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Aus dem Leben des Jungen Pete

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09.06.2012
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Aus dem Leben des Jungen Pete

Man hörte nur ein Poltern, als der kleine Pete die Treppe runter gestürmt kam. „Sei still Pete, ich habe Kopfschmerzen“ schrie seine Mutter. „Entschuldigung, was ist denn, Mama?“, fragte er. „Hol mir eine Flasche Wodka und dann lass mich wieder in Ruhe“, antwortete sie knapp. „Ist gut“. Pete war enttäuscht, hatte aber im Grunde nichts anderes erwartet. Seine Mutter war Alkoholikerin. Normalerweise war das der Punkt, wo Fremde tröstend zu Pete sagten, dass er ja noch einen Vater habe. So war es aber nicht. Sein Vater war vor sechs Jahren bei einem Autounfall gestorben. Pete erinnerte sich schon nicht mehr an ihn. Kein Wunder, er war ja auch gerade mal 5 Jahre alt gewesen. Das einzige was Pete wusste, war, dass seine Mutter den Vater sehr geliebt haben musste, denn sie hatte nach seinem Tod angefangen zu trinken. Deshalb lebten sie auch gerade in dem Lebensstandart, der ausreichte um Petes Mutter ihren täglichen Alkoholkonsum zu ermöglichen. Seine Mutter war ja nicht mehr arbeitsfähig, sodass Pete ab und zu ein paar illegale Arbeiten verrichten musste, um sie über die Runden zu bringen. Ihre Wohnung war dementsprechend klein, hatte nur zwei Zimmer. Das eine war das Schlafzimmer von Pete und seiner Mutter, das andere war das Wohnzimmer. Es war spärlich eingerichtet. Nur ein Tisch, zwei Stühle, ein schäbiges altes Sofa, auf dem seine Mutter den ganzen Tag lag und ein großer Schrank. Darin war alles verstaut, was Pete lieb war und das war nicht gerade viel. Ein Spiel, was er von der Nachbarin, die über ihnen wohnte geschenkt bekommen hatte, ein Kuscheltier, das er von seiner verstorbenen Großmutter zur Geburt bekommen hatte und ein Buch. Das einzige, was Pete von seinem Vater geblieben war. Seine Mutter duldete nichts, was mit ihm zu tun hatte. Sie hoffte wohl, so zu vergessen. Deshalb versteckte er es immer gut. In dem Buch war ein Bild, das seinen Vater zusammen mit seiner Mutter und Pete als Baby zeigte. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er nicht geglaubt, dass die hübsche, blonde junge Frau auf dem Bild seine Mutter war. Sein Vater hatte schwarzes, welliges Haar und tiefgrüne Augen. Pete hatte blonde Locken und ebenfalls grüne Augen. Die beiden hatten große Ähnlichkeit miteinander. Nur die Haarfarbe stand zwischen dem Aussehen von Vater und Sohn. Das Buch, das Pete von seinem Vater hatte, war das wichtigste von seinen Sachen. Nicht um alles in der Welt hätte er es weggegeben, außer wenn sein Vater dann wieder käme. Obwohl er sich nicht mehr an ihn erinnerte, vermisste Pete ihn sehr. Er war erst elf und hatte bereits keinen Vater mehr sondern nur eine Mutter, die mehr auf Petes Hilfe angewiesen war, als er auf ihre. So kam es, dass Pete für sein Alter sehr reif war. Die anderen Kinder waren zu unreif und wohlbehütet, als dass sie ihn hätten verstehen können. Pete war ein Einzelgänger, er träumte meistens vor sich hin und dachte über irgendein Buch nach, das er sich aus der Schulbibliothek geliehen hatte. Seine Lehrer wollten immer mit Petes Mutter sprechen. Sie wollten sie für ihren Sohn loben, dass er so gute Leistungen erbrachte, aber sie auch darauf hinweisen, dass er keine Freunde hatte und dass sie sich Sorgen um Pete machten. Seine Mutter war noch nie auf so einem Elternsprechtag erschienen. Einmal war er alleine hingegangen, um seiner Lehrerin zu