Was ist neu

Befehl - überarbeitet

Seniors
Beitritt
08.11.2001
Beiträge
2.833

Befehl - überarbeitet

hallo! weiter unten findet Ihr eine überarbeitete Version. hab's versucht! Frauke

Befehl

Ich weiß, es ist gleich soweit. Die Menge ist versammelt und es kann sich nur noch um Minuten handeln. Aber niemand wird drängen. Man lauscht ihm. Ein Stadion der Stille. Nur für seine Worte. Die Bewunderung liegt als Decke über den Köpfen der Menschen. Solange er spricht, wird keiner einen Ton von sich geben. Weder auf den Tribünen, noch unten auf dem Feld.
Mein Blick schweift über die Mengen. Die Gesichter ihm zugewandt, in Ehrfurcht. Man folgt ihm. Er hat einen Plan und das haben die Menschen gebraucht. Er erklärt seinen Plan. Tut es in einfachen Worten. Der Tenor ist: alles wird gut, wenn ihr folgt. Ich sage Euch, wohin. Vertraut mir.
Und alle verstehen. Die Zeit rückt vor. Ich sehe verstohlen auf die Uhr über dem Spielfeld. Gleich wird es beginnen. Nicht lange, das ist es nie, aber heute sind es so viele. Dann dauert es doch etwas länger. Es sind ein paar Hundert. Die Gründe sind nicht so verschieden. Das ist jetzt auch egal. Die Frage nach dem Warum beantwortet er nicht. Das gehört auch zum Plan.
Er macht eine Pause. Die Tribünen spenden Applaus. Die Aufregung steigt jetzt. Er sollte beginnen. Das Spielfeld blickt zu ihm auf. Ein dichter Pelz aus Körpern, sie alle sehen ihn an. Mein Blick fällt auf ihr Gesicht. Es ist eins in der Gruppe. Die Augen zielen auf mich. Sie ruft nach mir mit diesem Blick. Aber ich kann sie nicht hören, bei all dem Applaus.

Seine Hand senkt sich herab, der Lärm siegt über die Erfurcht und es ist schneller vorbei, als ich dachte. Nur Minuten des Prasselns. Stolz stehe ich da, und tu meine Pflicht. Bin ausgewählt worden, für heute. Werd zeigen, dass ich es beherrsche. Obwohl ich zu jung bin, mit grade erst Zwanzig. Die Menge dort oben tobt lauter. Dieser Applaus, der gilt uns. Mein Herz schlägt vor Stolz ein wenig schneller. Kaum zu fühlen, bei all dem Lärm.

Kein Blick mehr von unten herauf. Kein Gesicht mehr, in das wir sehen. Sie liegen dort unten, nicht eine Bewegung. Wir recken die Arme und lassen uns feiern. Die Menge zerstreut sich, es gibt nichts zu sehn.

Zusammen mit den Kameraden wate ich durch ihre Körper. Wir müssen jetzt sehen, ob einer noch lebt. Von Zeit zu Zeit gibt es Fehler. Die werden verbessert und dann ist es gut.
Ich steh neben ihr und hätte sie fast nicht erkannt. Ihr Gesicht verschmiert mit dem Blut. Die Lippen, an die ich mich noch so gut erinner, stehen offen, wie zu einem Schrei. Nach all diesen Jahren ist es schwer, nicht zu denken. Ihr Blick bleibt mir noch Stunden im Sinn. Doch der Stolz und der Whiskey vertreiben auch das.

[ 06.05.2002, 01:02: Beitrag editiert von: arc en ciel ]

 

Hi Arc!
Deine Geschichte erinnert mich an eine Mischung aus dem Dritten Reich und den Gladiatorenkämpfen im alten Rom. War sicher beabsichtigt.

Die Augen zielen auf mich. Sie ruft nach mir mit diesem Blick. Aber ich kann sie nicht hören, bei all dem Applaus.
Dieses Bild ist sehr schön.
Meiner Meinung nach müssten mehr solcher Bilder vorkommen, bzw. der "Befehl" müsste klarer sein.

In diesem Zustand wirkt der Protagonist nicht besonders gezwungen auf mich, was aber - so denke ich - der Sinn dieser Geschichte sein sollte, oder?

Ansonsten schon gut geschrieben, nur der Inhalt fällt für mich etwas flach aus.

