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Bahngespräch

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30.10.2002
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Bahngespräch

»Glauben Sie, daß das Glück endlich sein kann?«

Der Herr ihr gegenüber blickte verwundert von seiner Zeitung auf. »Verzeihung? Sprechen Sie mit mir?«

»Was ist für Sie Glück?« hakte die Fremde nach und sah ihn fragend an.

»Sechs Richtige im Lotto. Wieso?«

Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Nein, das meine ich nicht. Geld, meine ich. Darum geht´s doch gar nicht.«

»Sie haben mich gefragt, was Glück ist. Nun, sechs Richtige im Lotto ist doch wohl reine Glücksache, oder etwa nicht?«

»Ja, schon, aber das ist was anderes. Ich meine das Gefühl, wenn man glücklich ist.«

Der Herr im Anzug überlegte kurz. »Hhm, ich glaube zu ahnen, auf was Sie hinaus wollen. Gerade eine Beziehung hinter sich, was?« schlussfolgerte er dann.

»Ja.«

»Tut mir leid. Ihre erste Trennung?«

»Die erste richtige.«

»Tja, die erste ist immer die schlimmste. Man braucht am längsten, um drüber weg zu kommen. Sie sollten sich das nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Es wird schon wieder«, erklärte er mit einem aufmunternden Lächeln und nahm seine Zeitung wieder auf.

»Jetzt hören Sie sich an wie mein Vater.«

»Der könnte ich ja wohl auch sein«, gab er von hinter dem aufgeschlagenen Tagesblatt zurück.

»Sind Sie denn glücklich?«

»Wir sind seit über zwanzig Jahren verheiratet, meine Frau und ich.«

»Ob Sie glücklich sind, wollte ich wissen.«

»Ich, ähem, ja, ich denke, schon, daß wir das sind.« Die Zeitung senkte sich. »Natürlich ist es nach so langer Zeit nicht mehr so aufregend wie es früher einmal war, aber doch, ja, ich würde schon sagen, daß wir glücklich sind.«

»Das klingt nicht besonders überzeugend. Warum haben Sie sich nicht getrennt, als es nicht mehr aufregend war?«

»In guten wie in schlechten Zeiten. Das haben Sie doch sicher schon einmal gehört. Es mag heutzutage nicht gerade im Trend liegen, aber für uns hat das noch immer Gültigkeit. Man gibt eine Verbindung nicht einfach auf, nur weil es mal Probleme gibt. So wurde ich zumindest noch erzogen.«

»Woher wissen Sie dann, daß die erste Trennung immer die schlimmste ist?«

»Weil ..., na ja, weil sie nicht meine erste Frau ist. Ich war schon einmal verheiratet. Manchmal paßt man eben doch nicht zusammen, obwohl man vorher fest daran geglaubt hat. So was stellt sich aber erst später heraus. Wenn man eine Zeit lang zusammen gelebt hat.«

»Wir haben nicht zusammen gelebt, aber das hätte ich gerne.«

»Sie sind noch sehr jung. Sie werden schon noch den Richtigen finden.«

»Also das halte ich für unwahrscheinlich. Mit Männern kann ich nämlich nichts anfangen. Hab´s versucht. Hat aber nichts gebracht. Jedenfalls mir nicht. Ich hoffe, Sie sind jetzt nicht geschockt oder so.«

»Nein, ich, tja, wie soll ich sagen? Etwas irritiert, ja. Sie müssen verzeihen, ich habe vorher noch nie, ich meine ...«

»... mit einer Lesbe gesprochen? Das wollten Sie doch sagen.«

»Ja, ich denke, das wollte ich wohl. Und eigentlich auch wieder nicht. Ich meine, ich habe keinerlei Erfahrung mit, oder besser gesagt, auf diesem Gebiet. Ich glaube nicht, daß ich der richtige Gesprächspartner für Sie bin.«

»Ich will immer noch wissen, ob Glück endlich sein kann. Um das zu beantworten muß man doch keine Frau sein.«

»Da haben Sie wohl Recht, sicher nicht, nein. Und trotzdem. Ich weiß wirklich nicht, ob ich Ihnen da weiterhelfen kann.«

