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Aus dem Leben eines Langweilers

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03.08.2002
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Aus dem Leben eines Langweilers

Noch immer von der Müdigkeit geplagt führte mich mein Weg hinunter in einen der zahlreichen U-Bahnhöfe in Berlin. Es war ein völlig normaler Arbeitstag und so war mein Ziel das selbe, dass die Mehrheit der auf dem U-Bahnhof anwesenden Leute hatte – die Arbeit ! In meinem Fall war das Ziel (die Arbeit) ein Büro in der City Berlins, wo ich den größten Teil des Tages verbringen sollte.

Der Zug fuhr in den Bahnhof ein und die Leute drängten sich wie immer zu den Türen, so auch ich. Da die Linie in diesem Bahnhof die Fahrt erst begann, waren also dementsprechend noch alle Sitzplätze zu haben und jeder war (wie immer) bemüht seinen Lieblingsplatz zu sichern. Mein Lieblingsplatz befand sich direkt neben der Tür und bestand nicht in einem Sitzplatz sondern war eine Wand an die ich mich anlehnte und so den ganzen Waggon beobachten konnte. In der U-Bahn gab es nicht viele Möglichkeiten sich zu beschäftigen – einige lasen Bücher oder Zeitung, andere sahen aus dem Fenster obwohl es nichts zu sehen gab und wieder andere beobachteten die anderen Leute, so wie ich.

Das wirklich interessante beim beobachten waren die sogenannten "Langzeitobjekte", also Menschen, die man immer und immer wieder traf, eventuell sogar jeden Tag. Nach einiger Zeit herrschte so etwas wie Vertrautheit mit diesen Personen, obwohl man nur sehr wenig über sich wußte – nicht einmal den Namen. So gab ich den Leuten Spitznamen, die nach dem Verhalten oder Aussehen der Leute verteilt wurden. Auf diese Weise hatten unter anderem "die Lachende", "der Anzug" und "die B.Z.-Leserin" bereits ihre Namen bekommen.

An diesem Tag stieg eine Station später eines dieser "Langzeitobjekte" hinzu. Sie hatte von mir den Spitznamen "die Hektikerin" erhalten, was daran lag, daß es wohl niemand anders so eilig haben könnte wie sie. Für gewöhnlich stürmte sie in den Waggon schmiss ihre Tasche und ihren Rucksack auf den freien Platz neben sich und begann sich mit diversen Cremes ihre Haut einzureiben, auch an diesem Tag machte sie keine Ausnahme. Sie hatte schulterlanges Haar, eine recht moderne Brille und war immer immer hervorragend gekleidet, sie trug keine Kostüme oder so etwas, machte aber dennoch einen seriösen Eindruck. Ich schätzte dass sie ebenfalls in einem Büro arbeitete und eine der Sekretärinnen war, die in ihrer Arbeit aufgingen, die versuchten sich bei ihren Chefs beliebt und unverzichtbar zu machen und dafür schon mal den Urlaub oder die lang geplante Verabredung ausfallen ließen. Ihre blasse Hautfarbe und die diversen Cremes veranlassten mich auch zu der Vermutung, daß sie einer der Menschen war, die alle Allergien hatten die es gab. Selbstverständlich wäre der Ausbruch einer dieser Allergien niemals ein Grund gewesen nicht ins Büro zu gehen, schließlich zählte der Chef auf sie und ihr Ausfall hätte unweigerlich zu einer neuen Wirtschaftskrise geführt. Der Grund warum sie von mir den Namen "die Eilige" erhielt war folgender. Bereits eine Station vor ihrer und zufällig auch meiner Umstiegsstation stand sie ruckartig von ihrer Bank auf und positionierte sich an der Tür um an der nächsten Station sofort herausstürmen zu können, an manchen Tagen stand sie auch schon zwei Stationen vorher auf. Wenn der Zug dann tatsächlich im Bahnhof hielt und die Türen sich öffnen ließen, lief sie hinaus und stürzte sich die Treppen hinunter zur nächsten U-Bahn und während ich erst ausstieg, saß sie vielleicht schon im nächsten Zug.

Noch mal zwei Stationen später stieg der "Falling Down-Mann" ein. Der Name beruhte auf dem Film "Falling Down" mit Michael Douglas in der Hauptrolle und kam daher, daß er mich an genau diese von Michael Douglas verkörperte Rolle erinnerte. Genau wie im Film kam er in Hemd und Krawatte bekleidet und einem Aktenkoffer in der Hand in den Zug. Sein nächster Schritt bestand darin den Aktenkoffer zwischen seinen Beinen abzustellen und die Türen zu schließen, was allerdings völlig unnötig war, da sich die Türen automatisch schlossen. Er bevorzugte es auch die Fahrt im stehen zu verbringen. Mit grimmigen Blick und merkwürdigen Zuckungen wartete also auch er auf sein Ziel, dass das gleiche war, wie das der Eiligen und meinem. Beim Falling Down-Mann war ich mir nicht sicher, welcher Beschäftigung er den Tag über nachging. Ich tippte auf einen Versicherungvertreter, der eher dadurch erfolgreich war, daß die Leute aus Furcht vor ihm eine Versicherung abschlossen, als dass sie wirklich eine gebraucht hätten, doch bevor sie sich Ärger mit ihm einhandelten und am Ende blaue Flecken oder gar schlimmeres davontrugen unterschrieben sie lieber artig die vorgelegten Policen.

