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Augenzeugin

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04.02.2003
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Augenzeugin

Augenzeugin

Sonja war müde. Ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag lag hinter ihr und sie hatte nur noch einen Wunsch. Nein, eigentlich waren es zwei: eine Zigarette und ab ins Bett. Da in einer verqualmten 1-Raum-Wohnung zu schlafen nicht so prickelnd war, öffnete sie das große Fenster, bevor sie sich die Zigarette ansteckte.
Vielleicht sollte ich mir endlich mal das Rauchen abgewöhnen, dachte sie gerade als sie registrierte, daß mal wieder irgend so ein Idiot im gegenüberliegenden Bürogebäude das Licht angelassen hatte.
Super, das ist genau so toll, wie eine Straßenlaterne vorm Schlafzimmerfenster.
Das Hochhaus war etwas mehr als 30 m von ihrer Wohnung entfernt und es geschah oft, daß jemand dort das Licht anließ.
Aber heute war etwas anders.
Hey, da bekomme ich ja mal richtig was geboten.
Sonja mußte grinsen. Großstadt eben - wo sonst konnte man so etwas erleben.
Noch war sie sich nicht ganz sicher, aber wenn sie ihren Augen trauen konnte, wovon sie der Einfachheit halber mal ausging, war dort drüben im Büro gerade ein nackter Mann herum gelaufen. Oder hatte sie sich doch getäuscht? Egal! Interessant war schon alleine die Tatsache, daß überhaupt jemand um diese Uhrzeit in einem Amtsgebäude war. Was war da noch gleich alles? Jugendamt? Sozialamt? Irgend so etwas mußte es wohl sein. Ja, genau, als sie die Wohnung bezogen hatte, hatte sie darüber noch Witze gemacht. Von wegen Sozialamt in der Nähe - gleich die richtige Gegend, falls alles schief läuft.
Ah, da war er wieder. Ja! Eindeutig ein Mann und eindeutig nackt. Herrlich!
Die Müdigkeit war verflogen und Sonja beschloß, zum Privatkino ein Glas Wein zu genießen. Oder? Zu dieser Gelegenheit paßte wohl besser ein Bier.
Von der Küche aus war die Sicht genauso perfekt wie vom Wohnzimmer.
Hm, ein nackter Mann allein in einem Bürogebäude, der auch noch so dumm war, sämtliche Lichter an zu lassen. Komisch! Naja, vielleicht wollte er gesehen werden, dachte sich Sonja. Da tu ich ihm doch einen Gefallen.
Lustig! Ob ihr das jemand glauben würde, wenn sie das morgen im Büro erzählte?
Sicher, von den Männern würde gleich die Frage nach den Beweisfotos kommen.
Warum hatte sie eigentlich nicht einmal ein Fernglas?
Schon seltsam, wie schnell man zum Spanner werden konnte.
"Ob hier mal bald noch was passiert?!", fragte Sonja halblaut, als der Mann nach über fünf Minuten nicht wieder aufgetaucht war.
Sie setzte sich auf ihre Couch und machte den Fernseher an. Vorsorglich ließ sie die Gardine beiseite geschoben. Man wußte ja nie.
Immer wieder warf sie Blicke auf die erleuchteten Fenster.
Na endlich! Da war er wieder. Und hallo - nicht alleine! Eine Frau. Jetzt wurde es langsam wirklich spannend. Eng umschlungen standen sie beide da.
Ein Porno - ganz für umsonst. Umsonst nicht, aber kostenlos. Immerhin.
Etwas seltsam wirkten die Verrenkungen der beiden schon. Dann trug der Mann die Frau in den Raum nebenan. Leider konnte Sonja jetzt nicht mehr so gut sehen, alles nur noch schemenhaft. Die Scheiben waren trübe, wie mit Folie abgeklebt. Warum war ihr das früher nie eingefallen? Wenigstens sah sie überhaupt noch was. Es tat sich was da drüben.
Scheiße! Schon klar, in den spannendsten Momenten mußte man aufs Klo.


