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Ausputzholz

Seniors
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28.12.2009
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2.420
Anmerkungen zum Text

Ziel ist es, unter 500 Wörtern zu bleiben.

Ausputzholz

Mein Vater steht auf der betonierten Fläche hinterm Haus und verbrennt Laub.
Er hat einzelne Haufen gemacht - Schnittholz, kleine Äste, große Äste, Haselnusssträucher.
Das Verbrennen ist seine Sache.
Feuer ist Sache der Väter.
Mein Vater hat große Hände. Ich mag es, wenn er mir damit über den Kopf streicht; es fühlt sich rau an, rau und warm.
Ich fühle mich sicher, mit seiner großen Hand auf meinem Kopf, doch ich habe gesehen, wie er einen anderen Mann fast tot gewürgt hat, mit der gleichen Hand.
Seitdem beschäftigt mich dieser Gedanke.
Er steht vor dem Feuer und stochert mit einer Eisenstange darin herum.
Draußen auf dem Fenstersims liegen tote Fliegen. Nur noch die Hüllen sind übrig, so leicht, dass sie beim nächsten Windstoß weggeweht werden.
Das ist der Lauf der Dinge, sagt mein Vater.
Vor ein paar Wochen lag eine Maus in der Einfahrt; zuerst dachte ich, dass sie noch lebt, aber dann kroch ein glänzend schwarzer Käfer aus dem Inneren.
Die Natur ist grausam, sagt mein Vater.
Ich lege meine Hand auf die Fensterscheibe, das Glas ist kalt.
Mein Vater verbrennt einen Haufen nach dem anderen. So handhabt er die Dinge.
Ich mag den Geruch von brennendem Holz. Mein Vater sieht mich hinter dem Fenster stehen. Ich winke ihm zu, und er winkt zurück.
Der Mann, den er damals fast erwürgt hätte, hat etwas zu meiner Mutter gesagt, was man zu keiner Frau jemals sagen sollte. Dieses Wort kann eine Frau ruinieren, es kann ihr Leben zerstören, sagte mein Vater. Er hob den anderen Mann hoch, als sei es nichts, als wäre er leicht wie eine Feder. Ich konnte die Angst in den Augen dieses anderen Mannes sehen. Diese Kraft war etwas, das er nicht erwartet hatte. Mein Vater sagt, dass es ihm nicht leid tut. Dass er den Mann fast erwürgt hat, tut ihm nicht leid. Er sagt, er hat nur aufgehört, weil er mich nicht auch noch verlieren will.
Er öffnet die Schiebetür der Veranda.
Ich mache uns was zu essen, sagt er. Hast du Hunger?
Ich nicke. Er lächelt und stellt sich hinter mich. Wir schauen beide aus dem Fenster auf die Glut, wie der Rauch in dünnen Säulen in den Himmel aufsteigt.

 

Hallo @jimmysalaryman!

Perfekt für eine Ganzkörperkritik:

Mein Vater steht auf der betonierten Fläche hinterm Haus.
Er hat einzelne Haufen gemacht - Schnittholz, kleine Äste, große Äste, Haselnusssträucher.
Das Verbrennen ist seine Sache.
Feuer ist Sache der Väter.
Mein Vater hat große Hände. Ich mag es, wenn er mir damit über den Kopf streicht; es fühlt sich rau an, rau und warm.
Ich fühle mich sicher, mit seiner großen Hand auf meinem Kopf. Doch ich habe gesehen, wie er mit der gleichen Hand einen Mann fast tot gewürgt hat.
Seither beschäftigt mich dieser Gedanke.
Er steht vor dem Feuer und stochert mit einer Eisenstange darin.
Draußen auf dem Fenstersims liegen tote Fliegen. Nur mehr die Hüllen. So leicht, dass der nächste Windstoß sie davontragen wird.
Der Lauf der Dinge, sagt mein Vater.
Vor ein paar Wochen lag eine Maus in der Einfahrt; zuerst dachte ich, dass sie lebt, aber dann kroch ein glänzend schwarzer Käfer aus dem Inneren.
Die Natur ist grausam, sagt mein Vater.
Ich lege meine Hand auf die Fensterscheibe, das Glas ist kalt.
Mein Vater verbrennt einen Haufen nach dem anderen. So handhabt er die Dinge.
Ich mag den Geruch von brennendem Holz. Mein Vater sieht mich hinter dem Fenster stehen. Ich winke ihm zu, und er winkt zurück.
Der Mann, den er damals fast erwürgt hätte, hat etwas zu meiner Mutter gesagt, was man zu keiner Frau jemals sagen sollte. Dies Wort kann eine Frau ruinieren, ihr Leben zerstören, sagte mein Vater. Er hob den Mann hoch, als sei es nichts. Ich konnte die Angst in den Augen des Mannes sehen. Diese Kraft, das hatte er nicht erwartet. Mein Vater sagt, dass es ihm nicht leid tut. Er hat nur aufgehört, weil er mich nicht auch noch verlieren will.
Er öffnet die Schiebetür der Veranda.
Ich mache uns was zu essen, sagt er. Hast du Hunger?
Ich nicke. Er lächelt und stellt sich hinter mich. Wir schauen aus dem Fenster auf die Glut, dünne Rauchsäulen steigen in den Himmel auf.

