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Aus dem Leben einer Fußballspielerin

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14.12.2013
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Aus dem Leben einer Fußballspielerin

Entschuldigung, wie hieß die Zeitung noch gleich? Achja, richtig, Spielerherzen. Wissen Sie, ich habe in letzter Zeit so viele Interviews geben müssen, dass ich langsam den Überblick verliere. Nun, was möchten Sie denn von mir wissen? Ich soll einfach über mein Leben reden? Okay, dann fange ich wohl am besten am Anfang an.

Ich wurde am vierten August in Lingertal in Nordrhein-Westfalen geboren. Zwei Minuten nach meinem Zwillingsbruder Johannes, damit zieht er mich heute noch auf. Er wäre der Ältere von uns beiden und alles sowas. Wie bitte? Achso, ja, natürlich interessiert Sie nur der Teil mit dem Fußball.

Als mein Bruder und ich sechs Jahre alt waren, fing er an in einem Verein Fußball zu spielen. Natürlich bin ich mit meinen Eltern auch immer mitgefahren, wenn er Training hatte oder ein Spiel am Wochenende. So stand ich also am Spielfeldrand und schaute meinem großen Bruder dabei zu, wie er voller Ehrgeiz mit seinen Mitspielern um Bälle stritt. Nach ein paar Monaten wollte ich auch mitspielen, aber meine Eltern waren der Meinung, Fußball sei nur etwas für Jungs. Stattdessen bekam ich Reitstunden. Entschuldigung, ich schweife schon wieder ab. Auf jeden Fall durfte ich, nachdem ich nicht weniger als zwei Jahre immer wieder mein „Bitte Mama, Bitte Papa“ wie das Vater Unser runtergebetet hatte, mit in der Mannschaft meines Bruders spielen. Ich war noch nicht einmal das einzige Mädchen. Susi hieß die andere glaube ich. Anscheinend hatte ich wohl damals schon Talent und so stand ich nach zwei, drei Monaten auch bei den Spielen am Wochenende mit Johannes zusammen auf dem Platz. Meine Eltern waren damals alles andere als begeistert davon, schließlich hatten sie mir zum Geburtstag erst ein paar neue Puppen geschenkt, die aber allesamt in irgendwelchen Ecken lediglich als Staubfänger dienten. Ich freute mich über jedes meiner Tore, hoffte natürlich darauf, dass mein Vater irgendwann einmal etwas sagt wie Das hast du heute aber toll gemacht, Melanie. Tatsächlich aber war es meist so, dass Johannes von ihm gelobt wurde, er wäre ja so ein guter Fußballer, hätte großes Potenzial und was man sich sonst noch so vorstellen kann. Für mich blieb meistens ein knappes Nicken oder die Frage, ob ich meine Hausaufgaben schon erledigt hatte.

Ja natürlich, meine Karriere, dazu komme ich ja gleich. Ich blieb weiter in dem Fußballverein bis ich ungefähr sechzehn war und nicht mehr mit den Jungs in einer Mannschaft spielen durfte. Meine Mutter führte bei der Nachricht ein kleines Freudentänzchen auf. Hatte sie ja jetzt endlich eine richtige Tochter, mit der sie shoppen gehen könnte. Da das Fußballspielen aber mittlerweile zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden war, beschloss ich relativ schnell, mir einen Verein zu suchen, in dem es eine Frauenabteilung gab. Das ist jetzt ungefähr zehn Jahre her und Sie können mir glauben, das war zu der Zeit gar nicht einfach. Ich hatte aber Glück, denn in Stalhausen, das war mit dem Bus eine Stunde Fahrt von Lingertal aus, hatte man grade eine Frauenfußballmannschaft ins Leben gerufen. Es gab eine lange Diskussion und unter dem Vorbehalt, dass ich trotzdem weiter meine guten Leistungen in der Schule bringen würde, durfte ich mich dort anmelden. Die nächsten zwei Jahre büffelte ich in jeder Minute, die ich nicht auf dem Fußballplatz verbrachte, für das Abitur. Mit achtzehn hatte ich dann das Abi in der Tasche und oben drauf noch ein Sportstipendium für ein Studium an der Universität von Rheinfurth. Es gab dort einen neuen Studiengang, Sportökonomie nannte dieser sich. Im Endeffekt war es eine Mischung aus einem Sport- und einem BWL-Studium, war aber glücklicherweise für Sportler konzipiert und ermöglichte mir eine sehr freie Zeiteinteilung. Mit dem Studienbeginn fing ich dann auch an, für die Jugendmannschaften des SC Rheinfurth zu spielen.