Als Sonja zurück kam, konnte sie die Frau nicht mehr sehen, nicht einmal mehr schemenhaft. Der Mann war wieder in den anderen Raum zurück gegangen. Er stand da, beugte sich runter und... Ja was tat er da eigentlich?
"Na, das kann aber jetzt nicht wahr sein... Das ist doch... Nee, das geht gar nicht... Der setzt sich doch tatsächlich eine Gasmaske auf. Was werden denn das jetzt für Spielchen? Das wird ja immer besser. Das glaub ich mir morgen ja selber nicht mehr."
Doch es bestand kein Zweifel - der Mann trug jetzt, nackt wie er war, eine Gasmaske.
Dann war er wieder verschwunden.
Eine ganze Weile tat sich nichts mehr.
Sonja wollte nur noch eine letzte, diesmal aber wirklich, Zigarette rauchen, um gleich danach ins Bett zu gehen.
Wie magisch wurde ihr Blick vom hell erleuchteten Fenster angezogen.
Würde jeder andere wie sie reagieren oder war sie einfach nicht ganz normal?
Gerade als sie die Gardine zuzog, sah sie den Mann. Sie war sich nicht sicher, ob es wirklich der selbe Mann war. Wie sollte sie auch. Die Person trug nicht nur eine Gasmaske, sondern auch einen dunklen Schutzanzug. Konnte Gummi sein oder etwas ähnliches. Wer trug denn so etwas? Vielleicht Kammerjäger, wenn sie ein Haus ausräucherten? Wäre ebenfalls eine Erklärung für die Gasmaske.
Die zweite Gestalt, die sich dazu gesellte, war dann vermutlich die Frau von vorhin.
Was die beiden taten, konnte Sonja nicht deuten. Mal sah es aus, als würden sie einen Besen in der Hand halten, dann stiegen sie auf eine Leiter. Alles sehr undurchsichtig und langweilig.
Gegen ihre Kammerjägertheorie sprach allerdings, daß der eine etwas mit der Wand machte. Sprühten Kammerjäger die Wände an? Und wenn es keine Kammerjäger waren, sondern renoviert wurde, warum geschah das dann in der Nacht?
Es war müßig, darüber nachzudenken.
Wenn sie eh nichts Besseres, nichts Schlüpfriges, mehr geboten bekam, konnte sie genau so gut ins Bett gehen. War sowieso besser, sonst würde sie morgen nicht rechtzeitig rauskommen.


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Berliner Morgenpost, 25.Oktober 2002:

In den Räumen des Sozialamtes in Steglitz wurde heute früh von der Reinigungsfachfrau Bärbel S. die Leiche einer jungen Frau gefunden. Die Frau sei vermutlich gestern Nacht zwischen 22:00 und 3:00 Uhr ermordet worden, so Polizeihauptkommissar Wackenbrecht. Man gehe von mindestens zwei Tätern aus. Erschreckend sei das brutale Vorgehen der Täter. Dem Opfer wurden die inneren Organe förmlich herausgerissen und im Raum verteilt. Die Täter hätten den Raum vom Blut gereinigt, so daß davon auszugehen sei, daß sie über lange Zeit ungestört waren. Zudem wurden die Fenster mit Folie abgeklebt, wie anhand von einigen Resten von Klebeband und Folie zu erkennen ist.
An der Wand stand, vermutlich mit dem Blut des Opfers geschrieben, "JACK IS BACK". Wackenbrecht vermutet, daß die Täter sich auf die grausamen Taten des Jack the Ripper beziehen. Ungewöhnlich sei ebenfalls, daß der Schriftzug vermutlich mittels einer Spritzpsitole an die Wand gesprayt wurde.
Bisher ist unklar, wer die junge Frau ist und auch zu den Tätern und deren Motiv gibt es keinerlei Hinweise.

 

hallo,

schön, daß dir meine geschichte gefällt.
eine fortsetzung ist nicht geplant und es ist gewollt, daß die story so abrupt endet, denn es geht hier nicht wirklich um die tat an sich, sondern darum, daß die dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen.

tja, und der satz, der dich irritiert hat... :-)
die bedeutung des wortes umsonst... einerseits kostenlos oder eben umsonst - ohne nutzen. und in dem fall hier also: nicht ohne nutzen, sondern kostenlos... :-)

liebe grüße
b.

 

Hallo die-magd,

finde die Geschichte gut erzählt, habe auch gut die Gedanken deiner Protagonistin nachvollziehen können. Dein Schreibstil ist gut. Im Gegensatz zu Olympic denke ich, dass das Ende nicht zu aprupt kommt. Die Notiz klärt ja die Tatsache, dass sie einen Mord beobachtet hat.

Wenn man dann allerdings einen Moment über die Tat nachdenkt, erscheint deine Schilderung des Herganges nicht plausibel, was m.E. die Wirkung der Geschichte sehr stark drückt: Ein demonstrativer Mord -á la Jack the Ripper- ist, denke ich, geplant. Und sogar ein dummer Mörder, der daran denkt ein Fenster abzukleben, geht dann nicht provozierend vor dem Nachbarfenster, das er nicht abklebt, auf und ab. Obendrein nackt, um noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Auch die Anwesenheit einer zweiten Frau wirkt auf mich konstruiert. Wahrscheinlich hatte die Frau einen Putzfimmel. Wieso, sonst reißt man Organe heraus, verteilt sie im Zimmer und putzt dann ordentlich drumherum? Dann allerdings wird ihre Arbeit liderlich, als sie die Folie vom Fenster entfernt und Reste dran läßt. Dass der/die Täter/in das Blut erst in eine Spritzpistole umfüllt, um dann besser an die Wand schreiben zu können klingt ebenso unwahrscheinlich.