Mit Ausnahme des ersten Satzes alles Geschmacksache. Der erste passt für mich nicht, weil da die Rede von Laub ist, und dann eine andere Aufzählung kommt.

Gruß,
Sammis

 

Mit Ausnahme des ersten Satzes alles Geschmacksache. Der erste passt für mich nicht, weil da die Rede von Laub ist, und dann eine andere Aufzählung kommt.
You see, ich hatte es in der letzten Version mit Ausputzholz ersetzt und dann vergessen. Oder ich wollte es ersetzen? Wie dem auch sei, du hast natürlch Recht.

Perfekt für eine Ganzkörperkritik:
Ich verstehe jetzt diese "Ganzkörperkritik" nur nicht ganz, was ist der Sinn dahinter. SO sollte der Text eigentlich sein? So ist er richtiger, besser?

Gruss, Jimmy

 

Herkömmlich würde man alle Einzelstellen zitieren und kommentieren, aufzeigen warum man dies oder jenes verdichten, umstellen oder anders formulieren könnte. Bei der Kürze des Textes geht es auch so. Zudem weiß ich, das ein Autor mit deinem Fachverständnis ohne Erklärungen versteht, was im Einzelnen gemeint ist.

Gruß,
Sammis

 

Herkömmlich würde man alle Einzelstellen zitieren und kommentieren, aufzeigen warum man dies oder jenes verdichten, umstellen oder anders formulieren könnte. Bei der Kürze des Textes geht es auch so. Zudem weiß ich, das ein Autor mit deinem Fachverständnis ohne Erklärungen versteht, was im Einzelnen gemeint ist.
Kann man machen. Es wirkt auf mich allerdings relativ vermessen. Du tilgst im Grunde die Originalversion und ersetzt sie kommentarlos durch deine. Das ist für mich nicht der Sinn von Textarbeit, wenn ich einfach vorhandene Geschichten nach meinem Gusto umschreibe und sie dann kommentarlos dem Autoren präsentiere; das hat auch nichts mit irgendeinem Fachwissen zu tun, ich bin hier, um über Texte zu sprechen, wie jeder andere auch. Ich empfinde das also nicht nur als nicht konstruktiv, sondern als geradezu respektlos. Es erübrigt sich ja auch jede Diskussion, du stellst deinen Text einfach als absolute "Ganzkörperkritik" hin und Ende.

Zu deiner Version: sie wirkt auf mich sprachlicher flacher, weniger tief und ohne jedes Geheimnis. Die Repetition und explizite Benennung an vielen Stelllen ist ja gewollt, das sind die Stellen, in denen der narrative Klebstoff steckt.

Gruss, Jimmy

 

Okay, verstehe. Ist nicht die erste Kritik dieser Art, die ich hier im Forum hinterlassen habe. Wurde bislang immer gut auf- und angenommen. Dir behagt das nicht – ist notiert.

Gruß,
Sammis

 
Zuletzt bearbeitet:

Dir behagt das nicht – ist notiert. Gruß,
Nee, das hat mit behagen nichts zu tun. Ich fände eine Diskussion, wie, warum, warum hier nicht so, einfach konstruktiver. To each his own.

Gruss, Jimmy

 

Guten Abend,

ich muss gestehen, dass mich – nur noch seltenst hier aufkreuzender Besucher – die »Ganzkörperkritik« auch irritiert und finde die Jimmies Konter berechtigt. In meiner aktiven Zeit auf (damals) kurzgeschichten.de habe ich das, wenn ich mich richtig erinnere, einmal gemacht bei einer Geschichte im Korrekturcenter. Natürlich hatte der Autor sich nicht mal dafür bedankt.

Dann bin ich mal jeck und vergleiche die beiden Versionen.

