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Bahnhofsimbiß

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30.05.2011
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Bahnhofsimbiß

Edenharder geht das Wort Bahnhofsimbiß nicht aus dem Kopf. Es muß einfach so aufgetaucht sein. Allein das ist schon Rätsel genug: Wie kann bei einem normaldenkenden Menschen plötzlich Bahnhofsimbiß auftauchen? Woher? Wer wirft ihm einfach so Bahnhofsimbiß…, nein, nicht an den Kopf, dann schon eher in denselben?
Dieses Auftauchen ist einwandfrei ein interner Vorgang, denn in dem Moment, da Edenharder auf Bahnhofsimbiß zu denken gekommen ist, hat er noch in seinem Bett gelegen. In aller Herrgottsfrühe! Auch von einer Reise hat er nicht geträumt. Wirklich nichts Bahnhofnahes ist vordem in seinem Denken aufgetaucht.
Wie das früh so ist: Man wird munter. Es ist noch duster. Das Vogelkonzert wird erst in einer halben Stunde einsetzen. – Vorerst fragt sich Edenharder, was los ist, wo er ist, wer er ist und wie es ihm so geht.
Als er sich diese und weitere Fragen leidlich beantwortet hat, da war’s schon da: Bahnhofsimbiß!
Was soll ich mit Bahnhofsimbiß, fragt sich Edenharder. – Es paßt nicht in den Kram. – Abschütteln kann er’s aber auch nicht. Bahnhofsimbiß ist für ihn gleichsam zur geistigen Klette geworden. – Ob’s vielleicht Gedächtniskletten gibt? – Was er auch tut, er kann’s nicht verstehen. Er versteht immer nur… Bahnhofsimbiß.
Jetzt gibt sich Edenharder einen herzhaften Ruck und verläßt sein Bett, fast schon fluchtartig. Vielleicht kann er den Bahnhofsimbiß einfach hinter sich lassen, im Bett! So hofft er.
Betulich streicht er Zahnpaste auf die Bürste, läßt sich wohltemperiertes Wasser in den Becher und will mit geübter Bürstenmassage seinem Mundwerk morgendliche Frische verleihen. – Alle Gedanken sind bei seinem Tun. Was er tut, könnte er auch im Schlafe… So mancher brauchbare Gedanke ist ihm schon bei dieser Verrichtung gekommen. Noch hat’s geistig nicht gefunkt. Noch ist nicht aller Schaum ausgespuckt… – Da isses wieder: Bahnhofsimbiß.
Als sich Edenharder um das Frühstück kümmert, ertappt er sich beim Singen: Auf eine gängige Melodie singt er immer wieder Bahnhofsimbiß . Ein bißchen so wie die Rapper, denkt er: Bahn-hofs-im-biß, Bahn-hofs-im-biß…, ihm gerät’s jedoch zum Walzer: Bahn-hofs-im-biß, Bahn-hofs-im-biß.
Beim Brotschneiden, beim Eierkochen, beim Tischdecken… – immer nur Bahn-hofs-im-biß, Bahn-hofs-im-biß…
Er wird’s nicht los!
Jetzt weckt er sein Weib und lädt zum Frühstück ein. Sein Weib hält sich am Kaffeepott fest und genießt… Nach einem bedachtsamen Schlürfen vom Kaffee: „Hmmm!“ Davon fühlt sich Edenharder gleichsam beglückt, und das steigert sich noch durch ein Lob auf nüchternen Magen: „Dein Kaffee ist großartig!“ Dafür küßt er sein Weib. „Gar nicht zu vergleichen mit dem vom Bahnhofsimbiß!“ kommt er noch als Beleg nachgereicht.
Blitzartig stürzt Edenharder nach draußen. Er hat sich am heißen Kaffee verschluckt.
„Kann doch vorkommen!“ tröstet ihn sein Weib.
Als Edenharder sich wieder einigermaßen gefangen hat, stellt er fest: Die Welt ist voller Rätsel! Aber an Bahnhofsimbiß denkt er nicht mehr.

 

Hallo Mstislawski40 & herzlich willkommen hierorts,

ich fall mal mit der Tür ins Haus: ob das eine Kurzgeschichte sei, mögen andere entscheiden, für mich genügt das Kriterium, dass es eine kurze Geschichte ist und wem das nicht genügt, gibt's wenigstens zwei außergeöhnliche Ereignisse: von allem Anfang an der titelgebende Begriff und schließlich, dass Edenharder sich den Mund verbrennt, was in einem unaufgeregten Leben - von dem Du schreibst - Aufregung genug sein kann und das Zähneputzen auch schon mal zum absurden Theater wird.