sagen, dass seine Mutter krank sei. Die Lehrerin hatte so bedauernd gelächelt, da war Pete klar, dass sie von der Alkoholkrankheit seiner Mutter wusste und er versuchte nicht wieder seine nie erscheinende Mutter zu entschuldigen. Als Pete aus dem Supermarkt zurückkam, brachte er eine extra große Flasche Wodka mit. Die Verkäuferinnen an der Kasse kannten den kleinen Jungen und wussten, dass der Alkohol für seine Mutter bestimmt war, deshalb ließen sie ihn jedesmal mit den Flaschen durch. Als er zu Hause ankam, nickte seine Mutter nur schickte den Jungen, der so viel Zuneigung gebraucht hätte, gleich wieder weg. Wie sonst auch immer, floh Pete aus ihrer Wohnung. Meist irrte er ein bisschen durch die Gassen der Stadt, landete aber, besonders jetzt im Winter, schnell in der Nachbarwohnung. Dort wohnte eine ältere Dame, die sich freute, wenn „frischer Wind“, wie sie es immer zu sagen pflegte, in ihre Wohnung kam. Sie steckte voller Lebensweisheiten. Zu ihr konnte Pete immer hingehen. Egal um welches Problem es sich handelte, sie wusste immer eine Lösung und außerdem bekam er hier auch immer noch eine heiße Schokolade. Heute ging es, wie so oft, um das Alkoholproblem seiner Mutter. Pete würde ihr so gerne helfen, aber er wusste nicht wie. Ihr den Alkohol einfach wegnehmen, wie die Nachbarin bereits vorgeschlagen hatte, hatte nichts gebracht. Petes Mutter hatte vor Wut getobt und er musste die Beine in die Hand nehmen um noch vor Ladenschluss eine Flasche Wein zur Besänftigung zu bekommen. Die alte Dame sah ihn traurig an. Es war das erste mal, dass sie Pete nicht helfen konnte. Sie wusste nicht mehr weiter. Die Mutter in Therapie zu schicken, würde für den Jungen bedeuten, dass er ins Heim müsste. Das wollte sie nicht. Sie versuchte trotzdem Pete aufzuheitern und spielte den restlichen Tag mit ihm. Später brachte sie ihn noch nach unten. Die Mutter schlief auf dem Sofa tief und fest. Traurig schlurfte Pete in das Schlafzimmer, machte sich bettfertig und schleppte seine Mutter ins Bett. Das Letzte was Pete an diesem Abend dachte, war, dass es ihm irgendwann bestimmt mal besser gehen würde, denn er würde den Fehler mit dem Alkohol nie machen…
Als Pete aufwachte, schlief seine Mutter noch tief und fest. Sie stand morgens nie auf, um ihrem Sohn ein Schulbrot zu machen, wie das andere Mütter für ihre elf-jährigen Kinder tun würden. Sie war der Meinung Pete sei alt genug um auf eigenen Beinen zu stehen. Er hatte sich daran gewöhnt, dass weder morgens noch den restlichen Tag über jemand da war, der den Elfjährigen mal in den Arm nahm und sich seine Probleme anhörte. Die einzige, die jemals für ihn da war, war die alte Dame. Pete wusste nicht, was er machen sollte, wenn sie einmal wegzog oder gar starb. Schnell verwarf er den Gedanken wieder und konzentrierte sich lieber darauf, Marmelade auf das ausgetrocknete Brot zu schmieren. Um noch rechtzeitig zur Schule zu kommen, musste er sich zwar beeilen, schaffte es aber gerade noch so, vor seiner Klassenlehrerin durch die Tür zu schlüpfen. Sie lächelte ihn freundlich an. Pete mochte seine Lehrerin, sie war ein herzensguter Mensch und wurde nie böse. Vielleicht lag es auch daran, dass er Junge ihren Unterricht ganz besonders schätzte. Wie sonst auch immer hörte Pete sich alles genau und interessiert an. Nachdem die Schule aus war, schlenderte er so langsam wie er es nur vermochte nach Hause zurück. Seine Mutter lag, wie sonst auch immer, auf dem Sofa und schaute sich irgendeine Reality-Soap an. Pete verstand beim besten Willen nicht, wie einem so etwas gefallen konnte. Der