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Ballspiel

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27.02.2002
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Ballspiel

Naß und grau schlug der Regen nun schon seit mehreren Stunden Blasen auf den rissigen Asphalt der Straße. Nur im Augenwinkel nahm ich noch die tellergroßen Scheinwerfer der Autos wahr, die sich in kaum minutenlangen Abständen an mir und meinem Rucksack vorbei schoben. Fröstelnd stand ich mitten im Ruhrpott.

Hin und wieder riß mich ein Aufblenden von Nebelscheinwerfern aus der durchnäßten Lethargie, die inzwischen eingesetzt hatte. Dann blinzelte ich hoffnungsvoll in Richtung des Autofahrers, streckte meinen Daumen nach oben und setzte mein Sonntagsgrinsen auf, schließlich sollte der Typ mich ja mitnehmen. Weg von dieser stinkenden Autobahnraststätte, raus aus der Kälte die mir den Rücken hoch kroch und hinein in ein angenehm warmes Auto Richtung Heimat.

Wieder ärgerte ich mich, nicht den Linienbus genommen zu haben, da ich zu geizig war die 35 Mark für ein Ticket auszugeben. Jetzt mußte ich wahrscheinlich einen ähnlich hohen Betrag für Arzneimittel gegen Grippe oder schlimmeres in der Apotheke meines Vertrauens bezahlen.

Gerade als ich in Gedanken schon eine Woche krank im Bett gelegen hatte, riß mich eine fröhlich klingende Hupe, die den Klang einer Kreuzung zwischen Alpenhorn und Xylophon hatte, mit einem sympathischen Dreiklang zurück auf die nasse Straße. Wieder versuchte ich einen möglichst freundlichen Gesichtsausdruck hin zu bekommen und blinzelte Richtung Fahrer. Wie es aussah, sollte ich endlich Glück haben, denn der lustig hupende alte Ford hielt genau neben mir.
Ich blickte in einen dunkelrot erleuchteten Innenraum. Drei fröhlich grinsende Männer erwiderten mein Lächeln. Amüsiert stellte ich fest, daß das gesamte Armaturenbrett, die Decke und die Türen mit weichen Plüsch verkleidet waren. Die drei winkten mir zu, ich solle einsteigen, was ich auch nur all zu gern tat. Im Wagen schlug mir ein fast unerträglich süßer Duft von Räucherstäbchen entgegen. Schnell stellte ich fest, daß meine Wohltäter nicht ein Wort meiner Sprache verstanden und alle Versuche sich in einer mir bekannten zu verständigen schlugen fehl. Sie saßen einfach nur da und zeigten mir lächelnder Weise ihre weißen Zähne. Hoffnungsvoll hielt ich das Schild mit dem Schriftzug meines Heimatortes hoch und die drei fingen heftig an zu nicken. Wenigstens schienen sie lesen zu können und das selbe Ziel zu haben wie ich. Meine Mitfahrer unterhielten sich angeregt weiter, in einer Sprache von der ich glaubte, daß es indisch war, beachteten mich aber nicht weiter.

Also hatte ich Zeit mich gründlich in dem Auto umzusehen, wobei ich dutzende Talismänner und Statuen entdeckte. Manche waren grinsende Menschen mit sechs Armen, andere erinnerten eher an Feuer speiende Insekten, aber alle wirkten irgendwie freundlich. Als mein Blick nach langem wieder aus dem Fenster schweifte, verschlug es mir die Sprache: wir fuhren an einem mit Palmen bewachsenen Strand entlang, dahinter lag ein tiefblaues Meer auf dem sich weiße Schaumkronen kräuselten. Riesige Möwen segelten durch die Luft und sanken hin und wieder in das Wasser nieder um mit einem zappelnden Fisch im Schnabel wieder aufzusteigen. Alles war menschenleer, soweit man schauen konnte.

Panisch rüttelte ich an der Schulter meines Banknachbarn und zeigte immer wieder auf die Landschaft, welche vor dem Fenster an uns vorbeizog, dort aber nicht hingehörte. Ich redete auf ihn ein, obwohl ich wußte das er mich nicht verstand, wollte irgendwie darauf aufmerksam machen, das dies schlicht nicht möglich war. Er zuckte nur mit der gerüttelten Schulter, lächelte mich freundlich an und zog einen Wasserball aus seiner Jacke, den er langsam begann aufzupusten. Auch meine anderen Mitfahrer lächelten mich nur an und taten so als wäre alles so, wie es normaler nicht hätte sein können.
Ihre Gelassenheit hatte eine beruhigende Wirkung auf mich und so ließ meine Panik langsam nach. Sie wich einer tiefen Ungläubigkeit in dieses Loch in der Realität, aber da ich mitten drin saß mußte ich mich wohl damit abfinden.
Inzwischen hatte mein Nebenmann seinen rot-gelb gestreiften Wasserball komplett aufgeblasen und spielte ihn mir zu. Unsere Vordermänner begannen wie Abgesprochen gleichzeitig ihre Fenster hinunter und schienen auf ein Zuspiel von mir zu warten. Fast selbstverständlich stellte ich fest, daß mir ein warmer Lufthauch aus dem offenen Fenster entgegen blies. Eben noch hatte es geregnet! Ich spielte den Ball nach vorn, hatte aber ein wenig heftig geschlagen. Der Ball verschwand aus dem Beifahrerfenster, um gleich darauf wieder neben meinem Banknachbarn zu erscheinen. Mein Mund blieb einfach offen stehen, während der Ball wieder nach vorn gespielt wurde. Jedes mal wenn der Ball aus dem Fenster segelte erschien er gleich darauf wieder an anderer und das Spiel wurde so sehr viel interessanter.
Zeit war während der restlichen Fahrt überhaupt nicht mehr vorhanden. Wir fuhren ohne ein Wort zu sagen, spielten Ball und ich bewunderte weiterhin die wunderschöne Landschaft.

