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Aus der Gewohnheit heraus
Die Bahn ist ein mehrdimensionaler Raum. Damit meine ich nicht die drei Raum- sowie die eine Zeitdimensionen. Vielmehr scheint es, als flüchteten sich alle Fahrgäste in ihrer Müdigkeit in ihre eigne kleine Welt. Und obwohl direkt neben ihnen, um sie, praktisch überall, Menschen sind, scheinen sie nichts weiter wahrzunehmen, als ihr ganz eigenes morgendliches Ritual. Und so flüchte ich mich in meines, den Kopf an die Scheibe gelegt, die Musik dröhnend im Ohr. Mit einem Blick auf die Anzeigetafel erfahre ich, was ich ohnehin schon weiß. Noch drei Stationen, dann muss ich raus. Wie gerne würde ich sitzen bleiben, einfach weiterfahren, um die drohenden Anstrengungen des Arbeitsalltags aufzuschieben. Was wohl nach meiner Station kommt? Weiß ich nicht, als läge es in einer dieser anderen Dimensionen. Jetzt einfach mal sitzen bleiben. Weiterfahren bis zur Endstation und am liebsten noch weiter. Ich könnte aufstehen, dem Lockführer an die Scheibe klopfen und ihn bitten, einfach weiterzufahren. Auch wenn der Zug längst an die stählernen Auflieger des Endbahnhofes gedockt ist. Fahr weiter! Bitte! Der Bahnhof schiebt sich weiter, tiefer in die Stadt und wo er über die Erde schleift, da hinterlässt er etwas weißglänzend Neues. Auf der anderen Seite? Verschlingt er die Häuser, Menschen, Tiere und Pflanzen mit, um alles in glänzenden Kunststoff zu planieren? Nein, vermutlich klappen die Fassaden ohnehin einfach zusammen. Eine Wand zu jeder Seite und im Haus steht nur ein Nackter mit dickem Bauch und dennoch verdächtig schmal auf seiner knochigen Brust. Er wird darauf warten, denke ich, dass jemand den Kunststoff mit Wasser gar Morgenthau füllt, wie eine Wanne und ein spielendes Kind meinen Zug gegen die Wand schlägt. Der Gong fährt mir wie ein abführender Ton durch den Körper.
Ein Gong, eine Ansage schwappt durch den Zug, die die nächste Station ankündigt und ich weiß, ich hab mich eine Station zu weit geträumt. Einfach mit der nächsten Bahn zurück. Oder lieber Lockführer, können sie bitte umdrehen? Der Alltag ruft mich und er legt Wert auf Pünktlichkeit. Man braucht sich von seinen Träumen nicht verabschieden, sie werden ganz automatisch verlebt.