Junge war so verschieden im Vergleich zu seiner Mutter wie man es nur sein konnte. Sie war an nichts interessiert und ein bisschen einfältig. Pete war ein aufgeschlossener Junge der an allem interessiert war. Er liebte die Natur und die Tiere. Seine Mutter hasste Tiere und war seit fast 3 Jahren nicht mehr aus dem Haus gegangen. Es machte ihn traurig, wenn er daran dachte, was sie mit ihm zusammen alles erleben könnte. Nach dieser Überlegung beschloss er, lieber zur alten Dame zu gehen. dort würde er vielleicht auch noch ein Mittagessen bekommen. Als sie die Tür öffnete, wusste Pete sofort, dass etwas anders war als sonst. Sie strahlte und wirkte einfach nur glücklich. „Komm rein, mein Kleiner“, sagte sie liebevoll. Pete folgte ihr in die helle und geräumige Küche. Am Tisch saß ein junger Mann von etwa Mitte dreißig Jahren. Auch er lächelte. „Du musst wohl Pete sein“, bemerkte er, „meine Mutter hat mir schon viel von dir erzählt“. Pete wurde rot und sagte leise: „Ja, ich bin Pete, ich hoffe sie hat nur Gutes erzählt…“ „Ja hat sie. Sie mag dich sehr gerne!“. Er lächelte. Scheu schaute Pete zu dem Mann auf. „Weißt du Pete, mein Niklas ist bei der Polizei“, erzählte die alte Dame stolz. „Wow“, platzte es aus Pete heraus, „so richtig mit Verbrechern fangen und so?“, „Ja natürlich. Mit allem drum und dran. Willst du mal mitkommen?“. „Darf ich?“, fragte Pete begeistert. „Nun ja, also ich bin der leitende Chef der hiesigen Polizei. Ich darf das entscheiden!“, antwortete Niklas. „Wenn du magst, kannst du gleich morgen mitgehen. Da habt ihr doch keine Schule oder?“. „Nein. Das stimmt. Ich komme mit“. „Musst du nicht erst deine Mama fragen? Du bist doch erst elf!“ stellte der nette Mann überrascht fest. „Nein, die erlaubt es mir bestimmt“, stellte Pete fest und drehte sich schnell um, damit keiner die Tränen in seinen Augen sehen konnte. Es war lange her, dass ihm jemand angeboten hatte, einen Ausflug zu machen. Der letzte war mit der Klasse gewesen. Ein Ausflug in die Berge. Pete hatte es sehr genossen und erinnerte sich heute noch gerne daran! „Auf Wiedersehen“, rief Pete fröhlich. „Bis morgen“. Er strahlte, als er die Treppe zu ihrer Wohnung hinunterlief. Die Vorfreude auf den kommenden Tag war so groß, dass nicht mal die nörgelnde Mutter seine Laune trüben konnte. Am nächsten Morgen stand Pete bei Zeiten auf, um auch ja rechtzeitig da zu sein. Als er vor der Polizeiwache stand, überkam ihn dann doch ein mulmiges Gefühl. Er stand eine Weile so da, bis Niklas kam und ihm zwinkernd zurief, ob er vor dem Eingang vorhätte Wurzeln zu schlagen. Pete lachte und das Eis zwischen dem Mann und dem Kind war endgültig gebrochen. Der Junge öffnete die Tür und trat in die Wache ein. Ein paar Polizisten schauten kurz von ihrer Arbeit auf, interessierten sich aber nicht weiter für den Elf-Jährigen. Niklas kam auf Pete zu und legte ihm einen Arm um die Schulter. Komm ich zeige dir mal meinen Arbeitsplatz. Er führte das Kind in ein separates Zimmer. Es war sehr gemütlich eingerichtet. Es gab einen geräumigen Schreibtisch, der über und über mit Akten beladen war und einen Schrank, auf dem Bilder von Niklas und auch von seiner Mutter waren. Pete fiel auf, dass der Polizist keine Familie zu haben schien, jedenfalls gab es keine Bilder, die darauf schließen ließen. Alles wirkte wie von einem Designer eingerichtet und Pete fragte sich, ob man als Polizist wohl so viel verdiente… Viel Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen blieb ihm nicht, denn Niklas wollte ihm nun das Vernehmungszimmer zeigen. Pete war begeistert