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Bambam - My Girl
Ich erinnere mich noch an meine erste Liebe als wäre es gestern gewesen. Noch immer sehe ich ihr Gesicht vor mir, und noch immer überkommt mich die Wut, wenn ich an jenen schwarzen Tag denke. Aber ich glaube, es ist besser, ich erzähle es euch von Anfang an.
Nachdem der Wecker geklingelt hatte, war ich unter die Dusche gerannt und hatte mir dann die Haare gestylt. Ich war gerade dabei, mich anzuziehen als mir auffiel, dass ich mich zum ersten Mal in meinem Leben auf die Schule freute. Diese Neue, Christina, hatte mir auf Anhieb gut gefallen. Sie war lustig, umgänglich, sympathisch und vor allem nicht zickig wie alle anderen Mädchen damals. Den ganzen Vormittag über hatte ich sie angestarrt, und auf dem Nachhauseweg dann bemerkt, dass ich mich in sie verknallt hatte. Allein das war schon ziemlich ungewöhnlich für mich, denn normalerweise dauert es sehr viel länger, bis ich mir über meine Gefühle klar werde, doch sie hatte es mir angetan und ich konnte an nichts anderes mehr denken.
Am nächsten Morgen suchte ich nun also meine tollsten Klamotten raus, ich wollte unbedingt einen guten Eindruck auf sie machen. Aus heutiger Sicht sah ich komplett lächerlich aus, aber wenn ihr mal rund zehn Jahre zurückdenkt, wird es euch nicht anders ergehen. Damals war ich jedenfalls stolz auf mich, denn vorher hatte ich mich noch nie für ein Mädchen in Schale geworfen. Immer wieder fragte ich mich, ob ich mich trauen würde, sie anzusprechen. Das Anziehen dauerte lange genug, um das Frühstück zu verpassen, aber in dem Moment waren mir so profane Dinge wie Nahrungsaufnahme völlig egal. Stattdessen überprüfte ich lieber noch ein letztes Mal mein Aussehen und vor allem mein lange einstudiertes Verführerlächeln, bevor ich endgültig aus dem Haus ging und sozusagen die Arena betrat. Erst an der nächsten Ecke bemerkte ich, dass ich meine Schultasche vergessen hatte und rannte noch einmal zurück. Christina hatte mir wirklich den Kopf verdreht. Keuchend erreichte ich im letzten Augenblick den Bus, stolperte beim Einsteigen und knallte mit dem Knie genau auf die Kante der Treppenstufe. Da Indianer, und als solcher fühlte ich mich, aber keinen Schmerz kennen, biss ich die Zähne zusammen und ärgerte mich lediglich über das Loch in meiner Hose. Vielleicht würde Christian das gerade toll finden, versuchte ich mir einzureden, denn zerrissenen Jeans waren damals schließlich noch in. Guten Mutes suchte ich mir einen Platz und dachte die ganze Zeit über an Christina. Ich dachte an ihre langen dunklen Haare und ihre wunderschönen braunen Augen, an ihr hübsches Gesicht und dieses unwiderstehliche Lächeln, und nicht zuletzt auch an die weiblichen Reize ihres Körpers, die bei mir absolute Hormonwirbelstürme auslösten. Sie würde das erste Mädchen sein, mit dem ich gehen würde, dessen war ich mir zu dem Zeitpunkt ganz sicher, und außerdem wurde es mit fünfzehn auch langsam Zeit für erste Erfahrungen.
Dass mein Freund Julian, der sich neben mich gesetzt hatte, mir von einer neuen Cd, die er sich gekauft hatte, erzählte, bekam ich gar nicht mit. Ich glaube, es handelte sich um Whigfield oder 2 Unlimited, also in sofern habe ich auf lange Sicht auch nichts verpasst. Erst als Julian mich zum dritten Mal und jetzt lauter fragte, ob ich ihm überhaupt zugehört habe, kehrte ich in die Realität zurück.
„Ja ja, du hast Recht, das Wetter ist heute toll“, antwortete ich, nur um überhaupt etwas zu sagen. Als Julian daraufhin aufstand und sich auf einen anderen Platz setzte, merkte ich, dass ich meinen Freund wohl verärgert hatte. Doch das war jetzt unwichtig, im Vergleich zu dem, was gleich auf mich zukommen sollte. Hoffentlich trug Christina heute wieder diesen unglaublichen Minirock von gestern, dachte ich mir. Wann sollte ich sie denn am besten ansprechen? Wahrscheinlich war es in der großen Pause am günstigsten. An die Nervosität, was mein Timing betraf kann ich mich heute noch so gut erinnern, weil sich daran noch immer nichts geändert hat. Wenn ich heute ein Mädchen anspreche, dann zerbreche ich mir vorher immer noch den Kopf und lege mir einen Schlachtplan zurecht. Mit Sicherheit kann ich es nicht sagen, aber ich vermute mal, dass die Erfahrung von damals an diesem Verhalten nicht ganz unschuldig ist.
