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Beim Friseur

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31.01.2003
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Beim Friseur

Vorgestern war ich beim Friseur. Es ist immer das gleiche Drama. Ich setze mich in den Frisierstuhl, bekomme ein schwarzes Leichentuch umgehängt und dann geht der Ärger los. „Wie soll es denn werden?“ Die nette junge Dame sieht mich durch mein Spiegelbild freundlich an. „Na ja“, sage ich, „kurz!“ „Gut“, sagt sie, „und wie kurz?“
Damit nimmt das Unglück seinen Lauf. Woher soll ich wissen, wie kurz? Messe ich vielleicht jedes Mal die länge meiner Haare, wenn ich vom Friseur komme? Lass ich vielleicht jedes Mal ein Passbild machen, (was wahrscheinlich das beste wäre)?
„Na, die Ohren frei, an den Seiten kurz und oben angepasst“, sage ich. „Okay..“, sagt sie, „und wie kurz an den Seiten?“
„Sehr kurz.“
„Maschinenkurz?“
„Von mir aus.“
Das war’s. Das nennt man dann individuelle Kundenberatung. Verdrossen sitze ich in meinem Frisierstuhl, während die nette und meistens durchaus gutaussehende Friseuse, mich fröhlich in Homer Simpson verwandelt.
Und dabei redet sie unaufhörlich. Sie redet vom Wetter, sie spricht über ihre Wochenenderlebnisse, sie redet und redet und redet. Wenn sie doch nur so gut Haare schneiden könnte. Ich betrachte währenddessen mein Spiegelbild und überlege wo ich auf die schnelle einen Hut, oder eine Maske für den Heimweg her bekomme.
„Sollen die Koteletten dranbleiben, oder soll ich sie gerade abschneiden?“
Meint sie das ernst? Als ob das noch etwas ändern würde. Dieses Monstrum da im Spiegel kann nichts mehr retten. Ich betrachte mein Gesicht genauer, jetzt, da die Haare ab sind, kann ich diesen brutalen und kriminellen Gesichtsausdruck nicht mehr leugnen. Man wird mich verhaften, sobald ich dieses Geschäft verlasse. Was werden die Nachbarn sagen, was wird meine Frau sagen, (vorausgesetzt, sie erkennt mich)? Diese faltige Stirn und die listigen kleinen Augen, die wild umherblicken. Oh Gott, wie sehe ich nur aus? Keinen Cent werde ich dafür bezahlen. Die soll mich kennen lernen.
Ich kann nicht mehr hinsehen und schließe die Augen.
Ich fühle die Hände dieser Hexe auf meinem Kopf herumwuseln.
Dann höre ich die Stimme meiner Peinigerin: „Soll ich etwas Gel ins Haar tun?“
Na klar, denke ich, mein Leben – so wie ich es kannte - ist eh vorbei.
Wieder wuseln.
„So, fertig“, höre ich sie sagen.
Vorsichtig öffne ich die Augen. Ich blicke in den Spiegel und sehe etwas wunderbares. Ein junger gutaussehender Mann mit modernem Kurzhaarschnitt. Glatte hohe Denkerstirn und große intelligente Augen. Das kurze Haar verwegen mit Gel behandelt. Ja, das bin ich. So wie ich immer aussehen wollte.
„21 Euro“, lächelt sie mich an. Diese wunderbare Frau mit den Künstlerhänden.
„Aber gern“, erwidere ich, „bis zum nächsten Mal.“
Ich gebe ihr noch 10 Euro Trinkgeld, denn so ein Talent muss gefördert werden.
Mann, bin ich hübsch!

 

Hallo Roland,

sehr nettes humoriges kurzweiliges Geschichtchen, welches, da geb ich Paule recht, einen kleinen Knick hat, wo es eigentlich noch nicht sein sollte.
Noch eben hab ich mich köstlich über die Zitterpartie deines Protagonisten gefreut und geschmunzelt, da blickt dieser in den Spiegel und findet sich auf der Stelle gutaussehend.
Das ging entschieden zu schnell.
Als Überraschungseffekt hättest du es noch reichlich länger rauszögern sollen, oder einen größeren Anlauf beim Sinneswandel des Protagonisten nehmen sollen.

Aber lustig ist sie die Geschichte und dein Schreibstil ist ebenfalls gut.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo RolandP,

Deine Story gefiel mir schon sehr. Hast sie echt gut gesteigert. Nur solltest Du den Schluss tatsächlich umbauen, damit nach der goldenen Erkenntnis nicht noch ein Rattenschwanz folgt.

Ach eines noch: Verschwender! (fördern nicht kaufen!)

Rabe

 

Hallo alle zusammen,
Danke für eure Kritiken. Ja, was das Ende der Geschichte betrifft, da gebe ich euch allen Recht. Das ist ein Problem, welches ich immmer wieder beim schreiben von Kurzgeschichten habe. Ich finde nicht so recht das Ende, bekomme Panik die Geschichte wird zu lang, usw. Ich arbeite dran.

Danke
Roland

 

Aloah,
ich konnte seeehr gut mitfühlen bei Deiner Geschichte. Habe auch immer Panik vor Friseuren (weswegen ich auch immer erst dann hingehe, wenn wirklich alle um mich herum feststellen, wie scheiße ich wieder auf dem Kopf aussehe... :silly: )
Besonders gut fand ich das "Leichentuch" am Anfang - man weiß sofort, wie Deine Figur zu Friseurbesuchen steht.
Mit dem Ende schließe ich mich der bisher allgemeinen Meinung an. Wurde etwas überrumpelt. Und bei dem guten Erzählstil hätte es garnichts ausgemacht, die Geschichte noch eine Weile laufen zu lassen - langweilig wäre sie sicher nicht geworden.

Bis die Tage,
Johnny :cool:

 

Hi
Ich schließe mich den anderen Autoren an, die Pointe kam viel zu früh udn der Rest war nur noch drangehängt.
Da hätte man mehr draus machen können (aus der Idee,....) Aber im grossen und ganzen ist deine Geschichte gut.
cu

 

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