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Augenblicke
Augenblicke
Da saßen sie vor der Kamera. Senatorin Hillary Rodham-Clinton, die ihr neuestes Buch vorstellen wollte, eine deutsche Politikerin einer sich christlich wähnenden Partei und eine Moderatorin des deutschen Fernsehens.
Des weiteren zwei Ex-Politiker, die jetzt in der freien Wirtschaft ihre Schäfchen „ins Trockene“ gebracht hatten.
Eine interessante Mischung.
Sie saßen da und verkauften Meinungen.
Unwillkürlich wurden meine Blicke auf die Augen der dort sitzenden Menschen gelenkt.
Der Blick der Senatorin war von solch einer berechnenden Eiseskälte, dass ich unwillkürlich fröstelte, wenn sie direkt in die Kamera und damit mich anschaute, ohne mich dabei sehen zu können.
Ihre Blicke standen im krassen Gegensatz zu dem, was sie den Zuschauern zu verkaufen suchte.
Am schlimmsten jedoch war es, wenn sie lächelte. Da lachten die Augen nicht mit, sondern schienen zu prüfen, während der Mund die strahlendweißen Zähne bleckte, ob das Manöver wohl erfolgreich war, oder ob es noch ein wenig mehr akustisches Blendwerk brauchte, um eine gute Presse zu bekommen.
Die Frage nach der Präsidentschaftskandidatur umschiffte sie elegant, aber auch hier verrieten ihre Augen, was in ihrem Hirn in Marmor gemeißelt zu sein schien.
„Wenn ich die erste Präsidentin der USA werden sollte, oder lieber noch, die graue Eminenz hinter einer Marionette, dann zieht euch warm an.“
Sie hatte schon einmal als First Lady an der Macht gerochen, hatte Bitternis und Süße geschmeckt und sich wohl in den einsamen Stunden geschworen nie wieder machtlos zu sein. Sicherlich hätte sie, wenn sie gekonnt hätte, ihrem Mann die Eier abgeschnitten und sie mit Arsen zubereitet dieser unseligen Praktikantin zu fressen gegeben.
Sie hätte wohl auch am liebsten ein gut bewachtes Lager für unliebsame Presseleute und das staatlich kontrollierte Fernsehen weltweit eingerichtet um „die Welt vor all dem Schmutz und den Lügen einer wildwuchernden Presse zu beschützen“
So saß sie da, In einem feuerroten Kostüm, züchtig hochgeschlossen, die Augen gnadenlos auf ihre jeweiligen Gesprächspartner geheftet, artige Antworten gebend, fast schon hätte bei jedem ihrer Sätze Kreidestaub aus ihrem Mund kommen müssen, soviel schien sie davon gefressen zu haben.
Ganz anders die Moderatorin.
Agil, aber dennoch mit sparsamen Bewegungen, alles wahrnehmend, in gedecktem Gelb mit farblich passendem Halstuch, die Augen lebendig und sehend.
Am interessantesten die andere Spitzenpolitikerin.
Alarmzeichen Nummer eins war die Farbkombination ihrer Kleidung.
Schwarz – rot.
Alarmzeichen Nummer zwei war ihr erloschener, stumpfer, fast schon Basedowscher Hundeblick mit dem sie matt der Senatorin zu begegnen suchte und an ihr abprallte wie eine Fliege an der Windschutzscheibe eines Pkw mit 120 Km/h auf der Landstrasse. Die Krönung des Ganzen war aber, dass sie ungeachtet ihres Blickes Frauenpower und Zukunftsgesäusel in die Kameras verströmte.
Ein Blinder hätte gemerkt, dass hier Politik von morgen gemacht werden sollte. Frauen können es besser... na hoffentlich...
Dies war der Auftakt zur neuen Richtung... Welche Richtung bleibt abzuwarten, aber kann es nach dem Bockmist den die Herren der Schöpfung bisher verzapft hatten wesentlich schlimmer kommen? Wir werden sehen.
Dann die Herren.
In ihren Augen konnte man Wissen vermuten.
Sie hatten zumindest schon gelernt mit ihren Augenausdrücken sorgsamer umzugehen, als es die beiden Politikerinnen taten.
Sie konnten Vertrauen ausstrahlen, wenn es um Glaubensparolen wie „Wirtschaftswachstum“ und „Zukunftssicherung“ ging und kalt bis abweisend schauen, wenn ihnen eine Frage zu weit zu gehen schien. Die Masken passten perfekt und wirkten glaubwürdig, Aber wer war hier „echt“und wer nicht?
Sie waren, auch wenn sie nicht die Hauptpersonen dieses Spektakels darstellten, wohl die Professionelleren Mitspieler dieser Runde.
Aber das sind graue Eminenzen immer.
Ich frage mich, was mir, beziehungsweise der Welt, an jenem Abend verkauft werden sollte.
Medusen schminkt man nicht.
Welchen Anfängen habe ich hier beigewohnt, ohne zu begreifen, worum und wohin es geht? Mit uns allen?
Die Presse sagte am nächsten Tage, Mrs. Rodham-Clinton habe ihren "Feldzug" im Sturm gewonnen (damit gemeint war natürlich der Verkauf ihres Buches und die Rückeroberung der Deutschen Herzen für Amerika.In den vereinigten Staaten schrieb man, sie sei eine gute Botschafterin des Friedens und der Freundschaftlichen Verständigung gewesen.Stimmt.
Ich vermag nicht zu sagen, ob meine Eindrücke der Wirklichkeit entsprechen, oder Trugbilder waren
aber ich habe diese Augen gesehen und die lassen mich seit jenem Abend nicht mehr los.