J:

Mein Vater steht auf der betonierten Fläche hinterm Haus und verbrennt Laub.
S:
Mein Vater steht auf der betonierten Fläche hinterm Haus.
"und verbrennt Laub" ist eine notwendige Information zur Einführung, sonst wird gar nicht klar, was er da tut. Im Übrigen mach ich lieber kein Feuer auf dem Beton und steh daneben, da mir die eigenen Füße und meine Schuhe etwas wert sind.

J:

Ich fühle mich sicher, mit seiner großen Hand auf meinem Kopf, doch ich habe gesehen, wie er einen anderen Mann fast tot gewürgt hat, mit der gleichen Hand.
S:
Ich fühle mich sicher, mit seiner großen Hand auf meinem Kopf. Doch ich habe gesehen, wie er mit der gleichen Hand einen Mann fast tot gewürgt hat.
Jimmy setzt ein Komma, Sammis einen Punkt, und ich meine, zu einer derartigen Kontrastierung passt ein Semikolon oder ein Gedankenstrich. Die Umstellung von »mit der gleichen Hand« wirkt unmotiviert. Die Abtrennung bewirkt einen Fokus auf die Hand, was hier plausibel ist.

J:

Seitdem beschäftigt mich dieser Gedanke.
S:
Seither beschäftigt mich dieser Gedanke.
Die Korrektur von Seitdem zu Seither geht am eigentlichen Problem vorbei: Gedanke und Geschehnis, auf das sich der Gedanke bezieht, ist dasselbe. Der Bezug funktioniert nicht. Daher meine ich: Seit dem Tag geht mir das nicht aus dem Kopf. Oder vielleicht, naiver: Immer wenn der Vater mir über den Kopf streicht, erinnere ich mich daran.

J:

Er steht vor dem Feuer und stochert mit einer Eisenstange darin herum
S:
Er steht vor dem Feuer und stochert mit einer Eisenstange darin.
herumstochern ist hier die stärkere Formulierung, in die ich Gedankenverlorenheit hineindichten kann, da das herum- aus einer einmaligen Tat ein zielloses Immer-wieder macht. Das ist ein Verbalaspekt und ich nehme an, in dieser Bedeutung beabsichtigt.

J:

Draußen auf dem Fenstersims liegen tote Fliegen. Nur noch die Hüllen sind übrig, so leicht, dass sie beim nächsten Windstoß weggeweht werden.
S:
Draußen auf dem Fenstersims liegen tote Fliegen. Nur mehr die Hüllen. So leicht, dass der nächste Windstoß sie davontragen wird.
Hier bin ich mit Sammis. "davontragen wird" äußert eine Vermutung, "weggeweht werden" ein rein indikatives Passiv, eine Feststellung etwas zukünftiges betreffend. Dem Satz fehlt aus meiner Sicht ein "sicher" oder "bestimmt".

J:

Das ist der Lauf der Dinge, sagt mein Vater.
S:
Der Lauf der Dinge, sagt mein Vater.
Aus meiner Sicht besteht kein Grund, »Das ist« rauszunehmen.

J:

Vor ein paar Wochen lag eine Maus in der Einfahrt; zuerst dachte ich, dass sie noch lebt, aber dann kroch ein glänzend schwarzer Käfer aus dem Inneren.
S: streicht "noch" vor "lebt" – Warum, Sammis? Nicht die dümmste Maus schläft einfach so in der Einfahrt, ist sie doch Beute von diversen Fleischfressern, selbst verletzt würden sie Schutz im Gebüsch suchen, wenn irgendwie möglich. Es war also anzunehmen, dass sie tot ist.
Semikolon wirkt einen Tick manieriert (das ist aber Meckern auf hohem Niveau jetzt), zwei Sätze wären natürlicher.

J:

