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Böse Menschen haben keine Lieder...?

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23.07.2001
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Böse Menschen haben keine Lieder...?

Wo man singt, da laß dich ruhig nieder.
Böse Menschen haben keine Lieder...?

Dünner, blauer Nebel zog durch den Saal, sachte berührt von den wenigen, die sich zu dem verhaltenen Hämmern der disharmonischen Rhythmen bewegten, die aus den Lautsprechern von der leeren Bühne plärrten.
Nach und nach füllte sich der Raum der alten Dorfkneipe. Bier gab es in Flaschen am Eingang. Sie stießen an und kippten auf ex. Freunde begrüßten sich in rauher Umarmung und brüllten Grüße. Kahl geschorene Schädel neben kurzgeschnittenem, korrekt gescheiteltem Haar.
Bald wurde es eng im Raum. Stiefel wippten zum Takt. Kehliges Stimmengewirr.
Die Pausenmusik verklang..
Wie auf ein Zeichen schwoll das Raunen der Menge an. Klatschen, Stampfen, wilde Rufe erfüllten den Raum.
Die Musiker betraten die kleine Bühne, Arme zum Gruß erhoben.
“Heil Kameraden”, brüllte der Sänger fordernd in die Menge.
“Heil”, kam es aus über hundert rauher Kehlen zurück. Hakenkreuze grüßten Runen, dämonische Fratzen und Fahnen. Tätowierte Körper, gezeichnete, kahle Schädel.
Der Schlagzeuger gab gnadenlos den Rhythmus vor. Baß und Gitarre stiegen ein und ließen den Saal beben. Die begeisterte Menge wippte und sprang im Takt.
Drohend schwang der Sänger Mikrophon und Ständer über die Köpfe der Fans und schrie ihnen seine Botschaft zu:
“Deutschland, du bist unser!” Begleitet von einem kreischenden Gitarrenstakkato.
“Wir wischen das fremde Blut!”
Die Menge spürte den Bass körperlich. Sie sprangen, kreischten. Wilde Rangeleien als Zeichen der Macht. Sie sangen mit. Sie kannten den Text. “Wir säubern das Land!”
Die rauchgeschwängerte Luft zuckte bei jedem Schlag der Trommeln, wurde verwirbelt von Massen emporgereckter Hände.
Irgendwo schwenkte Satan den Taktstock. Ein Bild, geschaffen von der Hölle.
Mit stampfenden Tritten seiner schweren Stiefel wirbelte der Frontmann über die Bühne.
Er exerzierte vor dem Mob. Im Rhythmus der kreischenden Instrumente brüllte er seinen Haß in die Menge, die seine Worte aufsaugte und im Chor wiederholte.
Er drohte, lockte, beugte sich weit vor, ergriff die entgegengereckten Hände.
Plötzlich ruderte er mit den Armen. Er versuchte das Gleichgewicht zu halten. Die Stiefel glitten weg, hart schlug er auf die Kante der Bühne und stürzte auf den Saalboden.
Sie hielten den Sturz zunächst für einen Gag und erwarteten, daß er gleich wieder aufspringen würde um die Menge weiter aufzuheizen.
Die Musik klang noch ein paar Takte weiter.
Als erstes brach die Gitarre ab, dann Baß und Schlagzeug.
Sie legten ihre Instrumente zur Seite und sprangen zu ihrem Kumpel herunter.
Im Saal ging wildes Gebrüll los. “Deutschland braucht harte Kerle!” Enttäuschtes Keifen.
“Weitermachen!”
Zwei Musiker halfen ihrem Sänger auf. Sie hakten ihn unter und geleiteten ihn vorsichtig an der Bühne vorbei in einen hinteren Raum. Der Schlagzeuger sprang wieder auf die Bühne und nahm das Mikrofon. “Leute, wir kommen gleich wieder.” Die Stimme aus den Lautsprechern verschmolz mit dem Pfeifen und Brüllen der Menge. Breitbeinig stand er vor ihnen. “Wir sind deutsche Musiker und ihr seid deutsche Fans!” Die Zuhörer antworteten: “Deutschland ist unser! Deutschland ist unser!” Ein Chor, der immer mehr anschwoll und die Kraft der Lautsprecher zu übertönen drohte.
Der Musiker reckte die Hand zum Gruß, die Menge tat es ihm gleich und dann folgte er, vom Grölen des Publikums begleitet, seinen Freunden.

