Auswärtsspiel
Sphärische Musik. Das All in schlafender Dunkelheit. Vorsichtig erwachen Sterne in schwebenden Harmonien. Bewegung entsteht, aus einem unscheinbaren Punkt sprießt ein verheißungsvoller Lichtschein. Die Musik gewinnt an Tiefe und Rhythmus. Kaskaden schillernden Lichts strecken sich dem Zuschauer entgegen, der in einem hoffnungsvollen Bogen dem Zentrum des gerade geborenen Universums entgegenfällt. Chöre jubilieren der rasanten Fahrt zu. Doch ein dunkler Schatten schiebt sich in das Bild. Ein verbeulter Frachter trudelt in die Flugbahn, der Zusammenstoß ist unvermeidbar. Durch die staubig dreckige Explosion fetzen Gitarrenriffs und Industrialbeats. Im freien Fall stürzt die Kamera auf einen Asteroidengürtel zu. Streift Trümmerbrocken der Ausläufer. Überschlägt sich zu irren Musikloops. Und schlägt schließlich auf einem riesigen Felsen auf, schlittert über schroffes Gestein, rollt, springt und rutscht. Stillstand. Ruhe. Leise ist der Puls eines Menschen zu hören. Die Kamera liegt direkt auf der Kante eines riesigen Kraters. Mit jedem Pulsschlag neigt sie sich ein kleines Stück weiter über den Abgrund. Sie beginnt zu kippen. Der Zuschauer erhascht flüchtige Eindrücke der Stadt an den Hängen des Kraters. Positionslichter, Industriestrahler und Triebwerksblitze zeichnen scharfe Konturen, die an eine brennende Müllhalde erinnern lassen. Die Kamera fällt. Kurz sind die aufgerissenen Schlünde der Minen am Boden zu erkennen. Doch mit die Kamera streift eine Parabolantenne, wird in das Zentrum des Kraters geschleudert und bleibt hoch über dem Boden der Stadt in der Luft hängen. Langsam rotiert sie um die eigene Achse. Wiederaufnahme des Originalthemas. Ein Panoramablick über die Stadt, abertausende Raumschiffhüllen, aus denen die Kuppeln, Hangare, Industrieanlagen, Prachtbauten und Wohngebiete zusammengeflickt wurden. Einspielung einer tiefen Männerstimme: "Wir haben das Paradies gesucht und haben New Heaven gefunden. Wir haben die Götter herausgefordert und haben der Strafe getrotzt. Wir haben unsere Besten verloren und wir haben das Spiel erfunden, sie zu ehren. Heute, 24 Stunden lang live, auf Kanal 999, die Titelverteidiger der Ersten Ehrendivision gegen den Aufsteiger der Saison, die Pyrrhus Piraten. Bleiben sie dran!"
"Scheiße, das nervt." Miroslav schaltete den Sender aus und schleuderte Liz die Fernbedienung mit einem Handgelenkswurf ans Knie. Liz zuckte nicht einmal, sie blickte langsam der scheppernden Fernbedienung hinterher, würdigte ihn aber keines Blickes. Ihre rechte Hand griff langsam nach einem der Betäubungsshurikens an ihrer Oberschenkeltasche. Schusswaffen und Klingen waren verboten, der Zivilisten und des Blutes wegen. Aber kein Mannschaftsführer wollte sich ausschließlich auf den Nahkampf verlassen, gute Wurftechniker waren immer gefragt, und immer gefährlich. Liz gehörte zu den Besten.
"Hey, Wedma, schon gut, immer cool bleiben," Miroslav hob entschuldigend seine Hände, "was sollte eigentlich diese beschissene Werbung eben? Nur Epik, keine echte Action."
"Kanal 999 besitzt nur eine Sektorlizenz," Liz legte ihre Hand wieder flach auf den Oberschenkel, wo sie auch die letzten vier Stunden gelegen hatte und starrte geradeaus auf die Tür, "die haben weder Bild- noch Namensrechte an den Spielern oder den Statistiken gekauft, geschweige denn Zugriff auf die Archive. Das läuft alles auf den großen Sendern."
