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Aus dem Leben gerissen

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01.01.2010
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Aus dem Leben gerissen

Klaus ist 13. Gerade erst geworden. 13 Jahre sind im Vergleich zu einem mitteleuropäischen Durchschnittsmenschen, dessen Lebenserwartung bei knapp 80 Jahren liegt, verhältnismäßig wenig. Klaus jedoch sieht das anders. Geboren wurde er in Graz, ist dort aufgewachsen und wächst, wie es für sein Alter normal ist, Jahr für Jahr einige Zentimeter, genauso wie es jeder andere Teenager auch tut. Seine Eltern, Anna und Leopold, beide berufstätig, gehen jeden Tag pflichtgemäß ihrer Arbeit nach. Klaus hatte eine schöne Kindheit. Er wurde wohlbehütet großgezogen. Er hatte viele Freunde, spielte oft bis zum Einbruch der Dunkelheit mit ihnen und gemeinsam durchlebten sie die unvorstellbarsten Phantasiereisen die man sich nur vorstellen kann – Piraten, Dinosaurier, Bestien, Ritter, Drachen, Geisterschlösser, Riesenspinnen, Zauberer, Elfen, Feen, Waldgeister, Hexen, Henker, Skelette, Dämonen…
Vor allem mütterlicherseits wurde ihm schon immer viel Nähe und Fürsorge zuteil. Mit seinem Vater hatte er nie wirklich viel Kontakt, da dieser ein sehr schweigsamer, introvertierter Mann war, der lieber seiner Arbeit nachging als mit seinem Sohn zu spielen.
Die Jahre zogen vorüber und plötzlich war Klaus 12. Mama und Papa haben schon seit längerer Zeit Streit. Jede noch so kleine Kleinigkeit wird in die Waagschale gelegt und dem Gegenüber vorgeworfen. Normale Gespräche zwischen den beiden gibt es nicht mehr. Klaus fühlt sich nicht wohl. Er versucht mehrmals zu schlichten, doch jeder Versuch endet darin, dass sich der Zorn der beiden auf ihn entlädt, also gibt er es auf. Klaus fühlt sich schuldig, verantwortlich. Er zieht sich zunehmend zurück, seine Probleme behält er für sich. Den Kontakt zu seinen Freunden bricht er ab, die Fröhlichkeit, die einst einen Großteil von ihm einnahm schwindet dahin und verwandelt sich in tiefste Bitterkeit. Klaus vereinsamt, Klaus weint. Doch die Eltern merken von all dem nichts, sind nur noch mit sich selbst beschäftigt. Was aus Klaus wird, wie es ihm geht, interessiert sie längst nicht mehr, er leidet, er schluckt Tabletten, doch nichts hilft.
Klaus wacht auf, Leopold sitzt neben seinem Bett und weint. Klaus hat seinen Vater noch nie weinen gesehen. Mama ist fort, sie hat uns verlassen, schluchzte er. Ein kurzer Stich in Klaus Herz, ihm wird übel, doch er weint nicht. Weinen kann er schon lange nicht mehr. Sowieso fällt es ihm seit geraumer Zeit schwer, etwas zu empfinden. Hass, Zorn, Wut, Freude, alles nur noch Begriffe, denn fühlen kann er sie nicht mehr.
Leopold zieht sich noch mehr in sich zurück, redet kaum noch ein Wort mit seinem Sohn, vertieft sich in seine Arbeit, ist unglücklich, freudlos, hat sich selbst aufgegeben. Klaus vermisst seine Mutter, Wut steigt in ihm auf. Er ist verzweifelt, schreit seinen Vater an, schlägt auf ihn ein, doch dieser reagiert nicht, tut nichts, sagt nichts, steht bloß regungslos da. Klaus wird noch wütender.