Ob ich noch Kontakt zu meinen Eltern habe? Ja natürlich, aber eher sporadisch. Sie haben es mir wohl bis heute nicht verziehen, dass ich nicht ihren Vorstellungen einer perfekten Tochter entsprochen und eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht habe. Könnten Sie diesen Teil in dem Artikel vielleicht weglassen? Das war jetzt doch ein bisschen zu privat. Achso, Sie müssen das erst mit dem Chefredakteur besprechen. Na gut, dann muss ich damit wohl im Zweifelsfalle leben. Wo waren wir noch gleich? Achja, der SC Rheinfurth.

Wir waren mit der B-Jugend damals relativ erfolgreich und auch das Studium lief ziemlich gut, obwohl diese Doppelbelastung natürlich teilweise wirklich sehr hart war. Am Wochenende hätte ich eigentlich für Klausuren lernen müssen, aber meistens standen Spiele auf dem Programm und meistens reichte die Konzentration nur für eines von beidem. Aber wie schon gesagt, das Studium war ja für Sportler konzipiert, also konnte ich im Falle auch einmal Klausuren um ein oder zwei Wochen verschieben. Das war wirklich ein riesiger Vorteil. Von der A-Jugend stieg ich dann in die U-20 Mannschaft auf. Die erste Mannschaft spielte da noch in der zweiten Frauenbundesliga. Damals wurde ich auch zum ersten Mal für die U-21 Nationalmannschaft nominiert. Das war wirklich ein großartiges Gefühl, aber ich habe schnell merken müssen, wie anstrengend das sein kann. Ich musste also immer noch für das Studium lernen, gleichzeitig aber mit dem SC Rheinfurth trainieren und die verschiedenen Lehrgänge und Trainingslager der Nationalmannschaft besuchen. Mit der Zeit aber wurde es auch einfacher die Konzentration aufrecht zu erhalten.

Wann ich beschlossen habe Profifußballerin zu werden? Wahrscheinlich schon mit sechs Jahren, als ich Fußball mit meinem Vater vor dem Fernseher geguckt habe, aber so richtig überlegt habe ich es mir erst mit siebzehn, als ich mich für das Sportstipendium beworben habe. Da habe ich mir gedacht, Melanie, Fußballspielen ist das, was du wirklich kannst, das könnte deine Chance sein. Frauenfußball war da noch lange nicht so populär wie heute, aber Namen wie Birgit Prinz und Inka Grings kannte man damals auch schon aus den Zeitungen. Und ich wollte auch da hin, wo sie schon waren. An die Spitze und allen beweisen, was in mir steckt. Leider lief es bei mir dann aber doch nicht alles so glatt, wie es ich mir erhofft hatte. In der U-21 hatte ich es grade zur Stammspielerin geschafft, da hat mein Knie mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich musste lange pausieren und mich zurückkämpfen. Das war keine schöne Zeit für mich als Fußballerin, aber für das Studium hat es mir geholfen und ich konnte sogar um ein Semester verkürzen, weil ich dadurch Vollzeitstudentin wurde. Nach und nach fand ich zu meiner alten Form und habe dann mit einundzwanzig angefangen für die zweite Mannschaft vom SC Rheinfurth zu spielen, hin und wieder hatte ich sogar Einsätze in der ersten Mannschaft. Ich kann mich noch ganz genau an das erste Spiel für die Erste erinnern. Mir war war vor dem Spiel furchtbar übel und ich war mir ganz sicher, dass ich mich wahrscheinlich würde übergeben müssen. Aber als ich dann den Platz betrat, fiel das alles von mir ab. Ich habe in dem Spiel sogar ein Tor geschossen. Es war kein wichtiges Spiel, gegen den Letztplatzierten glaube ich, aber für mich war es etwas ganz besonderes.

Oh ja, tut mir leid, manchmal schweife ich ein bisschen ab. Sie haben das alles wahrscheinlich so oder so ähnlich schon oft genug gehört. Ich werde versuchen mich ein wenig zusammenzureißen. Auf jeden Fall wurde ich nun öfter in der ersten Mannschaft eingesetzt und hatte mein Studium abgeschlossen. Ziemlich schnell fand ich eine Arbeitsstelle, allerdings nur auf Teilzeit, denn mittlerweile musste ich zwei Mal täglich trainieren und da hatte ich mit meinem Arbeitgeber wirklich Glück. Warum ich als Profifußballerin nebenbei noch arbeite? Ganz einfach, damit ich mir eine Wohnung und etwas zu Essen kaufen kann. Anders geht es nicht. Uns Frauen zahlt man keine Männergehälter und wir bekommen auch nicht das große Geld, nur weil wir bei einem Spiel auf der Bank sitzen und auf einen Einsatz warten. Was sollte ich denn auch nach der Sportlerkarriere machen? Es gibt keine großen Möglichkeiten etwas für Später anzusparen, abgesehen von vereinzelten Preisgeldern, aber die reichen insgesamt meistens auch höchstens für einen netten, kleinen Gebrauchtwagen. Man ist natürlich ein bisschen neidisch, wenn man hört was die männlichen Kollegen verdienen, aber wir wissen auch so wofür wir spielen.


