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Ausblicke

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18.04.2002
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Ausblicke

Ich schaue raus. Ich schaue raus und stelle fest, dass heute ein wirklich schöner Tag ist. Die Sonne wirft ihre beschützenden, warmen Strahlen auf die Menschen da unten, die aufgescheucht und mit scheinbarer Gehetztheit über den Platz laufen. Männer mir Schuhen in der Hand, Frauen mit Kindern auf ihren Armen, so erschöpft, dass sie sie fast fallen lassen. "Schade, dass es heute nicht regnet", sage ich mit dem Blick auf die Masse gewandt mit einer gewissen Melancholie.

Es ist 6.00 Uhr morgens und ich schaue raus. Warum sitze ich hier? Warum bin ich nicht da draußen?
Ich sitze eigentlich jeden Morgen hier am Fenster.
Warum? Vielleicht um das hektische Treiben da unten zu begaffen. Vielleicht um mich an deren Anblick zu ergötzen. Vielleicht aber nur, um mich darüber zu freuen.
Ja, ich stehe um 6.00 Uhr morgens auf und erfreue mich an dem Anblick der Menschen tief unter mir. Um 6.30 Uhr kommt die Zeitung und ich lese daraufhin vergnügt -mit dem Kaffeebecher in der Hand- den Politikteil und schaue ab und zu raus und denke daran, dass jene jetzt keinen warmen Kaffee schlürfen können. "Schön", sage ich, "wirklich schön".

Um 6:40 Uhr bin ich mit der Inlandpolitik fertig. Mein Kommentar dazu lautet immer wieder: "Läuft alles wie geschmiert". Ich gucke raus und so langsam ordnet sich alles.

6.45 Uhr. Ich schenke der Auslandpolitik keine große Aufmerksamkeit, ich überfliege die Schlagzeilen und knurre leise mein "verdammte Hurensöhne" vor mich hin.
Das Brot ist heute Morgen sehr köstlich. Mein Weib hat es gestern abend gehorsam für mich gemacht. Diesmal hat sie auch die richtige Menge Butter draufgemacht. Anders würde ich es auch nicht dulden, sie jammert immer, dass die Butter so teuer sei, aber das dulde ich nicht. Ich dulde auch nicht, dass sie die Butter bei Schneiders kauft, aber das habe ich ihr schon ausgeprügelt; das hat sie öfters mal nötig. Sie kommt mit den Gesetzen nicht ganz zu Recht. Aber ich habe ihr eine Sonderaufgabe gegeben. Abends, wenn ich nach Hause komme, ist das Essen selbstverständlich serviert und erwartungsvoll sitzt sie am Tisch. Dann sag ich zu ihr "du kannst anfangen" und sie betet mir dann die neuen Gesetze runter. Anfangs hat sie das nicht allzu ernst genommen, aber ihre von blutunterlaufenen Augen haben sie belehrt. Seit dem hat sie nur einen Fehler gemacht. Ich habe sie dafür nur mit einer Ohrfeige bestraft, ich bin leider zu gnädig geworden. Am meisten freue ich mich auf nachts. Wir verkehren fast jede Nacht miteinander. Dabei sagt sie immer die gleiche Stelle auf: § 5, Absatz 6, sie weiß, was ich mag, und was mich spitz macht. § 5, Absatz 6. Ja, den mag ich. Sind wir fertig, zitiere ich ebenfalls nochmalig die Stelle und wir schlafen dann ein.

6:50 Uhr. Ich lese, was in unserer Hauptstadt los ist. "So ist's Recht", flüstere ich vergnügt vor mich hin. Ein erwartungsvoller Blick nach draußen. Die Letzten rennen.

6.55 Uhr falte ich die Zeitung für meine Frau zusammen. Sie darf sie auch lesen, damit sie endlich kapiert, was im Land los ist, was Gesetz ist. Ich mache mich fertig und ziehe meine Uniform an.

7.00 Uhr. Mein Weib steht auf und ich sag ihr, wann ich zurücksein werde. "Okay, Liebling, ist gut". Dabei öffnet sie die Fenster und das Getöse steigt nach oben. Trillerpfeifen ertönen. Totenstille.
Ich grinse und sage zu ihr "auf Wiedersehen". Ich höre die dominante Stimme des Offiziers. "Juden stillgestanden!". Es erregt mich jedes Mal aufs Neue: "Juden stillgestanden!"