Der Mann, den er damals fast erwürgt hätte, hat etwas zu meiner Mutter gesagt, was man zu keiner Frau jemals sagen sollte. Dieses Wort kann eine Frau ruinieren, es kann ihr Leben zerstören, sagte mein Vater. Er hob den anderen Mann hoch, als sei es nichts, als wäre er leicht wie eine Feder. Ich konnte die Angst in den Augen dieses anderen Mannes sehen. Diese Kraft war etwas, das er nicht erwartet hatte. Mein Vater sagt, dass es ihm nicht leid tut. Dass er den Mann fast erwürgt hat, tut ihm nicht leid. Er sagt, er hat nur aufgehört, weil er mich nicht auch noch verlieren will.
S:
Der Mann, den er damals fast erwürgt hätte, hat etwas zu meiner Mutter gesagt, was man zu keiner Frau jemals sagen sollte. Dies Wort kann eine Frau ruinieren, ihr Leben zerstören, sagte mein Vater. Er hob den Mann hoch, als sei es nichts. Ich konnte die Angst in den Augen des Mannes sehen. Diese Kraft, das hatte er nicht erwartet. Mein Vater sagt, dass es ihm nicht leid tut. Er hat nur aufgehört, weil er mich nicht auch noch verlieren will.
Jimmy, ich glaub, auf diesen Absatz würde ein Lektor einen ganzen Rotstift verwenden. An diesem Absatz stimmt so vieles nicht, der torkelt und schlakst irgendwo zwischen ausformuliert und Bewusstseinsstrom. Sammis tut dem Absatz auch nicht wirklich Gutes. Darf ich noch mit meiner Version dazukommen?
Der Mann hatte etwas zu meiner Mutter gesagt, was man nicht sagen darf, was man zu einer Frau einfach nicht sagen sollte. Dieses Wort kann eine Frau ruinieren, sagte mein Vater. Er hob den Mann hoch, als sei es nichts. Ich konnte die Angst in seinen Augen sehen, diese Kraft hatte er nicht erwartet. Mein Vater sagt, dass es ihm nicht leid tut. Er hatte das nur nicht zu Ende gebracht, weil er mich nicht auch noch verlieren wollte.

Das erste »sagte mein Vater« kann ich zeitlich nicht zuordnen, es steht hier in der Vergangenheit, aber inhaltlich passt es nicht richtig zu der Situation, als er den Mann würgte. Dieses "auch noch" zeigt auf, dass es seine Mutter ruiniert hat. Klug gelöst. Leider lässt du offen, was es war. Denkbar ist »Hure« oder so, aber das wäre banal, da lieber hätte ich Gewissheit.

Ich kann mir denken, warum du den Absatz so und zwar genauso formuliert hast. Um eine Minderbemittelung oder geistige Behinderung des Sohnes darzustellen? Aber eingedenk seines vermuteten Alters, in dem Väter ihren Kindern noch den Kopf streicheln, muss das nicht sein. Trotzdem ist der Satz einfach kein echter Jimmy. Sage ich mal. ;)

J:

Wir schauen beide aus dem Fenster auf die Glut, wie der Rauch in dünnen Säulen in den Himmel aufsteigt.
S:
Wir schauen aus dem Fenster auf die Glut, dünne Rauchsäulen steigen in den Himmel auf.
Sammis' Version finde ich besser, würde auch hier eher zu zwei Sätzen tendieren. Diese Konjunktion "wie" passt nur zu "zuschauen" oder "anschauen", aber nicht zu "auf etwas schauen".

Ein tiefer, eindrücklicher Text. Inhaltlich habe ich ansonsten nichts daran auszusetzen.

 

Hallo @wörtherr


habe bitte Verständnis dafür, dass ich jetzt nicht deinen Kommentar zu einem anderen Kommentar kommentiere, das wirkt doch dann irgendwann nur noch lächerlich. Nur kurz:

Im Übrigen mach ich lieber kein Feuer auf dem Beton und steh daneben, da mir die eigenen Füße und meine Schuhe etwas wert sind.
Das steht da nicht. Da steht nur, dass er auf dem Beton steht, nicht, wo er das Feuer macht.

Der Bezug funktioniert nicht. Daher meine ich: Seit dem Tag geht mir das nicht aus dem Kopf. Oder vielleicht, naiver: Immer wenn der Vater mir über den Kopf streicht, erinnere ich mich daran.
Der Bezug funktioniert sehr wohl, denn auf was bezieht sich das hier? Auf etwas, was im Text nicht gesagt wird, was aber zwischen den Zeilen steht: dass man mit der gleichen Hand einen Mann erwürgen, aber auch Zärtlichkeit und Wärme spenden kann.

