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Ausflug ans Meer

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13.04.2006
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Ausflug ans Meer

Ausflüge beim Ehepaar W. beginnen mit einem bestimmten Ritual, dem morgendlichen Schmieren von Brötchen der Sorte "Rogger". Diese werden mit ungarischer Salami belegt. Auch wenn eine Bahnfahrt ansteht oder eine Fahrt zur Verwandtschaft, ein Salamibrötchen lässt jede Reise zu einem Ereignis werden.

Radausflüge bedeuten, dass der Herr W. auf sein sportliches Trekkingrad steigt, das für jedwedes Gepäck ungeeignet ist. Ein Rucksack mit seinen ganz persönlichen Dingen schnallt er sich auf den Rücken, nicht zu groß.
Das restliche Gepäck übernimmt Frau W., wohlwissend, dass ihr die Arme abfallen, wenn sie ihr Rad die Treppen im Bahnhofstunnel runter- und hochschieben muss.
"Wozu gehst du zum Sport?", tönt die Stimme des Herrn W., als er Gemurmel beim Packen hört.
Ja, wozu?, denkt Frau W. und wirft ihm einen bösen Blick zu. Der Tag ist aber zu schön, die Aussichten zu gut, als sich jetzt zu ärgern, beschließt sie und zwingt sich zu einem Lächeln.
An der Fähre angekommen, die sie auf die andere Seite der Warnow übersetzen soll, hat sie immer noch das Lächeln im Gesicht. Der Gatte bietet spontan an, am Tunnel die Räder zu tauschen und schleppt das schwere Rad die Steigung hoch. Der Gute, der.
Herr W. gehört zur Spezies Mann und muss deshalb immer Erster sein, was heißt, er fährt stets einen halben Kilometer vorneweg, bleibt ab und an zurück, um dann wie ein Bekloppter zu überholen! Mann eben.