Eins noch: "Ehrfurcht" schreibt man mit "h".
Und das "Nun. Ja, ..." am Anfang stört mich, klingt nicht so schön.

Ugh

[ 05.05.2002, 00:49: Beitrag editiert von: Bibliothekar ]

 

Hi arc,
du schaffst es erstaunlich leicht mit wenigen Worten Atmosphäre zu schaffen. Und schockst mit dem letzten Absatz. Bis dahin befand ich mich in einem (Fußball-)Stadion, als Spieler auf den Beginn des „Spieles“ wartend. Dann werde ich Zeuge einer Massen-Hinrichtung, sehe den Protagonisten nicht mehr sympathisch, sondern im Gegenteil, als gedankenlosen, menschenverachtenden Auftragskiller. mE spielt es eigentlich dabei keine Rolle, ob du damit ein bestimmtes Regime ansprichst oder nicht, die Führerrolle wird erst einmal automatisch mit einer leider allzu gut bekannten Persönlichkeit assoziiert.
Ist dir klasse gelungen.

Gruß vom querkopp

 

danke Ihr beiden.
Bib, ich hab die beiden Stellen ( Anfang und "h" ) ausgebessert. Hast Recht.
Auf welches "Regime" sich der Text bezieht, habe ich extra offengelassen. Ich hab allerdings gestern abend eine sehr gute Reportage über Hilter und Chalrie Chaplins "Der große Diktator" gesehen. Und mich daraufhin hinreißen lassen, noch was zu schreiben. Ich kann also nicht bestreiten, daß das Dritte Reich eine Rolle gespielt hat. Aber die Stadion-Hinrichtung erinnert mich an Bilder aus Afghanistan. ( und Rom sicherlich ) Die Dimension ist allerdings mehr wieder die der Nazis,...

der Befehl... ja, das ist so eine Sache.
Ich denke, einerseits ist es schon der Befehl, den er bekommen hat. Nur ist er auch von irgendeiner Ideologie verführt. Denn er ist stolz darauf, ausgewählt worden zu sein. Stolz auf die Ausführung. Und ich denke, daß der Befehl da insoweit eine Rolle spielt, als er am Nachdenken hindert.
Ich glaube, es war Kästner ( "Der 35. Mai"? ), der geschrieben hat, daß Soldaten deshalb so kleine Helme tragen, damit sie nicht denken können. - irgendsowas hab ich wohl gemeint.

Was ich damit "zeigen" ( beschreiben ) wollte, ist daß Menschen zu sehr vielem verführt werden können / (moralisch) sehr anpassungsfähig sind. Daß man sich an Ausreden klammert, die nicht wirklich taugen. Aber, daß es Dinge gibt, die einen aufrütteln. Die die heile Welt zerstören.
Aber, nicht daß das zu einem Umdenken führen müßte. Nein, nein! ein wenig Alkohol und schon ist alles wieder gut. Hauptsache Vergessen.

Ich habe mit Absicht versucht, eine möglichst alltägliche Situation zu schreiben. Ich hab schon das Fußball-Bild verwendet. Aber ich dachte nicht, daß man tatsächlich daran glaubt. Wenn das dazu geführt hat, daß es zu banal wirkt, fände ich das schade. Ich dachte, daß gerade der Konstrast dazu beiträgt, mehr zu schocken.

Lieben Gruß,
Frauke

 

Man kann kaum bestreiten, dass Du Atmosphäre schaffst. Du versetzt den Leser in eine andere Zeit/Welt. Auch denkanregend ist der Text. Im großen und ganzen ist die Idee akzeptabel umgesetzt.
Es sind einige Feinheiten im Text, die man besser hätte herausarbeiten können, damit sie deutlicher ins Gewicht fallen. Einerseits ist er von der Ideologie durchdrungen, andererseits aber ist er sich der Unmenschlichkeit bewusst. Diesen Gegensatz hättest Du meiner Meinung nach besser herausarbeiten sollen.
Kann er denn wirklich so sicher den Befehl ausführen? Hat er denn gar keine Zweifel? Warum kommen sie dann später doch irgendwie durch?
Etwas mehr Tiefe wäre hier günstiger gewesen. Da hätte man mehr draus machen können.