Hier bin ich mit Sammis. "davontragen wird" äußert eine Vermutung, "weggeweht werden" ein rein indikatives Passiv, eine Feststellung etwas zukünftiges betreffend. D
Auch hier: Wenn das bereits schon einmal passiert ist, dann ist es eine feststehende Beobachtung, es ist etwas sich wiederholendes, das soll natürlich auch etwas indizieren. Nichts sonst steht da. Der Prot weiß, was mit den Hüllen der toten Fliegen geschieht, deswegen kann er das so sagen.
Jimmy, ich glaub, auf diesen Absatz würde ein Lektor einen ganzen Rotstift verwenden. An diesem Absatz stimmt so vieles nicht, der torkelt und schlakst irgendwo zwischen ausformuliert und Bewusstseinsstrom.
Ich weiß nicht. Das glaube ich nicht. (Ich denke an die Stilblüten von Clemens Setz!) Ich finde auch nicht, das der torkelt oder schlakst, das ist ja eine Art Rollenprosa, da ist die Perspektive im Grunde nie ganz gelöst, es darf auch gesprungen werden, weil es mündlicher ist, so würde man auch tatsächlich reden, hatte, hat, tut, macht. Aus welcher Perspektive erzählt der Prot, was kann er wissen, was ist Vermutung. Ich gebe dir mit den Zeiten Recht, da passt etwas nicht, ich weiß aber nicht, wie ich das sauber lösen kann, ich muss da noch ein "hatte" reinpacken. Ich denk nochmal drüber nach.
Der Mann hatte etwas zu meiner Mutter gesagt, was man nicht sagen darf, was man zu einer Frau einfach nicht sagen sollte. Dieses Wort kann eine Frau ruinieren, sagte mein Vater. Er hob den Mann hoch, als sei es nichts. Ich konnte die Angst in seinen Augen sehen, diese Kraft hatte er nicht erwartet. Mein Vater sagt, dass es ihm nicht leid tut. Er hatte das nur nicht zu Ende gebracht, weil er mich nicht auch noch verlieren wollte.
Was mir bei beiden Versionen auffällt, die von dir und Sammis, ist das vollkommene Fehlen von Musikalität und Rhytmus. Da swingt es irgendwie nicht. Da gibt es auch kein Geheimnis, die Sprache wirkt einfach nur hart und flach, das mag zwar grammatikalisch richtiger sein, aber mir scheint, es ist nun jedem Geheimnis beraubt, das wirkt wie ein Monolith. Auch dass du es schade findest, dass das Wort nicht genannt wird: GENAU darum geht es doch bei einem solchen minimalistischen Stück. Dass die Sprache auch eine Verschleierungstaktik anwendet.

Ich kann mir denken, warum du den Absatz so und zwar genauso formuliert hast. Um eine Minderbemittelung oder geistige Behinderung des Sohnes darzustellen? Aber eingedenk seines vermuteten Alters, in dem Väter ihren Kindern noch den Kopf streicheln, muss das nicht sein. Trotzdem ist der Satz einfach kein echter Jimmy. Sage ich mal.
Es ist interessant, dass du den Prot als Sohn und auch noch als geistig behindert liest, oder wenigstens minderbemittelt. Da würde ich dich doch glatt fragen, wie du darauf kommst? Vielleicht liegt es daran, dass ich im letzten halben Jahr fast nur Kurzprosa von Frauen gelesen habe, aber für mich ist hier sonnenklar, der Prot ist ein junges Mädchen. Ich sehe sie auch nicht als geistig behindert oder minderbemittelt, aber da schwingt für mich eine seltsame Stimmung mit, einerseits fatalistisch, aber auch sehr nah, also körperlich nah, der Vater steht einerseits für Kraft und Sicherheit, andererseits auch für Gewaltausbrüche, überall lauert der Tod, sie sind ja umgeben vom Sterben. Gibt einen Text von Christine Schutt, der mir beim ersten Lesen die Schuhe ausgezogen hat, da geht es um ein inzestuiöses Verhältnis zwischen Vater und Tochter, aber es wird nie erwähnt, es sind nur winzige Indikationen, man fühlt das eher, als das man es liest, und dann ... DAS ist ein Hammer. Ich will nicht sagen, ich wollte das hier genauso, aber genau hingeguckt habe ich schon. Nicht unbedingt Punkt für Punkt, aber vom sound und von der Stimme her.

Sammis' Version finde ich besser, würde auch hier eher zu zwei Sätzen tendieren.
Stimmt, da mach ich zwei draus, habt ihr Recht.

Ein tiefer, eindrücklicher Text. Inhaltlich habe ich ansonsten nichts daran auszusetzen.
Danke dir sehr, ich probiere gerade so short shorts aus, alles unter 500 möglichst, das schränkt ein, aber es ist interessant und auch eine Herausforderung, zu sehen, was man da alles unterbekommen kann. Man probiert so seine Taktiken aus, man weiß halt nie, was der Leser dann dazu sagt, deswegen bin ich ja hier.

Danke dir also für Zeit und Kommentar,

Gruss Jimmy

 

Hallo @jimmysalaryman!

Nun doch noch mehr zu deinem Text.