Noch ist es bedeckt, aber inzwischen warm und Ehepaar W. erreicht den Waldweg hinter Markgrafenheide.
An einer Weggabelung werden sie von einem ausländisch (schwäbisch-bayrisch) sprechenden Paar aufgehalten, das nach einem Aussichtsturm fragt. Sofort steigt Ehepaar W. vom Rad und ergeht sich in Erklärungen und Beschreibungen. Mehr eigentlich Herr W., da sein Orientierungssinn Klassen besser ist als der seiner Frau.
Der ausländische Mann hat ein Auge, das halbverdeckt vom Lid ist. Über dem anderen befindet sich eine Augenbinde. Am Shirt trägt er ein Blindenabzeichen. Er gestikuliert und fragt immer wieder nach, bis seine hochgewachsene, stämmige Frau sagt, er soll endlich ruhig sein, sie weiß jetzt, wo der Weg zum Turm entlangführt.
Die Paare trennen sich. Ehepaar W. biegt rechts ab. Frau W. grübelt nach, ob es sein könnte, dass sich der Gatte bei der Beschreibung geirrt hat. Leise bringt sie ihre Bedenken vor.
"Was? Was sagst du da? Ich mich geirrt?", ruft Herr W. neben ihr. Aber- er beginnt tatsächlich zu grübeln und meint dann ganz spontan zu ihr:"Könntest Recht haben!"
Ein warmes Gefühl durchflutet Frau W. und sie meint, dass er zurückfahren und den Irrtum aufklären soll.
Gesagt, getan.
Frau W. fährt weiter, da er sie ja schnell einholen wird. Sie hängt ihren Gedanken nach, schaut auf die üppige Landschaft, die schon vereinzelt Anzeichen des Herbstes zeigt. Der Farn wächst hoch und ist noch sattgrün, der Waldweg leicht feucht vom Tau der Nacht. Die Sonne kommt durch und bricht sich zwischen den Bäumen. Frau W. fühlt sich wohl, ist völlig im Reinen mit sich.
Ungefähr fünfzig Meter vor ihr taucht eine Lichtung auf. Angekommen, sieht sie, dass es eine Kreuzung ist. Wo entlang? Einfach geradeaus weiter? Wäre die einfachste Lösung. Frau W. ist selten für einfache Lösungen. Sie biegt rechts ab und fährt weiter. Gleiche Landschaft, ähnlicher Weg. Frau W. driftet wieder in ihre Gedankenwelt ab.
Irgendwann fällt ihr auf, dass ihr schon ewig keiner entgegengekommen ist bzw.sie überholt hat. Und wo bleibt der Gatte?
Eine neue Weggabelung erscheint. Blau-gelber Weg? Oder doch der grün-rot gekennzeichnete? Frau W. ist unsicher und entscheidet sich für blau-gelb.
Dieser Weg ist sehr naturbelassen, tiefe Löcher, fast keine Wegbegrenzung. Es ist nicht das erste Mal, dass sie diesen Weg nach Rosenort nehmen und, glaubt sie der Erinnerung, ist sie definitiv auf falschem Wege!
In der Ferne vor ihr taucht ein Radfahrer auf. Ein Mann, wie sie beim Näherkommen feststellt.
Ihr Kopf fängt an zu rattern.Was wäre, wenn er jetzt anhält, sie vom Rad schubst und vielleicht vergewaltigt? Sie ist schon mindestens vierzig Minuten keinem Menschen begegnet! War das nicht in diesem Waldstück, wo vor vier Jahren ein junges Mädchen vergewaltigt und umgebracht wurde? Bis heute nicht aufgeklärt!
Gut, sie ist nicht mehr jung, definitiv nicht. Und wer will schon altes Fleisch?
Der Mann ist kurz vor ihr und sie beschließt, ihn nach dem Weg zu fragen. Wenn schon Vergewaltigung, dann bitte in freundlicher Atmosphäre!
"Sagen Sie, ich wollte nach Rosenort und muss mich völlig verfahren haben. Können Sie mir weiterhelfen?"
"Rosenort?", lacht er laut, "welches Rosenort meinen Sie denn? Wenn es das gleiche ist, das ich meine, sind Sie völlig falsch unterwegs!"
Okay, muss man dann so laut lachen? Also, mit der Vergewaltigung wird nun nichts, sinniert Frau W. und guckt ihn weiterhin fragend an.
"Rosenort liegt genau entgegengesetzt. Ich will auch dahin, wir können gemeinsam fahren. Ich beiße nicht!"
"Wieso?"
"Na, Sie gucken so skeptisch", lacht er schon wieder.
Sie stimmt nun in sein Lachen ein und mustert ihn ungeniert. Schönes Rad, gepflegt, VAUDE-Tasche an Hinterradseite und er? Ja, eine nette, sportliche Erscheinung, schlank, graumeliertes volles Haar und Grübchen beim Lachen. Seine Augen blitzen und sie schauen sich einige Sekunden zu lange in die Augen.
Frau W. ertappt sich, dass sie das "Was wäre, wenn..."- Spiel in Gedanken spielt.
Was wäre, wenn sie jetzt einfach mit ihm davonfahren würde? Ein neues Leben, eine neues Glück? Nicht mehr im Geschäft stehen? Hm, hat was, der Gedanke, wer zweideutig denkt, hat eindeutig mehr vom Leben. Oder so ähnlich. Tue nichts in Euphorie und nichts aus Verzweiflung...

"Los geht's!", sagt Frau W., dreht um und fährt los.
Sie unterhalten sich darüber, wo sie wohnen und warum sie gern nach Rosenort an den Strand fahren. Er wolle sich mit einem Freund treffen und sie sagt, dass sie ihren Mann verloren habe.
"Passiert Ihnen das des Öfteren?", fragt er und lacht schon wieder. Die Grübchen bilden tiefe Löcher in den Wangen.
"Nö", lacht sie zurück "nur ab und zu!"