"Ach so." Miroslav gab auf, damit war auch dieser Ansatz zur Konversation gestorben. Warum musste ausgerechnet er mit der Psychopathin zusammenarbeiten.
Sie saßen im Steureungsraum für die Plasmatriebwerke eines Linienfrachter, der als Füllmaterial zwischen einer fliegenden Erzschmelze und einem Truppentransporter der Bastille-Klasse diente. Die Erzschmelze war immer noch in Betrieb und beschäftigte gut zweitausend Arbeiter, die mit ihren Familien den Truppentransporter bewohnten. Wohnungen in einer der bequemeren zivilen Schiffshüllen konnten sie sich natürlich nicht leisten. Der Linienfrachter war völlig ausgeplündert und beherbergte ein paar Kaschemmen für die Schichtarbeiter und mietbare Lagerräume, zu denen auch der ehemalige Steuerungsraum zählte. Und in dem sie nun herumhingen, seitdem sie in den Sektor eingedrungen waren.
Scheiß Teamstrategie, dachte Miroslav.
Von der ursprünglichen Überwachungselektronik des Raumes war keine Spur mehr zu sehen, an den Wänden stapelten sich nummerierte Metallboxen und Plastikkisten und verengten den kleinen Raum unangenehm. Ein paar Kisten hatten sie so verrückt, dass mögliche Angreifer der Ersten daran hängenbleiben würden, ohne jedoch selbst Deckung zu erhalten. Außerdem hatte Miroslav darauf einen mobilen Bildschirm gestellt, den er in einem der Kisten gefunden hatte. Er lehnte unruhig an einem Kistenstapel und stützte sich auf dem Rucksack ab, den sie die nächsten zwanzig Stunden bewachen sollten. Vor einer Stunde hatte ihn die Neugier übermannt und er hatte entgegen der Anweisungen und Liz Protest reingeschaut. Ein knallroter Mantel, eine Mütze, Schminkutensilien und anderer Kleinkram. Sie bewachten eine bekloppte Verkleidung! Wollte Niklas die Verteidiger mit knalligen Farben blenden und seelenruhig in die Basis der Ersten reinschlendern?
Liz saß seelenruhig auf dem einzigen Stuhl und konzentrierte sich auf ihre Atemtechnik.
"Und wir sollen echt nur auf den verfickten Rucksack aufpassen und warten? Was ist das denn für ein Plan?"
Niklas war seit über zwei Stunden durch Wartungsröhren, Hohlwände und verwaiste Kabelschächte gekrochen, nun lag er in einer Frischluftzufuhr und blickte durch das Abschlussgitter auf die Galerie der Einkaufspassage. Die Passage bildete eine eigene kleine Stadt für sich und zog sich mit all ihren Nebenarmen quer durch einen ehemaligen Staatskreuzer. Von hier oben konnte er über die Balustrade hinaus zehn Stockwerke tief hinab auf den Marktplatz blicken. Eine seltene Tiefe in New Heaven, wenn man nicht gerade in den Krater oder die Minen sprang und einzigartig in diesem Sektor. Ron und er hatten als Kinder ganze Tage hier rumgehangen, vor den Rekrutierungsbüros der Minen von großen Abenteuern geträumt und nachdem sie, wie so oft, aus dem Weltraummuseum geflogen waren, wilde Verfolgungsjagden mit den Gravitationsliften inszeniert. Der Ort zog ihn fast magisch an, damals und auch heute. Und genau deshalb war er sich so sicher, dass Ron mit der Ersten hier ihre Basis errichtet hatten. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, tief unten auf dem Marktplatz bildete sich eine größere Gruppe Schaulustiger um vier Arbeiter, die begannen eine Baumattrappe zu errichten. Keiner von ihnen hatte jemals einen Nachbau dieser Urpflanzen in Originalgröße gesehen und dementsprechend groß war das Aufsehen.
