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Bambam - Tage wie dieser
Es war ein heißer Nachmittag im Juli, ich musste arbeiten, und die Klimaanlage war mal wieder kaputt. Dazu muss ich kurz erklären, dass unsere Videothek zur Straße hin eine breite Fensterfront hat, die zu dekorieren immer beinahe einer Lebensaufgabe gleicht. Eine Neudekoration der Schaufenster stand jedoch nicht an, aber diese Fensterfront zeigt zur Südseite, und wenn wie an diesem Tag die Sonne gnadenlos vom Himmel knallte, fragte ich mich manchmal, warum wir nicht als Nebenerwerbsquelle ein Sonnenstudio oder eine Sauna eröffnen.
An solchen Tagen wunderte ich mich immer wieder, dass wir überhaupt Kunden hatten. Während ich schwitzend hinter dem Tresen stand und mir nichts sehnlicher wünschte als jetzt ins Freibad gehen zu können oder auf einem schattigen Balkon zu sitzen, gingen diese Menschen trotz des schönen Wetters und des Sonnenscheins in die Videothek, um sich einen Film auszuleihen, den sie dann bei heruntergelassenen Vorhängen gucken mussten. Im Grunde fielen mir nur zwei Personengruppen ein, bei denen ich mir dieses Verhalten hätte erklären können. Zum einen absolute Freaks und Videojunkies, die süchtig nach der Droge Film waren, zum anderen Vampire. An Vampire glaube ich bis jetzt nicht, da mir bisher keiner begegnet ist. Naja, zumindest hat sich mir noch keiner vorgestellt oder ist mir an den Hals gefallen. Und da es sowieso selten vorkommt, dass sich mir jemand an den Hals wirft, weiß ich, wovon ich rede. Es ist also im Grunde schon möglich, dass ich schon mal einem Vampir begegnet bin, ich halte es aber für unwahrscheinlich. Und wenn die Kunden an solchen Tagen alles Junkies sind, dann frage ich mich, warum unser Gesamtumsatz nicht höher ist.
Jedenfalls gibt es immer wieder Kunden, und sehr zu meinem Leidwesen auch gerade an Tagen wie diesem immer wieder welche mit ausgefallenen Wünschen und besonders komplizierten Fragen. Gerade jetzt stand wieder so ein Exemplar vor mir und suchte nach einem Streifen, dessen Titel ihm partout nicht einfallen wollte.
„Also ich meine diesen Film mit der Schauspielerin, die neulich verstorben ist“, erklärte er mir, „die, die auch Oscars bekommen hat.“
Ja, selbstverständlich! Es gab ja auch nur einen einzigen Film aus dem riesigen Hollywood, in dem eine verstorbene Oscargewinnerin mitgespielt hat.
„Da hat auch dieser andere Schauspieler mitgemacht“, erläuterte der Mann auf der anderen Seite des Tresens weiter und sah mich erwartungsvoll an, „und die Tochter von dem.“
Meine anhaltende Ratlosigkeit veranlasste ihn zu weiteren Erklärungen. Die Tochter, sowie auch der Vater seien ebenfalls sehr bekannt und oscargekrönt, nur leider hatte er doch ein schlechtes Namensgedächtnis. Seinem herablassenden Blick nach zu urteilen, konnte er absolut nicht verstehen, warum ich ihm trotz seiner reichhaltigen Angaben nicht weiterhelfen konnte und holte immer weiter aus.
„Die Tochter, die hat doch auch in diesem berühmten Film mitgespielt, wissen sie...“
Nein, ich wusste leider nicht, und selbst, wenn ich ihm krampfhaft hätte helfen wollen, waren seine Aussagen leider nicht wirklich aufschlussreich. Allerdings wollte ich ihn nur noch schnellstmöglich loswerden, denn inzwischen hatte sich hinter ihm eine Schlange gebildet, und meine Kollegen mussten sich sehr zurückhalten, damit sie sich nicht lachend am Boden wälzten.
„Den Filmtitel, also den von der Tochter“, redete sich mein Kunde weiter in Rage, „da hat auch mal dieser DJ ein Lied dazu gemacht.“
Diese letzte Erklärung weckte nun doch meine Neugier und schon langsam entschlummernde Aufmerksamkeit.
„Sie wissen schon, dieser DJ, der auch immer auf dieser Insel, also nicht Mallorca, sondern die andere, auflegt. Der, der früher auch immer diese Droge genommen hat. Wie hieß die noch gleich?“
„Koks.“
„Ja, genau. Und den Film meine ich.“
Mein Gehirn hatte sich inzwischen hochgefahren, die Suchfunktion war gestartet, und da das System trotz Überhitzung stabil lief, spuckte es bereits erste Ergebnisse aus. Der DJ mit früheren Kokainproblemen konnte nur Sven Väth sein, dann musste es sich bei besagtem zweiten Film um Barbarella handeln. Die Hauptdarstellerin daraus war Jane Fonda, ihr Vater Henry Fonda, also musste die verstorbene Oscargewinnerin Katharine Hepburn sein.
„Der Film, den sie suchen, heißt ‚Am goldenen See’“, verkündete ich stolz und warf dabei meinen nunmehr zur Salzsäule erstarrten Kollegen einen triumphierenden Blick zu. Der Kunde hingegen setzte ein glückliches Lächeln auf, und es hätte mich nicht verwundert, wenn er vor Freude auch noch Luftsprünge gemacht hätte. Ich hatte ihm helfen können, sein Film war gefunden, und sein Vertrauen in meine Verkäuferfähigkeiten wiederhergestellt.
Dennoch musste ich ihm nach einem Blick in den Computer leider mitteilen: „’Am goldenen See’ ist aber leider zur Zeit ausgeliehen. Tut mir echt leid.“
„Ach, das macht nichts, dann leihe ich mir den später mal aus. Es gibt da noch diesen anderen Film, den ich gerne mal sehen würde. Warten sie, wie hieß der doch gleich?“
Genau in diesem Augenblick kehrte das hämische Grinsen in die Gesichter meiner Kollegen zurück, und ich wünschte mich weit an einen einsamen goldenen See.