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Begebenheiten an einem Donnerstagabend

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10.08.2003
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Begebenheiten an einem Donnerstagabend

Ein zögernder Blick in den Spiegel weiß oft mehr über die kurz zuvor geschehenen Begebenheiten zu erzählen, als ein Taubstummer mit Tafel und einer Schere für Kinder ab Sechs Jahren.
Die schmalen Lippen bangten um ihre bis dahin noch so unerfüllte Existenz, während die Haare Kurt den größten Schreck einjagten.
Ganz grau waren sie. Um nicht zu sagen Steingrau.
Ähnlich wie man es in den Geschichten über tragische Schicksalsschläge und deren Folgen zu hören oder auf einer kleinen Tafel beschrieben bekommt.
Auch hier logen die schon immer ehrlichen Haare nicht. Kurt hatte einiges mitmachen müssen während der letzten Nacht.
Begonnen hatte alles mit dem Besuch der besten Freundin seiner Frau. Warum sie ihn besuchte, wusste er zu Anfang selbst nicht genau, da seine Frau ihrer Arbeit im Kinderhilfswerk nachging. Er war gerade dabei ein paar Bananen zu essen und sich die Schuhe zu binden, während im Hintergrund das Radio von einer halsbrecherischen Rettungsaktion in einem Kinderhilfswerk nahe seines Wohnort berichtete, bei der eine Frau siebzehn Kinder aus einem Feuer gerettet hatte.

Dann läutete es.

Die Tür ging auf, die beste Freundin seiner Frau stand vor ihm und unmittelbar darauf rutschte ihm das Herz in die Hose. Er stellte fest, dass es für eine derart attraktive und verruchte Frau kaum bessere Bekleidungsmöglichkeiten, als zwei Taschentücher und eine Rolle Klopapier geben kann. Sie gab eine hervorragende Mumie ab.
Er gab ihr die gewünschten Kopfwehtabletten und bald darauf ging sie wieder ihrer Wege, während er sich den anderen Schuh binden, die Banane aufessen wollte, von einem Erdbeben nahe eines Kinderhilfswerks in der Stadt und von einer daraus resultierenden Rettungstat einer dort fest angestellten Person hörte und erneut das Ding-Dong seiner Haustür erklang.
Die Banane wieder aus der Hand gelegt, einen Schuh fertig gebunden, schritt er zur Tür. Diese geöffnet traf er die Krankenhaushilfe aus der Nachbarschaft an, deren Bluse beträchtlich weit geöffnet war. Gott sei Dank hatte sie wegen der kühlen Witterungen aber eine zweite an und verschwand wieder mit der erbetenen Banane. Als Gegenleistung hatte sie ihm den zweiten Schuh gebunden und ihn darauf hingewiesen, dass sein rechter Socke von einem beträchtlichen Loch nahe der Ferse verziert wurde.
Über diesen Umstand aufgeklärt, ging er zurück in sein Schlafzimmer, um sich ein Paar Socken zu holen. Auf dem Weg dorthin hörte er noch von einer heldenhaften Rettungsaktion, bei der eine Frau zehn Kinder vor dem Ertrinken in einem der, dem Kinderhilfswerk nahe gelegenen, Baggerseen bewahrt hatte.
Die Tür geöffnet, schrak er ein drittes Mal an diesem Abend zusammen, als eine völlig nackte und unglaublich zerbrechlich erscheinende Amsel im Zimmer umherirrte und das Fenster suchte.
Dem armen Tier war schnell geholfen. Mindestens ebenso schnell, waren auch seine Socken gewechselt, doch bevor er sich die Schuhe anziehen konnte, läutete es erneut. Mit großen Schritten ging er zur Tür, ohne allerdings die, in den Special Special super special Speciality News erwähnte, Lebensretterin unzähliger Kinder, die beinahe in einem von einer Chlorwolke umgebenen Schulbus, einen Abhang nahe des Kinderhilfswerks hinabgestürzt wären, zu überhören.
Auf der Schwelle zu seiner Tür stand ein wunderbares sich anmutigend am rechten Nasenohr kratzendes Wesen, das neben dieser Eigenschaft auch der Freund seiner wunderschönen Tochter war. Dieser wollte jedoch nur den Biologieordner ausleihen und machte sich wieder vom Acker, ohne allerdings zu vergessen Kurt auf seine nicht vorhandene Hose aufmerksam zu machen.
Hosen sind für´n Arsch war Kurts Leitspruch, der hier wieder einmal, lauthals dem eklig vorlauten Freund nach geschrieen, seine Wirkung und Richtigkeit bewies.
Die Tür laut zuschlagend hätte er um Schienbeinsbreite das Klingeln des Anrufs überhört, der seinen bisherigen Donnerstagabend aus der Bahn werfen und selbst dort noch auf seinem Bob des Lebens herumtrampeln würde.
Seine Frau war tot. Gestorben, bei dem Versuch die Teenies vor der Gefahr von Handystrahlung und schlampig hergestellten Krebsverursachenden Chips zu warnen. Sie hatte nicht den zarten Hauch einer frühlingshaften Windhose einer Chance gehabt, schluchzte die namenlose Überbringerin der schrecklichen Nachricht in Tränen aufgelöst. Als sie zu brüllen begann, wie unglaublich leid es ihr tue, legte Kurt auf.
Er wollte allein sein.
Er wollte nicht bemitleidet werden.
Er wollte bemitleiden.
Sei es seine Frau, sei es er selbst, sei es die namenlose Überbringerin der schrecklichen Nachricht oder seien es die armen den Handystrahlen und schlampig hergestellten Krebserzeugenden Chips ausgesetzten Jugendlichen, die ihre Wut über die eigene Unwissenheit in solch aggressiven Handlungen ausdrückten.
In seiner Trauer ging er in die Garage und setzte sich auf den Platz, an den seine Frau allabendlich nach der anstrengenden Arbeit heimgekehrt war und ihn mit Küssen überschüttet hatte. Diesen Donnerstag würde sie nicht nach Hause kommen.
Das würde sie in Zukunft gar nicht nötig haben, sie würde in seinem Herzen weiterleben und immer auf ihn aufpassen, so wie sie es immer schon gemacht hatte.
Nur kein Geld würde sie mehr verdienen, und keine Freunde mehr auf einen Wein mit nach Hause bringen, und seine Löcher in den Socken flicken, das würde sie auch nicht mehr.
Als sich beim Hinausgehen auch noch ein Topf steingrauer Farbe über seinen Kopf ergoss, war er endgültig bedient.
Er würde diesen Sonntag CDU wählen.
Diesen Entschluss gefasst, setzte er sich und begann leise zu weinen.
Im Radio informierten sie ihn von einem Unfall nahe dem örtlichen Kinderhilfswerk, bei dem unzählige Kinder, wegen eines Sandsturmes erst ihre Hosen, dann das Augenlicht und schließlich ihre Leben lassen mussten, weil niemand da war, der sie rettete.
Irgendwie erkannte er sich in diesen Kindern wieder.
Sie hatten auch einen Todesfall in der Familie zu beklagen.