In der Schule meiden sie seit kurzem den Kontakt mit Klaus. Klaus ist ein anderer Mensch geworden, aggressiv, launisch, unberechenbar. Erst vorige Woche hat er einen 7 jährigen Jungen krankenhausreif geschlagen. Warum? Er war schwach, ängstlich, verletzlich, wehrte sich nicht– das perfekte Opfer. Die Vorfälle häufen sich, das Jugendamt schaltet sich ein, der Vater abermals wie erstarrt, macht nichts, rührt sich nicht, hat keine Macht über Klaus. Klaus will doch nur beachtet werden, geliebt, so wie früher. Wo ist seine Mutter, warum ist sein Vater so ein Versager, warum ist das Leben so beschissen? Klaus prügelt weiter. Das Jugendamt kreuzt abermals auf. Klaus wird in ein Heim gebracht. Sein Leben wird noch komplizierter. Schlägereien, Drogen, Selbstaufgabe. Klaus war 15 als er zum ersten Mal vergewaltigt wurde. Gefickt haben ihn seine Zimmerbewohner, alle schön der Reihe nach, alle schön in Reih und Glied. Anfangs war es noch schrecklich und schwer zu ertragen, doch nach ein paar Wochen kehrte schließlich Routine ein.
Klaus bricht aus. Er ist 16, wohin er soll, keine Ahnung. So wird es die Straße. Alkohol, Diebstahl, Medikamente, Drogen, Streitereien, Kälte, Hass seine ständigen Begleiter. Klaus braucht Geld. Von nun an steht er täglich abends auf der Straße, lässt sich von Unbekannten für ein paar Peanuts in den Arsch ficken, spritzt Heroin, lässt sich wieder ficken, spritzt Heroin…
Kurz vor seinem 18. Geburtstag wird Klaus von der Polizei aufgegriffen, seine Haare zersaust und fettig, sein Gesicht schmal, vom Leben gezeichnet und kreidebleich, seine Zähne, verfault, seine Kleidung bloß ein paar Lumpen. Er wird in eine Zelle gebracht. Später kommt ein Arzt, entnimmt ihm Blut. Ein paar Tage vergehen, Diagnose Aids. Klaus ist ein wenig traurig.
Leopold wird verständigt, holt Klaus ab. Erkennt ihn nicht wieder. Leopold schämt sich, er muss weinen. Klaus weint nicht, er verspürt nur Hass auf seinen Vater. Er sagt kein Wort, steigt schweigend in den Wagen und fährt mit seinem Vater zurück in seine alte Heimat.
Nichts hat sich seither verändert. Das Haus unverändert im selben Zustand, das Zimmer von Klaus unberührt, von Mutter fehlt noch immer jede Spur, der Vater, schweigsam und feige wie immer.
Leopold wacht mitten in der Nacht auf. Klaus steht über ihn gebeugt. Es ist dunkel. Leopold sieht etwas in der Dunkelheit aufflackern. Ein Stich, ein leichtes Stöhnen, plötzlich wird es warm, ein süßer Schmerz. Der nächste Stich, die Bettdecke verfärbt sich rot, Blut tropft auf den Boden. Klaus sticht erneut zu. Keine Regung in seiner Mimik, kein Zucken, kein Anflug der Reue in seinem Gesicht. Klaus starrt nur, er starrt wie damals sein Vater, als Mutter sie verlassen hat. Der Vater Tod.
Klaus steht auf und geht ins Bad. Er duscht, wäscht sich das Blut von seinem Körper, bestellt sich eine Pizza und setzt sich vor den Fernseher. Ein paar Stunden vergehen, Klaus steht vom Sofa auf, zieht sich seine Jacke an, verlässt das Haus, geht in Richtung Bahnhof, legt sich auf die Gleise, sieht die Lichter des Zugs, schließt seine Augen, hört das Rattern der Waggons, ist jetzt glücklich und beginnt endlich wieder zu leben.