Der Raum war eigentlich keine richtige Garderobe, eher ein kleiner schmutziger Abstellraum, in dem man Kisten und Säcke übereinandergestapelt hatte, um Platz für einen alten Tisch zu schaffen. Auf zwei der ebenso schäbigen Stühle ließen sich Gitarrist und Bassmann nieder, die Beine lang von sich gestreckt. Der aufsteigende Qualm ihrer Zigaretten zog durch den Raum und begann, es der schwachen Glühlampe an der Decke schwer zu machen, den Raum zu beleuchten.
An der Wand, halb vom Tisch beschattet und mit einem weichen Sack im Rücken kauerte der Sänger am Boden.
Der Schlagzeuger zog die Tür hinter sich zu und das infernale Brüllen und Schreien wurde zu einem auf- und abschwellenden Brummen gedämpft.
„Was is` nu mit dir?“ Mit drei Schritten war er bei seinem Kollegen und kniete nieder.
„Er is` gleich wieder fit.“ Der Gitarrist schob einen Fuß herüber und berührte seinen Kumpel nur leicht. Mit einem Stöhnen griff der sich an die Seite. „Paß doch auf, du Arsch! Das tut verdammt weh!“
„Was is` jetzt? Ich hab draußen gesagt, daß wir gleich wiederkommen.“ Der Schlagzeuger hatte sich wieder aufgerichtet und stand breitbeinig vor dem Mann am Boden. Der Klang seiner tiefen Stimme machte die Frage zu einer Aufforderung.
„Gib mir fünf Minuten, dann komm` ich wieder hoch.“
„Was hast du dir eigentlich getan?“ Der Bassmann beugte sich leicht herüber. Auf seinem kahlen Schädel spiegelte sich das Licht der Lampe.
„Ich hab mir an der Bühnenkante die Seite gestoßen und dann am Boden wohl den Fuß verknackst.“ Wie zur Bestätigung griff er sich jeweils an die genannten Stellen, wobei er schmerzhaft das Gesicht verzog, als er sich zu seinem Knöchel beugte.
Die tätowierten Fratzen auf seinen nackten Armen grinsten hämisch.
Der Schlagzeuger nahm sich den dritten Stuhl, setzte sich verkehrt herum und ließ seinen Oberkörper gegen die Lehne fallen. „Und wenn du nicht fit wirst? Dann reißen die da draußen uns die Ärsche auf.“ Mit einer Handbewegung deutete er zur Tür, durch die gedämpft, aber vernehmlich die lauten Stimmen der Leute zu hören waren.
Der Bassmann richtete sich auf und sah sich im Raum um. Es gab keine zweite Tür, durch die sie unauffällig hätten verschwinden können. Im Raum herrsche einen Moment Stille, untermalt vom Getöse und Gesang aus dem Saal. Wortfetzen wie Deutschland, Rasse und stark, drängten herein.
„Ich ruf einen Arzt an.“ Der Schlagzeuger griff an seinen Gürtel und zog ein Handy aus der Tasche. „Der kann dir `ne Spritze geben und deinen Knöchel verbinden und die Sache geht weiter.“
Der Sänger richtete sich auf und biß sichtbar die Zähne zusammen. „Da muß man doch in der Krankenkasse sein oder sowas. Ich weiß nicht, ob mein Alter sowas hat.“
„Kann dir doch scheißegal sein.“ Die Männer lachten. „Erste Hilfe muß der auf alle Fälle leisten.“
Über die Auskunft wurde er weitergeleitet und die Zentrale für Notärzte hatte den Anruf bald entgegengenommen und versprochen, daß so schnell wie möglich ein Arzt kommen würde.
„Dreh mir mal einer `ne Zigarette.“ Der Sänger versuchte, sich etwas aufzurichten, doch ein heftiger Schmerz ließ ihn wieder zurücksinken. Bald darauf fing er eine Zigarette auf. Ein Feuerzeug flog hinterher, verfehlte die Hand und traf die angestoßene Seite des Mannes. Der stöhnte auf: „Wenn ich wieder fit bin, hau ich dir eins in die Fresse.“
„Stell dich nicht so an. Du jammerst hier rum, wie ein verdammter Kanake.“ Der Gitarrist zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Bald zog noch dichterer Qualm durch den engen Raum. Die Kippen flogen auf den Boden und mit der Zeit, die verstrich, wurden es mehr.
