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Ausstellungsbesuch

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03.02.2019
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Ausstellungsbesuch

Die Malereien des neuen Sternes am Künstlerhimmel, des A. Brooke, kamen in die Stadt und jeder Intellektuelle, der etwas auf sich hielt, eilte sogleich zum Stadtmuseum, um diese zu betrachten und über sie zu urteilen.

Vor einem der Werke stand ein großgewachsener, brillentragender Student der es, das Kinn kritisch erhoben, aufmerksam betrachtete. Dabei legte er hin und wieder den Kopf schief, um auch wirklich keinen Winkel auszulassen.

Alsbald wurde auch ein weiterer Besucher, ein fülliger alter Herr, auf das Gemälde aufmerksam und gesellte sich dazu. Er blickte den Studenten an und räusperte sich bedeutungsvoll:
„Also dies ist, denke ich, ein äußerst interessantes Werk. Einerseits sehr simpel, andererseits besitzt es ein solches… eine solche Dynamik!“

Der Student, ohne sich von der Malerei wegzudrehen, nickte zustimmend.
„Dies wird an der Farbwahl liegen. Rot, wie das Feuer, das Blut, die Wut! Und dazu noch der Farbverlauf, man kann die Bewegung förmlich spüren.“

„In der Tat. Brooke ist wirklich ein wahrer Meister der abstrakten Kunst. Es gibt sehr, sehr wenige, die das Abstrakte, das Formlose zum Sprechen bringen können, aber er kann es. Irgendwelche Portraits zu schmieren, das kann jeder. Der hier erzählt mit seinen Werken Geschichten! Und da soll noch einer sagen, für abstrakte Malerei bräuchte man kein Talent!“

„Wie recht Sie haben!“, rief der Student, fast schon verträumt klingend. „Ich erblickte dieses Gemälde und sah die Welt darin. Das Chaos, die Zerstörung, die wir anrichten, Krieg und Gewalt, eine Gesellschaft, die sich selbst im Inneren zerfrisst! Dieses Bild ist ein Spiegel unsres Selbst, weswegen auch jeder eine Botschaft in ihm erkennen kann. Man könnte sagen, wir sehen uns selbst in darin!“

Der dicke Mann schwieg eine Weile, jeden einzelnen Pinselstrich mit den Augen verschlingend. Dann meldete er sich leise wieder zu Wort:
„Mich würde jedoch interessieren, weswegen der Künstler das Werk nicht etwa auf eine Leinwand, sondern einfach auf die Museumswand gemalt hat. Ich habe dies erst gar nicht realisiert, aber jetzt frage ich mich doch, was er damit bezwecken wollte. Wird dieses Gemälde nicht entfernt, sobald die Ausstellung vorüber ist? Und einen Namen hat es, sehe ich gerade, auch nicht…“

Der Student machte ein nachdenkliches Gesicht und kratzte sich dabei am Kinn.

„Ich vermute, dass dies Teil der Botschaft ist. Alles ist vergänglich und nichts vor dem Untergang sicher, auch dieses Werk nicht. Nach der Ausstellung wird man es wohl tatsächlich entfernen. Der Künstler geht dabei auf eine ganz neue Ebene über. Er stellt die Zerstörung nicht nur in seinem Bild dar, sondern mit ihm, wenn Sie verstehen, was ich meine. Dadurch, dass er es aus dem Rahmen der Leinwand befreite, holte er es in unsere Realität und verlieh ihm somit eine neue Dimension. Dies wird wohl auch der Grund sein, weswegen das Werk keinen Namen hat: ein Name spielt in einer Welt, in der alles sowieso dem Untergang geweiht ist, keine Rolle, denn er würde irgendwann in Vergessenheit geraten!“

„Eine geniale Interpretation! Da ergreift mich der Wunsch, mehr über den Künstler und dieses Werk zu erfahren. Entschuldigen Sie…“

Der Dicke rief einen Museumsmitarbeiter, der gerade in der Nähe war, zu sich und deutete auf das Gemälde.
„Können Sie uns mehr darüber erzählen? Der junge Mann hier und ich sind ganz begeistert davon, von diesem Brooke.“

Angesprochener betrachtete die Wand, zog sich etwas nervös den Kragen seines Hemdes zurecht und sprach:
„Verzeihen Sie, aber hierbei handelt es sich nicht um eines der Werke des Künstlers. Das war eine Gruppe von dreisten, unverschämten Halbstarken, die nachts in das Gebäude eingebrochen sind und die Wand beschmiert haben. Unsere Reinigungskraft konnte nicht erscheinen und eine andere haben wir bedauerlicherweise nicht rechtzeitig auffinden können. Lassen Sie sich nicht davon irritieren, meine Herren. Die Gemälde Brookes befinden sich im Raum nebenan.“

 

Hallo Sariel

Leider hat mir dein Ausstellungsbesuch nicht so gut gefallen.
Spätestens beim dritten Abschnitt ahnte ich, worauf es hinausläuft, und so überflog ich die breit ausformulierten Schwärmereien der beiden Ausstellungsbesucher. Das Ende bestätigte meinen Eindruck, denn der Twist zeigt mir einen breitgetretenen (altbekannten) Witz. Tut mir leid, aber damit konntest du mich jetzt nicht vom Hocker hauen.