Du bedienst Dich des Stands der Rechtschreibung bis 1996, wie Du's halt gelernt hast, und das ist akzeptabel und korrekt (obwohl meine Kleinkrämerseele ihre helle Freude an Hinweisen zum Gebrauch von s - doppel-s und ß hätte, zudem an Kommasetzung zum Ende der wörtl. Rede hätte: ich hab ihr aber alle Bemerkungen untersagt!, so bin ich halt). Was aber in mythische Zeiten zurückgreift, ist die Edenharderin. Aber auch da sollte sich Frau Schwarzer zurückhalten, wenn Frau Edenharder lieber biblisch, statt nach bürgerlichem und pseudo-emanzipatorischen Regeln sich bezeichnen lässt.

Mockieren will ich mich nur über den Satz

Wirklich nichts Bahnhofnahes ist vordem in seinem Denken aufgetaucht.
Wenn was entbehrlich ist, dann ist's wirklich, so wie ehrlich, eigentlich und andere Füllsel (das weiter unten von Dir genannte herzhaft wäre auch noch zu nennen). Zudem wird der Bahnhof zwar groß geschrieben, aber ihm geschieht durch Anhängen des Adjektivs, dass das Substantiv selbst zu Adjektiv wird. Würde denn der Sinne des Satzes in der Form
Nichts bahnhofnahes ist vordem in seinem Denken aufgetaucht
entstellt?

Manchem wird zu der Geschichte und diesem Beitrag der titelgebende Begriff wie ein titelgebender Begriff ohne Imbiss vorkommen. Denen sei gesagt: Man muss nicht alles vertehen, ich will's manchmal gar nicht erst. Die Welt ist halt voller Rätsel!

Gruß & gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Mstislawski

Beinah anekdotisch kurz und witzig, dadurch was für zwischendurch, las ich deine kleine Geschichte. Der Unterhaltungswert war mir gegeben. Falls du dich dann mal an etwas Längeres getraust, bin ich gespannt, ob es sich auch über weite Strecken die Lachmuskeln anregend präsentiert.

Die Idee war auf jeden Fall lustig, eine Analogie zu einem musikalischen Ohrenwurm, der einem einfach nicht aus dem Kopf geht.

Gruss

Anakreon

 
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Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hallo, Friedel,
es ist mein erster Anlauf bei Euch, dem Du so freundlich begegnet bist. Das macht mir Mut zu weiteren Anläufen.
Die Genre-Zuordnung ist tatsächlich nicht eindeutig. Ich selber nenne das Betrachtung. Es ist eine Mischung aus Erzählung, Feuilleton und Essay. Mal so, mal so. Zuweilen mit einem Ausrutscher ins Absurde.
Als Rentner fühle ich mich überhaupt nicht der neuen Rechtschreibung verpflichtet. Dafür gibt es etliche Gründe.
Daß es Dich zu eigener Reflexion anregt, finde ich gut. Es schmeichelt!
Mokieren willst Du Dich über „nichts Bahnhofnahes“ und erklärst mir, daß dieses sonst nicht übliche Wort durch „nahes“ zum Adjektiv geworden sei und daß man Adjektive klein schreibt. – Da kann ich nur zurückmokieren! – Adjektive können alle, wie sie da sind, substantiviert gebraucht werden: Man denke an das Ewigweibliche, das uns bekanntlich hinanzieht oder an nichts Menschliches, was unsereinem nicht fremd sein sollte. Ob’s überhaupt etwas Schöneres oder Gediegneres geben mag?
Ich folge darum Deiner Logik nicht und bleibe zwar „bahnhof(s)nahe“, doch meine Version im fraglichen Text halte ich für die normgemäßere. – Zur Verständlichkeit: Der Satz „Die vöglein schweigen im walde“ bleibt auch verständlich, obwohl die Großschreibung von Substantiven nicht erfolgt, was zumindest für Schulkinder gleich zwei Fehler wären.
Die Psychologen nennen es wohl Perseveration, wenn einem ein Wort, eine Verszeile, eine Melodie… partout nicht aus dem Kopf gehen will. Edenharder ist’s mit "Bahnhofsimbiß" so gegangen. Das könnte ihm überall passieren und wäre auch nicht an Imbiß gebunden.
Nun habe ich Lust auf mehr!
Herzlichst Jochen

Hallo, Anakreon,
es freut mich, daß Du meinen Text unterhaltsam gefunden hast und das nachvollziehbar begründest. – Es ist meinerseits weniger eine Lachmuskelattacke beabsichtigt, es geht mir mehr um’s Schmunzeln. Wie auch immer, ich bemühe mich um Phasen der Anspannung und Lösung, wenn Du willst, der Lachmuskulatur oder des Schmunzelapparats. Und das läßt sich schon über längere Strecken hinziehen…
Vielleicht gelingt mir’s mit einer weiteren Einsendung!
Herzlichst Jochen

 

Hallo Mstislawski40,

Tja, dass man nur Bahnhof versteht, pardon Bahnhofsimbiss, dass ist wohl intendiert.
Aber wenn am Ende halt nur die Erkenntnis rausspringt:

Die Welt ist voller Rätsel
finde ich das ein bisschen lahm.
Vielleicht übersehe ich was, aber so hats mich nicht wirklich unterhalten.
Wäre das alles ein wenig mehr in Richtung Obsession und Zwang gegangen, dann hätts mir gefallen können- aber so, dieses flapsige Fazit am Ende.