Sie hingen ihren Gedanken nach und warteten. Hin und wieder wurden im Saal die Rufe lauter und dann und wann erschollen Pfiffe.
„Wann kommt denn dieser verdammte Arzt?“ Die Stimme des Verletzten klang gequält. „Wir warten doch bestimmt schon eine halbe Stunde.“
„Du bist bescheuert, Alter. Vor gut zehn Minuten habe ich telefoniert. Der kommt schon.“ Der Schlagzeuger zündete sich wieder eine Zigarette an und streckte die Beine aus. Vom Saal drangen immer noch Stimmen herüber. Die Pfiffe wurden mehr.
Mit jeder Minute, die verging, stieg die Nervosität im Raum.
„Mir geht es schlechter, kannst du nicht noch mal anrufen, daß die sich beeilen sollen?
Wortlos nahm der Schlagzeuger das Handy aus der Tasche und wählte erneut.
Es dauerte eine Weile, bis die Verbindung zustandekam. In schroffem Ton erkundigte er sich nach dem Arzt.
“Ich will nicht wissen, was der alles zu tun hat, ich will wissen, wann der hier ist.“
Draußen im Saal wurden die Stimmen wieder lauter. „Wenn der unterwegs ist, müßte er ja langsam mal hier sein. Ruf den Typen gefälligst noch mal an, sonst kannst du was erleben.“ Mit einer wütenden Geste unterbrach er die Verbindung und schob das Telefon in die Tasche zurück.
„Was is` nu?“ wollte der Bassist wissen. Er schaute zum Sänger herunter, der schwer und gepreßt atmete. Schweiß stand ihm auf der Stirn.
„Is unterwegs.“ Schnauzte der Schlagzeuger kurz, sprang auf, daß der Stuhl zur Seite flog, schob wütend seine Daumen hinter die Hosenträger und schlenderte um den Tisch herum.
„Da war so eine dreckige Türkentussi oder sowas am Telefon.“ Ein leerer Karton bekam einen Tritt mit dem Stiefel und kippte auf die Seite. „Wenn wir hier fertig sind werde ich dieser Schlampe mal einen Besuch abstatten.“ Brüllte er und gab dem Karton erneut einen Tritt, daß er gegen die Tür flog.
Die Minuten verstrichen und der blaue Dunst im Raum wurde dichter.
Abwechselnd fluchten sie über den Arzt und schworen ihm alle möglichen Verwünschungen an den Hals.
Die Atmung des Sängers wurde zusehends verkrampfter, Schweiß stand auf dem blassen Gesicht.
„Wenn der Arzt nicht bald kommt.....“ Ein heftiger Schmerz verschluckte den Rest des Satzes.
Seine Kollegen schwiegen.
Plötzlich meldete sich der Gitarrist. „Hört ihr was?“ Er hatte eine Hand gehoben, als wolle er auf ein besonderes Geräusch hinweisen. Auch die anderen lauschten.
„Was sollen wir hören?“ Brummte der Schlagzeuger.
„Nichts. Es gibt eben nichts zu hören.“ Der Gitarrist schaute mit großen Augen in die Runde.
„Vorhin war noch jede Menge Lärm im Saal. Jetzt ist da nichts mehr.“
„Stimmt.“ Der Bassmann ging auf die Tür zu. Langsam drückte er die Klinke herunter und zog sie einen Spalt auf.
Noch bevor er in den Saal spähen konnte, wurde er von einem gewaltigen Ruck zurück in den Raum geworfen. Mit einem Krachen flog die Tür ganz auf und Polizisten mit Schlagstöcken und Helmen stürmten den Raum. Schreie erfüllten die kleine Kammer. Befehle wurden gerufen. Die Musiker sprangen auf und wurden brutal an die Wände gedrängt.
„Was ist mit dem dort in der Ecke?“ „Der ist wohl krank. Sieht nicht gut aus.“
Der Schlagzeuger meldete sich unter den Griffen der Beamten. „Seid vorsichtig, der ist verletzt. Wir warten auf den Notarzt.“
Ein Beamter kniete neben dem Sänger nieder, untersuchte ihn flüchtig und richtete sich wieder auf.
„Der braucht keinen Arzt mehr.“