von allem. Nach dem Rundgang gingen sie wieder nach vorne in den Eingangsbereich, wo gerade eine alte Dame einen genervten Polizisten auf Trab hielt. „Das ist Frau Meyer, sie kommt quasi jeden Tag vorbei, weil ihr mal wieder etwas gestohlen wurde, oder weil sie etwas ganz interessantes gesehen haben will. Eine Spinnerin wenn du mich fragst“, bemerkte Niklas schulterzuckend. „Komm, du hast doch bestimmt Hunger. Ich kenne einen guten Becker, lass uns da mal vorbei schauen“, sagte Niklas. „Ähm, also, ich habe aber kein Geld dabei“, bemerkte Pete. Die Situation war ihm peinlich. „Kein Problem, ich lade dich gerne ein. Bestell was du willst!“, antwortete Niklas großzügig. So gingen sie zum Becker und frühstückten ausgiebig. Niklas wollte mehr über Pete wissen. Dieser hatte inzwischen Vertrauen zu dem Mann gewonnen und erzählte ihm alles über seine Mutter und auch über seinen toten Vater. Nur über das illegale Arbeiten erwähnte er nichts, schließlich hatte er trotz allem einen Polizisten vor sich. Niklas hörte schweigend und geduldig zu. Er unterbrach Pete kein einziges Mal. Als er geendet hatte, sah Niklas ihn traurig an. Das einzige was er sagte war: „Kopf hoch Junge, ich werde dir helfen, dass du mal ein besseres Leben hast“. Was genau er damit meinte wusste Pete zwar nicht, er freute sich aber über die Antwort, denn so etwas hatte noch niemand zu ihm gesagt. „Lass uns gehen. ich muss noch etwas arbeiten“, sagte Niklas knapp. Pete verstand sofort, dass er nicht mehr erwünscht war. Der Mann musste schließlich auch noch was tun. Also verabschiedete er sich höflich und bedankte sich nochmal für das Frühstück. „Kein Problem, Junge. Hab ich gerne gemacht“, kam die Antwort. Pete schlenderte nach Hause. Er dachte lange über den Polizisten nach, der so lieb zu ihm war, dass es schon wieder merkwürdig wirkte. Konnte ein quasi fremder Mensch einfach so, dermaßen freundlich zu einem Kind sein? Pete wusste die Antwort nicht, aber da die nette alte Dame Niklas Mutter war, konnte es ja auch in den Genen liegen. Das erschien Pete am Logischsten. Zuhause angekommen stellte er fest, dass seine Mutter, obwohl es schon Mittagszeit war, noch schlief. Der Junge stand im Schlafzimmer und beobachtete sie. Jetzt, wo sie so ruhig und friedlich wirkte, erkannte er die junge Frau auf seinem Foto deutlich wieder. Das war das erste Mal, dass Pete klar wurde, wie unglücklich seine Mutter sein musste. Er merkte, dass sie mehr unter dem Verlust des Ehemannes litt, als Pete an dem Tod des Vaters. Es versetzte ihm einen Stich. Traurig ging er aus dem Schlafzimmer und schloss leise die Tür. Er setzte sich an den Tisch im Wohnzimmer und machte Hausaufgaben. Gerade als er fertig wurde, klingelte es an der Tür. Pete öffnete und draußen stand Niklas. „Hallo, hast du Lust mit rauf zu kommen? Es gibt „gefüllte Paprika“, sagte er lächelnd. „Au ja“, rief Pete erfreut und sprang auf. Die alte Dame freute sich, als sie sah, dass ihr Sohn den geliebten Nachbarsjungen mitgebracht hatte. „Hallo Pete, komm setz dich, ich habe viel zu viel gekocht. Schön, dass du mit uns isst!“, bemerkte sie und schaute sich den Jungen genau an. „Du siehst so schmächtig aus. Kein Wunder bei dem, was du Zuhause vorgesetzt bekommst“, stellte sie fest, während sie einen großen Topf auf den Tisch stellte. „Lasst es euch schmecken und greift ja kräftig zu.“ Das taten sie. Pete war danach vollkommen satt. Er hatte sich die ganze Zeit über mit Niklas über seine Arbeit unterhalten und Petes Anfangszweifel waren nun vollkommen vernichtet. Er vertraute dem Mann blind. Nach dem Essen verabschiedete Pete sich und ging runter. Er wollte noch nach seiner Mutter sehen. Sie lag auf dem Sofa, lächelte zur Abwechslung aber mal, als sie ihren Sohn zur Tür hereinkommen sah. „Hallo, wo warst du denn?