Ich ziehe beim Herausgehen meine Mütze und rufe inbrünstig "Heil Hitler" und mache dazu den Gruß.

Januar 1944

[ 22.04.2002, 13:04: Beitrag editiert von: Zami1986 ]

 

Hallo Zami!
Erstmal wollte ich Dir sagen, dass Du Dir die Bitte um Kritik am Anfang Deiner Geschichten sparen kannst. Denn die bekommst Du, ob Du willst oder nicht.. :baddevil:

Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher, wie ich diese Geschichte finde. Insgesamt ist sie schon gut geschrieben, aber für diese Thematik inhaltlich etwas flach ausgefallen. Sie ähnelt einfach vielen anderen Storys, die sich mit diesem Thema befassen.
Aber sie weist auch gute Ansätze auf. Zum Beispiel die Kombination aus dem allgemeinen tyrannischen, menschenfeindlichen Verhalten des Mannes mit der faschistischen Einstellung, die schon fast an eine sexuelle Pervesion grenzt.

Ich denke, dass gerade Geschichten dieser Art den Leser im Innersten berühren, treffen soll(t)en. Und Deine tut das zumindestens bei mir nicht.
Was willst Du uns mit dieser Geschichte sagen? Meiner Meinung nach sollte diese Geschichte nochmal überarbeitet werden, aber mal schauen, was die Anderen dazu sagen.

Ugh

 

Hallo Zami,

ich habe deine Geschichte zwei mal gelesen und gewartet, was passiert.

Dein Stil entfinde ich als sicher und flüssig, aber etwas, das tief gehen soll, fehlt mir.
Vieleicht hättest du die Geschichte aus den Augen der Frau schreiben sollen.
Ich habe mich oft gefragt, wie sie entfindet.
Wer sie ist, und was sie tut wenn er nicht da ist.
Das ist bestimmt ne Story wert.

Geh noch mal durch, und befrage dich selbst, was du entfindest, wenn du deine Geschichte ließt.

Ansonsten...Weitermachen! :cool:

Alles Liebe

Rub.

 

Hallo!

Ich wollte die Story eigentlich bewusst nüchtern und kalt lassen, sie soll berichtend sein, da sie ja aus der Sicht des Nazis geschrieben ist, dieser wird kaum Bedauern oder Melancholie berichten, oder?

Ansonsten fände ich es sehr interessant, die Story aus der Sicht des "Weibes" zu schreiben, mal schaun, ob ich sie nochmal verändere!

Gruß

Zami

 

Hallo Zami,

ich nehme an, du wolltest die Unmenschlichkeit dieses Mannes, der ja ein Nazi ist, deutlich herausarbeiten. Das ist für meinen Geschmack nicht so deutlich herausgekommen. Dein Protagonist ist einfach nur ein Macho-A****loch, und das wäre er auch, wenn er kein Nazi wäre. Das wird am Ende ja eher beiläufig eingestreut und hat an dieser Stelle gar keine gravierende Bedeutung mehr.

Auch ich glaube, dass die Sichtweise der Frau oder eines anderen neutralen Beobachters den Widersinn seines Verhaltens und seines Charakters besser und deutlicher zum Vorschein bringen würde.

Noch eine Kleinigkeit:

"Schade, dass es heute nicht regnet", sagt er mit dem Blick auf die Masse gewandt mit einer gewissen Melancholie.
Die ganze Geschichte ist in der Ich-Form geschrieben; also wer ist der hier plötzlich erscheinende "er"?

Gruss
Pip

 

Hallo Pip!

Ich wollte die Story so schreiben, dass man erst am Schluss der Geschichte merkt, dass er ein Antisemit ist und sich an dem Anblick der KZ-Häftlinge aufgeilt. Würde ich sein Verhalten nämlich so beschreiben, dass er z.B. Hitlerbart trägt, etc. wäre schon die Spannung weg und die Luft einfach raus! :teach:

:ak47: Cya

[ 22.04.2002, 13:09: Beitrag editiert von: Zami1986 ]

 