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Tageszeitung:
Am Rande eines Konzertes einer rechtsradikalen Musikgruppe kam es in den Abendstunden zu einem tragischen Zwischenfall.
Aufgeheizte Konzertbesucher hatten in dem Veranstaltungslokal einen südländisch aussehenden Mann angegriffen und schwer verletzt.
Die herbeigerufene Polizei identifizierte das Opfer als einen aus Ägypten stammenden Arzt, der zu eben diesem Lokal zu einem Notfall gerufen war.
Während des Konzertes hatte sich ein Musiker bei einem Sturz von der Bühne schwere innere Verletzungen zugezogen und verstarb aufgrund fehlender ärztlicher Hilfe noch vor Ort.

 

War ok, wenn auch zu früh vorhersehbar...

Lakonischer Schlussatz gefiel.
Lord

 
Zuletzt bearbeitet:

Deshalb steht sie auch nicht unter "Spannung".
Danke
Manfred

 

Hallo Dreimeier,

ich fand die Geschichte gut. Den Schluss hab ich nicht vorhergesehen, ich hab mit allem Möglichen gerechnet, aber damit (mit dem eigentlich Naheliegenden) nicht.

Gefallen hat mir auch die Sprache, vor allem auch im ersten Teil, wo du die stakkatoartige Musik und die aufgepeitschte Atmosphäre gut rübergebracht hast. Ich konnte den Konzertsaal vor mir sehen. :thumbsup:

Die Länge der Story passt, würde ich sagen. Du hast sie so ausführlich geschrieben, wie sie sein musste, aber den Schluss nicht unnötig in die Länge gezogen.

"Heil Kameraden," brüllte
"Heil." Kam es aus über
"Heil Kameraden", brüllte...
"Heil", kam es aus...

evtl. "infernalisches Brüllen" statt "infernales Brüllen"?

"Was is` nu mit Dir?"
dir

Du bist bescheuert, alter
Alter

Insgesamt gute Geschichte, die nachdenklich macht. Leider wird dieser Effekt bei den Leuten, die mal nachdenken sollten, wohl nicht zu erreichen sein.

Gruß

Christian

 

Hej Dreimeier!

Gute Geschichte. Die Atmosphäre kommt so rüber, dass man die Szene vor sich sieht und ich persönlich eine Gänsehaut bekomme.
Nachdenken werden aber sicher nur diejenigen, die es eh schon kapiert haben.
Danke für einen nachdenklichen Text!

chaosqueen :queen:

 

Hallo criss,
hallo chaosqueen,

zunächst entschuldige ich mich für meine späte Reaktion auf Eure Beiträge.

Die Anmerkungen von criss habe ich dankend übernommen.
Bei infernal und infernalisch habe ich schon während des Schreibens überlegt.
Zum einen benutzt infernalisch jeder und zum anderen wirkt der Wortklang von infernal für mich etwas unheilvoller, also hab ich es dabei belassen.

Daß diejenigen, die es berühren sollte solche Texte nicht lesen, ist traurige Wahrheit. Täten sie es dennoch, würden sie es als Schwachsinn abtun.
Eine Änderung der Zustände muß schon anders herbeigeführt werden.
Schreiben ist aber eine schöne Möglichkeit sich etwas von Herzen zu holen und diese besonders intensiven Gefühle helfen dann wohl wiederum Situationen deutlicher zu beschreiben, was einer Geschichte nur guttut.

