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Begegnung
Ich bin etwas Besonderes. Hat er gesagt. Ein Naturwunder auf zwei Beinen. Dieser Adonis mit Wespentaille und enger Jeans.
Über den ich in der Kosmetikabteilung gestolpert bin, oder er über mich.
Wie jedes Jahr nur Frust. Ich hastete wieder in letzter Sekunde durch unser Kaufhaus, auf der Jagd, nach einem günstigen Geburtstagsgeschenk für meine Schwester. Und es wurde ständig beschwerlicher, ein passendes Präsent für sie zu finden. Sie hatte doch schon alles und das doppelt.
»Na, suchen wir etwas für Mutti?«, fragte eine angenehme Männerstimme über den Wühltisch hinweg.
Verblüfft legte ich die Schachtel zurück und sah mich um. Jedoch da war niemand. Außer jener Kerl dort drüben. Welcher sich mit den teuren Kosmetikartikeln beschäftigte, die französische oder englische Namen trugen und verdammt teuer ausgezeichnet waren.
Der meint sicher nicht mich, schoss es mir durch den Kopf. Den kenne ich überhaupt nicht.
»Ich habe meiner früher immer Kölnisch Wasser gekauft, als sie noch lebte. Aber das ist schon lange her«, fügte er in einem kaum hörbaren Ton hinzu und kam mit kleinen Schritten näher. Dabei schaute er mich nicht an, sondern tat so, als würde er sich ausschließlich für die Waren in der Auslage interessieren.
Meint der Kerl wirklich mich? Niemand da, nur wir beide. Keine Kunden in dieser Abteilung und das Verkaufspersonal drückt sich vermutlich in der Kantine herum.
Jetzt musterte er mich von der Seite. Dann angelte er sich die Packung, die ich zurückgelegt hatte, und begutachtete die Aufschrift mit zusammengekniffenen Augen.
»Würde ich auch nicht kaufen. Billiges Zeugs. Nuttendiesel«, sagte er knapp und warf die Schachtel achtlos zurück. Dann drehte er sich zu mir um.
Der Kerl sah ausgesprochen gut aus, mit der gesunden Seemannsbräune. Strohblonde, kurzgehaltene Haare mit korrekt sitzendem Scheitel. Am Mundwinkel bildeten sich Grübchen, wenn er lächelte, und am Kinn, hatte er diese männliche Kerbe in der Mitte.
Ich drehte dem arroganten Kerl den Rücken zu und war überzeugt, seinen Blick auf meinem Hintern zu spüren. Ich wurde unsicher und griff wahllos in das vor mir stehende Regal.
»Würde ich ebenfalls nicht kaufen. Für Mutti muss es das Beste sein. Kein Reagenzglas, Duft aus dem Labor.«
Ich drehte mich um zu dem Kerl und war kurz davor auszurasten. Nur, was zum Teufel, sollte ich ihm ins Gesicht brüllen? Unhöflich war er nicht, jedoch verdammt lästig.
Er grinste mich an wie ein Honigkuchenpferd. Dies reichte bei weitem nicht, um mich auf die Palme zu bringen. Es fehlte mir der nötige Druck im Kessel, um ihm mit der Faust meine Meinung auf seine Nase zu stempeln.
Allein seine dunklen Augen fixierten mich wie eine Viper. Andauernd wanderten sie von meinem Gürtel aufwärts zum Scheitel und wieder zurück. Nebenbei benetzte die Zungenspitze in einer flinken Bewegung seine Lippen. Er stützte selbstbewusst seine Hände in die Taille und schob mir seine Hüften kokett entgegen.
Der Kerl macht mich an, schoss es mir den Kopf. Mein Blut sackte in die Fußsohlen und ein leichter Schwindel erfasste mich. Selbst meine Gedanken suchten schwankend Halt in meinem Kopf. Doch sie fanden kein Muster, keinen gelernten und abgespeicherten Verhaltenscodex, den sie abspulen konnten.
In eine solche Situation habe ich immer nur Frauen gebracht und nie wäre ich auf die Idee gekommen, selber in die Grube zu fallen.
Aber soeben hat sich der Wind gedreht. Eine Spinne, warf mit gierigem Blick ihr Fangnetz nach mir aus. Ich war jetzt Opfer und Lustobjekt eines Schwulen. Meine Hand hielt sich verkrampft am Metallrahmen des Regals fest und mit der anderen massierte ich meine pochenden Schläfen. Verdammt noch mal, reiß dich zusammen, dachte ich und richtete meinen Rücken auf. Mit der Spannung im Nacken kam auch Festigkeit in meinen Geist zurück und ich konnte endlich befreiter denken.