 

Hallo O6schreg,

Herzlich Willkommen auf KG.de! Formal finde ich an deiner Geschichte kaum auszusetzen, was eigentlich gut ist, aber ich bin in dieser Hinsicht auch nicht so streng wie manche andere Mitglieder auf dieser Plattform. Inhaltlich auch nicht (nein, das ist kein Lob in diesem Fall). Allein der Stil, nämlich der Erzählstil im Allgemeinen und im Besonderen entspricht nicht wirklich der dargestellten Problematik. Er läuft ihr sogar regelrecht wider. Alles wirkt viel zu sehr stringent, lieblos durchgejagt und klischeehaft skizziert, ja heruntergerattert, ähnlich dem kurzatmigen, abgebrüht sensationslabenden Pseudo-Investigativ-Journalismus, wie in Zeitungen für das halbwegs gebildete Kleinbürgertum, die es für ein paar wenige Euro am Kiosk zu kaufen gibt.

Es wäre zu wünschen, dass die Geschichte die inneren und zwischenmenschlichen Konflikte und Spannungen herausstellt, wie sie in so einer Biografie entstehen können. Beispielsweise könnte der Leser von ein paar Themen erfahren, über die sich die Eltern gestritten haben. Die einzige Stelle, an der das Innenleben, die Räson des Protagonisten dem Leser ansatzweise offenbart wird ist die Stelle mit dem Siebenjährigen. Das ist leider zu wenig.

Bitte arbeite weiter an der Geschichte, so wird sie gut.


Viele Grüße,
und übrigens ein frohes neues Jahr,

-- floritiv.

 

hallo floritiv,

Allein der Stil, nämlich der Erzählstil im Allgemeinen und im Besonderen entspricht nicht wirklich der dargestellten Problematik. Er läuft ihr sogar regelrecht wider. Alles wirkt viel zu sehr stringent, lieblos durchgejagt und klischeehaft skizziert, ja heruntergerattert

Ich habe den Erzählstil bewusst so gewählt, weil ich genau das wollte, was du kritisierst. Denn der Stil soll meiner Auslegung nach die Gefühlslage des Protagonisten widerspiegeln. Oder anders ausgedrückt: der Erzähler ist zugleich auch Protagonist. Er schreibt quasi in der dritten Person über sich selbst, sein bisheriges Leben, seine (teilweise kranken) Fantasien, usw...
Warum er in der dritten Person schreibt?: Er wahrt Distanz, aus Angst zu tief in sich zu dringen. Er selbst ist abgestumpft, unglücklich... und genauso soll es auch durch den Stil rüberkommen. "Seht/Sieh her, mein Leben ist ein einziger Sch... erbenhaufen. Ich habe resigniert und gebe auf" - darauf wollte ich eigentlich hinaus.

Der Erzähler soll also nicht jemand sein, der Mittleid heuchelt, der die genauen Hintergründe dieser Geschichte aufdecken soll, der der gesamten Tragik einen Sinn geben soll. Nein, der Erzähler ist eben gleichzeitig Protagonist. Er kennt die genauen Hintergründe, er selbst weiß genau was vorgefallen ist, will oder kann sich jedoch nicht detailierter mit den Geschehnissen auseinandersetzen.

Ich hoffe, das ist jetzt einigermaßen verständlich angekommen und erklärt, warum ich bewusst diesen Stil gewählt habe.

Danke für die Kritik, schönen Abend und auch dir ein erfolgreiches neues Jahr.

georg

 

Aha. Was du im Nachhinein schreibst, behaupte ich mal, steht so nicht in der Geschichte, weder explizit noch - was natürlich besser ist - zwischen den Zeilen. Kann natürlich sein, dass du das zwischen die Zeilen gelegt hast und ich das bloß nicht wahrgenommen habe, bin nicht der Weltmeister im Zwischen-den-Zeilen-Lesen. Wie auch immer, ich konnte mich aus den beschriebenen Gründen mit der Figur Klaus nicht im mindesten identifizieren, und das weißt für mich darauf hin, dass du an der Geschichte weiterarbeiten solltest. Und ja, die Distanz zu sich selbst lässt sich bestimmt mit erzählerischen Mitteln ausdrücken, wenn ich auch keine spontane Idee habe, wie.