Hallo Zami

Der Versuch das ganze aus der Sicht des "Täters" zu schildern ist ein guter Ansatz, den Du aber noch konsequenter hättest angehen können, was die Spannung betrifft, die zwischen ihm und seiner Frau entsteht, oder hätte entstehen können.
Ich fand einmal ein Bild von einem Kindermädchen mit zwei herzigen kleinen Mädchen in einem Apfelbaumbestandenen Garten, und hinter der Mauer sah man die Krematoriumsschornsteine von Auschwitz.
(das Foto stand im Gästezimmer einer meiner Ex-freundinnen)
Der Opa machte auch nur seinen Job.(er war der Lagerkommandant)..was er, bzw. seine Frau wohl mit diesem Wissen gemacht haben, bzw. wie sie damit leben konnten ist mir bis heute schleierhaft geblieben, gerade auch deshalb verdient diese Thematik mE eine bessere, d.h. deutlichere Ausarbeitung.

Im großen und ganzen fand ichs aber nicht übel...

mfg.
Lord

[ 28.04.2002, 16:49: Beitrag editiert von: Lord Arion ]

 

Hm, irgendwie ein misslungener Versuch, Nazis und ihre Gepflogeneheiten zu beschreiben. Die Schilderung des täglichen Ablaufs ist oberflächlich und klischeehaft, vor allem was den Umgang mit der Frau betrifft. Mir scheint, dass du dir nicht wirklich Gedanken darüber gemacht hast, was du schreiben wolltest, eher erinnert der Text an den spontanen Einfall, man könne ja mal nen Offizier zur Zeit Hitlers beschreiben. Hat mir nicht gefallen, die GEschichte sagt mir am Ende dann auch nichts.

Trotzdem Willkommen.

So long...

Bassi

 

Ja, das meinte ich eigentlich. Basstardo hat es nur besser ausgedrückt.
Dieser Typ ist ein dermaßen abstoßendes Gestell schon im Alltagsleben, dass die Aussage zum Schluss, er sei ein Nazi gewesen, total untergeht.
Herr, laß Worte regnen... ich weiß einfach nicht, wie ich es besser erklären soll.

 

Zami,

was dir gut gelungen ist: die Beschreibung des Mannes, man hält ihn sofort für ein riesiges Chauvinisten- A***. Gut für die Geschichte. Du solltest vielleicht überlegen, ob du diesen Aspekt nicht etwas zu deutlich, ja beinahe übertrieben darstellst. Eben dadurch, dass du wieder und wieder Situationen aufzählst, in denen die Frau unterliegt. Aber ich stimme Bibliothekar zu, dieses an sexuelle Perversion angrenzende Verhalten zeichnet seinen Charakter. Passt gut.
Aber, um jetzt mal mit dem Klischee aufzuräumen: Ich denke nicht, dass jeder damalige Nazi- Offizier auch privat so ein widerlicher Kerl war. aber das sei dahingestellt.
Dass am Ende sein "Beruf" (Es ist sicher mehr als nur das) mit einfließt, ist viellleicht unnötig aber ich finde, das gibt der Geschichte etwas, eben dadurch unterscheidet sie sich von anderen (Bibliothekar).

Aber an sich ist sie nicht schlecht.

lyrik

 

Hallo!

Habe vor kurzem einen Artikel gelesen, in dem eine Frau berichtet, wie sie von ihrem Mann tyrannisiert wurde mit eben solchen Mitteln wie du sie erzählt hast. Nur handelte es sich eben nicht um einen Nazi, hm...
Weiß nicht, empfinde das als wirklich flach abgehandelt. Ich nehme an, du hast gerade erst erschütternde Berichte über Nazis gesehn, über die unmenschlichen Geschehnisse...
Meine Frage:

Nazi = gefühllos???
Verbrecher = unmenschlich???

Ich glaube nämlich, eher nicht.

Und: (Vorallem an lyrik) "Charakterzeichnend" sind doch nicht hauptsächlich die Taten eines Menschens, sondern das, was er denkt... Oder? Zumindest sollte man nicht ausschließlich die Taten beurteilen. Oder?

mfg,
kc

 

Hmm .. ich fand die Geschichte seltsamer Weise LUSTIG und da mir klar ist, dass es ueberhaupt nicht so gemeint war, frag ich mich nun .. Warum!?

Irgendwie kamen mir staendig die Bilder und die Hitler-Stimme von Owe Ochsenknecht in "Schtonk" vor die Augen. Oder Chaplins "Der grosse Diktator". Das ueberzogene Klischee erweckt halt den Anschein einer Parodie ...

dko

 

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