Gut, dachte Niklas, sie hatten also mit der Arbeit begonnen, und auch die anderen sollten inzwischen ihre Ausgangspositionen erreicht haben.
Langsam schob sich Niklas zurück. Es war Zeit zum Spielen.
Mustafa war nicht glücklich, kein Stück weit. Er war ein geachteter Meister des Einbruchs, kein heruntergekommener Schauspieler. Vor zwei Spieltagen war er einen senkrechten Abgasschacht lautlos hinabgestiegen, hatte im Alleingang die Farbgranate in der gegnerischen Basis gezündet und hatte damit den Sieg geholt. Und heute? Vor ihm hockte Marcus und nahm die letzten Feinabstimmungen am Nanoseil vor. Praktisch unsichtbar für das menschliche Auge hatten sie es quer über die Fabrikhalle gespannt.
"Gut, ich habe dich eingehakt," Marcus drehte sich um, Mustafa konnte sehen, wie er sich das Grinsen verkneifen musste, "gib mir zehn Minuten um auf die andere Seite zu kommen. Genau zum Schichtwechsel musst du fliegen, verstanden?"
"Mit Normalsterblichen rede ich gar nicht mehr, also hau endlich ab.", grummelte Mustafa.
"Entschuldige Erzarbeiter Gabriel," Marcus prustete kurz, "ich bin ja schon weg - und vergiss die goldene Perücke nicht."
Damit ließ Marcus ihn alleine. Mühevoll verkniff Mustafa sich, an dem weißen Gewand herunter zu blicken. Wie peinlich. Und anlehnen konnte er sich an der Wand auch nicht, sonst würden die Flügel zerknicken.
Die Klappe der Mülleinheit öffnete sich und zwei Servierten wurden hineingeworfen. Niklas griff schnell nach dem Abfall und warf ihn zurück auf den Gang.
"Meine Güte," rief er einem älteren Pärchen hinterher, "haben Sie nicht gesehen, dass die Einheit besetzt ist? Kann man den nirgendwo in Ruhe seine Geschäfte erledigen?"
Die Frau schrie kurz auf und auch der Mann zuckte heftig zusammen. Um den Effekt noch zu verstärken winkte Niklas durch die Klappe. Der Mann nahm seine Begleiterin am Ellenbogen und die beiden hasteten davon. Gut, die nächste Meldestelle war keine fünfzig Meter entfernt und wenn die Erste nicht völlig pennte sollten sie in drei bis fünf Minuten, kurz vor den Sicherheitstruppen, vor Ort sein. Ein Blick auf seinen Handgelenksbildschirm bestätigte, dass der Gang nun leer war. Niklas drückte von innen gegen die Kunststoffwand und mit einem lauten Knall fiel sie mit ihm zusammen hinaus. Er ging in die Hocke und griff in den Schacht, nach wenigen Sekunden ertastete er das Seil und zog den Sack, den er die ganze Zeit hinter sich hergeschleppt hatte, mit einem Ächzen hinaus. Mit einer kurzen Fußbewegung schob er die beiden Servierten in den gähnend offenen Abfallschacht. Ordnung musste sein, dachte Niklas, und machte sich auf den Weg. Bisher war alles gut gelaufen, mit etwas weniger Glück hätte ihm die alten Leute einen Becher heißen Kaffee ins Gesicht geschüttet.
Keine zehn Minuten später hatte ihn die Erste ein paar Gänge weiter in die Enge gedrängt. Niklas drückte sich in eine Sitzecke am Ende der Sackgasse, in die er geraten war und wartete auf das Ende seines Spieltages. Vom Anfang des Ganges erklang die vertraute Stimme, mit der er gerechnet hatte.
"Niklas, wir haben dich wohl erwischt. Komm langsam raus, keine Tricks und Spielereien. Damit ersparst du uns eine schmerzhafte Schlägerei."