Nein, der Erzähler ist eben gleichzeitig Protagonist.
Verstehe ja, ein Ich-Erzähler, der von sich wie von einem Dritten erzählt. Nur sollte das eben aus dem Text klar werden und nicht erst in der Autor/Leser-Diskussion. Nachträgliche Erläuterungen des Autors machen die Geschichte nämlich nicht besser.

Vor allem die ständigen Altersangaben verschleiern deine Intention. Ich denke, wenn Klaus so distanziert ist, dass er nur noch in der Er-Form von sich spricht, ist ihm das Alter zu den verschiedenen Episoden so was von egal. Ergo sind sie eher ein Indiz der auktorialen, allwissenden Erzählperspektive.

Folgendes Fragment enthält ebenfalls Merkmale auktorialer Perspektive:

Text schrieb:
Leopold zieht sich noch mehr in sich zurück, redet kaum noch ein Wort mit seinem Sohn, vertieft sich in seine Arbeit, ist unglücklich, freudlos, hat sich selbst aufgegeben.
In der Perspektive des von sich selbst distanzierten Ichs ist sowas einfach nicht möglich. Die Nennung der Eltern mit dem Vornamen konterpoltieren deine Intention eher, als dass sie sie stützen. Wenn du das hier schreiend auktoriale "zieht sich noch mehr in sich zurück," streichst und mindestens einen der Indikative mit scheint zu modulierst, sieht es schon wieder etwas anders aus >> Der Vater wechselt kaum noch ein Wort mit ihm, scheint sich, unglücklich und freudlos, in seine Arbeit zu vertiefen, hat sich aufgegeben. -- wobei, wer sich in seine Arbeit vertieft, kann sich noch nicht wirklich aufgegeben haben.


Viele Grüße,
-- floritiv.

 

Hi, es geht mir in dieser Kurzgeschichte gar nicht darum, dass man sich mit Klaus identifizieren soll. Denn wenn man es könnte, sollte man am besten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen:) Vielmehr geht es mir darum, dass man sich mit der Person Klaus auseinandersetzt, indem man die Umstände hinterfragt die Klaus zu dem haben werden lassen, was er im Endeffekt ist - Lebensmüde.

Ich meine, dass man schon einiges aus der Geschichte rauslesen kann, aber das objektiv zu beurteilen ist für mich als Verfasser dieses Textes auch gar nicht möglich.
Hier einige Dinge, von denen ich mir gedacht habe, dass sie aus dem Text ersichtlich sind, sofern man die Sachen hinterfragt, die einem unklar sind. zB: Warum die Alterssprünge, wie kam es zur Abstumpfung, warum entsteht so ein Hass auf seinen Vater...

Es war aber angedacht, dass sich all diese Fragen, der Leser selbst stellen sollte, damit er zu einer Antwort kommt, warum Klaus zu dem geworden ist, der er am Ende war.