Was steht hier geschrieben: Ein Mann steht hinterm Haus und verbrennt Laub. Sein Kind schaut ihm dabei von drinnen zu. Es mag den Vater, den Beschützer, den Bezwinger des Feuers, aber es war eben auch dabei, als der einen anderen Mann wegen einer unschönen Aussage der Mutter gegenüber fast umgebracht hat. Das beschäftigt das Kind. Es spricht mit dem Vater über tote Tiere, und der meint, das ist so, die Natur ist grausam. Die Mutter ist weg, warum erschließt sich nicht. Am Ende stehen sie da und betrachten gemeinsam das Verglimmen und den Rauch.

Was ich vor allem rauslese: Der Vater scheint mir nicht der Hellste. Er sortiert Laub, Schnittholz, kleine Äste, große Äste und (ganze?) Haselnusssträucher auf einzelne Haufen und verbrennt die dann nacheinander. Jeder andere würde zunächst mit dem Laub und den kleinen Ästen das Feuer entfachen, dann die großen und das Schnittholz draufpacken und zuletzt die Sträucher. Er vertritt seinem Kind gegenüber die Meinung, dass ein einzelnes Wort das Leben einer Frau zerstören kann. Hure oder Ähnliches ist naheliegend, obgleich das nirgends steht. Da jedoch die Rede von Beton und Schiebetüre ist, verorte ich das zeitlich mehr oder weniger im Jetzt, was Hexe eher unwahrscheinlich macht. Etwas anderes fällt mir nicht ein. Würde jedes Leben einer Frau, die schon einmal als Schlampe oÄ bezeichnet wurde, im Ruin enden, dann gute Nacht! Wie dem auch sei. Der Vater reagiert jedenfalls darauf, in dem er den Kerl vor den Augen seines Kindes fast umbringt. Hernach zeigt er keinerlei Reue, ganz im Gegenteil hat er nur von dem Kerl abgelassen, weil er das Kind nicht auch noch verlieren will. So wünscht man sich einen Vater!

Er öffnet die Schiebetür der Veranda.
Bin mir nicht sicher. Aber müsste das nicht zur Veranda lauten? Die Tür befindet sich ja in der Wand davor.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @jimmysalaryman

Ja, finde ich einen guten Text. Da steckt einiges drin. Ich versuche mal aufzuschlüsseln, was ich so rausgelesen habe. Erster Gedanke vor dem Anklicken: Ausputzholz. WTF ist das? Bin dann über Prossholz zu Totholz gekommen und habe es verstanden. Das ist keine Kritik, das soll besagen, ich fand den Titel interessant, da für mich sehr ungewöhnlich (und wie gesagt im ersten Moment auch unverständlich). Er weckte aber auf jeden Fall Neugier und ich habe geklickt, um zu erfahren, was dieses Ausputzholz ist und was es damit auf sich hat.

Ich fühle mich sicher, mit seiner großen Hand auf meinem Kopf, doch ich habe gesehen, wie er einen anderen Mann fast tot gewürgt hat, mit der gleichen Hand.
Gefällt mir, diese Ambivalenz, der Vater kann zärtlich sein, aber auch sehr grausam. Das Kind überlegt, wie kann diese Hand, die sich so warm und rau auf meinem Kopf anfühlt, so etwas böses tun, wie einen anderen Menschen fast zu töten? Vielleicht versteht das Kind das mit dem Töten nicht vollständig, bzw. was das bedeutet, jemanden umzubringen und die Konsequenzen die damit einhergehen, aber es versteht auf jeden Fall, dass sein Vater auch gewalttätig (= böse) sein kann.

Das ist der Lauf der Dinge, sagt mein Vater.
Die Natur ist grausam, sagt mein Vater.
Diese Aussagen des Vaters lese ich als Ausrede, als eine versuchte Entschuldigung oder Erklärung seinerseits: Die Natur ist grausam, so auch der Mensch. Ich habe jemanden fast umgebracht, das kann halt passieren.

Mein Vater verbrennt einen Haufen nach dem anderen. So handhabt er die Dinge.
Das finde ich eine gute Charakterisierung des Vaters, es sagt ja viel aus, dass er die Dinge so handhabt: Er verbrennt sie, um sie loszuwerden oder zu vergessen. Das reinigende Feuer sozusagen.

