zuvor zum ersten mal mit einigen ihrer Freundinnen die Kosmetika ihrer Mutter entdeckt hatte und die Mädchen sogleich begonnen hatten damit fröhlich zu experimentieren, war sie zunächst erschreckt als sie bemerkte, welch ungeheure Metamorphose ihr Erscheinungsbild mithilfe von Eyeliner, Cajal und Lippenstift durchgemacht hatte. Doch inzwischen hatte sie sich nicht nur daran gewöhnt, dass sie dank der Schönheitsartikel eine ganz andere Person werden konnte, sie hatte außerdem gelernt gezielt und geschickt das Make-up aufzutragen um die weiblichen Reize ihrer bildhübschen, aber zugleich doch noch eher kindlichen Ausstrahlung, herauszuputzen.


Ich bin mir nicht ganz sicher, was du da zu sagen versuchst. Du zeigst Vanessa als alles andere als kindlich, unschuldig oder süß. Wenn du irgendwo mit diesem Eindruck brechen willst, den du ja förmlich in die Leser reinhämmerst, dann solltest du dafür einen guten Grund haben und dir Zeit nehmen, dem Leser diese andere Vanessa auch glaubhaft zu machen.

Und dann das mit dem Schminken. Meine kleine Schwester hat sich auch mal an Mutters Schminkkästchen vergriffen. Das Ergebnis war keine erstaunliche Metamorphose zu einer sexy Lolita. Sowas braucht Übung. Ich kann mir bei Vanessa gut vorstellen, dass sie Zeit investiert, wenn sie die Möglichkeiten erkennt. Und das darzustellen würde sie als Person zumindest aktiv wirken lassen. Sympathisch muss sie nicht sein. Dann sollte sie aber zumindest aktiv sein und 'interessante' Dinge tun. Sonst hast du keine Geschichte zu erzählen.
Geschichten leben von Bewegung. (In den Figuren, zwischen den Figuren, in der Handlung, ganz egal.)

Geschichten sind nichts, das man doziert. Geschichten können eine Form sein, in der man seine Wahrnehmung oder seine Meinung dem Leser greifbar macht. Ich denke, sowas hast du hier vor. Aber wenn du es in Form einer Geschichte tun willst, dann tu es auch in Form einer Geschichte.

Grüße,
Gefrierpunkt.

 

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