“, fragte sie verwundert. „Bei unserer Nachbarin. Sie hat gekocht und gefragt, ob ich mitessen möchte“. „Du hast jawohl nein gesagt oder? Das wirkt ja so, als würdest du bei mir nicht genug kriegen“, sagte sie wütend. „Ist ja auch so“, murmelte Pete leise. „Was hast du gesagt?“, fragte sie. „Nichts. Sie wollte es aber unbedingt. Außerdem war ihr Sohn zu Besuch und der ist sehr nett!“. „Na dann, spiel schön“, antwortete sie besänftigt. „Geh jetzt aber bitte schlafen“, rief sie ihm noch hinterher. „Ist gut, mach ich“, maulte Pete genervt. Am nächsten Morgen als er sich auf den Weg zur Schule machte, sah er Niklas, wie dieser zur Arbeit ging. Er winkte ihm zu und lächelte. In der Schule konnte sich Pete gar nicht konzentrieren, weil er die ganze Zeit an das kleine Wunder dachte, was er sich immer erhofft hatte: Jemand, der sich um ihn kümmerte, der ihn mochte und dem es wichtig war, was mit Pete passierte. Als der Unterricht zu Ende war, wollte Pete nach Hause gehen, doch auf dem Schulhof stand Niklas. Begeistert lief Pete auf ihn zu, rannte ihm förmlich in die Arme, weil er sich so freute ihn zu sehen. „Hallo“, rief Niklas und streichelte dem Jungen liebevoll übers Haar. „Ich dachte wir könnten vielleicht etwas Essen gehen. Natürlich geht das auf meine Rechnung“, sagte er schnell, als er Petes zögernden Gesichtsausdruck sah. „Mach dir keine Sorgen, das geht schon klar“, sagte er zwinkernd. Pete lächelte erleichtert und ging mit. Niklas führte ihn in ein kleines aber feines italienisches Restaurant aus, wo sie beide Pasta aßen. „Und? Wie war die Schule?“, fragte Niklas. „Gut, es hat Spaß gemacht“, antwortete Pete, was nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber dass er sich aufgrund von Niklas nicht konzentrieren konnte, wollte er nicht erzählen. „Schön freut mich. Die Arbeit lief auch gut. Wir haben heute einen Ladendieb festgenommen“. „Toll“, sagte Pete bewundernd. „Wenn ich groß bin, werde ich auch mal Polizist“, stellte er kurzerhand fest. Niklas lachte leise. „Bestimmt…“, antwortete er so leise, dass nicht mal der Junge ihn verstehen konnte. Diese Worte waren für niemanden bestimmt gewesen. Als sie aufgegessen hatten, brachte Niklas Pete nach Hause. So ging das die nächsten Wochen, ja sogar Monate weiter. Mal gingen sie Essen, dann ins Kino oder auch mal auf die Wache. Inzwischen kannte Pete jeden einzelnen Mitarbeiter aus Niklas‘ Team. Er konnte sich ein Leben ohne den Mann, der Freund und Vaterersatz gleichzeitig war, nicht mehr vorstellen. Er war der wichtigste Mensch in Petes‘ Leben geworden und er hätte alles für Niklas getan. Das wusste der auch…
Eines Tages holte er Pete, wie immer, von der Schule ab. Sie spazierten in die Stadt. Plötzlich sagte Niklas zu Pete, er solle mal versuchen, der Frau, die da vorne langging den Geldbeutel zu klauen. Pete dachte, er hätte sich verhört, aber Niklas sagte nur: „Na los, komm schon, ich möchte mal sehen, ob es neue Tricks gibt, die ich noch nicht kenne…“ Der Junge war zwar verunsichert, tat aber wie ihm geheißen. Er lief los, griff blitzschnell in die Handtasche der Frau, schnappte nach dem Geldbeutel und rannte zu Niklas zurück. Niemand hatte den Diebstahl bemerkt. „Sehr gut“, lobte Niklas ihn. Pete war zwar stolz über das Lob und dachte sich, dass wenn ein Polizist zu ihm sagte, er solle einen Geldbeutel stehlen, dass bestimmt