Noch was:

Vielleicht gelingt mir’s mit einer weiteren Einsendung!
Das ist doch hier keine Kirmesbude wo jeder mal schießen darf, und irgendwann landet man dann mal den Volltreffer.
Kommentier auch mal andre Texte, du hast hier schon vier eigene reingestellt, und keinen einzigen, der nicht von dir ist, kommentiert.

Grüße: Timo

 

Hallo,

ich kannte das Thema schon in einigen Variationen.
In der Serie "Seinfeld" gibt es ein Lied, das in einer Folge einige Figuren um den Verstand zu bringen droht, weil sie es einfach nicht mehr loswerden.
In dem Horrorfilm "Ponty Pool" gibt es ein Virus, das die Menschen dazu bringt, bestimmte Triggerwörter ständig zu wiederholen, wodurch sie zu zombieähnlichen Wesen werden.
In deiner Geschichte beschäftigt jemanden das Wort "Bahnhofsimbiß" und er fragt sich, wie das passiert und was es damit auf sich hat und dann ist die Geschichte zu Ende.

Du hast also, für mich, eine Vorstufe zu einer Thematik geschrieben, die mir schon fein ausgearbeitet und berührend in anderen Formen begegnet ist, weshalb ich deiner Geschichte nichts entnehmen konnte und sie mir sogar etwas banal vorkam.

Das ist das Problem, wenn man eine Geschichte schreibt, die nur von einer einzigen Sache lebt. Du hast hier weder plastische Figuren, noch eine ausgearbeitete Handlung, noch eine schöne Sprache, sondern du hast nur diese eine Idee.
Wenn die der Leser schon kennt - oder bearbeitet kennt - hast du gar nichts.
Deshalb ist es ratsam, vollständige Geschichten zu schreiben und nicht nur Geschichten, die sich auf eine einzige Sachen verlassen, zudem sind sie sowohl für den Autor als auch den Leser - aus meiner Erfahrung heraus - befriedigender.

Gruß
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Genre-Zuordnung ist tatsächlich nicht eindeutig. Ich selber nenne das Betrachtung. Es ist eine Mischung aus Erzählung, Feuilleton und Essay. Mal so, mal so. mag?
Moikka Jochen,

auch von mir herzlich willkommen im Forum. :)

Ja, die Form, eben. Bei der Anmeldung scheinst Du den Forenregeln etwas ueberhastst zugestimmt zu haben - es sind hier nur Kurzgeschichten erlaubt.
Guck mal oben rechts im Menu unter Hilfe & Regeln bitte. Der Text mit dem Gemueseorchester ist z.B. keine KG, sondern eine Glosse und wird ziemlich sicher gelöscht werden.

Timo hat es bereits angesprochen: Wir sind nicht so hart wie viele andere sites, die drei konstruktive Kritiken verlangen, bevor die erste eigene Geschichte eingestellt wird - aber wir gehen davon aus, dass hier ebenso an Texten gearbeitet wird - an eigenen, wie an fremden. Und ein Ueberschwemmen mit Texten wird hier nicht gern gesehen. Das Forum lebt nur vom Nehmen und Geben - ausserdem lernst Du beim Kommentieren ne ganze Menge, warum Texte fuer Dich funktionieren oder eben nicht.

Das als kleinen Crashkurs, da ich davon ausgehe, Du hast Dich vor dem Anmelden nicht so lange hier umgeschaut gehabt. :D

Uebrigens hast Du hierbei Essay mit Glosse verwechselt *zwinker*.

Viel Spass noch hier,
Katla

 

Adjektive können alle, wie sie da sind, substantiviert gebraucht werden ...
und nicht nur Adjektive,

lieber Jochen,

und das Ewigweibliche ist allemal ein schönes Argument, und mit der Substantivierung kommt das grammatische Geschlecht, wie beim Beispiel gleich mitgeliefertl: welcher der Artikel wäre dem Substantiv Bahnhofsnah zuzusprechen? Nun gut, zur Bahnhofnähe zöge Dein Argument, aber der / die / das Bahnhofnah?

Nix für ungut und jetzt ins Vergnügen!

Friedel

 

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