Hier eine Interpretation meinerseits:
Die Geschichte fängt damit an, dass er sich als 13 jähriger ausgibt. Warum diese Zeit? Weil es genau der Zeitpunkt war, wo sich sein Leben vom Guten ins Schlechte gewendet hat. Er will die eigentliche Wurzel des Problems aufarbeiten.
Streit der Eltern, die Familienidylle stürzt ein; die Mutter, seine eigentliche Bezugsperson haut einfach ab, er bleibt alleine zurück mit einem Vater, zu dem er sowieso sehr wenig Zugang hat und der ihn in dieser Situation in keinster Weise helfen kann, da er sich selbst nicht helfen kann, er ist vollkommen auf sich allein gestellt. Im Allgemeinen ist dieser Lebensabschnitt sowieso kein leichter, Stichwort Pubertät (Auch ein Faktor von vielen, der dazu beitragen könnte, warum sein weiteres Leben eben diesen Verlauf genommen hat).
Die Aufarbeitung überfordert ihn, er beginnt von seiner Kindheit zu erzählen, seiner anscheinend schönste Zeit, tankt dabei nochmals Kraft um im Anschluss den schwierigsten Teil anzugehen. Eben den Teil, wo es für ihn immer schlimmer wurde - wo es eigentlich ständig bergab ging. Er ist verzweifelt, schreit (still) nach Hilfe, aber keiner hört ihn. Gerade da, wo er seine Mutter am meisten gebraucht hätte, ist sie nicht da, es muss also ein Sündenbock her. Dafür bietet sich sein Vater am besten an, da er genauso hilflos wie Klaus ist. Dann wird er ins Heim gesteckt, die endgültige Zerstörung seines Selbstbildes. Er hat lange genug gekämpft und wurde von allen verlassen, er gibt sich auf. Er sieht nichts mehr, wofür es wert wäre zu leben.
In diesem Teil der Geschichte wird es ihm zu viel, möchte am liebsten sterben, aber kann es nicht. Deshalb projeziert er all seinen Hass auf seinen Vater und tötet diesen (in seiner Fantasie), damit er endlich den entscheidenden Mut aufbringen kann, sein Leben endgültig zu beenden. Warum er seine Wut auf den Vater projeziert? Weil er Schuld hat, dass Mutter sie verlassen hat, weil er Schuld hat, dass sein Leben so geworden ist, weil er Schuld an allem hat, weil er in seinem ganzen Leben nie die Klappe geöffnet hat... weil Klaus nicht verantwortlich für sein eigenes Leben sein wollte, bzw. ihm nie die Gelegenheit gegeben wurde für sein Leben verantwortlich zu sein.

Soetwas in der Art hab ich mir vom Leser erwartet. Dass er selbst anfängt zu interpretieren und die Geschichte für sich löst, sodass er für sich zu einem stimmigen Ergebnis kommt.

Noch kurz etwas zur auktorialen Perspektive:
Er selbst ist ja auch der allwissende Erzähler, denn seine Realität ist die für ihn einzig Richtige. (Es scheint ihm zB. nicht so, dass sein Vater sich noch mehr zurückzieht, sondern für ihn ist es so, seine Realität, sein Wissen, seine Wahrheit)

lg

 

Soetwas in der Art hab ich mir vom Leser erwartet. Dass er selbst anfängt zu interpretieren und die Geschichte für sich löst, sodass er für sich zu einem stimmigen Ergebnis kommt.

*hüstel*
Du willst also die Arbeit auf den Leser abwälzen, die eigentlich deine als Autor wäre. Ooookay ...

Deine Antworten auf die Kritik sind einzig Rechtfertigungen. Kleiner Tipp: Denk mal drüber nach, ob nicht doch was an der Kritik dran ist. Wer schreibt und veröffentlicht (zum Beispiel hier auf kg.de), schreibt für seine Leser. Es ist unerheblich, was du dir beim Schreiben gedacht hast. Der Leser kann nicht in deinen Kopf hineinsehen. Er hat nur den Text - und der muss für sich genommen funktionieren. Alles, was du als Rechtfertigung hinterhergeschoben hast, ist so nicht aus dem Text ersichtlich. Einige Beispiele dazu hat floritiv ja schon genannt.