In der Ferne taucht ein Holzunterstand auf und Frau W. erinnert sich, dass es links herum zum Strand geht. Inzwischen ist der Weg besser, ausgefahrener.
"Nun weiß ich wieder, wo es zum Strand geht."
"Ja, einfach immer geradeaus. War nett, mit Ihnen zu plaudern. Ich nehme den nächsten Strandaufgang und wünsche Ihnen einen schönen Tag!"
Schade, nun ist er weg mit seinem schmeichelwarmen Tonfall.
Frau W. fragt sich, warum ihr Gatte nicht an diesem Unterstand gewartet hat. Ist es ihm egal, wie sie zum Strand findet? Er weiß doch, dass ihr Orientierungssinn gegen Null tendiert.

Am Strand angekommen, sieht sie, er liegt auf seinem Handtuch und blickt aufs Meer.
"Auch schon da?", lacht er sie an. Es ist ein anderes Lachen. Für einen Moment überrollt sie Sehnsucht.
Sie beugt sich hinab, gibt ihm einen Kuss und fragt:
"Und? Schon Appetit? Ich freue mich schon die ganze Zeit auf die Brötchen!"
Sie kniet sich hin und beginnt die Tasche auszupacken.

Und das Meer glänzt wie immer silbern.

 

Hallo Jurewa,
Da ich neu in diesem Forum bin, habe ich noch keinen genauen Einblick, wie hier üblicherweise kommentiert wird. Deswegen teile ich dir jetzt einfach ein paar Gedanken zu deiner Geschichte mit ;-)

Ehepaar W.
Ich bin mir nicht sicher, warum du den beiden keinen vollen Nachnamen zugestehst. Ich bin darüber etwas gestolpert und ich sehe keinen wirklichen Effekt, der die Handlung stützt.
morgendlichen Schmieren von Brötchen der Sorte "Rogger"
Hm... Vielleicht weil ich aus Süddeutschland komme, aber mir sagt die Sorte "Rogger" gar nichts. Ich kann mir da auch nichts wirklich drunter vorstellen...^^
ein Salamibrötchen lässt jede Reise zu einem Ereignis werden.
Warum lassen Salamibrötchen jede Reise zu einem Ereignis werden. Das ist mir nicht so wirklich klar. Außerdem spielen die Semmeln ja im weiteren Verlauf keine so weltbewegende Rolle, oder? Ich glaube ich an deiner Stelle würde das irgendwie umschreiben. Was genau ist das Ritual?
Der Tag ist aber zu schön, die Aussichten zu gut, als sich jetzt zu ärgern, beschließt sie und zwingt sich zu einem Lächeln.
Hm... Passt das von der Grammatik her? Mit dem "als sich zu ärgern".
An einer Weggabelung werden sie von einem ausländisch (schwäbisch-bayrisch) sprechenden Paar aufgehalten, das nach einem Aussichtsturm fragt.
Da fand ich den Scherz mit dem "ausländisch" noch ganz gut. Aber ich finde du trittst es etwas zu sehr breit...^^
Ich kenne mich nicht so aus, aber ich würde keine Abkürzungen in einem literarischen Text verwenden.
Es ist ein anderes Lachen.
Das würde ich nochmal ein wenig umschreiben. Ich hab den Satz nicht gleich geblickt, weil mir nicht klar war von was sich sein Lachen unterscheidet.
Und das Meer glänzt wie immer silbern.
Der letzte Satz hat mich auch ein wenig in der Luft hängen lassen. Willst du damit andeuten, dass sich nichts geändert hat? Alles ist wie immer?

Insgesamt fand ich deine Geschichte ganz okay. Ich finde das Thema interessant. Was mich an deiner Umsetzung stört ist, dass du irgendwie eine sehr große Distanz (so habe ich das empfunden) zwischen Leser und Figuren aufkommen lässt. Ich an deiner Stelle würde den Leser noch etwas näher an deien Figuren heranlassen. Zum Beispiel durch Vornamen. Oder indem du die Lebenssituation der Protagonisten noch etwas genauer ausführst.