Der Mann, den er damals fast erwürgt hätte, hat etwas zu meiner Mutter gesagt, was man zu keiner Frau jemals sagen sollte.
Dass er den Mann fast erwürgt hat, tut ihm nicht leid. Er sagt, er hat nur aufgehört, weil er mich nicht auch noch verlieren will.
Hier habe ich den Mann, den er fast erwürgt hätte, direkt mit der fehlenden Mutter in Verbindung gebracht. Natürlich bleibt das offen, was genau geschehen ist, es könnte sein, die Mutter hat sich nach dieser Tat aus dem Staub gemacht, weil er vollkommen überreagiert hat und ihr dieser Gewaltausbruch zu viel war oder wurde (falls er zuvor schon Auffälligkeiten zeigte), oder, so habe ich es im ersten Moment interpretiert, der Mann hatte etwas mit der Mutter zu tun. Vielleicht hatten die beiden eine Affäre und der Mann hat hier irgendwas gesagt, dass sie auffliegen liess? Man weiss es nicht genau. Finde jedoch, genau solche Stellen machen den Text -- oder Texte allgemein -- spannend.

Feuer ist Sache der Väter.
Mein Vater hat große Hände. Ich mag es, wenn er mir damit über den Kopf streicht; es fühlt sich rau an, rau und warm.
Der Mann, den er damals fast erwürgt hätte, hat etwas zu meiner Mutter gesagt, was man zu keiner Frau jemals sagen sollte. Dieses Wort kann eine Frau ruinieren, es kann ihr Leben zerstören, sagte mein Vater.
Du schreibst in einem deiner Kommentare, für Dich ist sonnenklar, dass es sich bei dem Kind um ein Mädchen, die Tochter, handelt. Ich habe die Erzählerin ehrlich gesagt als Jungen gelesen. Wieso genau, kann ich nicht mal sagen. Ist einfach passiert. Jetzt im Nachhinein, wo ich deine Antwort gelesen habe, finde ich, gibt es vielleicht schon Stellen, wo man das Mädchen rauslesen könnte, hab die mal zitiert. 'Feuer ist Sache der Väter': Es klingt fast so, als könnte sie auch sagen: Feuer ist Männersache. Im zweiten Zitat die grossen Hände: Frauen habe zierlichere Hände (meist), so wohl auch die Mutter. Im dritten Zitat: Weil er das ihr so direkt sagt, es ihr beinahe etwas einbläut 'Dieses Wort kann eine Frau ruinieren und ihr Leben zerstören', da wird es für mich jetzt auch klar, warum er das so sagt. Weil die Erzählerin eben seine Tochter ist. Würde er das seinem Sohn sagen? Ich weiss nicht. Vielleicht. Anyway, das sind jetzt so die Hinweise, die ich glaube, erkannt zu haben. Gibt es noch weitere? Dann habe ich sie überlesen, denn trotzdem würde ich das nicht als 'sonnenklar' bezeichnen, welchem Geschlecht die Erzählerin nun angehört.

Wenn Dir das mit der Tochter wichtig ist, dass man es so liest, könntest Du vielleicht irgendwo noch einen kleinen Hinweis einbauen. Anbieten würde sich die Stelle mit dem Über-den-Kopf-streichen: Vielleicht könnte man dort irgendwas mit 'langem Haar' oder dergleichen erwähnen? Kein Plan, Du bist der Baumeister.

Gerne gelesen, interessante Geschichte, danke dafür.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hey Sven