Wie dem auch sei, mit dem Aufstieg des SC Rheinfurth in die erste Frauenbundesliga wurde auch ich in den Kader berufen. Nach unserer ersten Saison waren wir vierter in der Tabelle, ein ziemlich guter Start für einen Aufsteiger. Ich wurde auch wieder für den Kader der Nationalmannschaft nominiert, dieses mal nicht für eine der Jugendmannschaften, sondern für unsere A-Nationalmannschaft. Leider war mir das Verletzungspech wieder einmal hold und ich fiel erneut für längere Zeit aus, auch wenn dieses Mal das andere Knie an der Reihe war. Gott sei Dank konnte ich meinen Stammplatz im Kader vom SC Rheinfurth halten und mein Hauptaugenmerk lag wieder auf der Bundesliga. Letzte Saison? Das war für uns alle eine ganz Besondere. Wir haben ja vorher alle nicht damit gerechnet, die Meisterschaft zu gewinnen, aber der Fußballgott war uns wohl gesinnt. Aber mein persönliches Highlight war der Europameistertitel. Nachdem ich so oft kurz davor stand, in der Nationalmannschaft Fuß zu fassen, hatte ich eigentlich schon wieder damit gerechnet, dass ich mir wieder irgendeine Verletzung zuziehen würde.

Wie bitte? Mein Privatleben? Naja, ich bin ganz zufrieden, aber Sie können sich wohl vorstellen, dass zwischen zwei Mal täglichem Training, den Spielen und der Arbeit nur wenig Zeit für irgendwelche Männerbekanntschaften bleibt. Der Freundeskreis beschränkt sich dann größtenteils eben auch auf die Mannschaftskolleginnen. Ob ich glücklich bin? Ja, Melanie ist definitiv eine glückliche Frau, weil ich das machen darf, was mir am meisten Spaß macht und dadurch alles aufgewogen wird, worauf ich verzichten muss. Wenn ich die Wahl hätte? Eine Krankenschwester würde ich wohl trotzdem nicht werden, aber ich hätte es auf jeden Fall einfacher im Leben haben können.

 

Hallo Surrogat,

mir fehlt an diesem Text die wirkliche Geschichte. Klar, es gibt eine Protagonistin, die über ihren Lebensweg zur Fußballkarriere spricht, ich habe allerdings Schwierigkeiten, dran zu bleiben. Du hast mit der Form des fiktiven Interviews auch eine Struktur geschaffen, es wäre also falsch zu sagen, es fehlte die Bearbeitung, ich weiß nur nicht, ob das so ideal ist. Selbst die Schwierigkeiten, die diese Frau hatte, in ihrer Zeit Fußballerin zu werden, fesseln nicht, bieten keinen Widerstand.
Ich weiß leider nicht, wann die Geschichte spielt, irgendwo steht etwas von vor zehn Jahren, 2003 war Frauenfußball aber schon gut aktzeptiert, die Frauen mussten in den meisten Regionen nicht mehr wirklich kämpfen. Dennoch mag es das wohl mancherorts so gegeben haben. Vielleicht liegt es an dieser narrativen Erzählweise, die selbst den Fragesteller nur indirekt einbindet, dass das Leben der Dame mich nicht packt. Aber ich finde es schade, weil ich das Thema mag. :)

Lieber Gruß
sim

 

Hallo, ich kann nur das unterschreiben, was sim schon gesagt hat.

Diese fiktiven Interviews ... das ist in den meisten Fällen keine gute Idee für eine Kurzgeschichte, weil es dazu einlädt, belanglose Floskeln aneinander zu reihen, auf eine szenische Darstellung zu verzichten und eine Perspektive unwidersprochen wiederzugeben.

Auch mal nebnebei: Wenn ich Interviews lesen will, les ich Zeitung oder ein Magazin. Die haben da zum Teil exzellente Interviews drin.
Wenn das literarisch bearbeitet werden soll - dann ist das kein Interview, sondern eine Geschichte, die so tut, als wär sie ein Interview ... das ist was ganz anderes. Das gehört mit zu den diffizilsten Sachen, die man so machen kann.

Ich würd dringend davon abraten, solche Formen zu verwenden wie fiktive Interviews oder ähnliche Sachen, ohne dass man ganz genau weiß, was man da macht. Es bringt erstaunlich viele Nachteile mit sich.

Gruß
Quinn

 

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