nichts Schlimmes war, hatte aber auch seine Zweifel! Im Grunde seines Herzens wusste Pete, dass auch ein Polizist nicht klauen durfte und erst recht keine Kinder dazu anstiften konnte. Er wollte es aber nicht wahrhaben. Außerdem hatte Niklas ja gesagt, dass es nur zum Schauen wegen neuen Tricks war. Pete beruhigte sich und sah Niklas an. Der lächelte nur. Zu Petes Entsetzen, passierte die darauffolgenden Tage das Selbe. Jedesmal musste Pete die Beute an Niklas abgeben. Einmal merkte ein Mann, dass er gerade beklaut wurde und schrie laut nach der Polizei. Niklas kam angerannt und redete beruhigend auf den Mann ein: „Keine Sorge, ich kümmere mich um das freche kleine Bürschlein. Der wird seine Strafe bekommen. Schließlich bin ich ja Polizist“. Der Mann beruhigte sich wieder und warf Pete einen letzten wütenden Blick zu. „Hey, war doch lustig, dem haben wir’s aber gezeigt, was Kumpel?“, sagte Niklas daraufhin zu Pete. Der war sauer und fand das gar nicht lustig. Zwei Tage redete er nicht mehr mit Niklas und beachtete ihn auch nicht, obwohl er vor der Schule stand und auf seinen kleinen Schützling wartete. Doch ohne ihn war Pete so einsam und kam sich so verlassen vor, dass er schnell wieder zu dem Mann fand. Der war sehr klug vorgegangen. Er hatte Pete erst an sich gebunden und ihn von sich abhängig gemacht und ihn dann für seine perfiden Pläne benutzt. Pete konnte nichts dagegen tun. Selbst wenn er sich von seinem Vater Ersatz losreißen könnte. Wem sollte er die Geschichte erzählen. Niklas Polizei-Kollegen? Seiner eigenen Mutter? Oder vielleicht doch lieber der alten Dame? Es gab niemanden, zu dem er gehen konnte. Zu allem Unglück, versuchte er dann auch noch einen Polizisten aus einer anderen Stadt, den Niklas nicht kannte zu bestehlen. Der merkte das sofort und nahm Pete mit auf das Revier. Sein Ziehvater kam nicht um ihm zu helfen, er machte sich stattdessen ganz schnell aus dem Staub. Pete war sehr enttäuscht. Aus Wut erzählte er dem fremden Polizisten die haarsträubende Geschichte mit Niklas. Der glaubte ihm natürlich kein Wort. Da der Junge erst Elf war, erwartete ihn noch keine Strafe, aber seine Mutter musste ihn abholen kommen. Da sie so viel getrunken hatte, dass sie nicht zur Polizeiwache kommen konnte, musste Pete noch eine Nacht in der Zelle verbringen. Obwohl er sehr tapfer war, konnte er nicht mehr an sich halten und weinte fast die ganze Nacht. Am nächsten Vormittag kam seine Mutter und holte ihn ab. Sie war stinksauer. Weniger, weil er geklaut hatte, sondern mehr, weil sie sich die Mühe machen musste, bis in die nächste Stadt zu fahren, um ihn abzuholen. Am Abend kam Niklas gut gelaunt wie immer vorbei. „Hallo Junge, alles klar? Kommst du mit uns essen?“, fragte er, als ob nichts gewesen sei. „Nein. Sicher nicht. Ich will dich nie wieder sehen“, antwortete er schroff. „Lass dich hier ja nie wieder blicken!“. Das war das letzte, was Pete diesem Mann zu sagen hatte, der seine Lage so schamlos ausgenutzt hatte. Niklas machte auf dem Absatz kehrt und ging. Er versuchte es noch zwei Wochen lang jeden Tag: Vor der Schule, nach der Schule, mittags und abends, doch Pete beachtete ihn nicht. Da schien er zu verstehen, dass Pete es ernst meinte und kam nicht mehr wieder. So plötzlich wie der Mann aufgetaucht zu sein schien, so plötzlich war er auch wieder verschwunden. Obwohl sie in der Selben Stadt wohnten, sahen sie sich nie wieder! Pete lebte nun wieder weiter wie vorher, nur mit den Unterschieden, dass er vorbestraft war und dass er gelernt hatte, dass kein Mensch jemandem etwas umsonst gibt…