Auch hatte der Museumsmitarbeiter das gleiche Sprachniveau und eine arg konstruierte Erklärung für die Besucher, was in meinen Augen die Pointe abschwächt. Hier könnte man knackiger bleiben: "Ach das. Das sind nur Schmierereien einiger Vandalen letzter Nacht. Brooks finden sie einen Raum weiter." oder so ähnlich.

Aber eben, es ist ein langgezogener Witz und deshalb für mich zuwenig Geschichte.
Gruss dot

 

Hallo @Sariel

in der Tat, wie Dotslash es bereits sagte, ist dieser Witz nicht wirklich neu. Auch heute gibt es noch (erschreckend) viele, die beim Anblick abstrakter Kunst direkt die Nase verziehen und sagen: Das kann mein Kleiner auch! :hmm:

Ich finde die Ausführung allerdings ganz charmant, auch wenn die Pointe tatsächlich relativ früh klar ist (vor allem ab dem Zeitpunkt, wo beide sich fragen, warum das Gemälde direkt auf die Museumswand gemalt worden ist). Das ist schon arg offensichtlich. Da würde ich noch abstrakter (höhö) denken und vielleicht etwas ungewöhnlicheres finden. Etwas, das tatsächlich Kunst sein könnte. Neulich erst haben zwei Jungs in einem Museum für moderne Kunst ihre Sonnenbrillen und Uhren auf den Boden zu einem kleinen Stilleben arrangiert und dabei beobachtet, wieviele Menschen davor stehen bleiben und sich das "Kunstwerk" ansehen. Das wäre etwas spezieller, als das typische abstrakte Gemälde.

Ein Punkt, den ich noch anmerken möchte, ist der Dialog. Das Gespräch zwischen den beiden ist extrem künstlich. Keiner redet so geschwollen daher, zumal beide ja fast gleich sprechen.

„Dies wird an der Farbwahl liegen. Rot, wie das Feuer, das Blut, die Wut! Und dazu noch der Farbverlauf, man kann die Bewegung förmlich spüren.“
„Wie recht Sie haben!“, rief der Student,
„Ich erblickte dieses Gemälde und sah die Welt darin. Das Chaos, die Zerstörung, die wir anrichten, Krieg und Gewalt, eine Gesellschaft, die sich selbst im Inneren zerfrisst!

Das klingt zu künstlich. Hier würde ich die Dialoge an deiner Stelle einfacher und sprechender gestalten. Vielleicht eher so:

»Das liegt an den Farben. Rot steht für Feuer und Blut. Außerdem wirkt alles so, als würde es sich bewegen. Man kann's fast spüren.«

Aber auch wenn der Trick alt ist, hat es mich am Ende irgendwie trotzdem amüsiert. ;) Ein winzig-kleiner Funken Wahrheit steckt ja eben manchmal doch drin.

Danke dir und viele liebe Grüße, PP

 

Hallo @Sariel !

"Diese dummen Kunstliebhaber! Verwechseln sie doch die Graffitis unbekannter Jugendlicher mit der Kunst eines anerkannten Künstlers. Weil die sich so ähnlich sehen!", soll der Leser wahrscheinlich denken. Allerdings kann Graffiti leicht Kunst sein. Hieße der Künstler nicht Brooke, wie in der Geschichte, sondern Banksy, dann wäre der Witz dahin, oder?

Ich war tatsächlich, wie meine Vorredner, nicht wirklich von dem Verlauf der Dinge überrascht. Doch ich habe sie gerne gelesen, fand sie gefällig. Ein bisschen bei den Adverbien gespart und vorsichtiger mit den Adjektiven umgegangen, bliebe immer noch spürbares Sprachgefühl über. Ich freue mich auf die nächste Geschichte!

Allerdings, im Verschwiegenen, eine Sache ist an der Geschichte unglaubwürdig: Da wird ein beliebiger Museumsmitarbeiter angesprochen und befragt und dieser äußert sich, ohne Rücksprache, kompetent und sachlich richtig. Pure Fantasy! ;-)

 

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