Ich hoffe du kannst etwas mit meinem Kommentar anfangen!

Viele Grüße
Aeryn

 

Hej Jurewa,

ich schließe mich eigentlich in allen Punkten Aeryn an.
Das ist eine Geschichte mit einer irgendwie netten Intention, aber mir ist sie zu seicht. Die eingebauten Hürden, also der falsche Weg und der etwas verführerische fremde Mann, sind vergleichsweise klein und deswegen wirken Figuren und Handlung auf mich nicht besonders stark. Am Ende habe ich das Gefühl, dass die Salami-Brötchen mehr Aufmerksamkeit bekommen haben als alles andere.

Hier hast Du was vergessen

Ausflüge beim Ehepaar W. beginnen mit bestimmtem Ritual
mit einem bestimmten

LG
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Aeryn und Ane,
ich antworte in einer Antwort, da ihr beide ähnliche Mängel an dieser kleinen Geschichte aufzeigt.
Als ich eure Einwände las, fragte ich mich, was eine Alltagsgeschichte ausmacht. Es geht doch um die Frage, wie der Alltag erlebt wird, welche Wahrnehmungen man macht, was sich wiederholt. Sicher ist das nicht immer das ganz große Leben, sondern oftmals banale Dinge. Wie zum Beispiel die Freude über ein Salamibrötchen. Ein anderer schwärmt für einen Milchkaffee und verbindet das Trinken mit Erinnerungen. Die Geschichte beginnt und endet damit, sollte auf das sich Wiederholende aufmerksam machen.
Die Distanz ist gewollt, da nur eine Episode erzählt wird. Ich weiß nicht, was sich ändern würde, wenn man die Lebensgeschichte der Protagonisten kennt.
Dass ich den ortsüblichen Namen der Brötchensorte verwende, finde ich nicht ungewöhnlich. Der Name "Rogger" lässt darauf schließen, dass Roggenmehl verarbeitet wird. Ich denke mal, auch der Name des Ortes wird unbekannt sein, wenn man nicht hier zuhause ist.
Dass ich die Begegnung mit dem Paar zu breit trete, empfinde ich nicht so. Sie waren der Auslöser für das kleine Erlebnis mit dem fremden Mann und wurden nur zu Anfang erwähnt.
Der Hinweis auf das andere Lachen sollte eigentlich ein dezenter Hinweis auf unausgelebte Sehnsüchte sein. Sicher könnte man das ausweiten, was ich nicht wollte.
Der letzte Satz, dass das Meer wie immer silbern glänzt, ist, wie du es gesagt hast, Aeryn, ein Hinweis, dass nichts Großartiges passiert ist.
Alles ist wie immer;).
Diese kleine Geschichte über eine Alltagsepisode verändert die Welt nicht, weil sie banal ist. Ich denke, man liest sie, verweilt einen Moment und- vergisst sie.
Aber wenn man kurz verweilt, freue ich mich schon.
Danke für eure Anmerkungen und

lieben Gruß!
Jurewa

 

Hallo Jurewa,

das ist eine sympathische und amüsante Alltagsgeschichte, die auch nicht mehr sein will als genau das.

Du hast das mit einem leicht ironischen Unterton und mit einem nicht ganz so ernsten Blick auf das Verhalten deiner Prots geschrieben. Ja, das wirkt ein wenig distanziert. Ich nehme mal an, dass du ganz bewusst nicht in die Tiefe gehen wolltest, weil das für diese luftig-leichte Story gar nicht von Nöten ist. Ja, das liest man einfach so weg und amüsiert sich zwischendurch und dann ist es vorbei, wie ein netter Sommertag ;-)

Ich finde das gut so.

Rick

 

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