»Bitte versuchen Sie´s wenigstens. Es würde mir echt viel bedeuten.«

»In Ordnung. Also schön.« Er faltete die Zeitung sorgfältig zusammen und legte sie beiseite. »Dann sollten wir damit beginnen, was Sie denn unter Glück verstehen. Sie sind doch mit Ihrer, tja, Freundin, Partnerin, glücklich gewesen. Wenigstens eine Zeit lang. Wie war das für Sie? Ich meine, was hat dieses Gefühl von Glück für Sie ausgemacht?«

»Ich bin einfach wahnsinnig gerne mit ihr zusammen. Ich kann gestresst sein, schlecht gelaunt, total down, ganz egal. Sobald ich in ihrer Nähe bin, geht´s mir wieder super. Dafür muß sie nicht mal was sagen. Sie muß einfach nur da sein.«

»Hhm, ja, verstehe. Sie haben also, ... Verzeihung, hatten ein sehr inniges Verhältnis?«

»Ich glaube, ihr geht es nicht anders. Wir können uns morgens am Telefon noch so richtig gefetzt haben, aber wenn wir uns dann sehen, ist sie total verändert. Nicht mehr so kritisch oder von oben herab. Sie wissen, was ich meine. Wenn wir uns in den Armen halten, spüre ich, wie sehr sie mich vermißt hat. Dann ist alles vergessen, und es ist, als könnte uns nie wieder etwas trennen.«

»Sie fühlen sich zueinander hingezogen. Ist das vielleicht eine rein körperliche Sache?«

»Nein, speziell am Anfang war es das überhaupt nicht. Sie ist nicht mal mein Typ. Es ist, ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Es geht irgendwie viel tiefer.«

»Sie fühlen sich mit ihr auf eine besondere Art und Weise verbunden.«

»Ja. Wenn man es so nennen will? Wir kennen uns eigentlich noch gar nicht so lange, ein halbes Jahr erst, und trotzdem kommt es mir so vor, als kennen wir uns schon ewig.«

»Ah. Sie empfinden eine gewisse Vertrautheit.«

»In ihrer Nähe fühle ich mich einfach geborgen, sicher, irgendwie. Alles, was sie sagt oder tut, kommt mir so richtig vor. Es fühlt sich einfach richtig an, verstehen Sie? Ich weiß, sie liebt mich, da bin ich mir wirklich absolut sicher, und ich liebe sie auch, aber wir sind eben nur glücklich, wenn wir zusammen sind, also, wenn wir uns sehen. Sonst irgendwie nicht. Können Sie mir noch folgen?«

»Tja, nun, wenn ich ehrlich sein soll, nicht so ganz, nein. Also haben Sie sich nun getrennt oder nicht?«

»Sie meinen, ob wir uns noch treffen? Nein, tun wir nicht. Es ist Schluß, finito, game over, aus und vorbei.«

»Das verstehe ich nicht. Dann hat sie Ihre Gefühle doch nicht in gleichem Umfang erwidert? Wessen Entscheidung war es denn, einen Schlußstrich zu ziehen?«

»Ihre. Sie kann einfach nicht mehr, sagt sie.«

»Dann haben Sie sich gestritten?«

»Oh ja, und wie! Das heißt, ich bekam einen Abriss nach dem anderen. Wie unvernünftig ich doch wäre, und wann ich denn endlich erwachsen würde. Sie hat ja auch Recht! Sie hat überhaupt immer Recht, mit allem, aber ich bin nunmal wie ich bin, und daran läßt sich so schnell nichts ändern!«

»Sie ist älter als Sie, oder?«

»Um einiges, ja, schon. Zwölf Jahre, so in etwa. Na und? Drum weiß ich trotzdem, daß wir glücklich sind, wenn wir zusammen sind! Und im Bett war´s auch klasse! Zählt das denn alles überhaupt nicht?«

»Doch, sicher, aber zu einer funktionierenden Beziehung gehört eben noch mehr. Viel mehr. Und wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann hagelte es für Sie Vorwürfe, die durchaus berechtigt waren. Ohne genau zu wissen, um was es dabei ging, liegt doch die Vermutung nahe, daß sich Ihre Beziehung als schlicht alltagsuntauglich erwiesen hat. So etwas kommt vor, und glauben Sie mir, so etwas kann man nicht früh genug beenden, sonst wird es für beide Seiten nur noch schmerzhafter.«

