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Bei Anruf Sex
Das ist ja lächerlich. Ein Anruf und schon ist mein ganzes Leben wieder durch einander. Und es war noch nicht einmal der Mann von der Lotterie, der mir einen 6 Millionen Euro Gewinn zusicherte. Warum auch? Nee, nur drei Worte, die normalerweise die ganze Männerwelt ins Schwanken bringen und nun auch mich. Aber ich meine nicht „Ich liebe Dich!“, sondern ganz plump männerisch: „Lust auf Sex?“
Und schon trete ich fast meine Katze tot, bei dem Versuch, den zweiten schwarzen Stöckelschuh, der mich knappe fünf Zentimeter größer – elfengleich quasi – erscheinen lässt, zu finden. Dann das etwas längere kurze Schwarze, Handtasche, Autoschlüssel... Höschen? Nee, Überraschung! Der wird Augen machen.
Nur zwanzig Minuten Zeit, um zum Treffpunkt zu gelangen. Also muss das Schminken und stylen wohl im Auto gemacht werden. Aber für einen Vollblutsingle, wie mich, der eigentlich alles im Auto macht, ist das kein Problem.
Vite, vite. Aus dem Weg, ihr Eheleute, hier kommt ein Single und hat gleich Sex mit einem von Euch in der Umkleidekabine.
Wahnsinn, diese Ideen. Sex in der Umkleidekabine. Prickelnd, spannend, eigentlich ein typisches Klischee.
Und dann steh ich vor diesem Café, dem Treffpunkt. Der Kellner schaut mich an, als würde er mich von irgendwo her kennen.
Ich warte auf meinen Prinzen, gleich kommt er mit Schimmel und glänzender Rüstung und hat sein Burgfräulein in der Burg eingesperrt, nur um mich zu sehen... äh.
Okay, jetzt nur keine Panik. Das dauert schließlich, die ganzen Vorhängeschlösser am heimatlichen Schloss zu verschließen. In der Zeit, wo ich warte, könnte ich ja mal lasziv angegeilten Augenkontakt mit dem Kellner aufnehmen. Vielleicht bin ich ja dann schon weg, wenn mein Prinz kommt und vergnüge mich mit dem einfachen Volk. Aber nee, besser warten. Da weiß man wenigstens, was man hat.
Aber rum stehen ist auch doof. Ich seh ja aus wie bestellt und nicht abgeholt. Was ja auch der Wahrheit entspricht.
Blick auf die Uhr zeigt erschreckende Wahrheit, er ist nun drei Minuten zu spät. Nun gut. Er will mich zappeln lassen. Ein wenig sitzen wird wohl nicht schaden, ich kann ja immer noch aufspringen, wenn er kommt und mich in Pose stellen.
Ich bestelle einen Kaffee ohne Milch beim Kellner und schau in die Runde. Schau mir die Leute an, die vorbei gehen und sie schauen mich an als würden sie sehen, warum ich hier sitze. Na und? Sollen sie doch denken, was sie wollen. Ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch mit Gelüsten, so wie jeder andere auch.
Die Lust nach dem einen Mann verfliegt aber schon und wandelt sich leicht wabernd in eine Lust nach einer Waffel mit Kirschen um... ist auch heiß!
Ich krieg so langsam Augenkrämpfe, da mein Blick immer zwischen Eingang und Waffel hin und her schweift.
Mmh... Waffeln.
Mmh... Umkleidekabinensex.
Huch, da kommt er. Ein strahlendes Lächeln meinerseits soll ihn in meine Richtung lenken. Aha, er rennt ja förmlich. Der scheint es aber eilig zu haben. Also erhebe ich mich grazil und will ihn herzlich umarmen, aber er guckt mich nur warnend an und geht an mir vorbei an den Nebentisch.
Dann ruft er Richtung Eingang: „Hier mein Schatz!“
Er will es hier?
Oh, nein, will er nicht.
Er hat sein Burgfräulein mitgebracht.
Oh, und die kleinen Prinzen auch.
Ach ja, jetzt steh ich hier schon mal und kann auch gleich auf die Toilette gehen, um ein bisschen zu weinen.
Der Traum vom heißen Umkleidekabinentechtelmechtel hat sich wohl in Wohlgefallen aufgelöst.
Ein Blick in den Spiegel sagt mir, dass ich es wohl noch bis nach Hause schaffen werde, bevor ich in Tränen ausbreche. Ich darf nur nicht aufgehalten werden, ansonsten gibt es ein nasses Techtelmechtel.
Also zurück zum Tisch, den Kellner bitten, die Rechnung zu bringen und sich über den Kellner ärgern, weil er verwundert zwischen mir und dem Burgfräulein herblickt.
Das Burgfräulein hat den Blick bemerkt und folgt diesem, bevor ich mich unter dem Tisch verstecken kann. Dann steht sie auf, verlässt ihren Prinzen und kommt auf mich zu.
„Was für eine Überraschung!“, sagt sie in ihrem mir ach so bekannten falschen Tonfall.
„Ja!“, sag ich. Überraschung, ich hab kein Höschen an, denk ich, aber das wird sie nicht interessieren.
Da stehen wir beide. Sie, groß, blond und schlank. Ich, klein, schwarzhaarig, quadratisch, praktisch, gut. Mit Schuhen, die mich elfengleich quasi fünf Zentimeter größer erscheinen lassen, so dass ich ihr wenigstens bis zur Brust reiche.
„Darf ich dir meinen Mann und meine Kinder vorstellen?“, fragt sie mit einem honigsüßen Lächeln.
„Nein“, sag ich mutig. „Tut mir leid, aber ich muss weg.“
Dann schnapp ich mir mein Täschchen und schwebe anmutig an meinem Prinzen und seiner ganzen königlichen Familie vorbei.
„Ruf mich an“, schreit sie königlich hinter mir her, „die Nummer hast du ja!“
„Ja“, denk ich, „die Nummer hab ich.“