Als der Bus vor der Schule stoppte, stürmten die Schüler aufs Schulgebäude zu, während ich beim Aussteigen nochmals auf die Klappe fiel. Das Gelächter meiner Mitschüler hörte ich diesmal gar nicht. Ich hatte Wichtigeres im Kopf.
Beim Reingehen sah ich sie endlich und es traf mich wie ein Blitz, verschlug mir die Sprache und bemächtigte sich all meiner Gedanken. Sie sah noch besser aus als am Tag zuvor und ich hatte nur noch Augen für sie. Letzteres machte sich deutlich bemerkbar als ich voll vor die gläserne Eingangstür rannte und mich damit nun vollständig zum Klops machte. Vielleicht würde aber Christina die Schramme auf meiner Stirn besonders männlich und attraktiv finden. Trotzdem tat es weh. Als ich mich nach dem Schreck wieder nach ihr umsah, war sie verschwunden. Wie eine Märchenprinzessin hatte sie sich aufgelöst und nur ein Schmerz blieb zurück. Ich meine natürlich den an meiner Stirn und am Knie, denn was alles andere betraf, war ich immer noch guter Hoffnung und fest entschlossen, heute mit der Leibe meines Lebens zusammenzukommen.
Während der ersten Stunde, der Mathestunde, dachte ich immer noch an sie und bekam vom Unterricht nichts mit. Nicht, dass ich sonst in Mathe aufmerksamer gewesen wäre, aber heute war ich geistig um Lichtjahre vom Geschehen im Klassenraum entfernt. Als mein Sitznachbar mich anstieß und mir zuflüsterte, ich solle zur Tafel kommen, hatte ich sogar vergessen, welches Fach wir gerade hatten. Und auf dem Weg zur Tafel, trat mir Julian, der wohl immer noch sauer war, mir dann in den Hintern, so dass ich unserem Lehrer beinahe in die Arme flog.
„Du hast es aber eilig!“, kommentierte der und reichte mir ein Stück Kreide. Ich musste wohl geschaut haben als hätte ich noch nie Kreide gesehen, denn jedenfalls fingen alle an zu lachen. Es könnte allerdings auch sein, dass meine Träumereien von Christina deutliche körperliche Auswirkungen bei mir zeigten, die auch den anderen nicht verborgen bleiben. Es war jedenfalls der reinste Horror und ein absoluter Spießrutenlauf.
Irgendwann war diese Stunde jedoch überstanden, und auch die zweite Stunde ging vorüber. In der hatten wir, wenn ich mich richtig erinnere übrigens Chemie und sollten einen Versuch durchführen. Aber außer, dass mein Versuchsaufbau explodierte und mein T-Shirt schwarz färbte ist in jener Stunde nichts weltbewegendes passiert. Beim Klingeln stürzte ich wie ein Bekloppter auf den Schulhof und sah mich nach meiner Christina um. Endlich entdeckte ich sie in einer Gruppe kichernder Mädchen, wobei mich jedoch der Mut verließ, weil ich mich nicht traute, sie vor Zuschauern anzureden. Die Zeit bis zum Ende der Pause verbrachte ich damit, sie unentwegt anzusehen und darauf zu achten, dies nicht gar zu auffällig zu tun. Einmal traf mich ein Ball am Kopf und ein jüngerer Schüler entschuldigte sich bei mir, doch auch das nahm ich kaum wahr. Dass ich mich bei meinen Klassenkameraden, die natürlich auch nicht blöd und blind waren, lächerlich machte, ebenso wenig. Wieso beobachteten sie mich auch? Nur weil einer eine Viertelstunde lang regungslos in zerrissenen Klamotten auf dem Schulhof stand und in eine Richtung starrte?
Dann klingelte es endlich und Christina löste sich von der Gruppe. Jetzt hatte ich meinen großen Auftritt. Ich begann zu schwitzen und zu zittern, schluckte es hinunter und ging dann betont lässig und mit den Händen in den Taschen auf sie zu. Das mit den Händen in den Taschen war notwendig, weil sie keinesfalls sehen sollte, wie sehr diese zitterten, es stellte sich trotzdem als großer Fehler heraus. Als ich direkt hinter ihr war, übersah ich eine Stufe, stolperte, konnte mich, weil ich die Hände in den Taschen hatte, nicht abstützen und landete genau vor Christinas Füßen. Sie guckte mich etwas erstaunt an, reichte mir dann die Hand und half mir aufzustehen. Ich genoss ihre Berührung! Jetzt war das Eis gebrochen, der erste Schritt war getan, sie hatte mich bemerkt und mir sogar gleich die Hand gereicht. Ich glaubte damals, ich würde diesen Moment nie wieder vergessen.
„Hi! Ich bin Robert“, stammelte ich und versuchte dabei möglichst ruhig zu bleiben. Innerlich verfluchte ich wieder einmal meinen Namen, denn welches Mädchen wurde schon weich, wenn man sich ihr als Robert vorstellte?