 

Hallo Schreiberlein,

deine Geschichte wurde recht lange nicht kommentiert. Ehrlich gesagt habe ich auch einen Verdacht, woran das liegt. Ich hatte jedenfalls Mühe bis zum Ende durchzuhalten. Drei Absätze sind einfach zu wenig. Probiere mal, wie es wirkt, wenn ein Absatz nur einen logischen Block enthält. Für mich macht es die Aufnahme des Inhaltes einfacher.
Dazu kommt, dass mich der Text als Leser nicht fordert. Ich picke mal drei Beispiele heraus:

Den Verdacht, dass die Mutter Alkoholikerin ist, habe ich schon nach diesem Satz:

„Hol mir eine Flasche Wodka und dann lass mich wieder in Ruhe"
Wenn es für mich erstmal bei dem Verdacht bleiben könnte, wäre etwas mehr Spannung drin. Dann könnte ich mir nach und nach ein Bild von ihr zusammenstellen. Die Aussage
Seine Mutter war Alkoholikerin.
würgt das aber sofort ab.

Sein Vater hatte schwarzes, welliges Haar und tiefgrüne Augen. Pete hatte blonde Locken und ebenfalls grüne Augen. Die beiden hatten große Ähnlichkeit miteinander. Nur die Haarfarbe stand zwischen dem Aussehen von Vater und Sohn.
Laß die ersten drei Sätze weg, denn ich habe keine Stelle gefunden, wo die Farbe eine Bedeutung hätte. Ansonsten wirken die letzten beiden Sätze zusammen, wie ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Er war erst elf und hatte bereits keinen Vater mehr sondern nur eine Mutter, die mehr auf Petes Hilfe angewiesen war, als er auf ihre. So kam es, dass Pete für sein Alter sehr reif war. Die anderen Kinder waren zu unreif und wohlbehütet, als dass sie ihn hätten verstehen können.
Hier ist der nächste "Zaunpfahl". Im Verlauf der Geschichte habe ich Pete in einigen Situationen gesehen, wo er seine Mutter vertreten hat, wie z. B. beim Elterngespräch oder beim Whiskey kaufen.

„Na dann, spiel schön“, antwortete sie besänftigt. „Geh jetzt aber bitte schlafen“
Was denn nun? Spielen oder Schlafen? Hier war ich enttäuscht. Als die Mutter herausgefunden hat, dass er bei den Nachbarn gegessen hat, dachte ich, dass nun Schwung reinkommt. Die Mutter hätte so richtig ausrasten können. Eine Flasche hätte fliegen können, aber nichts der gleichen passiert.

Insgesamt finde ich, dass du dem Leser mehr Freiraum geben solltest, sich selbst ein Bild von deinen Protagonisten zu machen. Für mich macht es eine Geschichte spannender, wenn sie mir Interpretationsspielraum lässt.

Gruß
Peter

 

Hallo Peter, vielen Dank für deine Bewertung und die Verbesserungsvorschläge. Ich werde sie mir zu Herzen nehmen! Ich habe die Message verstanden ;) Ich nehme schon vorher zuviel hervor. Ich muss dem Leser mehr Freiraum lassen!? Ich habe mir die stellen nochmal angesehen und verstehe was du meinst. Wie gesagt, ich werde bei Gelegenheit ein paar Dinge verändern :)
Liebe Grüße, Schreiberlein :)

 

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