Irgendwann stoppte der Wagen und wieder lächelten mich meine 3 Mitfahrer an. Ich erkannte, daß sie mich verabschieden wollten und stieg aus. Ich stand im Regen, direkt auf dem Bürgersteig vor meinem Haus. Ich hörte noch einmal die seltsame Hupe mit der alles Begann und sah den alten Ford hinter der nächsten Kurve verschwinden.

[Beitrag editiert von: SignoreSalami am 02.03.2002 um 18:19]

 

Hallo Signore Salami!

Eine interessante Geschichte, die mich irgendwie sehr an einen Traum erinnert. Und sie gefällt mir. Hab nur mit dem ersten Satz leichte Schwierigkeiten.

Naß und grau schlug der Regen nun schon seit mehreren Stunden Blasen auf den rissigen Asphalt der Straße.
Asphalt und Blasen verbinde ich eher mit großer Hitze. Kann aber sein, dass ich die Redewendung nur nicht kenne.

[Beitrag editiert von: Abraxas am 03.03.2002 um 13:37]

 

Scheiss Räucherstäbchen sag ich da nur :D

mag sein, dass ich als alter urlaubstramper die geschichte lustiger finde als andere. aber dass jemand einen durchnässten Stopper mitnimmt, ist mir noch nie passiert. und ich war schon in 5 staaten in einer solchen situation ;)
Mehrmals.


achja, am beginn stören mich einige kleine dinge: also die redewendung dass bei regen der asphalt blasen schlägt, kenne ich auch nicht, schlägt doch das wasser auf diesem die blasen. aber ich freue mich über jede bereicherung meines Wotzschatzes :)

und wenn du die scheinwerfer schon nur mehr aus den augenwinkeln wahrnimmst, dann ist mir jedes zusätzliche wort -in diesem fall tellergroß - ein detail zu viel.

und die geschichte ist eindeutig noch nicht eurotauglich....35 mark...tstststs :p

das wars dann aber auch schon. hat mir gut gefallen!

liebe grüße,
franzl

[Beitrag editiert von: franzl am 04.03.2002 um 00:02]

 

Moin.

Schön, daß ihr meine Geschichte gelesen habt, noch schöner, daß sie euch gefallen hat.

@ Abraxas

Ui, hät ich gar nicht gedacht, daß man so stark merk, daß es sich hierbei um einen Traum handelt. Hast mich erwischt...ist tatsächlich einer.

@ franzl

Tja, die Jungs hatten wohl soviel Räucherstäbchen im Auto, daß sie sogar einen durchnäßten Anhalter mitnehmen. Legalize it!

Die Redewendung am Anfang ist allgemein wohl nicht bekannt, aber ich finde, daß klar rauskommt, daß es der Regen ist, der die Blasen auf den Asphalt schlägt. Will meinen: die Tropfen, die aufschlagen zerplatzen in großen Blasen. Habt ihr doch bestimmt auch schon mal gesehen, oder?


So long

Signore Salami

 

also der sinn der redewendung war klar, mich hat nur interessiert ob es eine im deutschen sprachgebrauch übliche ist. die antwort ist nein, also freue ich mich in mein redewendungsverzeichnis (ist eine tolle sache :D ) einen neuling aufnehmen zu können...hipp hipp hurra! ;)

also ich freu mich schon wieder auf meine 2 wochen trampen ohne ziel in den großen ferien.....da kommen die schönsten erinnerungen hoch. :rolleyes:

also dann, freu mich schon auf deine nächste story,
franzl

 

Hallo alle.

Hab vor einiger Zeit in einer anderen Rubrik eine Geschichte gelesen, die auch aus einem Traum entstanden ist. Da entstand eine Diskussion ob man die Geschichte löschen müßte oder nicht. Jetzt wollte ich aus verständlichen Gründen auch mal was zu der Problematik schreiben, kann die andere Story aber nicht mehr finden. Wurde die gelöscht? Wird meine jetzt etwa auch gelöscht? Ich hoffe doch nicht, sonst wär ich bestimmt :( .

So long

Signore Salami

 

Moin.