Noch kurz meine Gedanken zum Text: Gelesen - und gäbe es nicht diese Antworten darunter, hätte ich sie schon vergessen. Ein Leben gepresst in ein paar Zeilen, Berichtsstil, Klischees noch und nöcher, weder lebendige Figuren noch lebendige Sprache. Dazu kommt, dass der Text auch inhaltlich nichts Neues hergibt. Versteh mich nicht falsch: Alle Themen - kleine und große - sind schon in der Literatur bearbeitet worden. Aber eine Geschichte braucht etwas, was sie einzigartig macht. Das können besondere Figuren sein, das kann eine besondere Sprache, ein besonderer Stil sein. Oder eine außergewöhnliche Perspektive. Oder alles zusammen. Aber hier ist es eher ein Herunterleiern der Ereignisse. Völlig distanziert, wie ein Bericht. Zumindest dort, wo du von Wut sprichst, müsste diese Wut auch einmal im Text deutlich spürbar werden. Aber es bleibt ein Dahinplätschern. Sorry, aber für mich ist das nicht der große Wurf.

Bleib dran, experimentier mit Erzählstimme, Perspektive, Sprache. Versuch das mal etwas lebendiger zu gestalten. Vielleicht schraubst du hier oder dort dann wieder etwas zurück, aber ich bin mir sicher, dass du selbst sehr schnell zu dem Schluss kommst, dass sich hier noch einiges verbessern lässt.

Noch ein Tipp: Lass den Text mal ein paar Tage liegen und versuch ihn dann als reiner Leser zu lesen. Schalte deine Gedanken zum Text ab, lies nur den Text selbst, pur, so wie er vor dir liegt. Mit etwas Abstand zum Text gelingt das meist leichter. Und dann spürt man auch besser die Stellen oder den Grund, wo oder warum etwas noch hakt.

Viel Spaß noch hier auf kg.de!

Viele Grüße
Kerstin

 

Hi Kerstin,

um es gleichmal auf den Punkt zu bringen, es war ein Experiment von mir, das nicht funktioniert hat.

*hüstel*
Du willst also die Arbeit auf den Leser abwälzen, die eigentlich deine als Autor wäre. Ooookay ...

Ja, teilweise will ich das schon. Funktioniert zum Beispiel auch bei Filmen von David Lynch so. Bei mir eben leider (noch) nicht ;-)

Du verstehst mich jedoch falsch, wenn du meinst ich hätte meine Antworten auf die Kritik nur deshalb geschrieben, um meine Geschichte zu rechtfertigen, das war nicht meine Intention.

Mir ist schon klar, was du über die Beziehung zwischen Leser und Autor schreibst, bzw. worauf es dabei ankommt. Und genau das ist eben das Hauptproblem an meiner Geschichte, dass sie nicht so verstanden wurde, wie ich es mir als Autor gedacht habe. Der Erzähler wurde nicht wie erwartet mit der Person Klaus assoziiert. Deshalb nehme ich an, dass z.B. die Kritik gekommen ist, Stil und Thematik passen überhaupt nicht zusammen, was dann ja auch mehr als verständlich ist.

Jedoch bin ich hier in diesem Forum um etwas zu lernen. Und hätte ich die Kritik von Floritiv einfach nur bestätigt, so hätte ich nicht viel daraus mitnehmen können, bis auf die Tatsache, dass die Geschichte nicht so angekommen ist wie von mir erwartet, ohne wirklich zu wissen warum. Deshalb haben mich die Hintergründe interessiert, deshalb meine Interpretationen und Erklärungen und nicht um mein, wie vielleicht von dir angenommen, angekratztes Autorenego zu besänftigen. :-) Und eben genau durch diese Diskussion habe ich etwas mitnehmen können.

Ein Leben gepresst in ein paar Zeilen, Berichtsstil, Klischees noch und nöcher, weder lebendige Figuren noch lebendige Sprache.
Das war ja eben genau mein Ziel (und genau daran ist die Geschichte auch gescheitert), eine kurze Retrospektion aus der Sicht eines Menschen, der mit dem Leben abgeschlossen hat. Deshalb der Stil so lustlos, die Figuren so unlebendig, die Sprache so leblos. Sprich, der Text genauso leblos wie die Person selbst. Diese Verbindung hab ich zwischen der Geschichte und dem Leser leider nicht herstellen können.