„Das macht ja nichts“, erwiderte sie und ließ mich stehen. Wie vor den Kopf geschlagen sah ich ihr nach. Wie konnte sie gehen ohne mir auch nur eine Chance zu geben, sie anzumachen? Ich starrte hinter ihr her und beschloss, so leicht nicht aufzugeben. Vor ihrer Klassentür sah ich sie wieder. Sie quatschte mit einigen Mädchen und kicherte laut. Bis heute weiß ich nicht genau, ob die Mädchen über mich geredet haben, vermute es aber. Damals redete ich mir ein, Christina habe sich schon in mich verliebt und sei nur weggelaufen, weil sie es nicht zugeben wollte.
Ich wollte es noch einmal versuchen, und zwar im Frontalangriff. Also ging ich zu den Mädchen hinüber, baute mich vor Christina auf und legte los: „Ähm... äh...“ Plötzlich hatte mich der Mut verlassen. „Ich...“, stammelte ich, „... willst du... äh... mal mit mir 'n Eis essen gehen... heute Nachmittag?“ Fast hätte ich gar kein Wort mehr herausbekommen, aber nun hatte ich es geschafft, war stolz auf mich und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Sie sah mir ins Gesicht, wovon mir ein kalter Schauer den Rücken hinunterkroch, dann schaute sie langsam an mir herunter, dann wieder hinauf und sagte schließlich: „Nein!“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sie sich um und ging. Ich war fassungslos. Fast hätte ich angefangen zu heulen. Wieso hatte sie mich abgewiesen? Wozu nahm ich all meinen Mut zusammen, wenn es doch nichts brachte? Wie konnte sie mir das nur antun?
Niedergeschlagen rannte ich auf die Toilette und besah mein Spiegelbild. Na gut, ich hatte eine zerrissene Hose, eine ziemlich große Schramme im Gesicht und ein verrußtes T-Shirt. Aber war das ein Grund, nicht mit mir auszugehen? Soweit ich sie kannte, gehörte sie nicht zu den Frauen, für die nur Äußerlichkeiten zählten, sondern blickte tiefer, hinter die Fassade, genau in mein goldenes Herz. Trotzdem konnte es nicht schaden, wenn ich mir wenigstens das Gesicht wusch. Zu blöd nur, dass ich das Shirt nicht wechseln konnte. Obwohl... vielleicht würde sie es sexy finden, wenn ich mit nackten Oberkörper herumlaufen würde? Vielleicht war das im Januar aber auch eher unangebracht. Es waren die Gedanken der Verzweiflung, die durch mein Gehirn strömten, die Gedanken eines abgewiesenen Teenagers, der in diesem Augenblick dachte, er würde nie wieder eine Frau abbekommen und sein Leben lang nur noch Körbe sammeln. Naja, so verkehrt war der Gedanke gar nicht, doch das wusste ich damals zum Glück noch nicht. Und dann kam mir die rettende Idee. Ich musste Julian fragen, ob er mir helfen konnte. Schließlich kannte Julian alle Anmach-Tricks und wusste genau, wie man Mädchen anspricht. Aber würde Julian mir noch helfen? Wir hatten uns heute morgen schließlich gestritten und mein Verhalten war echt zum Kotzen gewesen. Ich wusste zwar nicht mehr, worum es ging, aber dass ich im Unrecht war, spürte ich dennoch. Egal. Ich wollte Julian wenigstens fragen. Fragen kostet nicht, sagte ich mir.
Also rannte ich los, rannte in den Klassenraum. Mein Freund war nicht dort.
„Er ist unten auf dem Schulhof“, rief ein Klassenkamerad und ich spurtete los. Bei der Treppe nahm ich immer zwei Stufen auf einmal, und natürlich geriet ich ins Stolpern, denn wenn an einem Tag etwas schief ging, dann auch alles. Mir war es allerdings egal, Hauptsache, ich fand Julian und er würde mir helfen. Ich schoss eilig auf den Hof und... blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Ich konnte kaum fassen, was ich sah. Julian stand dort in der Ecke, engumschlungen und den Kuss scheinbar genießend mit einem Mädchen. Christina.
Ja, das war sie, meine erste große Liebe. Sie dauerte genau zwei Tage und endete in einem Desaster. Wochenlang war ich am Boden zerstört, traute mich vor Scham kaum in die Schule und weinte mich abends in den Schlaf. Heute sehe ich die Angelegenheit etwas gelassener. Julian und Christina waren etwa zwei Wochen zusammen, bevor sie ihn zugunsten eines Oberstufenschülers abservierte, nach der Schule habe ich von ihr nie wieder etwas gehört, und er hat inzwischen drei Kinder von drei verschiedenen Frauen, um die er sich nicht kümmert. Unsere Freundschaft war nach diesem Erlebnis selbstverständlich beendet, ich glaube, es hatte etwas mit männlichem Ehrgefühl zu tun, aber letztlich habe ich nur daraus gelernt. Inzwischen stecke ich nämlich Niederlagen sehr viel leichter weg und manchmal gelingt es mir sogar, mich nicht völlig zum Affen zu machen, wenn ich mich verknallt habe.