Meine Angst, daß diese Geschichte gelöscht werden könnte hat sich als unbegründet erwiesen. Hab die andere Story dann doch wieder gefunden.

@ Max W.

Die Geschichte ist "irgendwie krass" ? versteh ich nicht, so war sie gar nicht gemeint, aber gut, wenn du es so empfunden hast ist das o.k. . Kannst du vielleicht präzisieren was du krass findest?

Hast natürlich recht, sollte hinunterzukurbeln heißen. Ja, ja, diese Räucherstäbchen ;) .

So long

Signore Salami

 

Hallo Signore Salami!

Die "Räucherstäbchen" oder zumindest deren Inhaltstoffe würde ich nur zu gern auch einmal rauchen
:stoned:
Ich habe die Story vor einigen Tagen nach etwas Gras das erste Mal gelesen und war begeistert, wollte aber keine Kritik schreiben - nicht dass es etwas geworden wäre, wofür ich mich im klaren Zustand hätte schämen müssen. :D

Die Bilder, mit denen Du die Umgebung - zuerst das graue, nasse Ruhrpott und dann den herrlichen Strand - beschreibst, lassen diese deutlich vor dem inneren Auge entstehen. Gefällt mir.
Idee, Handlungsverlauf sind originell.
Es macht Spaß, die Geschichte zu lesen - auch ohne bekifft zu sein.

Paar Kleinigkeiten:

Gerade als ich in Gedanken schon eine Woche krank im Bett gelegen hatte, riß mich eine fröhlich klingende Hupe, die den Klang einer Kreuzung zwischen Alpenhorn und Xylophon hatte, mit einem sympathischen Dreiklang zurück auf die nasse Straße.
Ein bißchen viel "Klang" in diesem Satz.

Panisch rüttelte ich an der Schulter meines Banknachbarn und zeigte immer wieder auf die Landschaft, welche vor dem Fenster an uns vorbeizog
Relativsätze mit "welche/welcher/welches" einzuleiten, finde ich persönlich sehr holprig. Grammatikalisch ist es natürlich völlig richtig, aber das Wort hat einen unschönen Klang.

redete auf ihn ein, obwohl ich wußte das er mich nicht verstand, wollte irgendwie darauf aufmerksam machen, das dies schlicht nicht möglich war.
...wusste, dass....darauf aufmerksam machen, dass...
Du hast, was Gross- und Kleinschreibung betrifft, fast durchgängig die neue Rechtschreibung verwendet. Dann solltest Du diese konsequent einsetzen. Entweder komplett alte oder neue Rechtschreibung verwenden.

Sie wich einer tiefen Ungläubigkeit in dieses Loch in der Realität, aber da ich mitten drin saß mußte ich mich wohl damit abfinden.
...saß, musste...
Der erste Teil dieses Satzes holpert noch etwas. "in dieses Loch in der Realität".

Unsere Vordermänner begannen wie Abgesprochen gleichzeitig ihre Fenster hinunter
Besser:
...wie abgesprochen ihre Fenster gleichzeitig hinunterzukurbeln.

Jedes mal wenn der Ball aus dem Fenster segelte erschien er gleich darauf wieder an anderer und das Spiel wurde so sehr viel interessanter.
Jedes Mal, wenn...segelte, erschien gleich darauf wieder ein anderer...(oder erschien er gleich darauf wieder...)

Wieso wird das Spiel eigentlich interessant, wenn ständig Bälle aus dem Fenster fliegen und ein neuer bzw. der alte wieder erscheint?
Da der Titel der Geschichte "Ballspiel" lautet, hätte ich eigentlich auch erwartet, dass dieses eine größere Rolle spielt. Im Moment findet es der Protagonist ganz witzig, macht es aber eher nebenbei, während er die Landschaft beobachtet. Es trägt keine besondere Bedeutung oder muss ich mir erst die Räucherstäbchen holen, damit ich den Sinn erkenne? ;)

und ich bewunderte weiterhin die wunderschöne Landschaft.
Zu viel "wunder" in einem so kurzen Satz. Vielleicht "herrliche"?

Ich hörte noch einmal die seltsame Hupe mit der alles Begann
...Hupe, mit der alles begann

Liebe Grüße,
eine amüsierte Kitana

:smokin:

 

Hallo Kitana!

Tja, tja, die Räucherstäbchen. Machen zwar extrem kreativ, lassen aber viele andere Dinge (Grammatik, Rechtschreibung, alles was halt so´n Bißchen mit Vorschriften zu tun hat) doch eher in den Hintergrund treten.
Die Geschichte hier ist ein verräucherter Schnellschuß gewesen und da sie bisher nicht so richtig viel Resonanz bekommen hat, hab ich mir auch bisher noch nicht die "Mühe" gemacht das Ganze mal zu überarbeiten. Kommt jetzt aber ganz bestimmt, einige der Fehler sind ja echt nicht mehr feierlich.
Ich danke dir auf jeden Fall, daß du dir die Zeit genommen hast, die Fehler herraus zu suchen.

So long

SignoreSalami

 

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