 

Hi Arc!
Zaza hat schon sehr gut formuliert, was auch mir fehlt.

Es ist nicht so, dass das "Fußballstadion" zu banal ist. Nur musste ich eben sofort an das Dritte und Römische Reich denken - daher hat mich der weitere Verlauf nicht überrascht, ich wusste einfach, dass so etwas passiert.
Ist aber in Ordnung so, nur noch ein bißchen an der Tiefe arbeiten, ja? :)

Ugh

 

gut, da werd ich auf Euch beide hören. Mal sehen, ob ich es hinbekomme, da noch etwas reinzubringen. Danke jedenfalls für Eure Kritiken.
Im Überarbeiten bin ich zwar echt nicht so gut, aber ich werde es versuchen. man lernt, man lernt!

Lieben Gruß,
Frauke

 

Hi Arc,

ich kann mich den anderen nur anschließen:
ist dir super gelungen. :thumbsup:
Der Titel lässt schon erahnen, dass es kein gutes Ende haben wird.

sehr gute Reportage über Hilter und Chalrie Chaplins "Der große Diktator" gesehen.
1. Charlie und nicht Chalrie. ;)
2. War das nicht Spiegel TV auf VOX? :susp:

 

ja Charlie, hast Recht ;)
und ja, hast gleich nochmal Recht: Siegel TV Spezial auf Vox.
Den Teil über Heinz Rühmann hab ich dann nur noch zum Teil gesehen. Irgendwann war meine Konzentration futsch.
Danke übrigens für das Lob. Muß eben noch ein bißcen an der Intensität arbeiten. mal sehen, wie..

Frauke

 

Befehl - überarbeitete Version

Ich weiß, es ist gleich soweit. Die Menge ist versammelt und es kann sich nur noch um Minuten handeln. Aber niemand wird drängen. Man lauscht ihm. Ein Stadion der Stille. Nur für seine Worte. Die Bewunderung liegt als Decke über den Köpfen der Menschen. Solange er spricht, wird keiner einen Ton von sich geben. Weder auf den Tribünen, noch unten auf dem Feld.
Mein Blick schweift über die Mengen. Die Gesichter ihm zugewandt, in Ehrfurcht. Man folgt ihm. Er hat einen Plan und das haben die Menschen gebraucht. Er erklärt seinen Plan. Tut es in einfachen Worten. Der Tenor ist: alles wird gut, wenn ihr folgt. Ich sage Euch, wohin. Vertraut mir.
Und alle verstehen. Die Zeit rückt vor. Die Lautsprecher knistern statisch. Seine Stimme setzt sich dagegen durch. Ich sehe verstohlen auf die Uhr über dem Spielfeld. Zeiger rückend bis zu ihrem Punkt. Gleich wird es beginnen. Nicht lange, das ist es nie, aber heute sind es so viele. Dann dauert es doch etwas länger. Es sind ein paar Hundert. Die Gründe sind nicht so verschieden. Das ist jetzt auch egal. Die Frage nach dem Warum beantwortet er nicht. Das gehört auch zum Plan. Ein Warum würde wirbeln in ihren Körpern, in ihren Gedanken. Würde die Energie ziehen aus dem, was er anheizt.
Er macht eine Pause. Die Tribünen spenden Applaus. Die Aufregung steigt jetzt. Er sollte beginnen. Das Spielfeld blickt zu ihm auf. Ein dichter Pelz aus Körpern, sie alle sehen ihn an. Mein Blick fällt auf ihr Gesicht. Es ist eins in der Gruppe. Die Augen zielen auf mich. Sie ruft nach mir mit diesem Blick. Aber ich kann sie nicht hören, bei all dem Applaus.

Seine Hand senkt sich herab, durchschneidet die Schreie. Der Lärm siegt über die Erfurcht und es ist schneller vorbei, als ich dachte. Nur Minuten des Prasselns. Stolz stehe ich da, und tu meine Pflicht. Bin ausgewählt worden, für heute. Werd zeigen, dass ich es beherrsche. Obwohl ich zu jung bin, mit grade erst Zwanzig. Die Menge dort oben tobt lauter. Dieser Applaus, der gilt uns. Mein Herz schlägt vor Stolz ein klein wenig schneller. Kaum zu fühlen, bei all dem Lärm.