»Ich werde sie nicht so einfach aufgeben, verstehen Sie? Da kann sie dreimal Schluß gemacht haben!«

»Für ein Miteinander bedarf es immer noch zwei, für´s Schluß machen aber nur einen. Und Sie sagten doch selbst, sie habe immer Recht gehabt, mit allem. Dann also auch damit.«

»Ich hasse es, wenn Sie Recht hat! Und ich hasse es, wenn sie so scheiß vernünftig, so verdammt logisch und nüchtern ist! Gefühle sind nicht rational. Sie sind verdammt nochmal was Besonderes und viel mehr wert als irgendwelche, ach, ich weiß auch nicht, was!«

»Die nächste Haltestelle ist meine. Da steige ich aus. Ich möchte Ihnen aber noch sagen, daß mir unser Gespräch sehr gefallen hat, auch wenn ich Ihnen wohl leider nicht helfen konnte. Im Grunde war das aber auch gar nicht nötig, denn ich glaube, Sie können sich Ihre Frage jetzt selbst beantworten.«

»Die mit dem Glück? Kann ich? Wieso?«

»Aber es liegt doch auf der Hand. Nicht das Glück ist endlich sondern das, was wir daraus machen. Ist es nicht so?«

»Ich weiß nicht. Ja, vielleicht. Dann glauben Sie, wir haben immer noch eine Chance?«

»Das ist eine ganz andere Frage. Aber mit Glück hat das dann nichts zu tun, auch wenn ich Ihnen dazu selbiges von Herzen wünsche.«

 

Hallöchen!

Ich hab mir mal die Story durchgelesen. Hmmm... eine ziemlich interessante Situation finde ich. Da fragt die eine Person eine völlig fremde Person über seine Meinung zum Thema Glück. Dann schliedert die eine Person der anderen Person sachen, die zwar ein Problem darstellen..., aber nun mal ehrlich: Würdet Ihr über Eure Probleme mit >>fremden<< Leuten reden? Leute die einen nicht kennen? Und dann sind es auch noch Leute, die sich dann mit ihrem Ratschlag nicht rechtfertigen müssen.

Aber eine Stelle die verstehe ich nun überhaupt nicht.:
"Nicht das Glück ist endlich sondern das, was wir daraus machen." ??? Das ist für mich völlig aus der Luft gegriffen und ich brauche da mal eine Interpretationshilfe. :) Das kommt so plötzlich und gerade bei dieser wichtigen Stelle ist so eine "Kerbe" drinne.

Bis denn

 

Hallo dacosta und Kristin!

Zunächst einmal vielen Dank für eure Kommentare!

Ich bin mit dem Text ja auch nicht so wahnsinnig glücklich, übrigens nicht erst seit den von euch geäußerten Verständnisschwierigkeiten.

@dacosta:
Du wunderst Dich, daß die junge Frau mit einem Wildfremden über ihre Probleme spricht. Nun, das war vielleicht nie ihre Absicht. Eigentlich hat sie ja nur eine allgemeine Frage gestellt, und dabei will sie von ihrem Gegenüber wissen, wie ER das sieht. Er ahnt sofort, was sie bedrückt, und als sie betont, wie wichtig ihr eine Erklärung ist, willigt er ein, sie bei der Suche danach zu unterstützen. Das muß ihn ihr sympathisch gemacht haben, vielleicht auch seine neutrale Haltung zur Homosexualität. Im Verlaufe des Gesprächs wirkt er bemüht, die Problematik besser zu verstehen, und das ermuntert sie zur Offenheit. Wahrscheinlich wundert sie sich später selber darüber ;-)

Dir kommt die Antwort auf die Frage, ob Glück endlich sein kann, zu plötzlich und irgendwie "aus der Luft gegriffen" vor. Hhmm, das verstehe ich nun wiederum nicht. Die beiden Frauen sind immer nur dann glücklich miteinander, wenn sie sich treffen, heißt es. In der übrigen Zeit scheint es Probleme und Spannungen zu geben, die der einen scheinbar zuviel werden. Sie hat Schluß gemacht und damit das Glück 'beendet', das die beiden zumindest zeitweise miteinander erleben können. »[..] zu einer funktionierenden Beziehung gehört eben noch mehr.«, weiß der Mann im Zug aus Erfahrung zu sagen. Nur dann und wann glücklich miteinander zu sein, ist der Ex-Freundin wohl zuwenig, um darauf eine Beziehung aufzubauen. Sie könnten also auch weiterhin - unter bestimmten Bedingungen - glücklich miteinander sein (»Nicht das Glück ist endlich [..]«). Vielleicht könnten sie auch sonst miteinander glücklich werden, wenn sie es nur beide wollten und auch bereit wären, etwas dafür zu tun (z.B. tolerant und verständnisvoll sein, auch mal nachgeben können, gemeinsame Ziele über die eigenen stellen, auf ein althergebrachtes Rollen- oder Moralverständnis pfeifen, etc.; »[..] sondern das, was wir daraus machen.«).


@Kristin:
Ich denke nicht, daß dem Text zu entnehmen wäre, daß ihr Gesprächspartner Vorurteile gegenüber Lesben hat - eher im Gegenteil. Er befaßt sich mit der Problematik der gescheiterten Beziehung ganz allgemein und völlig neutral. Bei der Überlegung, ob das Glück als solches eine temporäre Erscheinung ist, oder ob ein Paar Einfluß darauf hat, miteinander glücklich zu werden oder eben nicht, scheint die sexuelle Ausrichtung keine Rolle zu spielen.

Daß er Deiner Meinung nach zu problemlos toleriert, daß es sich bei seiner Gesprächspartnerin um eine Lesbe handelt, und er sich daher etwas zu bereitwillig auf das Gespräch einläßt, wie Du sagst, klingt für mich, als seist Du selbst mit größeren Vorurteilen behaftet ;-)
Genau gegen solche Vorurteile richtet sich mein Text, und da ist auch die Aussage zu finden, nach der Du so gesucht hast ;-)
Wenn sich zwei Menschen finden, die unter gewissen Umständen miteinander glücklich sein können, muß das nicht zwangsläufig zu einer rundum glücklichen und harmonischen Beziehung auf Lebenszeit führen. Die Liebe allein genügt in aller Regel nicht für eine funktionierende und stabile Lebensgemeinschaft. Das hat aber nichts damit zu tun, ob die Partner hetero- oder homosexuell ausgelegt sind.
____________________

Leider scheint es mir nicht gelungen zu sein, mit dem Text zu vermitteln, was ich vermitteln wollte. Ich werde mir dazu also Gedanken machen müssen und vielleicht nach einem anderen Weg suchen.

Viele Grüße,
Viktoria

P.S.: Ich bin schon ein paar Mal gefragt worden, ob ich in meinen Geschichten Selbsterlebtes verarbeite. Die Antwort ist immer dieselbe. Nein, ich schreibe nicht, um irgendetwas zu bewältigen oder so. Ich greife auf, was ich für interessant oder erzählenswert halte und stricke daraus eine möglichst unterhaltsame Geschichte. In diesem Sinne sei hier also nur am Rande kurz erwähnt, daß ich seit vielen Jahren glücklich verheiratet bin ;-)

 

Liebe Viktoria,

ich will ganz ehrlich sein. besonders überzeugt hat deine Geschichte mich auch nicht. Gründe sind von den anderen Kritikern schon genannt worden. Ein paar Sachen nur noch die mir explizit aufgefallen sind

Der Herr im Anzug überlegte kurz. »Hhm, ich glaube zu ahnen, auf was Sie hinaus wollen. Gerade eine Beziehung hinter sich, was?« schlussfolgerte er dann.
Wow, der Kerl aht eine Gabe :D! Finde es sehr merkwürdig, dass er so schnell weiß worum es geht.
»Glauben Sie, daß das Glück endlich sein kann?«
Ein Hauptgrund warum ich die Geschichte nicht besonders finde ist dieser Satz. Sie redet vom glücklich sein. Klar und das weiß jawohl jeder ist jedes Gefühl endlich. Im einenen Moment kann man glücklich sein, im nächsten Moment wird die Katze von einem überfahren und man ist unglücklich. Die Frage die hinter der Geschichte steht kann nur eine rhetorische sein und dann ist der Text, der nach der Frage kommt ziemlich überflüssig, da die Frage ja schon bereits beantwortet ist. Da liegt der Knackpunkt!
Hoffe du nimmst mir die Kritik nicht übel.