Ich hab mich sehr über Euer Lob gefreut.
Danke und Gruß
Manfred

 

Hi Dreimeier,

wirklich klasse Geschichte, an der ich nichts (wenig)
auszusetzen hatte.
Musste sogar en bisschen darüber schmunzeln, weiß zwar nicht, ob die Geschichte dafür gedacht war, aber trotzdem war sie irgendwie lustig.

Wäre doch echt mal interessant zu wissen, was in einem solchen Fall passieren würde.

Würde sich ein Nazi von einem Schwarzen behandeln lassen?
Könnte sich der schwarze Arzt weigern den Patienten zu behandeln?

Gut fand ich auch, wie du das Bild des "Starken Mannes" dargestellt haßt. Und wie dieses Machotum einem zum Verhägnis werden kann. Und wie schnell "Kameradschaft" einer Ideologie weichen kann.

Nur den Schluss fand ich en bisschen zu überspitzt:

Arzt wird gleich tot geschlagen, und Musiker stirbt auch noch...
das hat mir nicht sgut gefallen, aber ansonsten, wie schon gesagt klasse Geschichte, auf die man erstmal kommen muss!

Gruß Kev2

 

Hallo Kevin,
danke, daß Du meine Geschichte gelesen hast, und daß sie gefällt freut mich.
Auf solche Geschichten kommt man, wenn man sich überlegt, was einen sehr beschäftigt oder Angst macht. Und dann: Was währe wenn? Da hast Du ja gerade genug Stoff geliefert. Schreib es also selbst oder ich tu´s......Danke.:D

Zum Ende dieser Geschichte:
Ich bin nicht so blutrünstig wie Du glaubst.
Der Arzt lebt doch noch!
Bis dann, Manfred

 

@Dreimeier,

Ups, hast natürlich recht, der Arzt stirbt doch nicht, hab mich da irgendwie vertan.
Und hab noch en Fehler gemacht, der Arzt war ja gar kein Schwarzer, sdondern en Südländer, aber das ist wohl nicht entscheident!

Was wäre wenn, du hast recht, so entstehen gute Geschichten, sagt STEPHEN KING auch immer, und ich glaub ich kann euch beiden da zustimmen.

Trotzdem ist deine Geschichte originell.

 

Hallo Dreimeier,

Deine Geschichte ist gut geschrieben, die spannungsgeladene Atmosphäre ist gut nachvollziehbar. (Für sehr gefährlich halte ich aber auch die durchaus intelligenten Nazis, die es auch gibt). Es ist nicht nur für Neonazis typisch, wenn man denkt, seine Jugend destruktiv oder gleichgültig verbringen zu können, aber im Notfall auf jemanden baut, der schön brav seine Ausbildung gemacht hat und deshalb z.B. medizinisch helfen kann.
Übrigens... ein guter Titel!


Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Dreimeier!

Ja, ich finde Deine Geschichte auch sehr gelungen! :thumbsup:

Deine Details sind nicht zu viel und nicht zu wenig, genau richtig dosiert, sodaß man sich die Handlung sehr lebendig vorstellen kann, man aber trotzdem nicht durch zu lange Beschreibungen aufgehalten ist.

Die Atmosphäre und der Umgang der Burschen miteinander klingen glaubwürdig. Genau die "Kameradschaft" unter den Nazis ist ja das, womit sie junge Leute zu sich locken und ich finde es gut, daß Du eine Geschichte geschrieben hast, in der das so hart zum Ausdruck kommt, was eigentlich dahinter steht, wie wenig der Einzelne letztendlich zählt, sobald er seine Funktion nicht mehr erfüllt, wie hier:

„Und wenn du nicht fit wirst? Dann reißen die da draußen uns die Ärsche auf.“
Ein Feuerzeug flog hinterher, verfehlte die Hand und traf die angestoßene Seite des Mannes. Der stöhnte auf:„Wenn ich wieder fit bin, hau ich dir eins in die Fresse.“
„Stell dich nicht so an. Du jammerst hier rum, wie ein verdammter Kanake.“
Auch, daß sich am Schluß keiner von seinen Kollegen mehr um ihn kümmert und nicht einmal einer bemerkt, daß er gestorben ist, zeigt von ganz besonders tiefer Freundschaft...

