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Ausnutzen oder ausgenutzt werden
Ausnutzen oder ausgenutzt werden
Sommer ist vorbei. Der Winter naht, die Übergangsphase war zu kurz, ich habe die langsamen Veränderungen gar nicht wahrgenommen und jetzt wird mir ruckartig klar, dass es kalt geworden ist.
Früher saßen wir jeden Abend auf dem Hof der Fröbelschule, jetzt sind wir auch noch oft da, doch es ist nicht mehr das gleiche. Die Unbeschwertheit, die wir einst in unseren Herzen trugen, wurde durch Schwermut ersetzt; kein fairer Tausch. Vieles hat sich geändert, aber nicht zwischen uns. Andere sind in unsere Leben getreten, und wenn ich nun von diesen Mädchen höre, empfinde ich Kummer; angenehmen Kummer. Der Wind streift mein Haar mit einem Hauch Melancholie.
Wir sitzen alle zusammen in einer gemütlichen Runde, und du sitzt mir gegenüber.
Ich sehe dich an und kann es nicht fassen: du bist älter geworden... Ich bin älter geworden.
Ich stelle mir die Frage an der nach der ersten Erkenntnis kein Weg dran vorbeiführt:
„Haben wir dazu gelernt? Haben wir uns charakterlich geändert?“
Kann meine Blick nicht von dir nehmen und schweife in Erinnerungen, kaum zuglauben wieviele dunkle und längst vergessene Ecken ich wieder erforsche. Du und Ich, unsere gemeinsame Geschichte. Der Höhepunkt war, als wir uns betrunken im Regen küssten. Ich habe dich geliebt, weil ich es nicht schaffte nur mit dir zu spielen, Du hast mit mir gespielt... aber mich nicht geliebt.
Ausnutzen oder ausgenutzt werden.
Deine dunklen, braunen Augen bohren sich tief in mich hinein und ich muss deinen Blicken immer wieder weichen, denn ich werde schwach.
Ich bin gefühlskalt, manche denken das von mir, ich denke es von dir. Nur wir kennen unsere Vergangenheit, kein anderer weiß von unserem Geheimnis...
„Ich muss hier weg“ Mein einziger Gedanke. Aber ich kann es nicht...
Ich glaube, dass ich stark bin...
Ich fühle mich so stark wie ein Alkoholiker, der im betrunkenen Zustand sich zusammenfantasiert, wie er die Welt aus den Angeln heben könnte. Er kann es auch; er glaubt er kann es...
Was wäre, wenn wir jetzt allein hier sitzen würden?
Ich kenne die Antwort, will aber nicht länger darüber nachdenken.
Dein Blick raubt mir die Ruhe, ich sehe zu den Sternen hinauf und schließe dann die Augen.
Der Himmel ist klar und doch beginnt es leicht zu nieseln. Ich atme tief ein und genieße die angenehme Kühle auf den Lidern. Die Nacht scheint unendlich und ich glaube unsere Leidenschaft füreinander auch. Ich bin unersättlich, wenn es dich betrifft. Ich spüre wie mein Wiederwillen sich beugt. Ich bin zu kraftlos, um gegen die Liebe anzukämpfen. Bin so stark wie ein Alkoholiker; du bist mein Stoff, nur mit dir fühle ich mich stark.
Ich erhebe mich, du erhebst dich. Wir sehen kurz einander an und gehen davon. Ich gehe mit gesenktem Kopf, denn ich weiß was folgen wird, kann es aber nicht verhindern.
Ausnutzen oder ausgenutzt werden.
Stillschweigend laufen wir eine kleine Gasse entlang. Die Häuser sind alt und die Fassade bröckelt. Hier riecht es schmutzig und widerlich, genau wie die Beziehung , die wir zueinander haben.
Wir bleiben stehen, Stirn an Stirn sehen wir uns tief in die Augen.
„Warum tust du das? Du spielst mit mir...“ Ich bin durcheinander.
Es kommt keine Antwort, er grinst nur.
Ausnutzen oder ausgenutzt werden
„Gegen Liebe bist du machtlos“ Mein Gewissen schiebe ich ganz weit von mir und verdränge die Vernunft.
Wie wunderbar die Machtlosigkeit gegenüber der Liebe in Frieds Gedicht klingt:
Was es ist
Es ist Unsinn
Sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
Sagt die Angst
Es ist aussichtslos
Sagt die Einsicht
Es ist was es ist
Sagt die Liebe
Es ist lächerlich
Sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
Sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
Sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
Sagt die Liebe
Warum muss die Liebe in der Realität dann nur so grausam und kalt sein?
Ständig schießen mir die Zeilen durch den Kopf, während wir einander ansehen. Am liebsten würde ich ihm das Gedicht vortragen. Sinnlos. Er würde mich nicht verstehen, und noch schlimmer: Ich würde mich vor ihm zum kompletten Idioten machen. Das Gedicht mag etwas für naive Romantiker sein. Vielleicht bin ich eine; du bist keiner.
Ein Schaudern läuft mir über den Rücken und mein ganzer Körper erzittert. Du wendest dein Gesicht ein wenig schräg nach links und der Moment bis unsere Lippen sich endlich berühren, scheint in Zeitlupe abzulaufen.
Seine Zunge fühlt sich noch immer so rau an wie damals bei unserem ersten Kuss, als wir betrunken waren. Jetzt bin ich ganz liebestrunken. Du bist mein Stoff.
Der Kuss ist Wahnsinn und nun merke ich, was ich bei anderen Jungen vermisst hatte: Das Kribbeln im Bauch.
Du entziehst dich mir allmälich und siehst mich gleichgültig an. Es nieselt noch immer und die Haarsträhnen hängen mir wirr im Gesicht; ich komme mir vor wie ein begossener Pudel.
Du spielst mit mir und ich liebe es, wenn du das tust!
Er dreht sich von mir weg und geht; er geht einfach, ohne ein Wort.
Ich wünschte, ich könnte so mit ihm spielen. Er ist der einzige bei dem ich es einfach nicht schaffe. Wenn ich es schaffen würde, wäre er dann noch so anziehend für mich???
Ich kenne auch diese Antwort und beginne vor Verzweiflung laut zu lachen, ein schrilles Lachen, wie von einer Verrückten.
Ich muss eine kleine Masochisten sein, denke ich, als ich mir mit dem Fingernagel über den Unterarm fahre.
Der Kratzer beginnt zu bluten.
Liebe: Mein Fleisch und mein Blut zur Schlachtung meiner Selbst
Ich fühle mich gekränkt, erfreue mich dennoch am Schmerz meines Arms; am Schmerz meiner Seele. Ich fühle mich wirklich krank, empfinde meine Gedanken als pervers.
Ich kann nichts dagegen tun.
Auf meinem Weg hat sich ein Satz fest in meinem Kopf verankert, auf unnormale Weise empfinde ich Erregung, je öfter ich ihn im Stillen wiederhole:
Ausnutzen oder ausgenutzt werden
Ausnutzen oder aus genutzt werden
Ausnutzen oder ausgenutzt werden
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