Liebe Grüße
Georg

 

Hallo 06schreck,
Herzlich willkommen hier!

Ein ganzes Leben in einer Kurzgeschichte unterbringen ist nicht einfach. Immerhin hast du diese Herausforderung annähernd gemeistert. Die entscheidenden Stationen sind im Text angeführt; zuerst Klaus schöne Kindheit, dann wie er sich für die Streitigkeiten seiner Eltern schuldig fühlt und vereinsamt, der Vater, der nichts macht, sich nicht rührt, als das Jungendamt an ihn heran tritt, und so weiter. Du hast nichts übersehen. Ich glaube, die Lebensgeschichte des Klaus ist in deinem Kopf sehr lebendig.
Warum nur nehme ich dem Erzähler die Geschichte nicht ab?

Einige Beispiele:

Klaus hatte eine schöne Kindheit. Er wurde wohlbehütet großgezogen. Er hatte viele Freunde,
Das kann jeder behaupten.
Was ist für Klaus eine „schöne“ Kindheit?
Und wohlbehütet?, in einer Doppelverdiener-Familie?, auch so eine Behauptung, ohne Hintergrung für mich nicht glaubhaft.
Ebenso suspekt die pauschale Behauptung er hätte viele Freunde gehabt. Ich habe auch viele Freunde gehabt. Aber die sind für mich keine anonyme Menge. Wenn ich zurückdenke, sehe ich nicht viele sondern automatisch zwei Gesichter, nämlich die meiner besten Freunde. Alle anderen brauchen etwas mehr Anstrengung, um sie in Erinnerung zu rufen. Warum nennt er nicht seinen besten Freund und nimmt das Verhältnis zu diesem als Beispiel für den Wandel in seinem Leben?

Ich vermute, Klaus hatte gar keine Freunde, nicht einen einzigen. Daher wirkt die Liste:

„gemeinsam durchlebten sie die unvorstellbarsten Phantasiereisen die man sich nur vorstellen kann – Piraten, Dinosaurier, Bestien, Ritter, Drachen, Geisterschlösser, Riesenspinnen, Zauberer, Elfen, Feen, Waldgeister, Hexen, Henker, Skelette, Dämonen…“
dieser angeblich so tollen Spiele wie aus dem Duden abgeschrieben.
Das war dann die Stelle, an der ich nicht mehr weiterlesen mochte. Warum soll ich meine Zeit für einen Erzähler opfern, dem ich kein Wort glaube und wie soll ich mich je für Klaus interessieren, wenn ich außer Phrasen nichts, aber auch gar nichts Persönliches über ihn in dem Text finde?

„Ein paar Stunden vergehen, Klaus steht vom Sofa auf, zieht sich seine Jacke an, verlässt das Haus, geht in Richtung Bahnhof, legt sich auf die Gleise, sieht die Lichter des Zugs, schließt seine Augen, hört das Rattern der Waggons, ist jetzt glücklich und beginnt endlich wieder zu leben.“

Völlig unglaubwürdig auch das Ende. Nur weil er auf dem Gleis liegt und Züge rattern hört, steht er auf und lebt fortan glücklich und zufrieden?
Selbstmord als Konsequenz seines verkorksten Lebens wäre denkbar. Aber da hier ja gar kein Er-Erzähler, sondern ein Ich-Erzähler schreibt, der aus irgendwelchen Gründen nur so tut als sei er ein Er-Erzähler, kommt ein Freitod (oder ein anderer) nicht in Betracht.

Fazit: Für mich fehlt es der Geschichte an psychologischer Glaubwürdigkeit. Da solltest du nachlegen.
Dagegen können die ersten beiden Absätze raus. Warum über Klaus glückliche Tage schreiben, wenn die Erinnerung daran ihm später nicht weiter hilft.


Gruß

Asterix

 

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