Dazu kommt natürlich auch noch die Sache mit dem südländischen Arzt, die wurde aber schon genug besprochen, finde ich ebenfalls sehr gut.

Ich finde, solche Texte gehören in Lesebücher für die Schule.

Aber jetzt zum Titel und Deinen einleitenden Verszeilen:
Finden sich denn "Lieder" im Repertoire solcher Gruppen??? ;)

Dann hab ich da noch was gefunden...

"berührt von den Wenigen, die sich zu ..."
- den wenigen, die

"Auf zwei der ebenso schäbige Stühle ..."
- schäbigen

"Der stöhnte auf:"Wenn ich ..."
- Leerzeichen nach dem Doppelpunkt fehlt

"und mit der Zeit, die verstrich wurden es mehr."
- Zeit, die verstrich, wurden es

Alles liebe,
Susi :)

 

Hallo Häferl,
danke für Deine Hinweise. Ich hab's sofort geändert.

----------
"berührt von den Wenigen, die sich zu ..."
- den wenigen, die
------------Da denke ich immer: "die Wenigen." Ich hab's aber geändert, weil ich Dir vertraue.
Gut ne?

Die Geschichte hab ich u.a. geschrieben, weil ich mal einen Bericht gesehen habe, in dem auch ein Konzert einer rechtsradikalen Band gezeigt wurde. Das Auftreten dieser Leute hat mich sehr beschäftigt. Auch, wie sich da das Publikum gegeben hat. Die haben sich angerempelt und angesprungen. Es artete fast in Prügeleien aus. Da war unglaublich viel Aggressivität.
Die Band hat das mehr und mehr angeheizt.
Da fühlt man sich so hilflos.

Tja, der Titel:
Sicher kennst Du den Spruch auch.
Böse Menschen haben keine Lieder, steht hier aber im Fragezeichen. Klar, man kann sich darüber streiten, ob das Lieder sind.

Davon abgesehen, ist dieser Titel für meine Verhältnisse, der mit Abstand genialste.
Verglichen mit den Titel, zu denen ich mich sonst quäle.

Danke fürs Lesen und für Dein Lob
Gruß Manfred

 

Hallo Manfred!

Erst einmal das Wichtigste vorweg: Deine Geschichte hat mir auch sehr gut gefallen! :thumbsup:

Hab' mir ein paar Notizen dazu gemacht - jetzt, wo ich die Kritiken der anderen gelesen habe, muss ich sagen, dass sie weitgehend mit den Meinungen der anderen übereinstimmen.

Da wäre zum einen natürlich die Atmosphäre, und die hast du, vor allem zu Beginn der Geschichte, sehr gut eingefangen (man hatte den Eindruck, sich inmitten der Menschenmenge zu befinden), und ich war sehr neugierig, worauf die Geschichte hinauslaufen würde.

Das Ende war für mich persönlich vollkommen unvorhersehbar, da wäre ich nie drauf gekommen, und ich muss zugeben, dass ich den Zeitungsartikel am Ende ein zweites Mal lesen musste bevor ich ihn verstand.
Ich finde, die Geschichte ist gut durchdacht.

Den Titel finde ich ebenfalls gut gewählt; sehr Neugierde erweckend.

Besonders gefiel mir auch die Ausdrucksweise. Die Begriffe sind treffend und alles wirkt gut vorstellbar. Sprachlich also sehr anschaulich.

Insgesamt ist dir also wieder einmal eine wunderbare Geschichte gelungen, die mir sehr gefallen und die ich gerne gelesen habe.

Ein paar Anmerkungen hab' ich noch, bloß Kleinigkeiten (sofern sie noch nicht aufgeführt wurden); sprachlich gibt's nichts daran auszusetzen, betrifft also bloß Rechtschreibung, Zeichensetzung, etc.

Einmal schreibst du "Mikrophon"; weiter unter "Mikrofon". Ist kein Fehler, da beide Varianten gängig sind; hab's bloß erwähnt, weil's nicht einheitlich ist.