Kein Blick mehr von unten herauf. Kein Gesicht mehr, in das wir sehen. Sie liegen dort unten, nicht eine Bewegung. Wir recken die Arme und lassen uns feiern. Die Menge zerstreut sich, es gibt nichts zu sehn.

Zusammen mit den Kameraden wate ich durch ihre Körper. Wir müssen jetzt sehen, ob einer noch lebt. Von Zeit zu Zeit gibt es Fehler. Die werden verbessert und dann ist es gut.
Ich steh neben ihr und hätte sie fast nicht erkannt. Ihr Gesicht verschmiert mit dem Blut. Die Lippen, an die ich mich noch so gut erinner, stehen offen, wie zu einem Schrei. Nach all diesen Jahren ist es schwer, nicht zu denken. Die Erinnerung bohrt Löcher in meinen Panzer, aus denen ihr Blut in mich sickert. Ihr Blick bleibt mir noch Stunden im Sinn. Doch der Stolz und der Whiskey vertreiben auch das.

 

Liebe Frauke

Die überarbeitete Version ist schon dichter, aber am Ende hast Du nen dicken bax eingebaut...wie kann etwas(ihr Blut) aus den Löchern seines Panzers IN ihn hineinsickern ???

Wenn Du das noch hinbekommst, wird alles gut

der Lord ;)

 

hi Lord!
Du hast Recht, die Stelle ist "interessant"...
aber kann man sich das nicht vorstellen? da er den Panzer ja von innen sieht, sickert das Blut doch aus den Löchern heraus - und damit zu ihm herein.
also gedacht ist es so, als ob ein Faß unter Wasser gedrückt wird, in dem man sitzt. Dann sickert das Wasser durch die Löcher zu mir herein...

Versteht man es so, wie es gemeint war? oder braucht es diese Erklärung notwendigerweise? dann muß ich nochmal dran.

Vielen Danke,
Frauke

 

Was mir immer noch nicht gefällt, ist die persönliche Beziehung des Täters zu einer Frau unter den Opfern... viel zu konventionell.
Ist aber nur mein subjektiver Eindruck.

 

Ach ja, noch was:
Der Fehlerteufel ist unter uns. Uffmucker hat ja schon aufgepasst:

sehr gute Reportage über Hilter und Chalrie Chaplins "Der große Diktator" gesehen.
1. Charlie und nicht Chalrie.
Nur... who the f*** is Hilter?

 

Hilter ist die Variante meines Rechtschreib-Programms, wie's aussieht. Ich hatte das sogar vor dem Posten mal korrigiert, und jetzt steht es da wieder! :eek2: ( das war eine Zeit, als ich längere Postings manchmal mit Word geschrieben habe, und noch nicht mit Profi-Kritik. Stelle hiermit richtig: es ging um Hitler. Aber editieren werd ich das jetzt nicht. Charlie auch nicht ;)

wie stellst Du Dir denn eine bessere Beziehung zwischen ihm und der Frau vor? oder lieber gar keine? dann kann man aber doch diese (Bürgerkriegs)-Perversität nicht so schön darstellen...

bin gespannt,
Frauke

[ 08.06.2002, 22:19: Beitrag editiert von: arc en ciel ]

 

Hey Frauke,
diese Erwähnung der Frau wirkte auf mich konstruiert, da das Szenario ja von einer industriell aufgezogenen Massenvernichtung kündet, die ich nicht als Bürgerkriegsperversion bezeichnen kann, sondern als Ergebnis von Indoktrination und Propaganda.
Hab mal ´ne alte Story von mir rausgekramt:
Wiedersehen
Da wurd das Thema anders angegangen. Meine Meinung ist halt: Wenn schon derartig menschenverachtend und massenansprechend aufgezogener Genozid, dann ist es einfach unwahrscheinlich, dass ein Vertreter der ausführenden, sprich: mordenden Gewalt etwas mit einem - nicht mehr als Mensch gesehenen - Opfer etwas hat.
para

 

naja, Du hast ja schon Recht. Wozu mir die Frau "diente", war zu zeigen, daß das "System" vielleicht "funktioniert", aber eben auch, daß der Faktor Mensch nicht verschwindet. Daß man in der Masse immer Verbindungen findet, daß es eben nicht so "abstrakt" ist, nicht so technisch...

LG,
Frauke

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom