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Böser Hund
Ich liege im Bett. An meiner Seite ist Rambo. Ein Mischling. Ein letztes Mal streiche ich ihm über das Fell, dann stehe ich auf.
So viele Dinge sind mir durch den Kopf gegangen - heute Nacht. Hundeverordnung, Leinenzwang, Maulkorbpflicht, Sperrzonen. Seit der Sperrzonenauflage, nach der letzten Anzeige vor einem Jahr, muss ich mit dem Auto zum Gassi fahren. Es bleibt nur noch der Wald.
Nachdenklich mustere ich den Klappspaten, den ich schon so lange habe. Olivgrün. Handlich. Hohe Qualität.
Meine Augen wandern zu Rambo.Er streckt sich in der Sonne, die auf das Bett scheint. Ich atme tief durch. Unsere Blicke treffen sich.
Ich ziehe mich an. Am Gürtel befestige ich den Klappspaten. In der Garderobe liegt das Gurtzeug und die Leine. Schnell stecke ich noch die Leckerchen ein, die Rambo so gerne mag.
Wir steigen ins Auto und fahren los.
Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Rambo will nur spielen. Aber sein schwarzes Fell macht den Menschen Angst. Sie schreien,schimpfen,fuchteln rum - und dann passiert es. Immer wieder.
Ich muss dem Ganzen ein Ende setzen. Jetzt.
Der Parkplatz am Wald. Wir sind angekommen. Düster sieht er heute aus - der Wald. Als ahnt er was.
Ich lasse Rambo raus. Schleppleine. Sicher ist sicher. Will nicht, dass er wegläuft - nicht heute. Es ist das letzte Mal.
Ich will meine Gedanken verstecken - summe ein Liedchen. Im leichten Wind wiegen sich die dunklen Tannen im Takte mit.
Der Klappspaten an meiner Seite, wippt bedrohlich bei jedem Schritt.
Rambo läuft vergnügt voraus - nichts ahnend. Er schnüffelt, jagt ein kleines Vögeln, das sich alle 10 Meter vor ihm frech niederlässt ,um im letzten Moment vor ihm wegzuflattern.
Es ist ein Rotkehlchen.
Wir gehen tiefer in den Wald. Das ist wichtig. Heutzutage ist wirklich alles verboten. Im Geiste gehe ich nochmal alles durch.
Rambo läuft jetzt dicht vor mir. Seine Rute wankt. Es ist ein eleganter Hund - mit Charakter.
Plötzlich hält Rambo inne. Auf einem Seitenweg - vor ihm - taucht ein Jogger auf. Rote Hose und gelbe Jacke - hektische Bewegungen. Er sieht aus wie ein Papagei. Rambo merkt sofort, dass so etwas nicht in unseren Wald gehört.
"Der beisst nicht - der will nur spielen", rufe ich zu Rambo.
Vielleicht will es wirklich spielen - wie das Vögelchen. Bei Rambo hat bis jetzt jeder eine Chance bekommen.
Jeder.
Stürmisch läuft er auf den Jogger zu und wedelt erwartungsvoll mit dem Schwanz.
Rambo hat den Jogger erreicht und springt an ihm hoch. Er will nur spielen. Er ist nicht böse - wenn man mit ihm spielt.
Aber es passiert das übliche. Der Jogger fixiert den Hund mit den Augen. Spricht laut und hektisch. Will dem Hund Befehle erteilen - und noch schlimmer - seinem Herrchen.
"Nehmen Sie den Köter weg - Ich zeige Sie an - So gehts nicht - Ich rufe jetzt die Polizei."
Ich antworte nicht. Das macht Rambo nur aggressiv.
Seit den Verordnungen sind die Jogger stark geworden. Bedrohlich stark. Das spürt ein Hund.
Früher haben sie noch einen Bogen gemacht. Jetzt ist es ihr Weg. Das versteht ein Hund nicht.
Der Hund, ein treuer Begleiter - seit tausenden von Jahren - passt nicht mehr zu den Verordnungen.
Früher haben sich noch alle gefreut, wenn ein Hund kam. Heute werden sie einfach vergiftet. Die Zeiten sind schlechter geworden.
Drohend kommt der Jogger auf mich zu. Der gleiche Typ, der früher die Falschparker aufgeschrieben hat.
Rambo versucht sich zwischen uns zu stellen.
"Wirken Sie bitte nicht so bedrohlich, es passiert nichts", höre ich mich sagen.
"Belehren Sie mich nicht", giftet es mich an.
Das war für Rambo schon wieder zuviel. Mit einem einzigen Biss in die Kehle holt er den Jogger zu sich runter.
Ich kann nicht helfen - bin zu weit weg.
Wie schon so oft, muss ich wieder hilflos zusehen. Es geht immer so schnell - bei Rambo ist es fast schon Routine.
Rambo sitzt neben seiner Beute. Seine weisse Schnauze ist ein bisschen rot geworden. Unschuldig sieht er mich an.
"Böser Rambo - jetzt ist das Herrchen aber wirklich stinkesauer! Irgendwann verlierst Du dabei noch einen Eckzahn."
Das Schimpfen muss schnell gehen. Nach drei Sekunden kann ein Hund keine Verknüpfungen mehr zwischen dem Vorgang und dem Tadel aufbauen.
Da bin ich konsequent.
Gemeinsam ziehen wir den Jogger ins Unterholz - das ist immer der anstrengende Teil bei unserem Gassi.
Mit zwei geübten Handgriffen ist der Klappspaten einsatzbereit. Schnell entsteht ein Loch in dem weichen Boden. Zwei Meter lang, ein Meter tief, ein halber Meter breit. Rambo buddelt eifrig mit. Wir sind ein Team.
Man muss immer die Knochen vergraben, die man nicht sofort braucht - habe ich von Rambo gelernt.
Nach 30 Minuten sieht alles aus, wie zuvor.
Nur der Jogger ist nicht mehr da.
Das Rotkehlchen hat uns begleitet und pickt eifrig kleine Würmchen von der frisch aufgegrabenen Erde.
Wir machen uns wieder auf den Weg.
"Es sind wenig Jogger geworden - liegt wohl an der kalten Jahreszeit. Hoffentlich war es heute der Letzte."
Rambo läuft wieder vor mir her. Er humpelt - vorne rechts.
Verdammt - es ist ganz deutlich zu sehen. Ich kann Hunde nicht leiden sehn - Gänsehaut läuft mir eiskalt den Rücken runter. Der Arme wird sich doch nicht verletzt haben.
Ich rufe ihn zu mir. Behutsam nehme ich seine Pfote und betrachte sie genau. Vom Graben hat sich ein Steinchen verklemmt. Ich entferne es sofort. Da muss man aufpassen - das kann sich sehr leicht entzünden.
Gott sei Dank nur ein Steinchen. Und ich dachte schon, es sei was Schlimmes.