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ausgegrenzt
Wann immer ich Zeit finde, stelle ich mir mit dem CD-Brenner eine CD mit meiner Lieblingsmusik zusammen. Meistens irische Folklore. Bisher klappte das problemlos, aber gestern akzeptierte die Stereoanlage den selbst gebrannten Silberling nicht. „Keine CD“, stand auf dem Display. Seltsam.
Ob es daran lag, dass ich von den silberfarbenen Rohlingen zu goldfarbenen gewechselt hatte? Ich erstellte schnell eine silberne CD – die funktionierte. Wieder eine goldene – nichts. Eine weiß bedruckte – auch nichts.
Konnte es sein, dass mein Brenner schuld war und eigenmächtig eine Auswahl traf? Dass er meinte, silberne CDs seien besser und wertvoller als goldene oder weiße? Kaum vorstellbar. Er sollte doch wissen, dass sich keine einzige dieser Scheiben ihre Eigenschaften aussuchen konnte. Eigentlich glichen sich alle diese CD-Rohlinge, in der Entwicklung, in der Herstellung, auch im Preis. Vielleicht war der Gerätehersteller ein Ewiggestriger, der an die Überlegenheit silberner Rohlinge glaubte.
In gerechter Empörung nahm ich eine weiß bedruckte CD, polierte sie sorgfältig und platzierte sie im Brenner. „Hör doch mal", sagte ich ihm in beruhigendem Tonfall, "du kannst doch nicht einfach andersfarbige Rohlinge ausgrenzen. Das hatten wir doch schon mal.“
Ich startete mein Brennprogramm, das meldete nach zehn Minuten "Brennvorgang auf CD OK“. Ab damit in den Player der Stereoanlage und – wieder nichts. Ein unerwarteter Geistesblitz brachte mich dazu, die untaugliche CD bei meinem Nachbarn zu testen. Problemlos wurden die bierseligen „Seven Drunken Nights“ der Dubliners gespielt. Und damit war der Übeltäter ertappt:
Mein eigener CD-Spieler selektierte CDs nach Farben!
Ich entschuldigte mich förmlich beim Brenner, hielt mit meinem vierarmigen Weihnachtskerzenständer eine halbstündige Mahnwache und bildete in gerechter Empörung eine Ein-Mann-Menschenkette vorm Wohnzimmerspiegel. Es konnte, es durfte nicht sein, dass goldene und weiße CDs als unwert galten und alle wegsahen. Hier war der Aufstand der anständigen CD-Brenner gefragt. Natürlich könnte man es sich einfach machen und jetzt sagen, was soll’s, es sind doch bloß CDs. Aber es fängt immer im Kleinen an, der Teufel wechselt das Gewand, dann ist es zu spät und hinterher waren eigentlich alle dagegen und im Widerstand. Im passiven.
Irgendwann wird hinter vorgehaltener Hand abschätzig über weiß bedruckte und goldene CDs getuschelt, dann spuckt man auf sie und weiter möchte ich gar nicht denken. Ich sehe schon die Aufdrucke auf den CD-Player-Verpackungen: “Nur für silberfarbene CDs!“ Soziale Kälte, wie sie im Buche der Unmenschen steht. Und nirgends ist Asyl in Sicht für weiße und goldene CDs, die bestimmt auch ihren eigenen Wert haben und allein deshalb ignoriert werden, weil sie anders sind.
Nun bin ich kein Kerl wie ein Schrank, sondern eher kleinwüchsig und schüchtern. Wenn niemand anderes die Fackel des Widerstands in die Hand nimmt, werde ich eben voller Abscheu zu dieser Sache schweigen und meinen rassistischen CD-Player schlechten Gewissens irische Rebellenlieder spielen lassen. Und aufrecht, mit innerem Protest, nur silberne Rohlinge verwenden.