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Augen
Von Julian Stawecki
Der Wind fegte über den nächtlichen Schnee und der Mondschein beleuchtete das dunkle Zimmer von Josh. In seinem Bett drehte er sich von einer Seite zur anderen. Diese Schlaflosigkeit bringt ihn noch einmal um, durchfuhr es ihm jedes mal, wenn er Nachts mit offenen Augen die Decke anstarrte. Schließlich stand er auf und trottete in seinen Pantoffeln in die Küche. Es kam Nachts zwar manchmal vor, dass er sich in seinem großen Einfamilienhaus verlief, doch diese Nacht schaffte er den Weg im Dunkeln. Er goss sich etwas Milch in seine Tasse und ging weiter in das Wohnzimmer. Schon als kleines Kind trank er immer Milch , wenn er nicht einschlafen konnte und bisher hat es immer geholfen. Der Sessel hinterließ Striemen auf dem Teppich, als er sich ihn ans Fenster zog. Wie jedes Mal ,wenn er nicht einschlafen konnte beobachtete er den Garten seines Nachbarn. Einen so großen Garten wollte er schon immer mal haben. Nicht weit entfernt vom Gartenhaus lag ein Blumenbeet mit Rosen und Tulpen, eine Schaukel für die Kinder und in der Mitte ein großer Apfelbaum. Er ließ sich langsam in den Sessel gleiten und nahm ein Schluck aus seiner Tasse. Milch spritze plötzlich aus seinem Mund und er sprang aus dem Sessel ans Fenster. Seine Augen mussten ihn täuschen. Eine kleine dicke, schwarze Gestalt , nicht größer als ein Autoreifen, schleppte sich vom Gartenhaus aus weiter zum Apfelbaum. Es schien so, als kratzte sie etwas in die Rinde. Ihr Kopf senkte sich, umklammerte den Baum und biss in ihn. Josh stand mit offenen Mund an der Fensterscheibe und sein ganzer Körper zitterte.
“Was ist das und was macht es?“
Seine Hände klebten förmlich an der Scheibe und er versuchte sich dauernd einzureden, dass das, was er sah, nur ein harmloses Tier sei. So was hatte er noch nie gesehen. Der Kopf der Kreatur drehte sich langsam in die Richtung von Josh und die großen Augen sahen ihn an. Sie waren gelb und man konnte keinerlei Pupillen erkennen. Es schien als wollten sie ihn verschlingen. Sie waren ausdruckslos und durchbohrten Joshs’ Blick wie Speere. Er zitterte am ganzen Leib. Schweißtropfen liefen ihm über den Rücken und Tausende von Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
„Soll ich weglaufen?
Soll ich schreien?
Soll ich rausgehen und die Gestalt verscheuchen?“ (obwohl er das als letztes getan hätte)
Die Gestalt schien ihn bemerkt zu haben und ging langsam immer näher auf das Fenster von Josh zu. Er ging immer parallel ein Schritt zurück, wenn die Gestalt einen auf ihn zuging. Plötzlich blieb sie stehen und gab einen Ohrenbetäubenden Schrei von sich. Man konnte die Spitzen kleinen Zähne im Mondschein aufblitzen sehen. Noch mitten im Schrei zogen aus dem nichts Wolken auf und es fing an zu blitzen und donnern. Josh sprang in den Sessel und krümmte sich zusammen. Er sah mit zitternden Blick, wie die Gestalt schreiend über das Beet genau auf ihn zulief.
„Wie konnte so ein kleines Wesen nur so laut und schnell sein?“
Die Kreatur sprang auf und schien über den Gartenzaun zu fliegen, der die Grundstücke abgrenzte. Ein lautes Geräusch erklang und die Kreatur schlug schreiend gegen die Fensterscheibe. Josh konnte mit einem offenen Auge ihre spitzen Pik - förmigen Ohren erkennen und ihren riesigen Kopf. Sie hatte keine Nase und die Hände hatten statt Fingern lange, blutige Krallen. Das Fenster schien zu zerspringen. Josh krümmte sich in den Sessel zusammen und schloss die Augen.
„Was will diese verdammte Kreatur von mir? Was hab ich getan? Ich möchte das Nicht! NEIN!NEIN!NEIN!“
Tränen liefen ihm über die Wangen und der Sabber tropfte ihm aus den Mundwinkeln. Sein Herz schien in Tausende Stücke zu zersplittern, als er plötzlich ein Klirren hörte und aufschrack. Er riss die Augen auf und Sonnenstrahlen blendeten ihn. Schweißnass kroch er aus seinem Sessel und schaute zitternd aus dem Fenster. Es war Morgen. Sein Blick wanderte vom blauen Himmel auf den Nachbarsgarten.
„Am Baum müssen Abdrücke von den Zähnen sein!“
Er riss seine Terrassentür auf und rannte aufs Gründstück.
Nichts.
Keine Abdrücke.
Keine Fußspuren.
Rein Garnichts.
War etwa alles nur ein Traum?