Liebe Grüße
Roman

 

Hallihallo!

@Kristin:
Wenn der Herr tatsächlich ein Problem damit hätte, würde seine Reaktion knapp ausfallen. Auf die Frage, ob er jetzt geschockt sei, würde er gar nicht eingehen sondern jedes weitere Wort zu diesem Thema vermeiden. Das tut er aber nicht. Er reagiert überrascht, ein wenig verunsichert, aber keineswegs kühl oder abweisend. Einem weiteren Gespräch verschließt er sich nicht. Er hält sich anfangs nur nicht für kompetent.

Wenn überhaupt, dann scheint er Vorurteile eher gegenüber der 'heutigen Jugend' zu haben (»Es mag heutzutage nicht gerade im Trend liegen, aber für uns hat das noch immer Gültigkeit. [..] So wurde ich zumindest noch erzogen.«). Der 'moralische Zeigefinger' kam bei Dir konservativ an, und das würde ich unterschreiben. Du schließt darauf, daß jemand mit konservativer Lebenseinstellung bei Tabuthemen eine deutlich erkennbare Befangenheit zeigen müsse. Es mag sein, daß man bei Männern, die vom Alter her der Vater der jungen Frau sein könnten, eher eine Befangenheit erwarten würde, aber vielleicht ist diese Erwartungshaltung ja längst überholt. (?)

Zwar tragen solche Geschichten vielleicht dazu bei, dem mehr Normalität zu verleihen, aber das ist meiner Meinung nach auch schon alles.
Das hast Du gut ausgedrückt, und ja, stimmt ;-) Mehr wollte ich im Grunde auch nicht. Der Text richtet sich gegen Vorurteile, habe ich gesagt, aber ich wollte bestimmt nicht mit dem Knüppel auf den Leser losgehen.


@Prodi:
Hallo Roman! Nein, keine Sorge, ich nehme Dir die Kritik nicht übel, ganz im Gegenteil! Aus Fehlern lernt man eben am besten, und jede Kritik hilft mir weiter.

Auch wenn ich Deine Auffassung nicht teile, daß es sich bei der Frage, ob Glück endlich sein kann, um eine rhetorische handelt (ich halte sie eher für eine philosophische), so wurde doch inzwischen deutlich, daß die im Text gelieferte Antwort wie ein professoraler Zeigefinger wirkt und wohl deswegen aufstößt.

Na ja, und ob man/Mann über ein ganz besonders ausgeprägtes Einfühlungsvermögen verfügen muß, um von „Kann es endlich sein, das Gefühl, wenn man glücklich ist?“ nach kurzer Überlegung auf eine gescheiterte Beziehung zu schließen, das hätte ich eigentlich nicht gedacht. Bei der Überarbeitung/Neufassung des Texts werde ich das aber berücksichtigen und der jungen Frau den Hinweis auf das Ende der Beziehung in den Mund legen, damit ihr Gegenüber nicht darauf schließen muß.

____________________


Ich danke euch sehr für eure Hinweise! Ihr habt gelesen, was tatsächlich da steht, und das entspricht leider nicht so ganz dem, was ich vermitteln wollte. Durch das Aufzeigen dessen, was euch aufgestoßen ist, weiß ich jetzt, auf was ich zukünftig stärker achten muß.
Meine nächste Geschichte wird hoffentlich besser.

Mit einem lieben Rundumgruß,
Viktoria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Viktoria,

Also, so was.
Da will man sich gemütlich eine Runde 'unterhalten' lassen, fängt an zu lesen und wird unversehens in eine nachdenklich machende 'Unterhaltung' verwickelt. Geschickter Schachzug. ;-)

An der äußeren Form gibt’s nichts zu kritteln. Der Dialog liest sich flüssig. Stilistisch bzw. sprachlich ist die 'Szene', und ich denke, es ist eher eine Szene, als eine Kurzgeschichte, einwandfrei. Ich bin jedenfalls nirgendwo gestolpert. Wenn ich trotzdem ab und an den Kopf geschüttelt habe, dann weil ich nachdenklich geworden bin ... Was willst Du mehr? :)

Einige (Überarbeitungs-)Vorschläge hätte ich noch trotzdem noch. Ich glaube nämlich, dass die Realitätsnähe des Textes seine Stärke, aber zugleich auch seine Schwäche ist. Wer z.B. gerade keine Lust hat, sich mit solchem 'Krams' zu beschäftigen 'haut Dir ab' und das liegt mE nicht nur in der Natur der Sache (man erreicht nie alle Leser), sondern auch daran, dass der Inhalt ein klein wenig zu normal 'verpackt' ist ...