Im Raum herrsche einen Moment Stille
herrschte
Wortfetzen wie Deutschland, Rasse und stark, drängten herein.
Müssten die drei betreffenden Wörter nicht in Anführungsstrichen stehen?
(Komma nach "stark" wäre dann unnötig.)
Du bist bescheuert, Alter. Vor gut zehn Minuten habe ich telefoniert. Der kommt schon
Ist bloß eine subjektive Idee von mir; zur Ausdrucksweise des Charakters würde ich einfach bloß "hab" treffender finden.
„Was is` nu?“ wollte der Bassist wissen
Komma fehlt ("... nu?", wollte)

Die beiden folgenden Stellen sind ähnlich:

Er schaute zum Sänger herunter, der schwer und gepreßt atmete. Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Die Atmung des Sängers wurde zusehends verkrampfter, Schweiß stand auf dem blassen Gesicht
Vor allem der zweite Satz(teil) ist etwas wiederholend.
„Is unterwegs.“ Schnauzte der Schlagzeuger kurz
"...unterwegs", schnauzte ...
„Was sollen wir hören?“ Brummte der Schlagzeuger
"... hören?", brummte ...

So, ich glaube, das wär alles. Hoffe, dir mit meinen Anmerkungen noch ein wenig weitergeholfen zu haben.

Viele Grüße,

Michael :)

 

Manfred, das sollte auch nur ein Gedanke zu den "Liedern" gewesen sein - ich hab doch die Geschichte wegen dem Titel angeklickt... ;)

Alles liebe,
Susi

 

Hallo Manfred,
ich habe deine Geschichte wegen der Lesung angeklickt.
Sie stimmt nachdenklich, weil dieses Thema immmer noch tabuisiert wird. Wenn sie dir am Herzen liegt, trage sie in Ahrensburg vor.

Liebe Grüße
Petra

 

na, das thema ist mir schon wichtig.
aber wieder nicht so, daß ich nichts anderes lesen würde.
mit sicherheit aber nicht "das grauen im amt"

 

Hallo Manfred,

zunächst einmal drei Bemerkungen:

"disharmonischen Rhythmen" --> disharmonisch bedeutet, dass sich Töne aneinander reiben und das Ganze für manche Menschen "schräg" klingt. Disharmonie hat etwas mit den Harmonien, den Akkorden und Melodien zu tun, aber nicht mit dem Rhythmus, d.h. ein Rhythmus kann nicht disharmonisch sein :)

"“Heil”, kam es aus über hundert rauher Kehlen zurück" --> rauhen

"Wortfetzen wie Deutschland, Rasse und stark, drängten herein." Die Wortfetzen drangen herein, d. hieße, man konnte sie hören. Wenn Du "drängten" schreibst, dann bedeutet das für mein Gefühl soviel wie, sie drängelten sich herein - und das geht doch nicht, oder?


So, dass wars an Gemecker.
Deine Geschichte habe ich gerne gelesen. Besonders im ersten Teil kam die Stimmung in der Kneipe vor dem Konzert sehr gut herüber. Du schriebst in einem Stil, der wie die hämmernde "Musik" dieser Leute auf mich wirkte. Das passte prima.

Besonders gefallen hat mir, wie die Angst und Schwäche der ach so kernigen, weil deutschen, Musiker deutlich wurde.

Etwas unglaubwürdig erschien mir, dass es im Saal einfach nur still wurde, als die Polizei kam. Hätte da nicht die Hölle los sein müssen? Hätten sich die Rechtsradikalen nicht eine richtige Schlacht mit den "Bullen" geliefert? - Aber ich kenn mich da nicht so aus, ich gehe selten zu solchen Veranstaltungen :D.

Oooops! Jetzt habe ich den letzten Teil Deines Textes, den nach dem Strich, gelesen. Ich dachte zuerst, dass das nur eine Erläuterung von Dir ist und wollte mich zunächst nur um die eigentliche Geschichte kümmern, aber jetzt stelle ich fest, dass die Sache mit dem Arzt noch zur story gehört. Vielleicht wäre da ein Satz wie "Am nächsten Tag stand in der Zeitung: ..." hilfreich gewesen?

Ich freue mich, dass Du diese Geschichte in Ahrensburg lesen wirst.

Liebe Grüße und bis demnächst in Gelsenkirchen
Barbara

 

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