 

Tag, Maniac.

Ich werde diese Geschichte kurz auf mich wirken lassen, während ich die Unterlagen für den Bausparvertrag durchgehe, den abzuschließen ich erwäge.


Etwas später- vielleicht gegen neun, möglicherweise erst bei Auszahlung durch die BHW, werde ich deine Geschichte kommentieren.

Vorausgesetzt, mein Hirn, das Aufgrund der Leküre deiner Geschichte eher einer Bowlingkugel gleicht, ist dann wieder aufnahmefähig und bereit, mir Kleinigkeiten wie "Schreiben" und "denken" zu gestatten.


Bis später.

 

Bausparverträge sind was für uncoole Spießer...

Moin Maniac,

Absurd ja, wirklich lustig meiner Meinung nach irgendwie nicht. Du hast hier eine ganze Menge skurriler Situation und Handlungen drin. Da tauchen nackte Frauen auf und leihen sich Bananen, ohne daß du Hintergründe oder Motive erwähnst. Das finde ich an sich wirklich toll - genau mein Ding.
Leider hast du für meinen Geschmack aber deutlich zuviele dieser Situationen drin (die sich auch noch wiederholen: Schuhe zubinden, Radiomeldung, Frau vor der Tür, was ausleihen, Schuhe zubinden, Radiomeldung, Frau vor der Tür... Dadurch hat bei mir irgendwann eine Übermüdung eingesetzt.
Ein paar schöne Ideen und Sätze sind drin. Wirklich lachen mußte ich zwar nicht, aber unterhaltsam zu lesen war es allemal (wenn nur die inhaltlichen Wiederholungen nicht wären...)

Das würde sie in Zukunft gar nicht nötig haben, sie würde in seinem Herzen weiterleben und immer auf ihn aufpassen, so wie sie es immer schon gemacht hatte.
Der Satz hat mir verdammt gut gefallen. Auch wenn (oder gerade weil) er irgendwie so überhaupt nicht in die Geschichte paßt.

 

Hallo ihr

während Jack noch auf sich wirken lässt bedanke ich mich erstmal bei dir gnoebel.
Ein paar sehr gute Anregungen auf die zu reagieren sich recht schwierig gestaltet. Dass die skurrilen Situationen sich wiederholen und dadurch ein wenig träge wirken ist wohl wirklich nicht abzustreiten. Ich hatte eine andere Wirkung damit erzielen wollen.
Die Skurrilität hat sich nach und nach ergeben, es war anfangs gar nicht so krass geplant gewesen.
Dass ich dich dennoch unterhalten konnte freut mich im Nachhinein doch ein wenig.

Grüßle Maniac

 

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