Ein paar Möglichkeiten hättest du noch, um einer klugen Unterhaltung einen/deinen ganz besonderen Stempel auf zu drücken.

Probier doch mal aus, ob der Text nicht an Intensität gewinnt, wenn du ihn komplett im Präsens schreibst. Dann würde ich noch überlegen, ob es nicht möglich ist, ihn aus einer Perspektive zu beschreiben, die den Fahrgast, der z.B. hinter den beiden sitzt und zuhört, und den Leser gleichsetzt. Damit meine ich, dass man in den wenigen Passagen in denen die Personen sich mal nicht unterhalten zeigt, was der (unsichtbare) Zuhörer/Leser sieht. Z.B. Die Haarfarbe des Mädchens, aber nicht ihr Gesicht, denn das wird ja vom Wintermantel des Mannes mit der Zeitung verdeckt usw... Ich könnte mir gut vorstellen, dass man einen Leser auf diese Art und Weise viel stärker an den Text bindet. Insgesamt hätte ich persönlich mir zur 'Auflockerung' eh ein bisschen mehr 'Setting', typisches S-Bahn-Feeling gewünscht. Z.B. hätte der Fahrer mal in einem denkbar ungünstigen Augenblick bremsen können und die zwei kämen sich im wahrsten Sinne des Wortes ein bisschen näher ;-))
Weißt du was ich meine?

Wenn du bewusst ausschließlich auf den Dialog setzen willst, würde ich versuchen die Unterhaltung insgesamt noch ein bißchen mehr zu nuancieren. Vorsichtig zwar, denn der Schwerpunkt liegt ja hier auf dem Inhalt, aber trotzdem. Z.B. hier und da mal eine unerwartete Wendung des Gesprächs. Dafür, dass sich da zwei Fremde unterhalten, geht das mE ganz schön glatt. ;)

Z.B. könnte der Mann zunächst ein bißchen befremdeter sein, dann müsste aber irgendetwas (ganz harmloses) passieren, dass ihn auftauen lässt und erklärt, warum er sich trotzdem mit dem Mädchen unterhält. Spontan fallen mir da zwei Dinge ein. Eine Möglichkeit wäre z.B. das Setting bzw. die äußeren Umstände zu nutzen, um zu erklären, warum die zwei überhaupt miteinander ins Gespräch kommen. Berühmt berüchtigt und realistisch ist das minutenlange Stehenbleiben der Bahn auf 'freier Wildbahn' hätte ich beinahe gesagt, oder in einem Tunnel.*g*

Eine weitere Idee, die 'begründet', warum die zwei sich dann trotz einiger Brisanz weiter unterhalten, wäre das Mädchen irgendeine Äußerung 'tätigen' zu lassen, die ihn an seine eigene Tochter erinnert, o.Ä. Das braucht man ja nur ganz kurz anzudeuten ..

Manche Dinge würde ich eher weglassen, weil ich beim Lesen gemerkt habe, dass mir deine Protagonistin doch glatt unsympathisch wird. Z.B. als sie ihm erzählt, wie toll es mit ihrer Freundin im Bett war ... Das würde ich nicht mal (oder eben nur in ganz besonderen Situationen) guten Freunden auf die Nase binden ... Vielleicht bin ich da aber auch einfach nur prüde .. ;) (Aber eigentlich finde ich eher, dass das etwas Besonderes ist, das nur mir allein gehört. So was teile ich nicht, also teile ich es auch nicht mit ;))