Niklas grinste, Ron hatte es natürlich nicht in der Basis ausgehalten, im ungewissen. Guter Mann, und gut für ihn. Niklas vergewisserte sich, dass der Verschluss des Sacks auf zwanzig Sekunden Verzögerung eingestellt war. Mit einem Fingerschnippen starte er den Mechanismus und trat, wie gefordert, mit erhobenen Händen langsam in den Gang. Ron stand am anderen Ende.
"Sehr gut. Wir erklären dich zum Neutralisierten, du kommst mit in die Basis und bist für heute raus aus dem Spiel. Einverstanden?"
"So lauten die Spielregeln," Niklas zuckte mit den Schultern und ging auf Ron zu, "gehen wir."
"Einen Moment," Ron drehte sich um und rief ein paar schnelle Befehle, "guter Versuch. Aber bevor wir gehen schauen wir uns erst einmal an, was du da mit dir rumgeschleppt hast."
Vier Männer in leichten Kampfanzügen kamen in den Gang und näherten sich vorsichtig der Nische. Ron und Niklas blieben an den Gangenden stehen. Kurz bevor die Männer bei Niklas angekommen waren, riss der Reißverschluss auf und mit lautem Bellen, Heulen und Getöse schossen etwa dreißig kleine Gestalten aus dem Sack heraus und stürzten im Pulk durch den Gang. Vor Schreck sprangen die Kämpfer der Ersten an die Wände des Ganges und ließen die Rotte vorbei. Nur Ron, der ein paar Meter mehr Zeit hatte seine Schrecksekunde zu überwinden, erkannte die Spielzeughunde und griff sich gedankenschnell einen aus dem Pulk heraus. Der Rest entkam kläffend in Richtung der Gallerie. Nachdem sie sich von ihrer Verwirrung erholt hatte, griffen zwei der Männer Niklas, der immer noch mit erhobenen Händen im Gang stand und die anderen beiden gingen in die Nische, um den Sack näher zu untersuchen. Ron hielt nachdenklich den zappelnden Hund in der Hand.
"Spielzeuge. Verdammte Spielzeuge," er blickte zu Niklas, "schneller und lauter, als die meiner Kinder. Und mit einer Plastikröhre auf dem Rücken, in der die Granate getragen werden kann. Du willst doch nicht unser Quartier durch diese Spielzeuge hochjagen lassen?" Ron drehte sich kurz zur Seite und gab ein paar Befehle über Funk.
"Nun jagen meine Leute auch noch Spielzeughunde."
Er wandte sich an die beiden Kämpfer, die aus der Nische zurück kamen.
"Habt ihr noch etwas gefunden?"
"Nur den Transportsack, einen Haufen Geschenkschleifen und vier Thermoskannen mit heißer alkoholischer Flüssigkeit."
"Zeigt mal die Flaschen," Ron untersuchte die Flaschen nacheinander. Bei der dritten stutzte er und drehte kurz an der Temperatureinstellung herum, mit einem Zischen öffnete sich der Flaschenboden und ein länglicher runder Gegenstand fiel in seine Hand.
"Ein handelsüblicher Schlag-Elektroschocker für Privatmilitaristen," er blickte Niklas fragend an, "ich dachte so etwas wäre nicht dein Stil?" Er hielt die gut 25 Zentimeter lange und 500 Gramm schwere Waffe prüfend in der Hand.
"Ist es auch nicht," antwortete Niklas ausweichend, "aber allein mit den Hunden und dem Glühwein hätte ich im Notfall wenig anfangen können. Das Zeug ist übrigens nicht vergiftet, bis auf den Alkohol, ihr könnt ruhig einen Schluck probieren."
Ron ignorierte das Angebot. Er gab ein paar kurze Handzeichen zum Abzug und schweigend gingen sie mit ihrem neutralisierten Begleiter zurück zur Basis. Aus der Ferne hörte Niklas das Kläffen der Hunde.
Die drei Gestalten in den langen Gewändern und mit den historischen Kopfbedeckungen stiegen lamentierend aus dem Lift.
"Ob wir von den Zeugen Jehovas seien, so ein Quatsch. Tragen wir Bilder vom Weltuntergang mit uns rum?"
