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Ballparadies
Der kleine rote Ball rollt die abschüssige Straße herunter, irgendwo hat ihm Irgendwer ein kleines Smiliegesicht aufgemalt. Die Sonne scheint, sein Smiliegesicht lächelt ihr entgegen, während er seinen Ausflug genießt. Er kann sich nicht erinnern woher er kommt, aber an was kann ein Ball sich schon erinnern? Vorbei geht es an rosa und weißen Blumen. Am Wegrand stehen hohe Bäume, ab und an fällt ein welkes Blatt auf den Ball. Je weiter er kommt, um so weniger Bäume und dafür mehr Häuser stehen an seinem Weg. Er würde gern an den hübschen Blumen in den gepflegten Gärten schnuppern, aber ihm fehlt dazu halt die Nase.
Er kullert auf einen Spielplatz, es gibt viele kleine Kinder. Lustige bunte Wippen sind hier, Schaukeln und Kletterstangen. Bestimmt möchte ein Kind mit ihm Spielen. Der Ball hüpft voller Vorfreude auf die Kinder zu. Sein Smiliegesicht wackelt dabei und lächelt die Kinder Vertrauen erweckend an. Er spricht ein kleines Mädchen in einem rosa Kleidchen und rosa Schuhen an. „Spielst du mit mir?“ Das Mädchen schaut den Ball bange an. Die kleinen Freunde des rosa Mädchens starren ebenso erschreckt. Das Mädchen kreischt „der Ball spricht!“, und rennt weinend zu seiner Mutter. Auch die anderen Kinder sind ganz ängstlich und laufen mit weit aufgerissenen Augen zu ihren Müttern.
Der Ball macht sich schnell davon, er ist furchtbar traurig. Er möchte weinen, aber in ihm ist nur Luft, keine Tränen. Kinder haben also Angst wenn ein Ball spricht, diese Erfahrung muss er sich merken. „Nicht sprechen, wenn Kinder dabei sind“, denkt sich der kleine Ball. Wenn er könnte, würde der Smilie nun ein trauriges Gesicht machen. Doch er rollt weiter mit seinem Lächeln im roten Ballgesicht, obwohl er so traurig ist.
An einer Bushaltestelle toben größere Kinder, beinahe Teenager schon. Der rote Ball rollt den Kindern vor die Füße, hüpft ein wenig auf und ab, er möchte so gern spielen. Bloß nicht sprechen, nur ein bisschen hüpfen. Aufmunternd grient er die Kinder mit seinem Smiliegesicht an. Aber diese Kinder sind nicht nett, sie treten nach ihm. Sie beschimpfen ihn, er sei kein richtiger Ball, viel zu klein, ein regelrechter Babyball. „Blöder Babyball, Zwergenschrumpf, mit dir kann man ja nichmal Fußball spielen“, schimpfen sie hinter ihm her, während sie versuchen ihn zu zertreten. Schnell rollt er davon, er hört noch das hämische, gemeine Lachen der frechen Kinder.
Nun ist er nicht nur traurig, er ist sogar ein wenig wütend. Aber wie soll ein Ball seine Wut herauslassen? Er kann nur rollen und ab und an ein wenig hüpfen. Sprechen kann er vor Schreck nun auch nicht, aber mit wem sollte er wohl auch sprechen? Er kullert weiter die Straße herunter und fragt sich, ob es immer so war. Kann er sich nicht an sein Leben erinnern, weil es zu traurig war?
Er kullert und kullert, denkt an Nichts mehr und vergisst die Zeit. Plötzlich fühlt er eine schwielige Hand auf seinem kleinen Körper. „He, du Ausreißer! So haben wir nicht gewettet! Zurück mit dir in den Pool.“ Er wird geworfen und fällt auf einen riesigen Haufen von kleinen Bällen. Rote, blaue, gelbe und grüne Bälle. Einige sogar mit einem Smilie im Gesicht, genau wie er. Die kleinen Bälle begrüßen ihn erfreut, fragen nach seinen Abenteuern in der großen weiten Welt. Er ist die Attraktion im Ballpool, alle Bälle wollen mit ihm spielen. Auch die Kinder, die hier hereinkommen, spielen und lachen mit ihm. Aber er hat gelernt aus seinem Abenteuer, er spricht nur wenn er mit seinen Ballfreunden allein ist, nicht wenn Kinder da sind. Schließlich möchte er die Kinder nicht erschrecken. Aber er ist glücklich, hier im Ballparadies. So wie noch nie vorher, soviel weiß er jetzt.