Ja, und dann hatte ich ein Problemchen mit der Einstiegsfrage.
Das Mädel hat gerade seine Freundin verloren, oder? Dann ist die Situation doch eigentlich die, dass sie sich nicht fragen muss, ob Glück endlich ist. Sie macht doch gerade die Erfahrung, dass es 'scheinbar' so ist. Ich glaube, ich würde sie zu Beginn lauthals eine (überraschende) Aussage treffen lassen. (Was weiß ich, sie starrt auf den Ehering des Mannes und verkündet dann, 'Glück ist endlich!' o.Ä. ) Für mich wäre dann auch viel nachvollziehbarer, warum der Mann auf sie reagiert. So eine Aussage muss ja zu Widerspruch reizen .. Dann legst Du los, und am Schluss hat die 'Kleine' ;) gelernt, dass alles eben eine Frage der Sichtweise ist. (Ist das Glas halbvoll, oder ist es halbleer? Immerhin hat sie ja eine ganze Weile auch etwas Wunderschönes gelebt ...)

Schönes Schlusswort :)

Ich hoffe, ich hab' Dir weiterhelfen können (Die anderen Kommentare kenne ich noch nicht, da der Text schon ein paar Tage auf meiner Festplatte ruhte, und ich mir ganz gern erst mal ein eigenes 'Urteil' bilde. Falls ich also alles doppelt erzählt habe, bitte nicht ärgern)

Viele Grüße
Ann-Christin

 

Hallo AnnChristin!

Na, und ob Du mir weitergeholfen hast! :-)

Durch Deine einleuchtenden Hinweise und konkreten Vorschläge hast Du mir einen Weg aufgezeigt, wie die Geschichte deutlich an Format gewänne und auch viel ansprechender gestaltet werden könnte. Dafür bin ich Dir sehr dankbar!

Der Neufassung der Geschichte wird also ein völlig überarbeitetes Konzept zugrundeliegen, in das auch die Anregungen aus den Kommentaren von Kristin, dacosta und Prodi einfließen sollen.

Nochmals ganz lieben Dank
und viele Grüße,
Viktoria

 

Hallo Viktoria,

so richtig begeistert hat mich Deine Geschichte nicht, vielleicht weil ich die Umsetzung der Dialoge manchmal als zu vorhersehbar empfand, für mich keine Überraschung und damit auch keine Spannung aufkam.
Auch fehlen visuelle Beschreibungen, die den "Hörspiel-Charakter" etwas gebrochen hätten. AnnChristins Anmerkungen finde ich sehr brauchbar und Du beweist eine ernsthafte Einstellung zum Schreiben, indem du Kritik für dich nutzt. Das finde ich hochanerkennenswert!

Zurück zu Deiner Geschichte. Das Thema als solches hat mich schon interessiert, es ist eher eine Frage der äußeren Form, die mich noch nicht überzeugt. Eine der statements des älteren Herrn fand ich gut, besonders "icht das Glück ist endlich sondern das, was wir daraus machen.". Das werde ich mir merken!

lg Petra

 

Hi Viktoria,

Ich glaub' die Überarbeitung lohnt sich. Bin schon gespannt auf das Ergebnis. Viel Spaß! :)

Ann-Christin

 

Hallo Petra!

Zunächst einmal vielen Dank für Deinen Kommentar!

Mit "Hörspiel-Charakter" hast Du die Form der Geschichte ganz gut umschrieben, finde ich, und nach den bisherigen (und erfreulich vielen) Antworten läßt sich wohl sagen, daß ich bei der Überarbeitung/Neufassung des Texts auf die Form ein besonderes Augenmerk legen sollte. Zwangsläufig werden sich dadurch wohl auch die Dialoge ändern.

Tja, und gerade an jener Aussage des Herrn über das Glück scheiden sich ja die Geister. ;-) Ich persönlich finde ja, er hat Recht *lächel*, obwohl ich es früher immer gehaßt habe, wenn meine Eltern mit so dollen Weisheiten wie "Jeder ist seines Glückes Schmied!" aufwarteten. In diesem Falle aber geht es nicht um das, was ein einzelner für sein eigenes 'Glück' tun kann, denn »Für ein Miteinander bedarf es immer noch zwei [..].«, sagt ja auch der Mann im Zug, und gemeint ist natürlich ein glückliches und harmonisches Miteinander, für das eben beide ihren Beitrag leisten können.

Ich wünsche Dir
- und natürlich allen anderen hier -
einen schönen Nikolaus morgen,
Viktoria

 

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