"Das verstehe ich eh nicht," erwiderte der Zweite, "der ist doch nun schon seit Jahrhunderten Geschichte, warum hängen die sich immer noch daran auf?"
"Aber als du verkünden wolltest, dass ein Kind geboren sei und wir Geschenke hätten, hat die uns für Pädophile gehalten."
"Immerhin noch besser, als für den Vater," warf der Dritte ein, "hast du die Wut in den Augen gesehen?"
"Und der Quälgeist auf ihrem Arm hat die ganze Zeit über geschrien," meinte der Erste wieder, "wir hätten ihr vielleicht doch etwas von dem Weihrauch dalassen sollen, ich habe gelesen, dass das Zeug beruhigend wirken soll."
"Dann nehme ich auch ein wenig davon. Diese ganzen Rentner und Kinder sind doch komplett durchgeknallt."
"Egal," kam es nun wieder von dem Zweiten, "lass uns erst einmal den Block wechseln, damit sie uns nicht zu früh erwischen."
Die beiden anderen stimmten ihm zu und die drei verschwanden im nächsten Wartungsschacht.
"Und setz dir endlich auch deinen Turban auf," kam es noch dunkel durch die Tür, "das mit dem Zylinder ist völlig die falsche Zeitschine, Niklas rammt ihn dir sonst bis aufs Kinn runter."
"Wir haben ihren Kapitän erwischt, wir kontrollieren vier ihrer besten Angriffsspieler, die schlecht getarnt auf dem Marktplatz Baumattrappen aufbauen und wir haben gerade diese verfluchte Psychopatin von Wurfsternschleuder neutralisiert - aber wir wissen immer noch nicht, was die eigentlich vorhaben," Ron tobte durch die Basis, "und was machen meine Männer? Sie jagen immer noch Spielzeughunde."
Niklas war zufrieden, Liz und Miroslav mussten sich gut gewehrt haben, dem Mannschaftsfunk nach würden mindestens vier Verteidiger seelenruhig schlummern, bis Ron ein Gegenmittel für das Betäubungsgift gefunden hatte.
Ron wandte sich an Niklas, der im rückwärtigen Bereich des E-Book-Antiquariats saß. Den Regeln entsprechend hatte die Erste einen öffentlich zugänglichen Ort als Basis gewählt und nur von außen wirkte der Raum noch wie der verstaubte Eckladen auf der siebten Etage der Galerie.
"Also gut, Niklas," Ron setzte sich zu Niklas, "du lässt dich dabei erwischen, wie du Kinderspielzeug freilässt, bei zwei deiner Spezialisten finden wir ein lausiges Kostüm für einen farbenfrohen Landstreicher, dein Angriffsteam baut Plastikbäume auf, in der Fabrik sind angeblich Engel gesehen worden und in den Wohngebieten laufen historisch gekleidete Irre rum, die Geld und Gewürze an Kinder verschenken." Ron raufte sich die Haare. "Wenn du nicht illegale Helfer eingesetzt hast, ist dein komplettes Team damit beschäftigt uns zu verarschen. Was soll der Unsinn?"
Niklas tat so, als müsse er seine Antwort gut abwägen, dann wandte er sich direkt an die Channel 999 Kamera, die über Rons Schulter schwebte, er lächelte kurz bevor er sprach.
"Weihnachten, das Fest der Liebe, das unsere Vorfahren auf der Erde feierten. Die Pyrrhus Piraten bringen euch das Fest zurück, dass in der dunkelsten Jahreszeit gefeiert wurde, um die Hoffnung zu erhalten, und zu dem Engelschöre, Tannenbäume, der Weihnachtsmann in seinem wallenden Mantel, die heiligen drei Könige und Rentiere gehörten," Niklas runzelte kurz die Stirn, "nun gut, wir konnten leider nur Spielzeughunde auftreiben, aber dafür knallt der Glühwein rein. Euch allen da draußen ein frohes Fest und gute Weihnachten!"