»Was hast du denn? Ist dir nicht gut?«, fragte er besorgt, weil ihm die Veränderung an mir nicht entgangen war.
Jetzt fing ich wieder an zu atmen und das Blut kehrte warm in mein Gesicht zurück und es rauschte in den Ohren.
»Geht schon«, stammelte ich und rieb mir den Schwindel aus der Stirn.
»Ah«, sagte er. »Ein echter Naturbursche. Sowas gibt es selten. Eine kostbare Perle«, fügte er hinzu und überschritt dabei den Sicherheitsabstand meiner Komfortzone.
Der Duft, der von ihm ausging, war dezent. Wenig aufdringlich, wie auch seine Mode, die in schlichter Eleganz gehalten war und erst beim zweiten Blick angenehm auffiel.
»Bleib mir vom Leib«, bellte ich erschrocken und machte einen Schritt zurück.
»Stell dich nicht so an. Ich möchte mich doch nur mit dir unterhalten.«
Dabei verkürzt er unsere Distanz, wieder auf das Minimale und ich bekam eine Gänsehaut.
»Als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass ich dich ansprechen werde. Du bist männlich und stark. Ich kann dein Testosteron riechen. Du bist anders als die anderen«, flüsterte er und seine schwarzen Pupillen in den Augen weiteten sich. Sie verrieten ein sehnsüchtiges Verlangen und Begehren.
Seine Worte trafen mich wie ein Keulenschlag und ich stand da wie gelähmt.
»Es gibt keine Zufälle«, flüsterte er selbstsicher. »Ich glaube nicht an Zufälle. Es war Bestimmung, dass wir uns hier und jetzt getroffen haben.«
Dabei berührte er sanft meine Schultern.
»Aber ... Aber ich bin nicht schwul«, krächzte meine trockene Kehle.
»Ich weiß.«
»Aber ...«
»Ich suche einen Mann. Einen richtigen Mann. So einen wie dich. Schwuchteln kann ich eine Menge haben. Jedoch mein Herz ist begierig nach dir. Ich will schwul sein. Richtig schwul und nicht mit anderen Schwulen zusammen sein. Das sind keine Männer, so wie ich sie brauche. Verstehst du? Die können mir nicht das geben, was mir fehlt.«
Seine letzten Worte überschlugen sich in lebendiger Wildheit und seine Augen sprühten Feuer.
Ich stand vor ihm wie ein Feigling. Nackt, ungeschützt und zerbrechlich, doch seine Worte schmeichelten die Seele und stärkten mein Ego. Er sah in mir etwas, das viele ein Leben lang suchten, aber manche fanden es nie.
»Was erzählst du mir für ein Märchen? Wenn du mit mir zusammenkommen würdest, wäre ich doch genauso wie die, die du verachtest«, sagte ich und stieß ihn wieder einen Schritt zurück.
»Märchen? Märchen sagst du. Wenn du dein Ding in eine Jungfrau gesteckt hast, wirfst du sie dann weg? Nein, verdammt noch mal, das machst du nicht. Du wirst versuchen, deine erste Begegnung mit ihr, in deiner Fantasie lebendig zu halten. Aber das erste Mal, ist nun einmal das erste Mal, und mit den Jahren wird alles blass.«
»Das ist doch etwas ganz anderes«, widersprach ich.
»Das ist nichts anderes«, sagte er.
»Eine Frau bleibt eine Frau, egal, wie oft sie ihre Partner wechselt. Aber ein Mann wird schwul, wenn er nur ein einziges Mal mit einem Mann schläft.«
»Du machst es mir schwer«, sagte er mutlos und ließ seine Schultern hängen.
Es tat mir leid, ihn leiden zu sehen. Er hatte sich ernsthaft in mich verliebt und es geschafft, Gefühle in mir zu wecken, die bisher fremd für mich waren.
Das musste ich erst verdauen.
Er hob den Kopf und sah mich an. Seine Augen wurden feucht und er wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. Instinktiv nahm ich ihn in die Arme, wie meinen Bruder, dachte ich zuerst.
Doch dann spürte ich seine Wärme durch mein Hemd und ein Pulsieren. Zuerst dachte ich, es wäre sein Herz, doch dann erkannte ich bestürzt, dass es meines war, dass heftig anfing zu pochen.
»Ich … Ich würde dich … Ich würde dich dafür bezahlen. Alles, was ich habe. So viel du willst«, flüsterte er in seiner letzten verzweifelten Attacke.
Erschrocken ließ ich ihn los und gab ihm eine Ohrfeige. Sie war wohl dosiert. Nicht sehr fest und ohne Hass. Rein aus Enttäuschung.
Langsam hob er die Hand und berührte seine getroffene Wange. Dann sah er mir ins Gesicht und lächelte.