Also, um es kurz zu machen: du solltest dir die Tat, Motiv, Planung und die Durchführung aus Sicht des Mörders überlegen, mit gewisser Logik und den Hergang dementsprechend ändern.
Übrigens, noch eins: Zum einen schreibst du von 1-Raum-Wohnung und später von Küche und Wohnzimmer (=2 Räume)

Eine Geschichte mit Potential, wenn man sie plausibler gestaltet.
Gruß vom querkopp

 

hallo querkopp,
zuerst einmal danke für den kommentar.
fange ich doch mal ganz hinten an. die sache mit der 1-raumwohnung kann man sicher so und so sehen. ich kenne das so, daß die wohnräume gezählt werden und küche und bad eben extra sind. ich habe eine solche wohnung, eine 1-raumwohnung (ein zimmer+küche+bad+flur). aber es ist wohl müßig, darüber zu dikutieren... :-)

nächster punkt. die zweite person, die auftaucht, ist keine frau, sondern die protagonistin vermutet lediglich, daß dies die erste frau sei. es ist nur von einer weiteren person die rede. und ohne hilfe, ist eine derartige aktion vielleicht nicht möglich. aber ich werde darüber nachdenken, ob es nicht doch sinn macht, diese person wegzulassen. mörder, wie von mir beschrieben, sind wohl eher einzeltäter...

meiner meinung nach tun menschen, die solche morde begehen, viele dinge, die für einen außenstehenden nur schwer nachvollziehbar sind. nicht immer ist es dummheit oder leichtsinn, sondern oft steht da der "wunsch" hinter, endlich erwischt zu werden. es handelt sich um kranke persönlichkeiten. so ist zum beispiel das anordnen entnommener organe und das säubern des tatorts nicht unbedingt ungewöhnlich und widersprüchlich, ebenso wie die benutzung einer spritzpistole.

wenn du mal zeit und lust hast, lies das tagebuch von jack the ripper und du verstehst, was ich meine.

ja und dann ist es so, daß sich mörder eben doch sicher sein können und "leichtsinnig", weil sich ja bei einer solchen beobachtung kaum jemand etwas so schreckliches vorstellt, sondern eher etwas sehr skurriles, wie eben auch die protagonistin.

liebe grüße
b.

 

Moin Magd,

ich schließe mich querkopps Meinung an: Egal wie krank die Tat eines (Serien-)Mörders ist, so steckt doch immer ein Motiv und eine gewisse (krankhafte) Logik dahinter. Aber hier kann ich einfach kein Schema erkennen. Es schein wirklich so, als wenn du deinen Täter nicht richtig ausgearbeitet hättest und dadurch wirkt es auch nicht realistisch.
Auch könnte es etwas die Geschichte würzen, wenn du die Aktionen des Täters näher beschreibst, so dass der Leser sich denken kann worauf es hinausläuft. Und die Zeitungsanzeige könntest du dann auch besser schreiben. (Jaja nur Vorteile...)

Aber die Protagonistin hast du sehr gut hinbekommen.

So wird Zeit für,
Jack is Back :)

 

hallo,
hm, mir scheint, da sind tatsächlich einige mängel in meiner story, denn es wird wohl nicht deutlich genug herausgestellt, daß es mir NICHT darum ging, den täter und sein motiv zu beschreiben, zu erklären. wie bereits erwähnt, ging es mir "lediglich" um die aussage, die dinge sind nicht immer so wie sie scheinen. nicht immer ist das, was man MEINT zu sehen (oder zu hören), auch das, was wirklich geschieht.
deshalb ist der zeitungsartikel zur erläuterung "beigefügt".
würde ich die von euch vorgeschlagenen änderungen vornehmen, wäre die aussage der geschichte eine ganz andere und eben nicht mehr die, die mir so vorschwebte.
vielleicht hat ja jemand eine idee, wie ich meine aussage noch deutlicher herausarbeiten könnte... ich wäre dankbar. oder sollte die geschichte dann lieber doch nicht unter "spannung" stehen, sondern woanders hin verschoben werden?

danke für die kommentare
b.

 

Nein, nein,
die Aussage der Geschichte kommt wohl rüber, aber wenn die Handlungen drumherum zu irreal wirken, dann wirkt es wie eine rein fiktive Geschichte und nicht wie aus dem Leben gegriffen. Damit nimmst du der Aussage das "Dinge nicht immer so sind wie sie scheinen" die Bedeutung, dass das auch auf das reale Leben zutrifft.
Ich meinte ja nicht damit, dass der Täter mehr in den Vordergrund gerückt werden sollte. Nur sollten beiden Handlungsstränge (die Tat und Sonjas Interpretation) nachvollziehbar sein. Letzteres kann man ja schon ganz gut aus ihren Gedanken ableiten.
Ich glaube, es war gestern einfach zu spät um noch Gedanken in Worte zu fassen. Ich hoffe diesmal hat es geklappt.
Grüße,
Jack

 

ach ja... hatte ich eigentlich schon erwähnt, daß der erste teil der geschichte auf einer wahren begebenheit beruht? also, ein nackter typ, die gasmaske, abgeklebte fenster...
ich hab sogar nen zeugen... :-)

nur die zeitungsmeldung und der dazugehörige mord sind erfunden. ein freund und ich, wir haben tatsächlich die ganze zeit überlegt, was da eigentlich abgeht. naja... und mit dem mord... da ist halt mal wieder meine fantasie mit mir durchgegangen.

tja, aber was ich jetzt ändere, weiß ich noch immer nicht...

HILFEEEEEE!!!

 

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