Feuer ist Sache der Väter.
Das Geschlecht der Erzählerin erschliesst sich nicht eindeutig. Ich für meinen Teil falle in solchen Fällen immer auf die doofe Angewohnheit zurück, Erzähler und Autor gleichzusetzen. Daher habe ich den Erzähler als - übrigens völlig normalen - Jungen wahrgenommen. Falls es dir wichtig ist, dass die Erzählerin als Mädchen gelesen wird, könntest du hier "Väter" durch "Männer" ersetzen. Vielleicht hätte es da in meinem Kopf Klick gemacht und ich hätte geswitcht.
Seitdem beschäftigt mich dieser Gedanke.
Ich weiss nicht, der Satz ist eher auf der Metaebene. Ich würde ihn dem Kind zutrauen, aber dennoch ragt er (zusammen mit einem späteren) etwas aus dem Text heraus. Ich glaube, ich würde bei der direkten Beschreibung, der Wahrnehmung bleiben und das Kind nicht über eine Zeitspanne reflektieren lassen. Inhaltlich ist es eh klar, sie erzählt ja weiter unten davon.
Draußen auf dem Fenstersims liegen tote Fliegen. Nur noch die Hüllen sind übrig, so leicht, dass sie beim nächsten Windstoß weggeweht werden.
Das ist der Lauf der Dinge, sagt mein Vater.
Vor ein paar Wochen lag eine Maus in der Einfahrt; zuerst dachte ich, dass sie noch lebt, aber dann kroch ein glänzend schwarzer Käfer aus dem Inneren.
Die Natur ist grausam, sagt mein Vater.
Hier habe ich mir überlegt, ob du die beiden Beobachtungen nacheinander präsentieren kannst und den Vater nur "das ist der Lauf der Dinge" sagen lässt. In der vorliegenden Form - es ist schwierig zu erklären - sagt mir der Vater schon fast zu viel (haha!) Die Natur ist grausam passt für mich nicht ganz in den Text, auch wenn es natürlich um Kraft und Gewalt geht. Auch die Abfolge hier: Beobachtung, Kommentar des Vaters, Beobachtung, Kommentar des Vaters. Das ist mir fast ein wenig zu aufgeräumt, zu strukturiert. Aber ist nur ein Gedanke.
Mein Vater verbrennt einen Haufen nach dem anderen. So handhabt er die Dinge.
Das ist der zweite Satz der Erzählerin, der etwas herausragt, weil er die unmittelbare Ebene des Wahrnehmens und Erfahrens verlässt. Der Text erschiene mir reiner, puristischer ohne diese beiden Sätze.
Er hob den anderen Mann hoch, als sei es nichts, als wäre er leicht wie eine Feder.
Hier Konjunktiv I und dann Konjunktiv II. Ich glaube, ich würde das Fettmarkierte eh weglassen, die Feder sagt schon alles.
Er lächelt und stellt sich hinter mich.
Wichtig, dass hier Nähe gezeigt wird. Aber das "stellt sich hinter mich", ich weiss nicht, das klingt ein wenig mechanisch. Vielleicht geht das etwas intimer, körperlicher.
Wir schauen beide aus dem Fenster auf die Glut
Das beide könnte man streichen, auf der anderen Seite verdeutlicht es noch einmal die Einheit, die Vater und Tochter bilden, die Nähe.

Ja, das gefällt mir sehr gut. Ich erfahre alles, was ich wissen muss. Bietet gute Möglichkeiten, gedanklich und emotional anzuknüpfen. Die Beziehung zwischen den beiden liegt in der Schwebe. Da ist Zärtlichkeit, das Streichen über den Kopf, das Winken durch die Fensterscheibe. Wir erfahren auch, dass der Vater fähig wäre, mit diesen Händen jemanden zu töten. Der Kern ist: "Ich will dich nicht auch noch verlieren". Das ist schön, wenn man den Satz ganz normal liest und sich nichts dabei denkt. Aber der Text schafft es, dass ich hier eine Parallelisierung von Frau und Tochter herauslese. Du erwähnst Inzest in einem Kommentar. Das hat sich mir nicht aufgedrängt und du sagst ja auch, dass du das so nicht wolltest. Aber dennoch macht man sich nach der Lektüre den einen oder anderen Gedanken über diese Vater-Tochter-Beziehung. Der Text weist aber auch darüber hinaus, verweist auf den Lauf des Lebens, die Präsenz des Todes, die Vergänglichkeit. Das macht den Text für mich zu einer idealen Herbstlektüre.

Lieber Gruss
Peeperkorn

P.S. Sehe, dass d-m gerade kommentiert hat und sich das eine oder andere überschneidet.

 

Diese Kraft war etwas, das er nicht erwartet hatte
Okay, ich schränke meine Kritik des Absatzes ein auf diesen Satz. Der wirkt wie eine 1:1-Übersetzung von nem Steven King. This pressure was something he has not expected. Im englischen wirkt das selbst auf mich als Nicht-Anglophonen natürlich und musikalisch, im Deutschen unbeholfen. Das Kopulaverb "sein" schwächt im Deutschen stark ab im Vergleich mit einem substanziellen Verb.

Musikalität ist nicht meine Stärke, im Gegenteil, befürchte ich. Um auch nur zu verstehen, was andere musikalisch nennen, bin ich auf Hilfsmittel angewiesen, die sich nur ein Programmierer ausdenken kann. Wie: Ersetze alle Silben durch L=lang und K=kurz für betonte, l bzw. k für unbetonte, der Satzakzent stelle ein " voran, den Wortakzent in einem mehrsilbigen Wort ein '.

Diese Kraft war etwas, das er nicht erwartet hatte
'Lk K l 'kk, K k 'K k"Lk Kk.

This pressure was something he has not expected.
k 'Kk k Kk k k "L kKk.

Analyse: Hier lässt sich eine musikalische Miniaturform a a b a erkennen. a=kKk, b=kkL – mein Gefühl hat also durchaus einen Grund. Musikalität lässt sich nicht so leicht aus einem englischen Vorbild (imaginiert oder echt) ins Deutsche übertragen.

 

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