An diesem Tag passierte etwas, das nur selten vorkam – eine Konfrontation zweier Langzeitobjekte. Die Hektikerin stand wie gewohnt eine Station vorher von ihrer Bank auf und begab sich zur Tür, wo bereits der Falling Down-Mann stand. In ihrer Hektik rempelte sie den Falling Down-Mann an. Die meisten hätten diesen Stoß schweigend hingenommen, doch der Falling Down-Mann wäre nicht der Falling Down-Mann gewesen, wenn er das auch getan hätte. Ich ärgerte mich ein wenig, daß ich am anderen Ende des Waggons stand und nicht genau mitbekam, was gesprochen wurde und dieses seltene Ereignis verpasste, aber soviel war sicher, es kamen laute Proteste vom Falling Down-Mann. In diesem Moment fragte ich mich, wer diesen Streit wohl gewinnen würde. Konnte überhaupt jemand gewinnen?

Ich überlegte mir zwei Möglichkeiten : Der Falling Down-Mann würde eine Waffe aus seinen Aktenkoffer holen und die Frau, die es gewagt hatte ihn anzurempeln gnadenlos erschießen oder die Hektikerin würde den Mann, der es wagte sie anzuschnauzen mit Autorität und Selbstsicherheit in die Schranken weisen. Es blieb dann allerdings bei einem kurzen Wortgefecht und für den kurzen Rest der Fahrt standen sie gegenseitig den Rücken gekehrt und sprachen kein Wort. So konnte man sich irren.

Die Fahrt in der nächsten U-Bahn verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle und so stieg ich an meiner Zielstation aus und lief zum Ausgang zurück an die Oberfläche. Auf dem Weg ins Büro ging ich öfters noch in eine bestimmte Bäckerei, um ein Brötchen zu kaufen, daß es so nur bei dieser Bäckereikette gab. Während man in diesen Zeiten um Freundlichkeit und Service gegenüber Kunden sehr bemüht war um wettbewerbsfähig zu sein, versuchte diese Kette oder zumindest diese Filiale oder sagen wir lieber diese Verkäuferin in dieser Filiale durch das Gegenteil hervorzustechen. Man kam also in die Bäckerei hinein an den Verkaufstresen, an dessen Ende die besagte Verkäuferin stand und Brötchen belegte. Die Tätigkeit war nicht immer dieselbe, manchmal telefonierte sie auch oder kochte Kaffee. Jedenfalls stand man nun dort und wartete vergebens auf die Verkäuferin oder eine Reaktion von ihr. Egal ob man versuchte auf sich aufmerksam zu machen, durch ein fröhliches "Guten Morgen", Geldklimpern oder ein rufen, selbst beim simulieren eines Herzanfalls wäre sie bei ihren Brötchen geblieben und hätte sie erst fertig belegt. Einmal hatte ein ebenfalls wartender Kunde gefragt, ob sie nicht mal Lust hätte die wartende Kundschaft (insbesondere ihn selbst) zu bedienen, worauf sie ruhig und gelassen mit dem Satz „Ich habe auch nur zwei Hände“ geantwortet hatte. Dieses Argument hatte mich natürlich restlos überzeugt und so wartete ich immer geduldig auf die Frage, was es denn sein dürfe.

Nachdem ich an diesem Morgen wieder einmal zuvorkommend bedient wurde ging ich weiter ins Büro. Acht langweilige Stunden später konnte ich es wieder verlassen und den Feierabend genießen... bis morgen wieder einen dieser wunderbaren Tage beginnen würde.

 

Hi Voice!

In meinem Fall war das Ziel (die Arbeit) ein Büro
Hier ist es mE unnötig "(die Arbeit)" nochmals zu erwähnen, denn das er auf dem Weg zur Arbeit ist, erwähntest du ja bereits zuvor schon.

Bereits eine Station vor ihrer und zufällig auch meiner Umstiegsstation stand sie ruckartig von ihrer Bank auf und positionierte sich an der Tür um an der nächsten Station sofort herausstürmen zu können, an manchen Tagen stand sie auch schon zwei Stationen vorher auf.
Ein viel zu langer Satz mit der ständigen Wiederholung "Station".
Nach herausstürmen zu können und an manchen Tagen stand sie ... würde ich einen Punkt setzen.
Das Wort "Umstiegsstation" stört mich beim lesen. Finde aber momentan keine andere Umschreibung dafür die du evtl. verwenden könntest.

An der Stelle mit der Bäckerei solltest du auch noch mal überlegen ob es wirklich notwendig ist, dieses Wort so oft zu wiederholen.

bis morgen wieder einen dieser wunderbaren Tage beginnen würde.
einer anstatt einen. ;)

Der Titel der Geschichte sagt ja eigentlich schon aus das nicht viel passiert. Und da sie zudem noch in "Gesellschaft" steht, war in etwas vorauszusehen das nicht viel passiert.
Ein paar spektakulärere Szenen hätten aber auch nicht geschadet.
Für mich liest sich deine Geschichte, als hättest du tatsächlich selbst diesen Arbeitsweg jeden Tag vor dir und versuchst nun eine Geschichte daraus zu machen (was ja auch nichts verwerfliches ist).
Einige Sätze sind noch etwas holprig.
Neugierig wäre ich nun, ob der Protagonist auf der Heimfahrt ebenfalls wieder den selben Personen begegnet. :) Vielleicht gibt es ja mal einen "zweiten Teil" dazu, in dem du die "Rückreise" etwas spannender darstellst?

So viel erst mal von
LoC

 

Hi Lady of Camster,

vielen Dank für die konstuktive Kritik. Ich werde an mir arbeiten...

Ursprünglich sollte es bei der Geschichte um alltägliche Verhaltensstörungen gehen, die man bei vielen Leuten im Alltag beobachten kann, aber irgendwie bin ich davon abgekommen.

Ein zweiter Teil von der Geschichte ? Kann ich ja mal drüber nachdenken, allerdings fehlt mir im Moment wirklich die zündende Idee, was "spannendes" passieren zu lassen.

Schönen Gruß
Voice

 

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