"Gut, ich denke nun sind wir dran, inzwischen sind die Könige und die Engel auf dem Marktplatz angekommen," Sarah lehnte sich nach hinten und streckte ihre Arme aus, "wir warten nun auch schon lange genug."
Die zwei selbsternannten Softwerker saßen seit ein paar Stunden in einem Kaffee am Rand der Einkaufspassage und spielten auf ihren ausgerollten Laptops Pinball. Das Kaffee war zwar die alte Aussichtsstation des Staatskreuzers und hatte ein riesiges Panoramafenster, der Ausblick endete jedoch schon nach wenigen Metern an der Unterseite zweier verschweißter Forschungsdrohnen. Im Vorfeld des Spiels hatten sie unendlich viele geschützte sowie einige sicherheitsrelevante Systeme ausgemacht, die wahrscheinlich von der Ersten und der Polizei überwacht wurden, von denen sie aber laut Niklas die Finger lassen mussten. Soviel zu den interessanten Aufgaben. Für das Lautsprechersystem der Passage hätte ihnen wohl ein Musikchip und ein Lötkolben genügt.
"Also los," antwortete Daniel abwesend, "lass uns schnell machen, ich stehe kurz vor einer neuen Highscore."
Sarah nickte und startete mit der Freigabe des einprogrammierten Skripts auf ihrem Rechner. Doch dann hielt sie kurz inne.
"Sag mal, dieses Weihnachten, das war doch gar nicht im Oktober, oder?"
"Nö," murmelte Daniel, "habe ich Niklas auch schon gefragt, aber er meinte, Hoffnung in dunklen Zeiten könne der Mensch immer gebrauchen, und Glühwein."
"Nun gut, mag sein" Sarah drückte die letzten Tasten, "aber was hat das alles mit unserem Spiel zu tun?"
Daniel blickte nicht auf.
"Niklas hat da irgendwas mit Image und Mehrschichtigkeit gelabert, Rückbesinnung und Hoffnung" murmelte er, "komm schon, nur noch Zehntausend Punkte bis zum Totenkopflevel und die Zeit rennt mir davon."
Ron stand in der Ladentür und beobachtete das Treiben auf dem Marktplatz sieben Stockwerke unter ihnen.
"Scheiße, diese Musik macht mich noch wahnsinnig. Und da sind noch ein paar dieser blöden Köter angekommen und laufen durch die Menschenmenge. Was soll der Unsinn?" Er trat gegen den Türrahmen. "Und sagt den Idioten von der Technik, dass sie endlich die Musik abstellen sollen, wir feiern hier kein Weinfasten."
"Weihnachten, sie nannten es Weihnachten", rief Niklas fröhlich aus der Ecke.
"Ach, halts Maul. Und was ist das eigentlich für ein Piepen da hinten?"
Er drehte sich um und sah seine Wachmannschaft fragend an. Die Mitglieder der Ersten blickten überrascht, keinem von ihnen war das leise, aber durchdringende Piepen aufgefallen. Es wurde in Sekundenbruchteilen schneller und höher. Schließlich war es nur noch ein durchgehender schriller Ton, der aus der Ecke mit dem Tisch kam, auf dem Niklas Ausrüstung und ein Haufen abgeschalteter Spielzeughunde lagen. Dem Gabentisch, dachte Niklas vergnügt.
"Es ist ein Zeitzünder," rief Niklas über die Musik und die aufkeimende Verwirrung der Ersten hinweg, "der nutzlose Elektroschocker, Ron. Auch dir fröhliche Weihnachten!"
Mit einem Plopp rutschte die Farbgranate aus dem Energiefach im Griff des Elektroschockers. Niklas stieß sich mit den Beinen vom Boden ab und ließ sich mit dem Stuhl nach hinten fallen. Mit einem breiten Grinsen kippte er in die Deckung eines Wandschranks. Der Rest war ein ohrenbetäubender Knall, giftgrüne Farbe und beißender Rauch, als die Detonation erfolgte und sie ein weiteres Spiel gewonnen hatten.